Entscheidungsdatum
09.07.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
G314 2220474-1/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen die Spruchpunkte II., IV., V. und VI. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:
A) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung
(Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 21.06.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem es dem Beschwerdeführer (BF) keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilte (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt II.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien feststellte (Spruchpunkt III.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festlegte (Spruchpunkt IV.), der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannte (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und 7 FPG ein dreijähriges Einreiseverbot erließ (Spruchpunkt VI.). Das BFA begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich sei, weil er sich rechtswidrig und mittellos im Bundesgebiet aufhalte, die erlaubte Aufenthaltsdauer überschritten habe und einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Es bestünde die Gefahr, dass er zur Finanzierung seines Lebensunterhalts wieder einer illegalen Erwerbstätigkeit nachgehen werde. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.
Der BF erhob dagegen eine Beschwerde und konkretisierte in der Stellungnahme vom 03.07.2019, dass sich diese gegen die Spruchpunkte II., IV., V. und VI. des Bescheids richtet. Er beantragte die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und die Behebung des Einreiseverbots, in eventu dessen Verkürzung. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass er bei keiner Verwaltungsübertretung betreten worden sei. Er sei keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern habe sein Auto seinem Cousin zu Arbeitszwecken geliehen. Die Behörde habe sein Familienleben nicht beachtet. Er sei mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Frau verheiratet, die mit dem gemeinsamen Kleinkind in XXXX lebe. Er habe nicht gegen das MeldeG verstoßen und die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen eingehalten. Er halte sich nicht illegal im Bundesgebiet auf. Er sei unbescholten und stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Das dreijährige Einreiseverbot greife - insbesondere bei Berücksichtigung des Kindeswohls - unverhältnismäßig in seine von Art 8 EMRK geschützten Rechte ein.
Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens langten am 26.06.2019 beim BVwG ein.
Feststellungen:
Der BF wurde am 08.02.2019 bei einer Polizeikontrolle in XXXX mit zwei anderen serbischen Staatsangehörigen in seinem Auto mit XXXX Kennzeichen, in dem sich Utensilien und Werkzeuge für den Winterdienst befanden, aufgegriffen. Er wies sich mit einem serbischen Führerschein aus. Er führte keinen anderen Ausweis, insbesondere keinen Reisepass, mit sich und konnte auch nach der Fahrt zu der von ihm bewohnten Wohnung in XXXX, wo er seit 12.07.2018 mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, keinen vorweisen. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 15.03.2019 gab er an, er habe seinen Reisepass verloren.
Der BF ist seit 2017 mit der in Wien lebenden serbischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Er lebt abwechselnd einerseits im Haus seiner Eltern in Serbien und andererseits in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Frau und dem gemeinsamen, am XXXX2017 geborenen Sohn XXXX, der ebenfalls serbischer Staatsangehöriger ist. Es kann nicht festgestellt werden, wann er zuletzt in den Schengen-Raum eingereist ist. Er spricht Serbisch. Er besitzt keinen österreichischen Aufenthaltstitel und hat noch nie einen beantragt. Sein Cousin XXXX betreibt in XXXX ein Unternehmen zur Schneeräumung, zur Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen sowie zur Hausbetreuung. Ihm gehören die Arbeitsgeräte, die sich am 08.02.2019 im Auto des BF befanden. Es gibt keine Anhaltspunkte für weitere familiäre oder private Anknüpfungen oder Integrationsbemühungen des BF in Österreich oder in einem anderen Staat, für den die Rückführungsrichtlinie gilt.
Der BF hat weder Vermögen noch Ersparnisse. Er bezieht in Serbien unregelmäßige Einkünfte aus der Mitarbeit mit seinen Eltern, die Kleidung am Markt verkaufen, und aus der Autoaufbereitung. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig; sie lebt von der Sozialhilfe und bezieht Familienbeihilfe.
