TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 G313 2162129-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G313 2162129-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, seit XXXX: XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.05.2017, Zahl: XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde die Beschwerdeführerin (BF) gemäß §§ 66 Abs. 1 FPG iVm. 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und der BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt. (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.06.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gänzlich zu beheben und auszusprechen, dass eine Ausweisung der BF auf Dauer unzulässig ist, in eventu den Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung zumindest um drei Monate verlängern, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt langte am 21.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Serbien.

1.2. Sie ist am 29.09.2013 in den Schengen-Raum und am 30.12.2013 in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Im April 2014 wurde eine fremdenpolizeiliche Kontrolle durchgeführt, im Zuge dessen der unrechtmäßige Aufenthalt der BF festgestellt wurde.

1.3. Mit E-Mail vom 29.04.2014 wurde der belangten Behörde von der zuständigen Landespolizeidirektion Folgendes mitgeteilt (Name der BF durch "BF" ersetzt):

"Die BF ist laut Einreisestempel im Reisepass am 29.09.2013 eingereist und war damit bis 10.04.14 104 Tage unberechtigt im Schengenraum aufhältig. Lt. eigenen Angaben und lt. ZMR Eintrag sei sie zwar erst seit 30.12.2013 in Österreich aufhältig, hätte aber auch bei einer Annahme zu ihren Gunsten die zulässige Aufenthaltsdauer um 12 Tage überschritten. Durch ihre Hochzeit mit einem EWR-Bürger (Rumäne) ist sie seit 11.04.2014 als begünstigte Drittstaatsangehörige rechtmäßig aufhältig, muss aber eine Aufenthaltskarte beantragen, die zur Dokumentation des Aufenthaltsrechts dient. Dazu benötigt sie wegen Namensänderung aufgrund Verehelichung einen neuen Pass."

1.4. Nach Eheschließung der BF mit einem rumänischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet im April 2014 sprach der BF am 09.08.2014 bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vor, er wolle sich von der BF scheiden lassen. Am 29.10.2014 legte die BF einen Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vor, in welchem die Zurücknahme der Scheidungsklage zur Kenntnis genommen und das Verfahren beendet worden sei.

Folglich wurde der BF am 14.11.2015 für den Zeitraum von 07.11.2014 bis 06.11.2019 ein Aufenthaltstitel als "Angehörige eines EWR-Bürgers" erteilt.

Die am 11.04.2014 zwischen der BF und einem rumänischen Staatsangehörigen in Österreich geschlossene Ehe wurde mit einem Gerichtsbeschluss von November 2015 einvernehmlich geschieden.

Dabei wurde im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs von November 2015

I. zur "Obsorge" festgehalten, dass die Obsorge für ihren gemeinsamen minderjährigen, im Dezember 2014 geborenen Sohn, weiterhin beiden Elternteilen gemeinsam zukomme. Der Hauptaufenthaltsort des Kindes sei bei der Kindesmutter.

II. Zum "Kontaktrecht" wurde festgehalten, dass der Vater des Kindes jeden Samstag, 10:00 Uhr, bis Sonntag, 12:00 Uhr, zu sich zu nehmen berechtigt sei. Der Kindesvater sei verpflichtet, das Kind pünktlich bei der Mutter abzuholen und am Ende der Besuchszeit wieder pünktlich zur Kindesmutter zurückzubringen. Ausdrücklich festgehalten werde, dass beide Eltern(-teile) verpflichtet seien, sich wechselseitig über die wesentlichen Belange des Kindes zu informieren. Zu einer funktionierenden Kommunikation sei diesbezüglich auch notwendig, dass die jeweiligen aktuellen Wohnadressen und auch die Telefonnummern bekannt seien. Sollte sich ausnahmsweise der Abholort des Kindes verschieben, wäre dies von der Kindesmutter rechtzeitig dem Kindesvater bekanntzugeben.

III. Zum "Kindesunterhalt" wurde festgehalten, dass sich der Kindesvater verpflichte, zum Unterhalt des minderjährigen Kindes, beginnend mit 01.05.2015 bis auf weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen Unterhaltsbeitrag von € 220,00 monatlich zu bezahlen. Die Unterhaltsbeiträge seien am 1. eines jeden Monats im Vorhinein zu Handen des jeweiligen Vertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Der Unterhaltsschuldner habe keine weiteren Sorgepflichten.

