TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/15 98/06/0083

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauG Vlbg 1972 §25;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art130 Abs2;
RPG Vlbg 1996 §11;
RPG Vlbg 1996 §2;
RPG Vlbg 1996 §35 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Gemeinde D, vertreten durch D, E und C, Rechtsanwälte in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 16. April 1998, Zl. I-5/3/Da/98, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: W in D, vertreten durch D und G, Rechtsanwälte in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 1. August 1996, eingelangt bei der beschwerdeführenden Gemeinde am 9. August 1996, beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für ein Wohnhaus mit angeschlossener Garage. Das Wohnhaus sollte mit einem Pultdach mit einer Neigung von ca. 3 Grad ausgestattet werden. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 25. September 1996 wurde das Baugesuch ohne Durchführung einer Verhandlung mit der Begründung abgewiesen, daß das Bauvorhaben nicht den Bestimmungen des geltenden Bebauungsplanes und der Bebauungsrichtlinien der beschwerdeführenden Gemeinde entspreche. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung, verbunden mit einem Eventualantrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung. Mit Beschluß des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde vom 7. November 1996, ausgefertigt mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 12. November 1996, wurde dem mit der Berufung verknüpften Eventualantrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom Bebauungsplan gemäß § 35 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes keine Folge gegeben. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, welcher ebenso wie der Berufung gegen die Versagung der Baubewilligung aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung vom 26. November 1996, ausgefertigt mit Bescheiden der Gemeindevertretung vom 12. Dezember 1996, nicht stattgegeben wurde. Gegen diese Bescheide erhob der Mitbeteiligte Vorstellung, der die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. März 1997 Folge gegeben hat; beide Bescheide der Gemeindevertretung vom 12. Dezember 1996 wurden aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung zurückverwiesen. Die Aufhebung des Bescheides, mit dem das Baugesuch abgewiesen wurde, wurde damit begründet, daß der Bürgermeister das Baugesuch deshalb abgewiesen habe, weil der Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan der Gemeinde im Fehlen des Einfügens in das bauliche Umfeld (Orts- und Landschaftsbild) gesehen werde. Dem sei entgegenzuhalten, daß es für die Schutzwürdigkeit des Ortsbildes nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf seine völlige Einheitlichkeit ankomme. Es werde vom Verwaltungsgerichtshof auch der Standpunkt vertreten, daß von einem Bauwerber nicht schlechthin verlangt werden könne, sich in der Formensprache des von ihm geplanten Bauwerkes völlig in das bisher in der Gemeinde Vorhandene einzuordnen. Das heiße, auch wenn bisher in einer Gemeinde eine bestimmte Bauweise traditionsgemäß vorherrschend maßgebend gewesen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß sich eine von dieser Tradition abweichende Architektur nun schon aufgrund dieses Faktums ortsbildstörend auswirke. Ferner könne laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter einer Beeinträchtigung des Ortsbildes nicht jegliche, sondern nur eine erhebliche Störung des Ortsbildes verstanden werden. Zur Beurteilung, ob eine derartige erhebliche Störung des Ortsbildes vorliege, reichten die Feststellungen der Gemeindebehörden aber nicht aus, zumal der Ortsplaner in seinem Gutachten vom 29. August 1996 zum Schluß gekommen sei, daß "in Abwägung der Interessen ... die moderne Architekturaussage nicht im Widerspruch zum Ortsbild in diesem Bereich stehe". Dadurch, daß sich die Behörde erster Instanz bei der Abweisung des Bauantrages auf ein positives Gutachten gestützt habe, der Berufungsbehörde dieser Fehler nicht aufgefallen sei bzw. diese es ihrerseits unterlassen habe, das Ermittlungsverfahren dementsprechend zu ergänzen, habe die Gemeindebehörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Ob sich ein Gebäude in das bauliche Umfeld einfüge oder nicht, setze Feststellungen darüber voraus, woraus dieses Ortsbild bestehe und welches sein Charakteristikum sei. Es könne nicht von vornherein der Standpunkt vertreten werden, das Orts- bzw. Landschaftsbild erfahre durch das gegenständliche Bauvorhaben eine erheblich nachteilige Beeinflussung, wenn bereits durch andere vorher errichtete und teilweise dominant in Erscheinung tretende Bauten die Gegebenheiten eine Veränderung erfahren hätten. Zur Beurteilung von Eingriffen in das Ortsbild seien also Feststellungen erforderlich, welche Objekte sich in unmittelbarer Umgebung des geplanten Bauwerkes befänden. Das Aussehen der umliegenden Häuser, deren Größe bzw. Bausubstanz etc., seien dabei maßgebend. Im konkreten Fall fehlten jedoch jegliche Sachverhaltsfeststellungen darüber.

