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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §35Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der R A in S, vertreten durch Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 1A, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2018, W168 2182476- 1/3E, betreffend die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft in Damaskus), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 26. September 2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Darin machte sie geltend, dass ihr Ehemann (im Folgenden: Bezugsperson), der ebenfalls ein syrischer Staatsangehöriger sei, in Österreich am 24. Mai 2016 den Status eines Asylberechtigten erhalten habe. Ihre Ehe sei zunächst am 1. Jänner 2014 in Syrien traditionell geschlossen und in weiterer Folge am 22. Juni 2016 gerichtlich bewilligt und am 3. August 2016 ins syrische Zivilregister eingetragen worden.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte der Österreichischen Botschaft Damaskus mit Schreiben vom 11. Juli 2017 eine "Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005", wonach die Gewährung des Status einer Asyl- beziehungsweise subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, sowie eine - nähere Ausführungen enthaltende - Stellungnahme. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die negative Wahrscheinlichkeitsprognose im Wesentlichen damit, dass die Ehe jedenfalls erst nach der Ausreise der Bezugsperson, welche am 29. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt habe, registriert worden sei. Somit habe die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden und es handle sich bei der Revisionswerberin daher um keine Familienangehörige gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Zudem habe die Bezugsperson bei der Asylerstbefragung nicht erwähnt, dass sie verheiratet sei. 4 Mit Stellungnahmen vom 20. Juli 2017 und 1. August 2017 brachte die Revisionswerberin diesbezüglich insbesondere vor, dass die traditionelle Eheschließung am 1. Jänner 2014 in Anwesenheit der Brautleute und mehrerer Zeugen erfolgt sei. Eine Registrierung vor der Ausreise der Bezugsperson sei nicht möglich gewesen. Die Ehe sei nach syrischem Recht mit ihrer Registrierung rückwirkend ab dem Datum der religiösen Eheschließung rechtsgültig beziehungsweise staatlich anerkannt. Dabei handle es sich um einen (bloßen) Formalakt, bei dem sich die Ehepartner auch vertreten lassen könnten. Dass die Revisionswerberin in der Ersteinvernahme nicht als Ehefrau aufscheine, müsse auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen sein.
5 Nach ergänzender Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14. August 2017, wonach dieses an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festhalte, wies die Österreichische Botschaft Damaskus den Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung eines Einreisetitels mit Bescheid vom 17. August 2017 ab.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Österreichische Botschaft Damaskus mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Dezember 2017 ab und begründete dies damit, dass die österreichischen Vertretungsbehörden an die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gebunden seien und die Österreichische Botschaft darüber hinaus die Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl teile, dass die Revisionswerberin die Familienangehörigeneigenschaf t im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht erfülle. 7 Nach rechtzeitiger Erhebung eines Vorlageantrages wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. September 2018 als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
8 In dieser Entscheidung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Nachweis des Bestehens einer Ehe zwischen der Revisionswerberin und der Bezugsperson vor der Ausreise derselben nicht habe erbracht werden können. In den rechtlichen Erwägungen führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Verweis auf Verständigungsprobleme nicht ausreiche, um die offensichtlichen Widersprüche in den Einvernahmen der Bezugsperson zu widerlegen. Sämtliche Urkunden seien erst ausgestellt worden, als sich die Bezugsperson bereits in Österreich befunden habe. Keiner der Eheleute sei bei der nachträglichen Registrierung persönlich vor Ort gewesen. Eine solche Ehe könne in Österreich keinen Rechtsbestand haben. Aufgrund der nachweislich vor der Registrierung erfolgten Ausreise der Bezugsperson habe die Ehe somit nicht vor der Ausreise der Bezugsperson bestanden. Das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sei aus dem Vorbringen sowie dem Akteninhalt nicht ableitbar.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass das Bundesverwaltungsgericht in Abgehen von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Unrecht das Zustandekommen einer gültigen Ehe verneint habe. Feststellungen dazu, ob die Ehe sämtliche im staatlichen syrischen Recht geregelte Formvorschriften erfülle und ob die staatliche Anerkennung mit ihrer nachfolgenden Registrierung ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung wirke, seien nicht getroffen werden. Darüber hinaus seien eigene Ermittlungen der Behörde, ob die vor Zeugen "angeführte Eheschließung" am 1. Jänner 2014 in Form eines Ehevertrages geschlossen worden sei, unterblieben.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
12 Mit der Frage der rückwirkenden Gültigkeit einer
traditionellen syrischen Eheschließung und ihrer nachfolgende Registrierung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem - auch in der Revision zitierten - Erkenntnis vom 25. Oktober 2018, Ra 2017/20/0513 bis 0514, mit Hinweisen auf die bisherige Judikatur (vgl. auch VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094) bereits auseinandergesetzt; auf dessen Entscheidungsgründe wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Die Beurteilung des BVwG, eine derartige Ehe könne grundsätzlich in Österreich keinen Rechtsbestand haben, erweist sich somit als rechtlich unzutreffend.
13 Aus der - disloziert in der rechtlichen Beurteilung - vorgenommenen Beweiswürdigung des BVwG geht allerdings nicht eindeutig hervor, ob das BVwG die Beurteilung, die Ehe habe nicht vor der Ausreise der Bezugsperson bestanden, deshalb vornimmt, weil es das Zustandekommen einer Ehe unabhängig vom Zeitpunkt der Eheschließung grundsätzlich als unglaubwürdig ansieht, oder ob es nur den Zeitpunkt der Eheschließung vor dem Schariagericht mit 1. Jänner 2014 anzweifelt oder weil es der Ansicht ist, eine vor einem religiösen Gericht geschlossene und erst nachträglich registrierte Ehe könne generell keine für Zwecke des Familienverfahrens rechtsgültige Ehe begründen.
14 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, dass die Begründung der Entscheidung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben, erfordert (vgl. VwGH 23.5.2018, Ra 2018/22/0027, mwN).
15 Dem Verwaltungsgerichtshof ist es nach dem Gesagten nicht möglich, die angefochtene Entscheidung in der vom Gesetz geforderten Weise einer nachprüfenden Kontrolle zu unterziehen (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0059 bis 0060, mwN). 16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190379.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020