IV. Zum "Ehegattenunterhalt" wurde festgehalten, dass der Antragsteller verpflichtet sei, an die Antragstellerin einen Betrag von € 5.000,00 als Unterhaltsabfindung bis längstens 30.04.2016 auf das Konto des Vertreters der Antragstellerin zu bezahlen. Darüber hinaus würden beide Ehegatten wechselseitig auf Unterhalt, und zwar auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage, geänderter Judikatur, verschuldeter, unverschuldeter, bedachter, unbedachter, erwarteter, unerwarteter Not verzichten.

1.5. Nach Ehescheidung im November 2015 heiratete die BF im August 2018 erneut einen rumänischen Staatsangehörigen. Mit diesem hat sie zwei gemeinsame, im Juni 2017 und Mai 2018 geborene, minderjährige, ein und nicht einmal ein Jahr alte Kinder. Aus ihrer Ehe davor stammt ihr im Dezember 2014 geborenes und aus einer weiteren Beziehung davor ihr im Jänner 2014 geborenes Kind. Die BF hat noch weitere zwei Kinder, welche sich nicht in Österreich aufhalten.

1.6. Die BF weist im Bundesgebiet von 30.12.2013 bis 02.04.2014 eine Nebenwohnsitz-, und abgesehen von Meldeunterbrechungen von 04.09.2014 bis 17.09.2014, 19.09.2016 bis 16.05.2017 und 04.12.2017 bis 30.04.2018 ab 02.04.2014 durchgehend Hauptwohnsitzmeldungen auf. Nach Wohnsitzabmeldung der BF am 19.09.2016 und ihrem Verzug nach Serbien war sie kurzzeitig im Dezember 2016 wieder im Bundesgebiet aufhältig und hat während dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen auch ein Spital besucht. Seit 16.05.2017 hat die BF mit ihrem nunmehrigen Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt.

Die BF wohnt derzeit mit ihrem nunmehrigen Ehegatten, ihren beiden gemeinsamen im Juni 2017 und Mai 2018 geborenen Kindern, die wie der Kindesvater rumänische Staatsbürger sind und für welche im Oktober 2018 jeweils eine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde, und dem im Jänner 2014 geborenen Sohn der BF aus einer früheren Beziehung in gemeinsamem Haushalt zusammen. Die auch bei ihnen wohnhaft gewesene Mutter des Ehegatten der BF, die sich tagsüber zuhause um die beiden jüngsten Kinder der BF gekümmert hat, ist im März 2019 nach Rumänien verzogen.

Die BF betont in ihrem im Februar 2019 dem BVwG nachgereichten Schreiben:

"Bevor meine Schwiegermutter kam, konnte ich aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung keiner Tätigkeit nachgehen. Deshalb haben wir einen Antrag auf Mindestsicherung (Übernahme laufende Miete) gestellt, welcher aber in Folge von unserer Seite wieder zurückgezogen wurde, da sich meine Schwiegermutter bereit erklärt hatte, die Kinderbetreuung zu übernehmen."

Der im Dezember 2014 im Bundesgebiet geborene Sohn aus der vorherigen Ehe der BF ist mit der BF nach Wohnsitzabmeldung am 19.09.2016 nach Serbien gereist, ab 06.10.2016 jedoch wieder in Österreich mit Hauptwohnsitz beim Kindesvater gemeldet gewesen. Bis zur Ausreise der BF im September 2016, bis zu welchem Zeitpunkt ihr Sohn bei ihr wohnhaft war, hatte der Kindesvater zu seinem Sohn aufrechten regelmäßigen Besuchskontakt. Die BF wohnte von 26.11.2014 bis 19.10.2015 und von 13.04.2016 bis 19.09.2016 bei ihrer Großmutter. Danach hat eine Tante der BF von 19.09.2016 bis 12.06.2018 bei ihrer Großmutter gewohnt. Nach weiterer Wohnsitzmeldung an anderer Adresse von 12.06.2018 bis 24.08.2018 ist die Tante der BF nunmehr unbekannten Aufenthaltes.

Im Zuge einer Polizeikontrolle an der Adresse der Großmutter der BF im Jänner 2017 konnten keine Anhaltspunkte für einen weiteren Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ermittelt werden und gab die Tante der BF gegenüber den Beamten an, dass sie sich nicht erklären könne, warum die BF im Dezember 2016 in einem Spital in Österreich behandelt worden sei und sie diesbezüglich auch einen Anruf vom Spital erhalten habe, sei die BF zu diesem Zeitpunkt doch mit Sicherheit nicht mehr im Bundesgebiet (wohnhaft) gewesen.

