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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §13 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Vöck labruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Oktober 2018, Zl. LVwG-602711/2/SE, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: N K in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Strafverfügung vom 25. Juli 2018 legte die revisionswerbende Partei dem Mitbeteiligten zur Last, er habe am 21. Juli 2018 um 11.02 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle auf der A1 Westautobahn mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 55 km/h überschritten. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 20 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb die revisionswerbende Partei gemäß § 99 Abs. 2e StVO über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 360,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) verhängte.
2 Diese Strafverfügung wurde dem Mitbeteiligten nachweislich am Freitag, dem 27. Juli 2018 zugestellt.
3 Der dagegen gerichtete Einspruch des Mitbeteiligten langte am Freitag, dem 10. August 2018 um 15.25 Uhr mittels Telefax bei der revisionswerbenden Partei ein.
4 Zu diesem Zeitpunkt war auf der Homepage der revisionswerbenden Partei eine Bekanntmachung abrufbar, mit der die Dauer der Amtsstunden - unter anderem - an Freitagen mit 7.00 bis 13.00 Uhr festgelegt wurde. Des Weiteren war dieser Bekanntmachung der Hinweis zu entnehmen, dass Empfangsgeräte für Telefax und E-Mail zwar auch außerhalb der Amtsstunden empfangsbereit gehalten, jedoch nur während der Amtsstunden betreut würden. Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet würden, könnten daher nicht entgegengenommen werden und gälten erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt).
5 Mit Bescheid vom 14. August 2018 wies die revisionswerbende Partei den Einspruch gemäß § 49 Abs. 1 und 3 VStG als verspätet zurück. In der Begründung verwies sie auf die genannte Bekanntmachung. Die Übermittlung des Einspruchs sei außerhalb der Amtsstunden erfolgt, weshalb dieser mit 13. August 2018 als eingebracht gelte und deshalb die Strafverfügung vom 25. Juli 2018 wegen Ablaufs der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen sei. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt und hob den Bescheid auf. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
7 Begründend führte es aus, gemäß § 49 Abs. 1 VStG könne gegen eine Strafverfügung binnen zweier Wochen nach deren Zustellung Einspruch erhoben werden. Die vorliegende Strafverfügung sei dem Mitbeteiligten nachweislich durch Ersatzzustellung am 27. Juli 2018 zugestellt worden. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG endeten nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspreche, an dem die Frist begonnen habe. Zur Wahrung der Rechtsmittelfrist genüge es, dass dieses innerhalb der Frist an die zuständige Stelle zur Post gegeben werde und die Eingabe bei der Behörde (überhaupt) einlange (Hinweis auf VwGH 28.7.2006, 2004/08/0045). Beginn der Frist sei hier konkret Freitag, 27. Juli 2018. Das Fristende ergebe sich daher mit Ablauf des Freitag, 10. August 2018. Der Mitbeteiligte habe nachweislich am 10. August 2018 den Einspruch mittels Telefax an die zuständige Behörde abgesendet. Maßgeblich sei hier somit der Zeitpunkt der Absendung des Rechtsmittels an die revisionswerbende Partei als zuständige Behörde und nicht der Zeitpunkt des Einlangens dort. Der Zeitpunkt des Einlangens wäre für den Fall der Adressierung an eine unzuständige Behörde maßgeblich. Der Einspruch sei daher fristgerecht eingebracht worden.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
9 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er u.a. die Zurückweisung der Revision wegen Verspätung bzw. Unzulässigkeit beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Verwaltungsübertretungen gemäß § 99 Abs. 2e StVO sind mit einer Geldstrafe von EUR 150,-- bis EUR 2.180,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, weshalb die Voraussetzungen des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG nicht erfüllt sind. Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass nach der hg. Rechtsprechung die "Bagatellgrenze" des § 25a Abs. 4 VwGG nicht auch Amtsrevisionen erfasst, sodass eine Amtsrevision zur Sicherung der Einheit und Gesetzmäßigkeit der Vollziehung unabhängig von der Höhe der verhängten Strafe und des Strafrahmens möglich ist (vgl. VwGH 29.7.2019, Ra 2019/02/0072, mwN). Die vorliegende Amtsrevision ist daher - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - nicht schon von vornherein absolut unzulässig.
11 Sie ist aber auch rechtzeitig:
12 Nach den vorliegenden Verwaltungsakten, die mit dem Vorbringen in der Amtsrevision in Einklang stehen, wurde das angefochtene Erkenntnis der revisionswerbenden Partei am 5. November 2018 zugestellt (Stempel sowie Unterschrift mit handschriftlichem Datum auf der Zustellverfügung des LVwG; übereinstimmender Stempel auf der der Amtspartei übermittelten und dem Verwaltungsgerichtshof mit der Amtsrevision vorgelegten Ausfertigung des Erkenntnisses).