Der Mitbeteiligte habe in seiner Berufung gegen die Versagung der Baubewilligung auch einen Eventualantrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gestellt. Entsprechend der Bezeichnung "in eventu" hätte sich die Behörde zunächst mit der Berufung auseinanderzusetzen gehabt, nur falls dieser keine Folge gegeben werden sollte, wäre über den Eventualantrag bescheidmäßig abzusprechen gewesen. Dadurch, daß zuerst über den Eventualantrag entschieden worden sei, sei der Behörde ein weiterer Verfahrensmangel unterlaufen. Die Gemeinde habe zur Abweisung des Gesuches folgendes ausgeführt:

"Der Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas vom 22. Oktober 1980 bestimmt, daß die Dachneigung zwischen 18 Grad und 25 Grad eingegrenzt wird."

     Flachdächer seien nur bei untergeordneten Bauteilen zulässig,

möglichst jedoch zu vermeiden. Aufgrund dieser Bestimmung habe die

Gemeinde Dalaas den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer

Genehmigung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses in Dalaas

gemäß § 31 Abs. 2 BauG abgewiesen. Die Gemeindeinstanzen übersähen

jedoch, daß im zuletzt kundgemachten Bebauungsplan der Gemeinde vom

24. Juli 1980, aufsichtsbehördlich genehmigt durch das Amt der

Vorarlberger Landesregierung, hinsichtlich der Dachneigung folgendes

verankert sei:  "Der Bereich der zulässigen Dachneigung beträgt

18 Grad bis 25 Grad. 'Flachdächer' sind nur in besonderen Fällen

sowie bei untergeordneten Bauteilen zulässig."  Der Begründung,

wonach "der Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan der Gemeinde

Dalaas vorrangig in der Dachform ... gesehen wird" (vgl. den

Bescheid des Bürgermeisters vom 25. September 1996), sei entgegenzuhalten, daß es sich beim geplanten Gebäude laut Baubeschreibung um ein Gebäude mit Pultdach und nicht um ein Gebäude mit Flachdach handle. Wie der Mitbeteiligte zurecht vorbringe, beziehe sich der Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas lediglich auf die sogenannten Flachdächer. Da allerdings der Bebauungsplan ein ausdrückliches Verbot hinsichtlich der Errichtung von Pultdächern nicht ausspreche, sei die Argumentation, die Dachform widerspreche dem Bebauungsplan der Gemeinde, nicht zulässig. Weiter führt die Vors tellungsbehörde folgendes wörtlich aus:

"Für die Vorstellungsbehörde ist nicht erkennbar, worin der Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas gelegen sein soll: Ein Verstoß gegen Abs. 2 des Bebauungsplanes, welcher die Art der Bebauung regelt, ist nicht gegeben, da durch das Bauvorhaben dem Gebot einer generell offenen Bebauung entsprochen wird. Die in Abs. 3 des Bebauungsplanes festgelegte Höchstgeschoß- und Baunutzungszahl wird durch das geplante Gebäude eingehalten. In Abs. 4 ist verankert, daß 'der Bereich der zulässigen Dachneigung 18-25 Grad beträgt'. Bezugnehmend auf Abs. 6 dieses Bebauungsplanes, der unter anderem auch auf die Bebauungsrichtlinien der Gemeinde Dalaas verweist, 'hat' laut den geltenden Bebauungsrichtlinien 'die Dachausbildung im allgemeinen als Satteldach zu erfolgen ... Der Bereich der zulässigen Dachneigung (Regel 18-25 Grad) kann eingeschränkt, die Firstrichtung von Fall zu Fall geregelt werden'. In Anbetracht des Umstandes, daß sich diese Regelung mit der Firstrichtung befaßt, liegt der Schluß nahe, daß sich die zulässige Dachneigung von 18-25 Grad nur auf die Satteldächer bezieht. Pultdächer werden - wie oben angeführt - in Abs. 4 des Bebauungsplanes gar nicht erwähnt. Weiters liegt eine Verletzung des Abs. 5 des Bebauungsplanes, der die Vermeidung von Belästigungen durch Mischgebiete zum Inhalt hat, nicht vor, da nicht davon auszugehen ist, daß es durch das geplante Gebäude zu Belästigungen, wie beispielsweise Lärm, Geruch etc., kommen wird. Abs. 6 des Bebauungsplanes der Gemeinde Dalaas normiert, daß 'die Gestaltung der Bauten so zu erfolgen hat, daß sich diese gut in das Orts- und Landschaftsbild einfügen'. Ob dies der Fall ist, wäre, wie gesagt, durch ein weiteres Sachverständigengutachten zu klären. Schließlich sind laut Abs. 6 des geltenden Bebauungsplanes 'die Richtlinien für die baubehördliche Prüfung von Bauvorhaben... sinngemäß zu beachten'. In diesem Zusammenhang gilt jedoch zu betonen, daß die sogenannten Bebauungsrichtlinien einer Gemeinde keinen Verordnungscharakter aufweisen und daher unverbindlich sind.