1.7. Die BF ging im Bundesgebiet ab November 2015 bei mehreren Dienstgebern - teilweise nur geringfügigen - Erwerbstätigkeiten nach. Ende August 2018 begann sie bei ihrem derzeitigen Dienstgeber eine Beschäftigung als Raumpflegerin, welche Tätigkeit sie - mit kurzzeitigen Unterbrechungen - teilweise nur geringfügig - ausgeübt hat bzw. derzeit noch ausübt.

Am 28.07.2014 stellte die BF bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung, welcher ihr dann auch gewährt wurde. Folglich haben die BF im Zeitraum von 26.11.2014 bis 19.10.2015 und ihr vorherige Ehegatte von 01.12.2014 bis 23.12.2014 bei der Großmutter der BF, Mindestsicherungsempfängerin, gewohnt.

Fest steht, dass die BF nach beantragter Mindestsicherung noch vor Geburt ihres Sohnes im Dezember 2014 im Zeitraum von 07.11.2014 bis 10.12.2014 Kinderbetreuungsgeld bezogen hat und die zuständige Bezirkshauptmannschaft der belangten Behörde mit Schreiben vom 25.11.2015 und bereits davor mit E-Mail vom 17.08.2016 mitteilte, die ausgezahlten Sozialleistungen inklusive Vorschuss auf Kinderbetreuungsgeld würden sich auf über € 30.000,- belaufen.

Der derzeitige Ehegatte der BF, dem am 11.08.2017 unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Selbstständiger erteilt wurde, war von April bis Juli 2017 in Wien und von August 2017 bis November 2018 in Niederösterreich gewerblich selbstständig erwerbstätig.

1.8. Der nunmehrige Ehegatte der BF wurde in Österreich im Oktober 2018 wegen schweren Betruges mit einem € 5.000,00 übersteigenden Schaden zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

1.9. Die BF selbst wurde im Bundesgebiet nicht strafrechtlich verurteilt. Nach dem Versuch der BF einmal im März 2016, in einem Geschäft fremde bewegliche Sachen im Wert von € 22,61 mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und darauffolgendem Strafantrag wurde nach Zahlung einer Geldbuße von € 50,00 im April 2016 das Strafverfahren gegen die BF für eine Probezeit von einem Jahr - wegen Geringfügigkeit - vorläufig eingestellt.

1.10. Die BF wurde im Bundesgebiet mehrmals wegen Übertretungen des Kraftfahrzeuggesetzes und der Straßenverkehrsordnung verwaltungsstrafrechtlich belangt und bestraft.

1.11. Ein Nachweis für eine aktuelle gesundheitliche Beeinträchtigung der BF wurde nicht erbracht, weshalb auch keine solche feststellbar war.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt desvorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person und den persönlichen Verhältnissen der BF:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und zur Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

2.2.2. Dass sich die BF seit 29.09.2013 im Schengen-Raum befindet, ergab sich aus einer dem Verwaltungsakt einliegenden Reisepasskopie (AS 9). Die fremdenpolizeiliche Kontrolle von April 2014, im Zuge deren die BF den Beamten mitgeteilt hat, dass sich seit Anfang des Jahres 2014 durchgehend in Österreich aufhalte und nicht ins Ausland gereist sei, wurde in einer Niederschrift der zuständigen Landespolizeidirektion von April 2014 über diese fremdenpolizeiliche Kontrolle festgehalten (AS 3). Mit E-Mail der zuständigen Landespolizeidirektion vom 29.04.2014 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass die BF selbst bei angenommenem laut ihren eigenen Angaben und einer ZMR-Eintragung seit 30.12.2013 in Österreich bestehenden Aufenthalt die zulässige Aufenthaltsdauer um 12 Tage überschritten habe.

2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF im Bundesgebiet beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Die Ehescheidung von ihrem im April 2014 geheirateten rumänischen Staatsangehörigen im November 2015 war aus einem dem Verwaltungsakt einliegenden Gerichtsbeschluss (AS 45f), die zwischen der BF und ihrem ehemaligen Ehegatten im Zuge ihrer einvernehmlichen Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleich aus der Vergleichsausfertigung darüber (AS 193ff) ersichtlich. Die BF führte in der schriftlichen Stellungnahme ihres Rechtsvertreters von September 2016 die Großmutter und Tante der BF als nahe Bezugspersonen im Bundesgebiet an und gab an, ihr (vorheriger) Ehegatte hat mit ihrem gemeinsamen Sohn regelmäßigen Besuchskontakt (AS 101).