Gegen den BF ist ein Verwaltungsstrafverfahren wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts anhängig.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdenregister. Da der Reisepass des BF nicht vorliegt, kann das Datum seiner (letzten) Einreise in das Gebiet der Schengenstaaten mangels eines Einreisestempels nicht festgestellt werden, zumal er dazu keine konkreten Angaben machte und keine Nachweise (Beförderungsnachweise oä) vorlegte.
Die Angaben des BF zu dem von seinem Cousin betriebenen Unternehmen decken sich mit den diesem erteilten Gewerbeberechtigungen laut Gewerbeinformationssystem Austria (GISA). Da er in der Beschwerde vorbrachte, er habe im Verwaltungsstrafverfahren der Landespolizeidirektion Wien eine Beschwerde erhoben, ist davon auszugehen, dass dieses Verfahren noch anhängig ist. Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit geht aus dem Strafregister hervor, zumal Anhaltspunkte für Verurteilungen in anderen Staaten fehlen. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA; Nachweise für Unterhaltsmittel liegen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Da sich die ursprüngliche Beschwerde in erster Linie gegen das Einreiseverbot richtet und der BF erst mit der Eingabe vom 03.07.2019 klarstellte, dass sie sich auch gegen die Rückkehrentscheidung und gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtet, begann diese Frist erst mit dem Einlangen dieser Eingabe beim BVwG zu laufen.
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil weder ein Einreisestempel im Reisedokument des BF noch andere glaubhafte Nachweise für die Einhaltung der Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer des kurzfristigen Aufenthalts vorliegen, sodass gemäß Art 12 Schengener Grenzkodex von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer auszugehen ist. Selbst ausgehend von einer Einreise des BF erst unmittelbar vor der Kontrolle am 08.02.2019 wäre die zulässige Aufenthaltsdauer (90 Tage in 180 Tagen) mittlerweile längst überschritten, ohne dass ein Nachweis für eine in der Zwischenzeit erfolgte Ausreise vorliegt.
Außerdem verfügt der BF nicht über ausreichende Unterhaltsmittel und kann solche mangels eines Aufenthaltstitels und einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung auch nicht legal erwerben, sodass von seiner Mittellosigkeit auszugehen ist. Da seine Frau kein Erwerbseinkommen hat und den Lebensunterhalt für sich und den gemeinsamen Sohn mit staatlichen (Sozialhilfe-)Leistungen finanziert, besteht auch kein Unterhaltsanspruch des BF gegen sie, der zu ausreichenden finanziellen Mitteln zur Bestreitung auch seines Lebensunterhalts führt. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung iSd § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).
Einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, hat das BVwG diese gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vom Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 oder Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Solche konkreten Gründe liegen hier nicht vor. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich gemäß § 1 Z 6 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, in dem die Todesstrafe gänzlich abgeschafft ist und kein bewaffneter internationaler oder innerstaatlicher Konflikt herrscht.
Auch bei Berücksichtigung der privaten und familiären Bindungen des BF in Österreich, wo insbesondere seine Ehefrau und sein Kleinkind leben, ist keine Verletzung von Art 8 EMRK durch einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben zu befürchten, zumal er sich bisher nur im Rahmen kurzfristiger visumfreier Aufenthalte in Österreich aufhielt und das Familienleben in Kenntnis seines unsicheren Aufenthaltsstatus begründet wurde, was dessen Gewicht maßgeblich relativiert. Es ist dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten, wo seine Eltern leben, bei denen er eine Unterkunft und eine Arbeitsmöglichkeit hat, und währenddessen den Kontakt zu seiner Ehefrau über Telefonate und andere Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) zu pflegen. Der persönliche Kontakt zu seinem Sohn, für den solche Kommunikationsmittel altersbedingt noch nicht geeignet sind, kann im Rahmen von Treffen in Serbien oder in anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie nicht gilt, aufrecht gehalten werden, zumal der BF nach seinen Angaben auch schon bisher nicht dauerhaft mit ihm in einem Haushalt zusammengelebt hat.
Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid ist knapp, aber im Hinblick auf die nach der Aktenlage anzunehmende Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer und Mittellosigkeit des BF als ausreichend anzusehen.
Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - EntfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2220474.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.10.2019