Ein offenkundiger Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas ist daher nicht ersichtlich.

Ferner hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz verneint. Dazu ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996, kann der Gemeindevorstand auf Antrag des Grundeigentümers Ausnahmen von den Bestimmungen der §§ 28 und 31 bis 34 bewilligen, wenn sie den im § 2 genannten Raumplanungszielen, einem Landesraumplan und dem räumlichen Entwicklungskonzept nicht entgegenstehen.

Die Vorstellungsbehörde muß dem Einschreiter insofern zustimmen, als die im Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Dalaas vom 12. November 1996 als 'Begründung' bezeichnete Formulierung, daß 'der Vorstand der Gemeinde Dalaas die Auffassung vertritt, daß von den von der Gemeindevertretung beschlossenen Bebauungsvorschriften nicht abgegangen werden soll...', keine sachliche Rechtfertigung darstellt. Bescheide sind entsprechend § 60 AVG zu begründen, vor allem sind die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Ausführung zu § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz, wonach es sich bei dieser Bestimmung um eine Ermessensentscheidung der Behörde handelt, sind unzureichend. Ob die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz vorliegen, wurde von der belangten Behörde gar nicht geprüft. Darüber hinaus fällt auf, daß der Bescheid der Gemeindevertretung Dalaas vom 12. Dezember 1996 hinsichtlich des Antrages gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz sich bis auf die Rechtsmittelbelehrung und den letzten Satz der Begründung mit dem Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Dalaas vom 12. November 1996 deckt.

Gemäß § 83 Abs. 7 Gemeindegesetz hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen, wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt wurden. Die Gemeindevertretung ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

In ihrer neuerlichen Entscheidung hat die Gemeindevertretung Dalaas daher durch Ergänzung des Ermittlungsverfahrens die Frage abzuklären, ob das geplante Bauwerk dem Landschafts- und Ortsbild widerspricht. Falls der Berufung keine Folge geleistet werden sollte, ist in nachvollziehbarer Weise über den Eventualantrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz bescheidmäßig abzusprechen. Da der Vorarlberger Landesregierung die aufsichtsbehördliche Genehmigung eines Bebauungsplanes einer Gemeinde obliegt, wird empfohlen, in Zusammenarbeit mit dieser zu erörtern, ob ein Pultdach tatsächlich im Widerspruch zu den Bestimmungen des Bebauungsplanes der Gemeinde Dalaas steht."

Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Die Gemeinde holte hierauf eine Stellungnahme des Amtes der Vorarlberger Landesregierung zur Frage ein, ob das fragliche Bauprojekt im Widerspruch zum Bebauungsplan der Gemeinde stehe. Mit Schreiben vom 10. Juni 1997 führte das Amt der Vorarlberger Landesregierung aus, das fragliche Bauprojekt stehe insofern im Widerspruch zum Bebauungsplan der Gemeinde, als es eine flachere Dachneigung (nämlich 3 Grad) als die im Bebauungsplan fixierte Dachneigung zwischen 18 Grad und 25 Grad aufweise. Weiters wurde der beschwerdeführenden Gemeinde ein Gutachten eines Amtssachverständigen der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Juni 1997 übermittelt, wonach auch die Formensprache in Kombination mit der Materialwahl hier ein bemerkenswertes Projekt entstehen lasse, dessen Einfügung in das Ort- und Landschaftsbild trotz fehlender Anknüpfungspunkte zur vorhandenen "traditionellen Hausform" und dem zu erwartenden Spannungsverhältnis durch unterschiedliche Architektursprache im gegenständlichen Bereich bestens gegeben sei. Zusammenfassend sei festzustellen, daß durch das gegenständliche Bauvorhaben aufgrund der Situierung, Architektur, Bauform und Materialwahl keine nachteiligen Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild in diesen Raum zu erwarten seien.