2.2.4. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen der BF und ihrer Familienangehörigen beruhen auf diese Personen betreffende Zentralmelderegisterauszüge.

2.2.5. Dass die BF seit November 2014 im Besitz eines bis November 2019 gültigen Aufenthaltstitels "als Angehörige eines EWR-Bürgers" ist, war aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregisterauszug ersichtlich, ebenso die Feststellung zur ihrem nunmehrigen Ehegatten im August 2017 unbefristet erteilten "Anmeldebescheinigung (Selbständiger)" und zur im Mai 2014 ihrem vorherigen Ehegatten unbefristet erteilten "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)".

2.2.6. Feststellungen zur Erwerbstätigkeit der BF konnten aufgrund eines dem Verwaltungsakt einliegenden AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszug vom 12.04.2017 (AS 105f) und aufgrund im Februar 2019 beim BVwG nachgereichter Lohn/Gehaltsabrechnungen von September und Oktober 2018, woraus eine ab Ende August 2018 bei einer bestimmten Firma in Österreich nachgegangene Beschäftigung der BF als Raumpflegerin hervorgeht, getroffen werden.

Dass die BF am 28.07.2014 einen Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung gestellt hat und ihr diese dann auch erteilt wurde, ergab sich aus einem Schreiben der zuständigen Bezirkshauptmannschaft an die belangte Behörde, in welchem auch festgehalten wurde, dass wegen Erwerbstätigkeit des Ehegatten der BF kein Mitteilungsbedarf bestanden habe (AS 35). Mit diesem Schreiben wurde noch mitgeteilt, dass die BF im Zeitraum von 26.11.2014 bis 19.10.2015 und ihr Ehegatte von 01.12.2014 bis 23.12.2014 bei der Großmutter der BF, ebenfalls Mindestsicherungsempfängerin, gewohnt haben (AS 35f).

Feststellungen zur Erwerbstätigkeit ihres nunmehrigen Ehegatten ergaben sich aus einem Aj WEB-Auskunftsverfahrensauszug.

2.2.7. Dass die BF im Bundesgebiet nie von einem inländischen Strafgericht strafrechtlich verurteilt wurde, beruht auf einer Einsichtnahme in das österreichische Strafregister. Dass nach Einleitung eines Strafverfahrens wegen versuchten Diebstahls dieses nach Zahlung einer Geldbuße für eine Probezeit von einem Jahr vorläufig wiedereingestellt wurde, beruht auf einer dem Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Mitteilung des zuständigen Bezirksgerichtes (AS 75). Dass der von der BF im August 2015 begangene Diebstahl strafrechtlich nicht weiterverfolgt wurde und das diesbezügliche Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, teilte die zuständige Bezirkshauptmannschaft der belangten Behörde mit Schreiben von November 2015 mit (AS 39).

2.2.8. Die gegen die BF aufgrund von Verwaltungsübertretungen im Straßenverkehr im Jahr 2015 verhängten Verwaltungsstrafen waren aus einer mit E-Mail der zuständigen Bezirkshauptmannschaft der belangten Behörde im August 2016 übermittelten diesbezüglichen Auflistung ersichtlich (AS 87).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern der Sachverhalt hinreichen festgestellt wurde oder dieser effektiver seitens des Verwaltungsgerichtes festgestellt werden kann und die Beschwerde ab- oder zurückzuweisen ist, im Fall der Ermessensübung seitens der belangten Behörde jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.:

3.2.1. Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" § 51 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen."

Der mit "Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern" betitelte § 52 NAG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1."

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 NAG lautet auszugsweise:

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf."

Die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG lautet:

"11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;"

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2.2. Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen können sich sichtvermerkbefreite Drittstaatsangehörige in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs. 1 lit. a bis e Schengener Grenzkodex vorliegen.

Artikel 6 Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige (1) Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen bestimmte Einreisevoraussetzungen.

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die BF, serbische Staatsangehörige, bei einem Aufenthalt in Österreich ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.12.2013 einen Tag vor ihrer Eheschließung mit einem rumänischen Staatsangehörigen am 11.04.2014 - am 10.04.2014 - ihre für sie als serbische Staatsangehörige zulässige sichtvermerkfreie zulässige Aufenthaltsdauer von drei Monaten bereits um elf Tage überschritten hat.

