Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993 §26;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S B in Wien, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Februar 1994, Zl. Fr 206/94, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 4. Juli 1988 war gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 3 und 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Februar 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. April 1993 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Erstbehörde habe die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes neuerlich straffällig geworden und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. November 1991 wegen § 127 StGB (Diebstahl) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden wäre. Es bestünde daher seitens des Beschwerdeführers eine latente sozialschädliche Neigung zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsgüter Vermögen und Eigentum.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verheiratet gewesen sei und mit seiner Gattin und dem gemeinsamen Kind in Wien gelebt habe. Hinsichtlich seiner familiären Situation sei keine Änderung eingetreten. Dem Beschwerdeführer, der sich seit 1986 im Bundesgebiet aufhalte und hier mit saisonalen Unterbrechungen einer Beschäftigung nachgegangen sei, seien nach seiner Entlassung aus der Schubhaft im Juli 1988 von der Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 6 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 1954 jeweils Vollstreckungsaufschübe erteilt worden. Der letzte Vollstreckungsaufschub sei am 25. Juni 1991 bis 30. Juni 1992 erteilt worden. Mit Bescheid vom 16. November 1992 habe die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 17. Juni 1992 auf Erteilung eines Vollstreckungsaufschubes mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 15. November 1991 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem sei er vom Gendarmerieposten Nickelsdorf am 30. Juli 1992 wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt zur Anzeige gebracht worden. Der Beschwerdeführer sei am 27. Juli 1992 beim Gendarmerieposten Nickelsdorf niederschriftlich einvernommen worden und habe angegeben, daß er am 23. Juli 1992 mit seiner Familie nach Jugoslawien gefahren wäre. Infolge des abgelaufenen Sichtvermerkes hätte ein Onkel die Gültigkeit dieses Sichtvermerkes vom 6. Mai 1992 auf 6. Mai 1993 ausgebessert. Der Beschwerdeführer sei noch am gleichen Tag durch Organe der Grenzkontrolle Nickelsdorf nach Ungarn zurückgeschoben worden. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle sei der Beschwerdeführer am 18. April 1993 in einem Hotel in Wien 5 angetroffen und wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet vorübergehend festgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe in dem Hotel seit sieben Monaten als Kellner gearbeitet.
Nach Ansicht der belangten Behörde seien nicht nur die Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht weggefallen, sondern habe der Beschwerdeführer durch sein neuerliches Fehlverhalten nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes Tatbestände gesetzt (rechtskräftige Verurteilung gemäß § 127 StGB, versuchte Einreise mit verfälschtem Sichtvermerk, mehrmonatiger rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet), die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigten, zumal triftige Gründe gegeben seien, die in ihrer Gesamtheit die Annahme rechtfertigten, daß durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre.
Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit lasse jedenfalls für die Behörde den Schluß auf eine besonders sozialschädliche Neigung zur Mißachtung österreichischer Rechtsvorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen im Interesse eines geordneten Zusammenlebens zu.
Die belangte Behörde verkenne nicht, daß die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes zu einer erheblichen Beeinträchtigung des "Familienzusammenlebens" führe. Die Beibehaltung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründe (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen) notwendig und es würden durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die maßgebenden öffentlichen Interessen erheblich mehr beeinträchtigt "als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie". Zum Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer müsse sich zweimal pro Woche einer Dialysebehandlung unterziehen, führte die belangte Behörde weiters aus, daß eine Heilbehandlung auch außerhalb des Bundesgebietes möglich sei. Schließlich könne der Beschwerdeführer aufgrund seiner beruflichen Qualifikation auch außerhalb des Bundesgebietes den ihm obliegenden Unterhaltspflichten nachkommen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 95/18/1309).
2. Der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde, daß an den für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer maßgebenden Umständen zugunsten des Beschwerdeführers keine Änderung eingetreten sei, daß vielmehr der Beschwerdeführer neuerlich Tatbestände gesetzt habe, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigten, vermag die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzusetzten.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat die das in Rede stehende Aufenthaltsverbot erlassende Behörde die in der Beschwerde ins Treffen geführten familiären und privaten Interessen (Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1986, Berufstätigkeit, aufrechte Familiengemeinschaft mit Gattin und Sohn) bereits bei der nach § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, gebotenen Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt.
Demgegenüber wurde der Beschwerdeführer nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur neuerlich gerichtlich verurteilt, sondern er hat auch - unbestrittenermaßen - versucht, mit einem verfälschten Sichtvermerk in das Bundesgebiet einzureisen. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer - ebenfalls unbestritten - im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 18. April 1993 in einem Hotel in Wien angetroffen worden ist und angegeben hat, in dem Hotel seit sieben Monaten als Kellner gearbeitet zu haben, ist überdies ersichtlich, daß er trotz des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes wieder in das Bundesgebiet eingereist ist. Er hat somit nicht nur das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, sondern auch jenes an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens in erheblicher Weise beeinträchtigt.
Die für den Zeitpunkt der hier angefochtenen Entscheidung zu beurteilende Interessenlage hat sich somit aufgrund des weiteren Fehlverhaltens des Beschwerdeführers nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erheblich zu dessen Ungunsten verschoben.
Das über das Berufungsvorbringen der zweimal wöchentlich erforderlichen Dialysebehandlung hinausgehende Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei im August 1993 operiert worden, und es sei ihm aufgrund eines Tumors eine Niere entfernt worden, weshalb er sich seit dieser Zeit zumindest drei bis viermal wöchentlich in ständiger Dialysebehandlung befinde und aufgrund dieser Operation einer ständigen Betreuung bedürfe, ist zufolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltendenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) unbeachtlich.
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994180203.X00Im RIS seit
20.11.2000