Aufgrund des Beschlusses der Gemeindevertretung vom 9. Juni 1997 wurde mit Bescheid vom 23. Juli 1997 gemäß § 66 Abs. 2 AVG sowohl der Bescheid des Bürgermeisters vom 25. September 1996, mit welchem der Bauantrag abgewiesen wurde, als auch der Bescheid des Gemeindevorstandes, mit welchem dem Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung keine Folge gegeben wurde, aufgehoben, und zur neuerlichen Entscheidung an die jeweilige Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Da in der Folge weder der Bürgermeister noch der Gemeindevorstand einen Bescheid erließen, stellte die mitbeteiligte Partei am 27. Jänner 1998 einen Devolutionsantrag an die Gemeindevertretung. Diese hat mit Beschluß vom 18. Februar 1998, ausgefertigt mit Bescheid vom 24. Februar 1998, sowohl den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 35 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes als auch den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer neuerlich Vorstellung an die belangte Behörde erhoben hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 1998 hat die belangte Behörde den Bescheid vom 24. Februar 1998 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Bindungswirkung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde ergebe sich, daß die Gemeindebehörde nicht nochmals zum selben, von der Aufsichtsbehörde als unzulässig erachteten Spruch gelangen dürfe. Bei nicht geändertem bzw. nicht neu festgestelltem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage dürfe demnach nicht mehr gleich entschieden werden. Hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Erteilung der Ausnahmebewilligung stehe unbestritten fest, daß sich die Gemeindebehörde wiederum vor Erledigung des Hauptantrages mit dem Eventualantrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung befaßt habe. Dieser Verfahrensfehler sei im Bescheid der Vorstellungsbehörde vom 4. März 1997 ausdrücklich gerügt worden. An diese Ausführungen sei die Gemeindebehörde, da der gegenständliche aufsichtsbehördliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei, gebunden. In formeller Hinsicht sei hier der Gemeindebehörde ein neuerlicher Verfahrensfehler unterlaufen. So habe die Gemeindebehörde ausgeführt, wenn auch ein auf § 11 (RPG) ausdrücklich bezugnehmendes räumliches Entwicklungskonzept nicht vorliege, so habe die Gemeinde bei der Erstellung des Bebauungsplanes im Jahre 1980, der die Dachneigung vorschreibe, klare gestalterische Vorgaben für Bauvorhaben gemacht, die jedenfalls in dieser Hinsicht als räumliches Entwicklungskonzept angesehen werden könnte. Weiters gehe die Gemeindebehörde davon aus, daß die Erläuterungen zum Bebauungsplan sowie der Bebauungsplan selbst unmißverständlich zum Ausdruck brächten, daß Flachdächer bzw. Pultdächer im Sinne des vorliegenden Bauantrages nicht in das gemeindeentwicklungspolitische Konzept paßten.