Nach § 53 Abs. 1 und 57 NAG sind EWR Bürger und Schweizer, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen sowie deren Angehörige gemäß § 52, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, verpflichtet, spätestens nach Ablauf von vier Monaten ab ihrer Niederlassung diese der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

Im konkreten Fall wurde stützend auf die Eheschließung der BF am 11.04.2014 am 29.10.2014, somit mehr als vier Monate nach Eheschließung, ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Angehörige eines EWR-Bürgers gestellt.

Bereits am 09.08.2014 sprach der vorherige Ehegatte der BF bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vor, er wolle sich von der BF wieder scheiden lassen. Am 29.10.2014 legte die BF einen Gerichtsbeschluss über die Zurücknahme der Scheidungsklage und die Verfahrensbeendigung vor. Infolgedessen wurde der BF am 14.11.2015 eine vom 07.11.2014 bis 06.11.2019 gültige Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR-Bürgers erteilt.

Bereits im November 2015 hat sich die BF jedoch dann tatsächlich von ihrem (vorherigen) Ehegatten scheiden lassen.

Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid begründend aus, dass im gegenständlichen Fall das Aufenthaltsrecht der BF nicht mehr bestehe, habe die am 11.04.2014 von der BF eingegangene Ehe doch nicht, wie in § 54 Abs. 5 Z. 1 NAG vorgesehen, mindestens drei Jahre bestanden, sondern sei bereits im November 2015 wieder geschieden worden.

§ 54 Abs. 5 Z. 5 NAG besagt, dass das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten bleibt, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

Die BF hat sich nachweislich im November 2015 von ihrem ehemaligen Ehegatten einvernehmlich scheiden lassen.

Im Zuge eines dabei zwischen ihnen geschlossenen gerichtlichen Vergleichs wurde festgehalten, dass die Obsorge für ihren gemeinsamen minderjährigen im Dezember 2014 geborenen Sohn weiterhin ihnen beiden gemeinsam zukomme und der Hauptaufenthaltsort des Kindes bei der Kindesmutter sei. Bezüglich des Kontaktrechts wurde festgehalten, dass der Kindesvater berechtigt sei, seinen minderjährigen Sohn jeden Samstag von 10:00 Uhr bis Sonntag 12:00 Uhr zu sich zu nehmen, wobei der Kindesvater verpflichtet sei, das Kind pünktlich bei der Mutter abzuholen und am Ende der Besuchszeit wieder pünktlich zur Kindesmutter zurückzubringen. Ausdrücklich festgehalten werde, dass beide Elternteile verpflichtet seien, sich wechselseitig über die wesentlichen Belange des Kindes zu informieren. Zu einer funktionierenden Kommunikation sei diesbezüglich auch notwendig, dass die jeweiligen aktuellen Wohnadresse und auch die Telefonnummern bekannt seien. Sollte sich ausnahmeweise der Abholort des Kindes verschieben, wäre dies von der Kindesmutter rechtzeitig dem Kindesvater bekanntzugeben.

In diesem Gerichtsvergleich wurde der BF somit ein Umgang mit ihrem Kind nur im Bundesgebiet zugesprochen, wurde doch die Obsorge für ihren gemeinsamen minderjährigen Sohn weiterhin beiden Elternteilen zugesagt, der Hauptaufenthaltsort des Kindes dabei bei der Kindesmutter festgelegt und dem Kindesvater, dem vorherigen Ehegatten der BF, einem EWR-Bürger mit unbefristeter Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer seit Mai 2014, an den Wochenenden regelmäßiger Kontakt zu seinem Sohn zu näher festgelegten Zeiten zugesprochen.

Bis zur mit ihrem Sohn gemeinsamen Abmeldung ihres Wohnsitzes bei der Großmutter der BF am 19.09.2016 lebte die BF mit ihrem Sohn in Österreich in gemeinsamem Haushalt zusammen. Mit ihrem vorherigen Ehegatten bestand nur bis einschließlich 23.12.2014 ein gemeinsamer Hauptwohnsitz. Diesem wurde im Zuge der Scheidung mit Gerichtsvergleich von November 2015 das Recht eingeräumt, regelmäßig - an den Wochenenden - mit seinem Sohn den Kontakt aufrecht zu halten. Nach Wohnsitzabmeldung am 19.09.2016 ist zwar die BF, nicht jedoch, wie von ihr gewollt, auch ihr mit ihrem (vorherigen) Ehegatten gemeinsamer Sohn nach Serbien verzogen. Dies wurde vom Kindesvater verhindert. Ab 06.10.2016 war ihr Sohn wieder bei ihm gemeldet.

