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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2019, Zl. W233 2181270-1/9E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: J M, in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15), zu Recht erkannt:
Spruch
Das Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, sohin hinsichtlich seines Spruchpunktes A)1., wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, der im Iran geboren und aufgewachsen ist, reiste gemeinsam mit seinem Sohn und der Kindesmutter nach Österreich ein und stellte gemeinsam mit diesen am 18. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Jahr 2017 wurde in Österreich die gemeinsame Tochter geboren.
2 Als Fluchtgrund brachte der Mitbeteiligte vor, sein Vater sei drogenabhängig, habe mit Drogen gehandelt und seine Familie misshandelt. Auf Grund einer Anzeige durch seine Familie sei der Vater des Mitbeteiligten schließlich inhaftiert worden, weswegen der Mitbeteiligte und seine Familie nunmehr verfolgt würden. 3 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18. November 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Betreffend die beiden Kinder des Mitbeteiligten und deren Mutter ergingen gleichlautende Entscheidungen.
In seinen Feststellungen hielt das BFA ausdrücklich fest, dass der Mitbeteiligte und die Mutter seiner Kinder nicht verheiratet seien. Der Mitbeteiligte sei nicht standesamtlich verheiratet, er habe die "moslemische Eheschließung" nur behauptet, jedoch nicht darlegen können, dass er verheiratet sei. Zwar sei das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft einzustufen, unter Berücksichtigung der individuellen und persönlichen Lebensumstände und dem Aspekt, dass weder der Mitbeteiligte noch die Kindsmutter über soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügen würden, bestehe aber die Gefahr, dass sie bei einer Rückkehr in eine wirtschaftliche oder humanitäre Notlage geraten könnten, weshalb subsidiärer Schutz zu gewähren sei.
4 Den dagegen erhobenen Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. Februar 2019 Folge und erkannte dem Mitbeteiligten (Spruchpunkt A)1.), seinen Kindern (Spruchpunkte A)3. und A)4.) und deren Mutter (Spruchpunkt A)2.) den Status von Asylberechtigten zu. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.
Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass zwar das Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten nicht glaubhaft gewesen sei, die Mutter seiner Kinder jedoch zwischenzeitlich eine "westliche Orientierung" angenommen habe. Sie laufe bei einer Rückkehr somit Gefahr, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt zu werden. Der Mitbeteiligte sei ihr Ehemann und lebe mit ihr und den gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Er sei somit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG 2005 Familienangehöriger einer Fremden, der der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Hinweise darauf, dass die Ehe nicht bereits vor der Einreise bestanden hätte, seien im Verfahren nicht hervorgekommen.
5 Das BFA erhob gegen Spruchpunkt A)1. dieses Erkenntnisses Amtsrevision.
6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt wird.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Anforderungen an die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sowie von der Rechtsprechung betreffend die Beurteilung der Gültigkeit einer Ehe abgewichen.
9 Die Revision ist zulässig und auch begründet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 VG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0391, bezüglich einer fehlenden Beweiswürdigung etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203; 21.5.2019, Ra 2019/19/0069, jeweils mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Erwägungen zur Beweiswürdigung nur dann kurz ausfallen, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen der Behauptungen und Aussagen einer Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen hingegen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann.
Das gilt auch dann, wenn das Verwaltungsgericht von der Entscheidung der Behörde abweichen will. In diesem Fall muss das Verwaltungsgericht auf die beweiswürdigenden Argumente der Behörde eingehen und nachvollziehbar begründen, weshalb es zu einer anderen Entscheidung kommt (vgl. zu alldem VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203, mwN).
12 Diesen Anforderungen wird im vorliegenden Fall nicht entsprochen:
Im angefochtenen Erkenntnis finden sich in Zusammenhang mit der Feststellung, wonach der Mitbeteiligte entgegen der Auffassung des BFA der Ehemann der Mutter seiner Kinder sei, keinerlei beweiswürdigende Erwägungen. Auf der Feststellung der Eigenschaft als Ehepartner basiert jedoch die - von der Kindsmutter abgeleitete - Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, weshalb dem Verfahrensmangel die Relevanz nicht abgesprochen werden kann. Mangels Offenlegung der Beweiswürdigung ist eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof in Hinblick auf das Bestehen einer Ehe und in der Folge der Rechtmäßigkeit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht möglich. 13 Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am 25. September 2019
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190149.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020