Wie die Gemeindebehörde zutreffend festgestellt habe, liege ein räumliches Entwicklungskonzept der Gemeinde bislang nicht vor. Die Gemeindebehörde gehe in diesem Zusammenhang zu Unrecht davon aus, daß ein Bebauungsplan bzw. die Erläuterungen eines Bebauungsplanes einem räumlichen Entwicklungskonzept gleichgesetzt werden könnten. Ein räumliches Entwicklungskonzept solle als Grundlage für die Flächenwidmungs- und die Bebauungsplanung erstellt werden. Es sei demnach Basis für die Erlassung eines Bebauungsplanes. In Auslegung dieser Gesetzesstelle könne allerdings nicht die Auffassung vertreten werden, der Bebauungsplan bzw. die Erläuterungen zum Bebauungsplan könnten als räumliches Entwicklungskonzept angesehen werden. Aus der Sicht der belangten Behörde sei diese Interpretation nicht zulässig. Im übrigen stelle die Schlußfolgerung "die derzeitigen, unmißverständlichen Aussagen im Bebauungsplan bzw. in den Erläuterungen hiezu erlauben nach dem derzeitigen Stand eine Ausnahme nach § 35 Abs. 2 RPG nicht..." wiederum keine ausreichende Begründung für die Ablehnung der beantragten Ausnahmebewilligung dar. Wie in der Begründung des aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 4. März 1997 angeführt worden sei, seien Bescheide gemäß der Bestimmung des § 60 AVG ausreichend zu begründen. Auch hier liege ein Verstoß gegen die Bindungswirkung des Vorstellungsbescheides vom 4. März 1997 vor.

Hinsichtlich der Abweisung des Bauantrages sei festzustellen, daß die Gemeindevertretung trotz der Aufforderung, in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens die Frage abzuklären, ob das geplante Bauwerk dem Landschafts- und Ortsbild widerspreche, kein weiteres Sachverständigengutachten mehr eingeholt habe. Demnach liege also auch hier eine Mißachtung der Bindung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde vor. Die Gemeindebehörde stütze sich bei der Abweisung des Bauantrages insbesondere auf ein Schreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, wobei sie aber nur einen Teil dieses Schreibens zitiere. Wenn die Gemeindebehörde meine, es handle sich bei der Regelung des § 35 Abs. 2 RPG um eine Ermessensbestimmung, so bedeute dies keineswegs, daß eine Ermächtigung zum Handeln nach Willkür erteilt werde. Es stelle sich daher die Frage, ob der Gesetzgeber in der Verwendung des Wortes "kann" in § 35 Abs. 2 RPG den Verwaltungsbehörden überhaupt Ermessen einräumen wollte oder dieses "kann" als "muß" zu deuten sei. Für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach dieser Bestimmung würden drei Kriterien genannt. Der Umstand, daß der Gesetzgeber für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung Kriterien anführe, spreche dafür, daß diese Bestimmung als "muß"-Bestimmung zu deuten sei. Die Aufsichtsbehörde vertrete daher den Standpunkt, daß die Gemeindebehörde, da im vorliegenden Fall sämtliche Kriterien für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gegeben seien, eine solche Bewilligung erteilen hätte müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Gemeinde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Gleichzeitig mit einer Replik der Beschwerdeführerin zu den Gegenschriften hat sie wegen einer Ausführung in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei, die Beschwerdeführerin hätte den angefochtenen Bescheid auf Seite 11 mit einer unrichtigen Geschäftszahl und auch nicht mit dem Datum bezeichnet, einen Eventualantrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit einer neuerlichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Der Eventualantrag betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde zur hg. Zl. WE 98/06/0174 protokolliert, die (zum zweitenmal) eingebrachte Beschwerde wurde zur hg. Zl. 98/06/0175 protokolliert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß in der Beschwerde der Gemeinde auf Seite 2 ausgeführt wird, daß gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 1998, Zl. 1-5/3/DA/98, der der Beschwerdeführerin am 22. April 1998 zugestellt wurde, innerhalb offener Frist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht werde. Diese Bescheidbezeichnung ist richtig, sie stimmt mit der, der Beschwerde beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides überein. Wenn im Schlußantrag (Seite 11) eine unvollständige Zahl, nämlich I-5/DA/98 angeführt wurde, so konnte dennoch kein Zweifel daran bestehen, welchen Bescheid die Beschwerdeführerin angefochten hat. Der Eventualantrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die wiederholte Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erweisen sich somit als obsolet, es erübrigt sich daher eine gesonderte Entscheidung darüber.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, erstreckt sich die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des aufsichtsbehördlichen Verfahrens ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen. Die Bindung ist in weiterer Folge auch für die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegeben.

Art. 116 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 119a Abs. 9 B-VG gewährleistet der Gemeinde ein subjektives Recht auf Selbstverwaltung und auf Beschwerdeführung gegen aufsichtsbehördliche Bescheide und demzufolge einen Abwehranspruch gegenüber rechtswidrigen aufsichtsbehördlichen Verwaltungsakten.