Die BF hat das ihr bei der Scheidung gerichtlich zugesprochene Recht auf persönlichen Umgang mit ihrem Kind in Österreich, wo der Kindesvater, welchem mit Gerichtsvergleich nicht nur die mit der BF geteilte Obsorge, sondern auch ein regelmäßiges Besuchs- bzw. Kontaktrecht zugesprochen wurde, ab Verzug nach Serbien im September 2019 bis zur erneuten Wohnsitznahme in Österreich im Mai 2017 nicht mehr ausüben können bzw. freiwillig längere Zeit auf eine Nahebeziehung zu ihrem Sohn verzichtet.

In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass entgegen der Auffassung der belangten Behörde trotz ihrer achtmonatigen Abwesenheit vom Bundesgebiet mit ihrem aus vorheriger Ehe stammenden minderjährigen Sohn ein gemeinsames Familienleben bestanden habe.

Mit ihrem nach Wohnsitzabmeldung im September 2016 mehrmonatigen Aufenthalt in Serbien hat die BF jedenfalls den im Zuge des gerichtlich geschlossenen Vergleichs festgehaltenen Punkt über den Hauptaufenthaltsort des Kindes bei der Kindesmutter nicht mehr eingehalten, bzw. das ihr zugesprochene Recht auf persönlichen Umgang mit dem Kind iSv § 54 Abs. 5 Z. 5 NAG nicht mehr im Bundesgebiet ausgeübt und damit mit ihrem minderjährigen im Dezember 2014 geborenen Sohn im Bundesgebiet kein Art. 8 EMRK - Intensität begründendes Familienleben mehr geführt.

In Gesamtbetrachtung lag daher wegen Unterschreitung der in § 54 Abs. 5 Z. 1 NAG festgeschriebenen Mindestehedauer vom Zeitpunkt der Eheschließung im April 2014 bis zur einvernehmlichen Ehescheidung im November 2015 und auch wegen nach freiwilliger Ausreise der BF im September 2016 längere Zeit unterbrochenen persönlichen Umgangs mit ihrem im Dezember 2014 geborenen Sohn iSv § 54 Abs. 5 Z. 5 NAG kein aufrechter Aufenthaltstitel als Angehörige eines EWR-Bürgers mehr vor, ist doch jedenfalls mit bewusstem Verzug nach Serbien es der BF nicht mehr möglich gewesen, weiterhin ihr mit Gerichtsvergleich im November 2015 zugesprochenes Recht auf persönlichen Umgang mit ihrem Sohn im Bundesgebiet auszuüben, womit die Voraussetzung nach § 54 Abs. 5 Z. 5 NAG für ein Weiterbestehen ihres ab 07.11.2014 gültigen Aufenthaltstitels als Angehörige eines EWR-Bürgers weggefallen ist.

§ 53a NAG besagt, dass EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt erwerben. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Gemäß § 53a Abs. 2 Z. 1 NAG wird die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unterbrochen von Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr.

Im gegenständlichen Fall geht aus dem Akteninhalt hervor, dass sich die BF ab September 2016 - abgesehen von einem Kurzaufenthalt und Spitalsbesuch in Österreich im Dezember 2016 - bis zur Wiedereinreise nach Österreich im Mai 2017 acht Monate lang in Serbien aufgehalten hat und sich demnach im Jahr 2016 über einen Zeitraum von rund dreieinhalb Monaten ab Ausreise nach Wohnsitzabmeldung am 19.09.2016 und im Jahr 2017 bis zum Zeitpunkt ihrer Wiedereinreise Mitte Mai 2017 weitere viereinhalb Monate, somit insgesamt acht Monate außerhalb von Österreich aufgehalten hat.

Die BF hat demnach nach § 53a Abs. 2 NAG weder im Jahr 2016 mit ihrer rund dreieinhalbmonatigen noch im Jahr 2017 mit ihrer rund viereinhalbmonatigen Abwesenheit ihre ununterbrochene rechtmäßige Aufenthaltsdauer ab Gültigkeitsbeginn des ihr erteilten Aufenthaltstitels als Angehörige eines EWR-Bürgers am 07.11.2014 unterbrochen.