13 Anders als der Revisionswerber vorbringt, kann aus der allfälligen Kenntnis eines Mitarbeiters der mitbeteiligten Partei vom Inhalt der Entscheidung des LVwG nicht darauf geschlossen werden, das Erkenntnis sei bereits vor dem Tag des Einlaufstempels bei der revisionswerbenden Partei eingelangt und damit zugestellt worden:
14 Die bloß durch eine Partei des Verwaltungsverfahrens vermittelte tatsächliche Kenntnis vom Inhalt eines zuzustellenden Schriftstückes könnte keine Zustellung ersetzen (VwGH 28.3.2014, Ro 2014/02/0059).
15 Dass die Posteingangsstempel manipuliert worden wären, wird vom Mitbeteiligten nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich (zur Beweiskraft von Behördenstempeln auf Zustellnachweisen vgl. VwGH 22.2.2007, 2002/11/0057). 16 Ausgehend von einem Zustelldatum am 5. November 2018 erweist sich die am 6. Dezember 2018 eingebrachte Revision als rechtzeitig.
17 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das LVwG gehe davon aus, das Postlaufprivileg gemäß § 33 Abs. 3 AVG gelte auch für per Telefax eingebrachte Rechtsmittel, weswegen für die Berechnung des Fristenlaufs der Zeitpunkt der Absendung (und nicht des Einlangens) des Telefaxes maßgeblich sei. Diese Rechtsauffassung weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
18 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig und - im Ergebnis - als berechtigt.
19 Nach § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.
20 Nach § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.
21 Mit der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 wurde die (im Jahr 1998 eingeführte) gesetzliche Fiktion betreffend die Rechtzeitigkeit bestimmter außerhalb der Amtsstunden einlangender Anbringen ersatzlos beseitigt (vgl. ErläutRV 294 BlgNR 23. GP 10). Damit gilt ein Anbringen noch am selben Tag und damit als rechtzeitig eingebracht, wenn die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält und das Anbringen nach dem Ende der Amtsstunden (aber noch am letzten Tag einer allfälligen Frist) bei ihr einlangt. Entscheidend ist allerdings, ob die Behörde von der ihr nach § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden mit der Wirkung bekundet, dass sie auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt - mit Wiederbeginn der Amtsstunden - als eingebracht und eingelangt gelten (VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276; 26.9.2017, Ra 2017/04/0086, jeweils mwN). Unter schriftlichen Anbringen im elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten im Sinn des § 13 Abs. 2 AVG sind auch mittels Telefax übermittelte Anbringen zu verstehen (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/04/0174, mwN). 22 Die Kundmachung auf der Homepage der revisionswerbenden Partei stellt eine solche organisatorische Beschränkung im Sinn des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG dar, weil deren Formulierung die mangelnde Bereitschaft der revisionswerbenden Partei zur Entgegennahme von mittels Telefax außerhalb der Amtsstunden übermittelten schriftlichen Anbringen zweifelsfrei zum Ausdruck bringt. Dies hat die Wirkung, dass derartige Anbringen - auch wenn sie bereits in den elektronischen Verfügungsbereich der revisionswerbenden Partei gelangt sind - erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt gelten.
23 Vor diesem Hintergrund gilt der unbestritten am letzten Tag der Einspruchsfrist (10. August 2018) um 15.25 Uhr - und somit außerhalb der an diesem Tag kundgemachten Amtsstunden - mittels Telefax im elektronischen Verfügungsbereich der revisionswerbenden Partei eingelangte Einspruch des Mitbeteiligten erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden des 13. August 2018 als eingebracht. Die revisionswerbende Partei hat den nach Ablauf der Einspruchsfrist eingebrachten Einspruch daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
24 Die vom LVwG der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zu Grunde gelegte - im Übrigen vor der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 ergangene - hg. Entscheidung vom 28. Juli 2006, 2004/08/0045, ist demgegenüber nicht geeignet, zur Lösung des vorliegenden Falls beizutragen, gilt doch das darin angesprochene Postlaufprivileg des § 33 Abs. 3 AVG für Anbringen, die einem Zustelldienst zur Übermittlung übergeben werden, nicht für die elektronische Übermittlung von schriftlichen Anbringen (vgl. VwGH 31.3.2016, Ra 2016/07/0021; 20.10.2015, Ra 2015/05/0058; 26.2.2015, Ra 2014/22/0092, jeweils mwN). 25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 27. September 2019
Schlagworte
AllgemeinBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020008.L00Im RIS seit
25.10.2019Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019