Im gegenständlichen Verfahren war, da der Bescheid der Aufsichtsbehörde im ersten Rechtsgang vom 4. März 1997 unbekämpft geblieben ist, festzustellen, welche Gründe die Aufhebung getragen haben. Diese waren das Fehlen von Feststellungen darüber, woraus das Ortsbild besteht und ob eine erhebliche Störung des Ortsbilds vorliegt. Ein weiterer, die Aufhebung tragender Grund war der Ausspruch der Vorstellungsbehörde, wonach sich der Bebauungsplan der beschwerdeführenden Gemeinde lediglich auf die sogenannten Flachdächer beziehe und die Argumentation, die Dachform widerspreche dem Bebauungsplan, nicht zulässig sei. Überdies wurde die Aufhebung damit begründet, daß der Gemeindevorstand zu Unrecht zuerst über den Eventualantrag und dann erst über die Berufung gegen die Versagung der Baubewilligung abgesprochen hat. Die Aufhebung des Bescheides, mit dem die Ausnahme vom Bebauungsplan versagt wurde, hat die Aufsichtsbehörde im ersten Rechtsgang damit begründet, daß die Formulierung "der Vorstand der Gemeinde Dalaas vertritt die Auffassung, daß von den von der Gemeindevertretung beschlossenen Bebauungsvorschriften nicht abgegangen werden soll" keine sachliche Rechtfertigung darstelle, Bescheide seien entsprechend § 60 AVG zu begründen, vor allem seien die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägung klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Ausführungen nach § 35 Abs. 2 RPG seien unzureichend. Ob die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 RPG vorlägen, sei von der Gemeindebehörde gar nicht geprüft worden.

Die Aussage im Bescheid der Aufsichtsbehörde im ersten Rechtsgang, "da allerdings der Bebauungsplan ein ausdrückliches Verbot hinsichtlich der Errichtung von Pultdächern nicht ausspricht, ist die Argumentation, die Dachform widerspreche dem Bebauungsplan der Gemeinde Dalaas, nicht zulässig" ist noch eindeutig. Hinsichtlich der Dachform ist daher auch für den Verwaltungsgerichtshof davon auszugehen, daß die Dachform, nämlich ein Pultdach, keinen Widerspruch zum Bebauungsplan darstellt. Der letzte Absatz des aufsichtsbehördlichen Bescheides im ersten Rechtsgang, wonach empfohlen wird, im Zusammenhang mit der Landesregierung zu erörtern, ob ein Pultdach tatsächlich im Widerspruch zu den Bestimmungen des Bebauungsplanes der Gemeinde stehe, kann daher nur so aufgefaßt werden, daß zwar nicht mehr hinsichtlich der Form des Pultdaches ein Widerspruch zum Bebauungsplan anzunehmen ist, sondern zu klären ist, ob das Pultdach wegen seiner Neigung (3 Grad) den Bestimmungen des Bebauungsplanes widerspricht. Eine andere Auslegung, nämlich daß die Aufsichtbehörde im ersten Rechtsgang auch davon ausgegangen wäre, daß die Form des Pultdaches doch dem Bebauungsplan widerspreche, würde der Aussage auf Seite 6 dieses Bescheides, wonach die Argumentation, die Dachform widerspreche dem Bebauungsplan, nicht zulässig sei, entgegenstehen. Die auf Seite 7 dieses Bescheides geäußerte Ansicht, ein offenkundiger Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan sei nicht ersichtlich, kann nur so verstanden werden, daß der Widerspruch nicht so offensichtlich ist, daß die Abweisung des Baugesuches bereits ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und einer mündlichen Verhandlung erfolgen hätte dürfen. Aus diesem Grunde erachtete die Aufsichtsbehörde wohl die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Ortsbildes als erforderlich.

Nun hat die Gemeindebehörde dem mit bindender Wirkung ausgestatteten Auftrag der Aufsichtsbehörde, hinsichtlich der Wirkung auf das Ortsbild ein Sachverständigengutachten einzuholen, auch im zweiten Rechtsgang nicht entsprochen. Der Bürgermeister hat zwar zunächst D.I. R.F. aus St. Anton mit der Erstellung eines Gutachtens "im Sinne der Gemeinde" beauftragt, als sich dieser jedoch dahingehend äußerte, daß ein Gutachten nicht negativ ausfallen werde, unterblieb eine endgültige Auftragserteilung, es ist auch zu keiner Erstellung eines Gutachtens durch diesen Sachverständigen gekommen. Die Gemeindevertretung hat vielmehr ohne die Einholung eines Ortsbildgutachtens die Baubewilligung und auch die Ausnahmegenehmigung neuerlich versagt.