Ihre rechtmäßige ununterbrochene Aufenthaltsdauer reichte jedoch nur von 07.11.2014 bis zum Verzug nach Serbien nach Wohnsitzabmeldung am 19.09.2016, womit sie bewusst für längere Zeit auf eine Nahebeziehung zu ihrem Sohn und damit iSv § 54 Abs. 5 Z. 5 NAG auf die Ausübung des ihr gerichtlich zugesprochenes Rechts auf persönlichen Umgang mit ihm verzichtet hat. Die BF konnte jedenfalls kein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 53a NAG erwerben.

Nach Wiedereinreise im Mai 2017 hat die BF mit ihrem neuen Lebensgefährten, einen rumänischen Staatsangehörigen, den sie im August 2018 geheiratet hat und mit dem sie zwei 2017 und 2018 geborene Kinder hat, im Bundesgebiet Wohnsitz genommen.

Mit Schreiben von Februar 2019 teilte die BF dem BVwG mit, dass sie aktuell mit ihrem derzeitigen Ehegatten, den mit ihm gemeinsamen zwei minderjährigen Kindern und ihrem Sohn aus einer früheren Beziehung zusammenwohne. Beim letztgenannten Sohn handelt es sich nicht um ihren Sohn aus vorheriger Ehe, den sie im September 2016 mit nach Serbien nehmen wollte, der jedoch ab Oktober 2016 bei seinem Vater im Bundesgebiet wohnhaft geworden ist. Der "Hauptaufenthaltsort" des im Dezember 2014 geborenen Sohnes der BF war nach Wiedereinreise der BF somit nicht, wie mit gerichtlichem Vergleich von November 2015 beschlossen und vor Ausreise der BF im September 2016 von ihr gehandhabt, bei der BF als Kindesmutter, sondern beim Kindesvater. Daraus, dass die BF in ihrer "Stellungnahme zu ihrer (aktuellen) Situation" von Februar 2019 nur auf ihren derzeitigen Ehegatten, ihre mit diesem gemeinsamen beiden Kindern und ihren minderjährigen Sohn aus einer früheren Beziehung, mit denen sie aktuell zusammenwohnt, Bezug genommen, mit keinem Wort jedoch ihren beim Kindesvater lebenden im Dezember 2014 geborenen Sohn erwähnt hat, war jedenfalls keine aufrechte nähere Beziehung zu ihrem in Österreich beim Kindesvater wohnhaften Sohn erkennbar.

Zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt wohnt die BF mit ihrem nunmehrigen Ehegatten, einem rumänischen Staatsangehörigen, den sie im August 2018 geheiratet hat, den mit ihrem nunmehrigen Ehegatten gemeinsamen beiden minderjährigen 2017 und 2018 geborenen Kindern und einem im Jänner 2014 geborenen Sohn aus einer früheren Beziehung in gemeinsamem Haushalt zusammen.

Nach § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Ehegatte oder eingetragener Partner sind.

Zu prüfen ist nunmehr, ob der nunmehrige Ehegatte der BF, rumänischer Staatsangehöriger, unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger ist.

Gemäß § 51 Abs. 1 Z. 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind.

Im EuGH-Urteil "EuGH 11.11.2014, Dano, C- 333/13" heißt es in Rn. 75: "Überdies unterscheidet die Richtlinie 2004/38 hinsichtlich der Voraussetzung, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Personen. Der erstgenannten Gruppe von Unionsbürgern, die sich im Aufnahmemitgliedstaat befinden, steht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 das Aufenthaltsrecht zu, ohne dass sie weitere Voraussetzungen erfüllen muss. Dagegen wird in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie von nicht erwerbstätigen Personen verlangt, dass sie über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen."). Um als "Arbeitnehmer" im Sinn der genannten Bestimmungen zu gelten, muss lediglich eine "tatsächliche und echte Tätigkeit" ausgeübt werden, die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt. Die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer erhält, ist ebenso wenig von alleiniger Bedeutung wie das Ausmaß der Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitsverhältnisses (vgl. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitnehmerbegriff VwGH 29.9.2011, 2009/21/0386, Punkt 3.3. der Entscheidungsgründe; siehe auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185, u.a. mit dem Hinweis auf das eine geringfügige Beschäftigung betreffende Urteil des EuGH vom 4.2.2010, Hava Genc, C-14/09, Rn. 19 ff; siehe etwa auch EuGH 19.7.2017, Antonino Bordonaro, C-143/16, Rn. 19 ff).

