TE Vwgh Beschluss 2019/9/25 Ra 2019/19/0358

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Veröffentlicht am 25.09.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des L S, vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in 6971 Hard, In der Wirke 3/13, gegen das am 29. November 2018 mündlich verkündete und mit 25. April 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, I409 2128141-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Gambias, stellte am 2. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er werde vom gambischen Geheimdienst gesucht. Einer seiner Freunde sei Anführer eines Putschversuches in Gambia gewesen. Der Revisionswerber werde verdächtigt, diesem Freund geholfen zu haben.

2 Mit Bescheid vom 27. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2171/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175, mwN).

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG habe es unterlassen, eigene Recherchen zur Gefahrenlage in Gambia anzustellen und in weiterer Folge in der Begründung darauf Bedacht zu nehmen. Das BVwG habe das Ermittlungsverfahren somit einseitig gestaltet, obschon der Revisionswerber seine Fluchtgründe während aller Einvernahmen gleichlautend geschildert habe. Mit den für den Revisionswerber günstigen Sachverhaltsmomenten habe sich die Behörde, wenn überhaupt, nur teilweise und in nicht nachvollziehbarer Weise beschäftigt. Jeder habe das Recht, nicht in ein Land abgeschoben zu werden, in dem ihm Folter, menschenunwürdige Behandlung oder der Tod drohe. Somit sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Revisionswerber im Falle einer Rückkehr nach Gambia in eine ausweglose Situation geraten könne und Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu erleiden.

10 Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision auf die Unterlassung eigener Recherchen zur Gefahrenlage in Gambia abzielt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - unter Heranziehung von Länderberichten beweiswürdigend mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt hat. Dabei ist das BVwG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Überdies stellte es unter Bezugnahme auf die einschlägige Berichtslage auf die mangelnde Aktualität der Verfolgung ab, zumal der besagte Präsident Yahya Jammeh bei den Präsidentschaftswahlen in Gambia am 1. Dezember 2016 abgewählt worden sei. Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht, eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung aufzuzeigen (vgl. zur eingeschränkten Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

11 Insofern sich die Revision gegen die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz wendet und in dem Zusammenhang Begründungsmängel in Bezug auf die Prüfung einer Verletzung des Art. 3 EMRK rügt, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2018/14/0418, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof erkannt in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 18.7.2019, Ra 2019/19/0197; 29.4.2019, Ra 2019/01/0142, mwN). Mit der pauschalen Behauptung, der Revisionswerber könnte im Falle einer Rückkehr nach Gambia in eine ausweglose Situation geraten und Gefahr laufen, eine Verletzung durch seine Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu erleiden, gelingt es der Revision fallbezogen nicht, derartige Umstände darzulegen und damit eine Relevanz des Verfahrensfehlers aufzuzeigen. 13 Soweit sich die Revision schließlich gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK richtet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2018/19/0615, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG fallbezogen vorgenommenen Interessenabwägung zeigt die Revision jedoch nicht auf. 14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190358.L00

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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