Dadurch, daß die Gemeindevertretung dem bindenden Auftrag, zunächst als Entscheidungsgrundlage ein Ortsbildgutachten einzuholen, nicht entsprochen hat, belastete sie aus diesem Grunde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der auch geeignet war, Rechte des Mitbeteiligten zu verletzten, womit die Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung durch die Aufsichtsbehörde grundsätzlich zu Recht erfolgte. Da jedoch im fortgesetzten Verfahren auch die im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aufhebung tragenden Gründe Bindungswirkung entfalten würden, ist zu untersuchen, ob alle Gründe, auf die die belangte Behörde die Aufhebung gestützt hat, zutreffen.

Als weiteren Grund für die Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung hat die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang den Umstand angesehen, daß auch im zweiten Rechtsgang die Gemeindevertretung zuerst über den Eventualantrag entschieden habe. Diese Ansicht der Aufsichtsbehörde trifft nicht zu, weil die Entscheidung über den Eventualantrag und das Baugesuch in einem Bescheid, das heißt gleichzeitig erfolgte. Gegen eine derartige Vorgangsweise bestehen einerseits insofern keine Bedenken, als im negativen Fall, d.h. im Fall der Abweisung des Baugesuches durch die Berufungsbehörde, die Erledigung des Ansuchens um Erteilung der Ausnahmegenehmigung erforderlich ist und andererseits auch insofern keine Bindungswirkung durch den Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 4. März 1997 besteht, als im zweiten Rechtsgang der Bescheid der Gemeindevertretung hinsichtlich der Behandlung der Ausnahmebewilligung nicht vor Behandlung des Baugesuches erlassen wurde, sondern gleichzeitig mit diesem.

Insofern, als die Aufsichtsbehörde demnach davon ausgegangen ist, daß durch die gleichzeitige Behandlung des Ausnahmegesuches und des Baugesuches durch die Gemeindevertretung mit Bescheid vom 24. Februar 1998 eine Rechtswidrigkeit vorliegt, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die Aufsichtsbehörde vertritt weiters die Ansicht, aufgrund der Bindungswirkung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde ergebe sich auch, daß die Gemeindebehörde nicht nochmals zum selben, von der Aufsichtsbehörde als unzulässig erachteten Spruch gelangen dürfe. Dieser Ansicht liegt ein grundsätzlicher Rechtsirrtum zugrunde. Die Gemeindeaufsichtsbehörde kann in Ausübung ihres Aufsichtsrechts nur einzelne Verfahrensmängel oder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit, z. B. die unzutreffende Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung oder eine Außerachtlassung einer gesetzlichen Bestimmung rügen, und die Aufhebung des Bescheides der Gemeindebehörde damit begründen. Damit ist die Gemeindebehörde aber nur gehalten, den aufgezeigten Verfahrensmangel durch eine Ergänzung des Verfahrens zu beheben und eine allenfalls gerügte inhaltliche Rechtswidrigkeit durch die richtige Anwendung der betreffenden Norm zu sanieren. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Gemeindebehörde bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel grundsätzlich zu einem anderen Bescheidergebnis gelangen müßte. Die Aufsichtsbehörde hat, wenn Rechte des Einschreiters durch einen Gemeindebescheid verletzt werden, diesen aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, nicht aber in der Sache selbst zu entscheiden. Die Aufsichtsbehörde übt daher nur eine Kontrollfunktion aus. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Vorstellungsbehörde die Abweisung eines Antrags mit dem Hinweis aufgehoben hat, daß die Begründung für die Abweisung verfehlt sei, besteht die Bindungswirkung lediglich darin, daß jedenfalls keine Abweisung aufgrund des von der Vorstellungsbehörde bereits verworfenen Abweisungsgrundes mehr erfolgen darf. Damit erweist sich die Ansicht der Aufsichtsbehörde, aufgrund der Bindungswirkung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde hätte die Gemeindebehörde nicht nochmals zum selben, von der Aufsichtsbehörde als unzulässig erachteten Spruch gelangen dürfen, als rechtswidrig.

