TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/15 96/18/0162

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389;
FlKonv Art33;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der H K in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Oktober 1995, Zl. SD 1273/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Erstbehörde habe ihren Bescheid auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützt, wonach Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden könnten, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des FrG oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist seien und binnen einem Monat betreten würden.

Die Beschwerdeführerin gebe an, daß sie keinesfalls unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist wäre; sie wäre mit der Bahn "ganz normal" eingereist, ihr Reisepaß wäre dabei nicht kontrolliert worden.

Dieses Vorbringen decke sich mit den Feststellungen der Erstbehörde. Letztere sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beschwerdeführerin nicht kontrolliert worden sei. Sie habe weiters festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht im Besitz eines gültigen Dokumentes gewesen sei. Die Gültigkeit ihres Reisepasses sei am 15. Februar 1992 abgelaufen; dies habe die Beschwerdeführerin unbestritten gelassen. Die Einreise ohne gültigen Reisepaß und damit auch ohne Sichtvermerk sei den Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes (in Verbindung mit dem Sichtvermerksabkommen) zuwidergelaufen. Die genannte gesetzliche Regelung sei daher von der Erstbehörde zu Recht herangezogen worden.

Die Beschwerdeführerin behaupte, daß die Erstbehörde in ihrem Fall § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG rechtsirrtümlich angewandt hätte, weil sich die Beschwerdeführerin nach ihrer Ankunft sofort aus eigenem Antrieb bei einer österreichischen Behörde gemeldet hätte und daher nicht "betreten" worden wäre. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde aber auch "betreten", wer sich aus eigenem Antrieb bei der Behörde melde. Die Erstbehörde habe daher zu Recht die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin innerhalb eines Monates betreten worden wäre.

Wenn die Beschwerdeführerin meine, daß die Behörde verpflichtet wäre, auch ihre Unterhaltsmittel zu prüfen - sie gebe nämlich an, daß sowohl ihr Unterhalt als auch ihre Unterkunft gesichert wären -, gehe dieser Einwand völlig ins Leere. Bei Anwendung der Bestimmung des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG sei die Frage des Unterhaltes unmaßgeblich.

Wenn die Beschwerdeführerin einen Antrag auf "Durchsetzungsaufschub" gemäß § 22 FrG und einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 FrG gleichzeitig mit der Berufung eingebracht habe, werde festgestellt, daß über diese Anträge die Erstbehörde zu entscheiden habe.

Die belangte Behörde habe auch nicht die Kriterien nach § 19 FrG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zu berücksichtigen, weil im Grunde des § 19 FrG nur eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG oder ein Aufenthaltsverbot an den "Schutzzielen" des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu messen sei. Auf die entsprechenden Beweisanträge der Beschwerdeführerin sei daher nicht näher einzugehen gewesen.

Die Ausweisung enthalte lediglich die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, Österreich zu verlassen. Sie könne jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen wieder nach Österreich einreisen.

Die belangte Behörde habe weder eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens noch eine Aktenwidrigkeit und schon gar nicht eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Erstbescheides feststellen können. Unrichtig sei auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß durch die Erstbehörde zu Unrecht die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Die Erstbehörde habe nur auf § 17 Abs. 3 FrG verwiesen; die Beschwerdeführerin habe kraft Gesetzes unverzüglich auszureisen.

2. Gegen diesen Beschied richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde räumt ein, daß die Beschwerdeführerin - wie dies im angefochtenen Bescheid festgestellt wird - bei ihrer Einreise nach Österreich über keinen gültigen Reisepaß verfügt habe. Von daher besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin unter Umgehung des 2. Teiles des FrG nach Österreich eingereist sei, kein Einwand. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß dies durch ihre Notsituation - im Sinn eines entschuldigenden Notstandes gemäß § 6 VStG - entschuldigt und ihr daher nicht vorwerfbar sei, ist entgegenzuhalten, daß eine Ausweisung keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 94/18/0464, mwH), weshalb vorliegend die genannte verwaltungsstrafrechtliche Bestimmung nicht zur Anwendung kommt.

2. Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, daß sie - da sie sich nach ihrer Einreise am 20. August 1995 selbst am 29. August 1995 beim Magistrat der Stadt Wien ("MA 12/Bosnienhilfe") gestellt habe - nicht gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG "betreten" worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099 - das auch die Beschwerde zitiert - klargestellt, daß ein Einwand dieses Inhaltes nicht zielführend ist; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf diese Entscheidung verwiesen.

3. Wenn die belangte Behörde das ihr von § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG eingeräumte Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführerin gehandhabt hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, bewirkte doch das Verhalten der Beschwerdeführerin in Ansehung des hohen Stellenwertes, der dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. November 1997, Zl. 97/18/0373, mwH), keinesfalls eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 95/18/1126), zumal sich die Beschwerdeführerin - was die Beschwerde (erkennbar) einräumt - auch nicht der Grenzkontrolle im Sinn der nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, gestellt hat (vgl. zu dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/18/0582, mwH) und somit aus dieser Verordnung keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich abzuleiten vermag. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe in Ansehung des ihr von § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG eingeräumten Ermessens den Sachverhalt nicht hinlänglich ermittelt und den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.

4. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0513 - klargestellt, daß -- entgegen der Beschwerde - Art. 33 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, einer Ausweisung wie der vorliegenden nicht entgegensteht; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf diese Entscheidung verwiesen. Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorbringen, die belangte Behörde wäre in Ansehung des Art. 33 der genannten Konvention nicht zur Erlassung des vorliegenden Bescheides zuständig gewesen, nicht zielführend.

5. Mit dem Hinweis, der angefochtene Bescheid sei nicht "EU-konform", ist für die Beschwerde nichts gewonnen, kann sich doch die Beschwerdeführerin - der keine Unionsbürgerschaft gemäß Art. 8 EGV zukommt - vorliegend nicht auf im Rahmen der Europäischen Union erlassenes Recht berufen.

6. Mit dem Vorbringen betreffend ihr Heimatland verkennt die Beschwerdeführerin schließlich, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat und daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 5. März 1998, Zl. 96/18/0036).

7. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996180162.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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