TE Vwgh Beschluss 2019/9/25 Ra 2018/19/0585

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Veröffentlicht am 25.09.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des C O, vertreten durch Mag. Gabriel Goess, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 7/3. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2018, Zl. I407 1243434- 3/6E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 22. Februar 2017 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 24. Mai 2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurück und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. In der Begründung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber an einer HIV-Infektion leide, diese jedoch im Herkunftsstaat ausreichend behandelbar sei. Letztlich gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Falle einer Rückkehr die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten würde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe es in Hinblick auf die Beurteilung einer für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat bestehenden realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK verabsäumt, nachvollziehbare Feststellungen über die Art der beim Revisionswerber gegebenen HIV-Erkrankung und die zu erwartenden Auswirkungen einer Abschiebung auf dessen Gesundheitszustand zu treffen. Insbesondere habe es keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob dem Revisionswerber der Zugang zu notwendiger medizinischer Behandlung im Herkunftsstaat tatsächlich, und nicht nur grundsätzlich, möglich wäre. Ebenso habe es verabsäumt, konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage der im Herkunftsstaat gegebenen Stigmatisierung von HIV-Patienten und der von diesen zu gewärtigenden Verfolgung auf Grundlage des Vorwurfs der Homosexualität zu treffen.

8 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0484).

9 Dieser Anforderung wird die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, es fehlten die erforderlichen Feststellungen in Bezug auf die gesundheitliche Situation, nicht gerecht. Sie führt nicht aus, welche konkreten Feststellungen vom Bundesverwaltungsgericht zu treffen gewesen wären, die im Hinblick auf die Beurteilung des Vorliegens exzeptioneller Umstände im Sinne des Art. 3 EMRK zu einem anders lautenden Ergebnis hätten führen können. Solches ergibt sich auch nicht aus dem dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verfahrensakt.

10 Zur Berücksichtigung und zum Stellenwert einer HIV-Infektion hat der EGMR im Urteil der großen Kammer vom 27. Mai 2008 (N. gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 26565/05, NL 2008, 148) grundlegende Aussagen getroffen. Diesem Fall lag eine Ausweisung gegen eine Staatsbürgerin von Uganda zugrunde, bei der eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde. Der EGMR legte dar, dass die deutliche Herabsetzung der Lebenserwartung im Fall der Ausweisung für sich genommen nicht ausreiche, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu begründen. Nur in einem sehr außergewöhnlichen Fall könne die Entscheidung, einen an einer schweren körperlichen Krankheit leidenden Fremden in ein Land abzuschieben, wo die Einrichtungen zur Behandlung dieser Krankheit den im Konventionsstaat verfügbaren unterlegen seien, ein Problem aufwerfen. Im Fall D gegen Großbritannien (Urteil vom 2. Mai 1997) hätten die sehr außergewöhnlichen Umstände darin bestanden, dass der Beschwerdeführer todkrank gewesen sei und er im Heimatland keine Familie gehabt habe, die ihn hätte pflegen können. Der EGMR halte es für geboten, die in der Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Ein Vertragsstaat sei nicht verpflichtet, Ungleichheiten im Niveau der Behandlungen im Konventionsstaat und Herkunftsstaat durch die Gewährung von kostenloser und unbeschränkter Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrechte in seinem Gebiet zu mildern. Auf Grund der medizinischen Behandlung der Beschwerdeführerin sei ihr Zustand nun stabil. Sie sei reisetauglich und werde so lange gesund bleiben, wie sie die benötigte Grundversorgung erhalte. Ihr Zustand würde sich jedoch rasch verschlechtern und sie Krankheit, Schmerzen und einen baldigen Tod erleiden, wenn sie die momentane Therapie nicht mehr erhalte. Nach Informationen der WHO seien antiretrovirale Medikamentationen in Uganda erhältlich, auch wenn wegen mangelnder Ressourcen nur die Hälfte jener Personen, die sie benötigten, in den Genuss dieser Behandlung kämen. Die Beschwerdeführerin behaupte, sie könne sich die Behandlung nicht leisten und diese wäre in der ländlichen Gegend, aus der sie stamme, gar nicht erhältlich. Es scheine, dass sie Familienmitglieder in Uganda habe. Der EGMR anerkenne, dass die Lebensqualität der Beschwerdeführerin und ihre Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung nach Uganda beeinträchtigt würden. Sie sei im Moment jedoch nicht todkrank. Nach Ansicht des EGMR weise der Fall keine sehr außergewöhnlichen Umstände auf (siehe dazu weiters VwGH 13.9.2011, 2010/22/0003).

11 Ausgehend von dieser Rechtsprechung wird keine Unvertretbarkeit der rechtlichen Beurteilung des BVwG aufgezeigt. Eine über den sich möglicherweise durch die Abschiebung verschlechternden Gesundheitszustand des Revisionswerbers hinausgehende drohende Verletzung von Art. 3 EMRK bringt die Revision - im Gegensatz zu der zu Ra 2019/19/0378 entschiedenen Revision seiner Ehefrau, bei der sich aus dem Akteninhalt ein besonders schlechter Immunstatus ergibt - in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht vor.

12 Insoweit die Revision rügt, das BVwG habe keine Feststellungen zu dem Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich einer drohenden Verfolgung wegen der Assoziation seiner HIV-Erkrankung mit Homosexualität getroffen, gelingt es ihr auch hier nicht, die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun. Sie zeigt nicht auf, aus welchen Länderfeststellungen eine drohende Verfolgung HIV-Erkrankter in Nigeria aufgrund unterstellter Homosexualität abzuleiten wäre. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte, die Gesellschaft in Nigeria sehe HIV als Bestrafung für gleichgeschlechtliche Aktivitäten und unmoralisches Verhalten an, lassen keine ausreichenden Schlüsse darauf zu, dass HIV-infizierten Personen konkret Homosexualität unterstellt werde und ihnen deshalb asylrelevante Verfolgung drohe.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190585.L01

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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