Gemäß § 35 Abs. 2 RPG kann der Gemeindevorstand auf Antrag des Grundeigentümers Ausnahmen von den Bestimmungen der §§ 28 und 31 bis 34 bewilligen, wenn sie den in § 2 genannten Raumplanungszielen, einem Landesraumplan und den räumlichen Entwicklungskonzept nicht entgegenstehen. Vor Erteilung der Bewilligung sind die Nachbarn (§ 2 lit. i Baugesetz) zu hören.

Es ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, daß der Gebrauch des Wortes "kann" in § 35 Abs. 2 leg. cit. zunächst auf die Einräumung eines Ermessens hinweist. Es gibt jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, auch Fälle, in welchen trotz der Verwendung dieses Wortes die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist; dies ist dann der Fall, wenn die in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift bereits alle Voraussetzungen normiert, die den ganzen Bereich der Erwägungen, die für die Entscheidung maßgebend sein könnten, umfassen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0035, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur). Da nun in § 35 Abs. 2 RPG festgesetzt ist, bei welchen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, bleibt auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für die Ausübung des Ermessens kein Raum, vielmehr ist die Ausnahme zu gewähren, wenn die in § 35 Abs. 2 leg. cit. geforderten Voraussetzungen vorliegen. Dies erfordert vor allem eine Auseinandersetzung der Gemeindebehörde mit dem Problemkreis, ob keines der in § 2 RPG genannten Raumplanungsziele und ein allenfalls vorhandener Landesraumplan dem Bauvorhaben entgegenstehen. Da kein räumliches Entwicklungskonzept vorliegt, ist hier nicht zu beurteilen, ob dieses einer allfälligen Ausnahmebewilligung entgegenstünde. Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Gemeinde stellen weder die Erläuterungen zum Bebauungsplan noch der Bebauungsplan selbst ein räumliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 35 Abs. 2 RPG dar. Ein räumliches Entwicklungskonzept ist nämlich, wie bereits aus dem Wortlaut des § 11 RPG hervorgeht, Grundlage für die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung, es besteht, wie aus dem Motivenbericht zur Änderung des Raumplanungsgesetzes LGBl. Nr. 39/1996 hervorgeht, im wesentlichen aus zwei Teilen, und zwar aus der Grundlagenermittlung und der Festlegung der Entwicklungsziele und Maßnahmen. Hat eine Gemeinde ein derartiges räumliches Entwicklungskonzept nicht erstellt, so hat sie bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 2 RPG vorliegen, nur zu prüfen, ob kein Widerspruch zu den Raumplanungszielen gemäß § 2 leg. cit. und einem allfälligen Landesraumplan vorliegt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat allerdings die Gemeindebehörde zu beurteilen. Es ist daher unzulässig, wenn die Aufsichtsbehörde auf Seite 12 ihres angefochtenen Bescheides mit bindender Wirkung den Standpunkt vertritt, daß, da im vorliegenden Fall sämtliche Kriterien für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gegeben seien, die Gemeindevertretung eine solche Bewilligung erteilen hätte müssen. Die Aufsichtsbehörde kann vielmehr nur dann, wenn die Gemeindevertretung über eine Ausnahmebewilligung abgesprochen hat, einen Verfahrensmangel oder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit zum (neuerlichen) Anlaß für eine Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung machen.

Zusammengefaßt ergibt sich demnach, daß zwar der Bescheid der Gemeindevertretung infolge der rechtswidrigen Unterlassung der Einholung eines Ortsbildgutachten geeignet war, Rechte des Mitbeteiligten zu verletzen und die Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung durch die Aufsichtsbehörde damit grundsätzlich zu Recht erfolgte, da jedoch alle die Aufhebung tragenden Gründe Bindungswirkung entfalten würden und die zuletzt aufgezählten Gründe, auf die die belangte Behörde auch die Aufhebung gestützt hat, unzutreffend waren, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Gemeinde war abzuweisen, da die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist; diese Befreiung erstreckt sich auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1969, Slg. Nr. 7554/A, u.v.a.).

Wien, am 15. Oktober 1998

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Ermessen Planung Widmung BauRallg3 Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998060083.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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