In EuGH, C-14/09, Rn. 20 wird etwa festgehalten:

"20 Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand, dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht, kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 1986, Kempf, 139/85, Slg. 1986, 1741, Randnr. 14, vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom 30. März 2006, Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22)."

Dem Ehegatten der BF wurde im August 2017 unbefristet eine "Anmeldebescheinigung (Selbstständiger)" erteilt. Er war von April 2017 bis Ende Juli 2017 in Wien und von August 2017 bis November 2018 in Niederösterreich gewerblich selbstständig erwerbstätig. Bereits während seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit ging der BF auch unselbstständigen Beschäftigungen nach, wie etwa nach Wiedereinreise der BF im Mai 2017 ab August 2017 bei einem bestimmten Dienstgeber eine Zeit lang mit der BF gemeinsam. Nunmehr steht der Ehegatte der BF in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis seit Februar 2019.

Im gegenständlichen Fall ist es dem Ehegatten der BF möglich, die aktuell für die Mietwohnung der Familie anfallenden Mietzinsen von €

750,00 zu bezahlen, wozu er laut vorgelegtem Mietvertrag auch verpflichtet ist, und zusammen mit der BF, die ab November 2015 bzw. nach Wiedereinreise im Mai 2017 ab August 2017 immer wieder bei verschiedenen Dienstgebern Beschäftigungen nachgegangen ist bzw. auch derzeit nachgeht, ihren Familienunterhalt zu erwirtschaften. Abgesehen davon, dass nach dem vorhin angeführten EuGH-Urteil, C-14/09, Rn. 20, auch das Ansuchen um staatliche Unterstützungsleistung die "Arbeitnehmereigenschaft" des BF nicht trüben kann, haben die BF und ihr Ehegatte, wie die BF in ihrem im Februar 2019 nachgereichten Schreiben bekannt gab, ihren vor Wohnsitznahme der Schwiegermutter der BF bei ihnen gestellten Antrag auf Mindestsicherung nach Wohnsitznahme ihrer Verwandten bei ihnen wieder zurückgezogen, haben sie dadurch doch die Kinderbetreuung und demnach auch eine mögliche Erwerbstätigkeit der BF als gesichert angesehen.

Dem nunmehrigen Ehegatten der BF kommt jedenfalls die "Arbeitnehmereigenschaft" iSv § 51 Abs. 1 Z. 1 NAG zu.

Fest steht, dass auch die BF derzeit in einem laufenden Dienstverhältnis steht. Durch die Erwerbstätigkeit des Ehegatten der BF und der BF selbst ist ihr Familienunterhalt jedenfalls gesichert.

Nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung des Ehegatten der BF wegen schweren Betruges mit einem € 5.000,00 übersteigenden Schaden von Oktober 2018 zu einer auf drei Jahre bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten wurde dieser im Bundesgebiet nicht mehr straffällig. Auf seinen im August 2017 begangenen Betrug folgte zudem die Fortsetzung seiner legalen Erwerbstätigkeit.

Nunmehr zu prüfen ist, ob der nunmehrige Ehegatte der BF angesichts des von ihm im August 2017 begangen schweren Betruges noch unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt ist, sieht doch § 55 Abs. 3 NAG bei einer bestehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr vor.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet, wobei nach § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1) widerstreitet, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Die BF konnte bei ihrem nunmehrigen Ehegatten nach seinem im August 2017 begangenen schweren Betrug, weswegen er im Oktober 2017 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, offenbar einen positiven Gesinnungswandel mitbewirken, wurde der Ehegatte der BF nach seiner letzten Straftat doch nicht wieder straffällig, wozu sicher auch sein gegenüber seinen mit der BF gemeinsamen 2017, 2018 geborenen Kindern vorhandenes bzw. entwickeltes Verantwortungsbewusstsein beigetragen hat. Von einer vom Ehegatten der BF ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 55 Abs. 3 NAG ist daher jedenfalls nicht auszugehen. Von der BF geht mangels strafrechtlicher Verurteilung im Bundesgebiet und angesichts der zwei - wegen Geringfügigkeit und einer bezahlten Geldbuße von € 50,00 - 2015, 2016 wiedereingestellten Strafverfahren wegen Diebstahls und ihrer nachweis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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