Entscheidungsdatum
11.07.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W240 2220801-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2019, Zl. 1220348302-190179592, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 20.02.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Es wurde sein Reisepass sichergestellt.
Eine Eurodac-Abfrage zur Person des Beschwerdeführers ergab keinen Treffer.
Der Beschwerdeführer verfügt über ein ab 23.01.2019 bis 18.07.2019 gültiges Visum, ausgestellt vom polnischen Konsulat in Moskau.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.02.2019 gab der Beschwerdeführer an, es sei ihm ein bis 18.07.2019 gültiges Visum vom polnischen Konsulat in Moskau ausgestellt worden, es würde eine volljährige Schwester von ihm in Frankreich leben. Sein Reiseziel sei Polen gewesen, dort habe er arbeiten wollen. Zur Reiseroute gab er an, er sei ab 01.02.2019 bis 19.02.2019 in Polen gewesen, er sei durch Tschechien durchgereist, um nach Österreich zu gelangen. Er sei in Polen von Ukrainern tätlich angegriffen und am Kopf schwer verletzt worden. Er habe ein Kopftrauma erlitten und habe immer noch Kopfschmerzen. Er habe bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Die Täter seien angehalten aber wieder aus der Haft entlassen worden. Er habe die Täter erneut auf der Straße gesehen und sie hätten ihm gedroht, ihn umzubringen. Er besitze ein Arbeitsvisum für Polen. Als Grund für seine Ausreise aus Russland gab er an, dass er Zeuge Jehovas sei und diese Religion in Russland verboten sei. Er habe in Polen Fuß fassen wollen. Er habe eine Stelle als Arbeiter in einer KFZ-Ersatzteilfabrik erhalten und sei von Ukrainern angegriffen und verletzt worden. Er habe deshalb seine Arbeit nicht antreten können. Trotz Anzeige seien die Personen nach zwei Tagen entlassen worden. Er habe diesbezüglich Beweise. Diese Personen hätten bei ihm im Arbeiterquartier gewohnt. Sie hätten den Beschwerdeführer provoziert und behauptet, er würde als Russe gegen die Ukraine kämpfen, was wahrheitswidrig sei. Er sei nach seiner Anzeige durch die Personen bedroht worden.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 26.02.2019 ein auf
Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Polen.
Mit Schreiben vom 04.03.2019 stimmte die polnische Dublin-Behörde dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 11.04.2019 im Beisein eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Dabei erklärte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes:
"(...)
LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?
VP: Ich kann der Einvernahme folgen. Aber ich hatte 2 Operationen in Krankenhaus.
LA: Fühlen Sie sich gesund?
VP: Ja. Im Moment fühl ich mich gut. Nicht sehr gut.
LA: Sind Sie derzeit in ärztlicher Betreuung und/ oder Behandlung bzw. Therapie?
VP: Nein. Ich habe Befunde. Anm. AW legt vor: 3x Zeitbestätigungen (04.03.2019,15.03.2019 und 03.04.2019), Aufenthaltsbestätigung LK XXXX vom 18.03.2019-26.03.2019, 2x Überweisungsscheine vom 04.04.2019, 1x Befundbericht vom 04.04.2019 ( XXXX ), 1x Ambulanzbrief vom LK XXXX vom 29.03.2019;1x Implantat-Ausweis.
Anm: AW wird darauf hingewiesen, dass er hier in Ö. jederzeit zu einem Arzt gehen kann.
LA: Nehmen Sie irgendwelche Medikamente? Wenn ja, welche?
VP: Ja. Gegen Schmerzen.
LA: Haben Sie bis jetzt im Verfahren zur Ihrer Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt.
VP: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Name und das Geburtsdatum, welches ich hier in Österreich angegeben habe, der Wahrheit entsprechen. (Anm. EB wird vorgehalten).
Nachgefragt gebe ich an nicht verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben.
LA: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
VP: Ich habe einen russischen Führerschein: Ausst. XXXX
LA: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?
VP: Nein. In Polen schon. (Anm. keine Vollmacht im Akt).
LA: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen, CH, Lichtenstein oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
VP: Meine Schwester mit Ihren Mann befindet sich in Frankreich.
LA: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).
VP: Nein. Nachgefragt: Ich habe auch keine Verwandten in Österreich.
LA: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.
VP: Nein. Ich lebe hier im Lager.
LA: Führen Sie zu einer in Österreich aufhältigen Person eine Beziehung?
VP: Nein.
LA: In der Erstbefragung am 20.02.2019 gaben Sie an, von Polen über Tschechien nach Österreich gelangt zu sein. Ist das korrekt?
VP: Ja.
LA: Sind Ihnen auf dem Weg nach Polen/Österreich die Fingerabdrücke irgendwo abgenommen worden?
VP: Nur in Wien.
LA: Haben Sie vor oder während des Verlassens Ihres Heimatlandes irgendwo ein Visum beantragt?
VP: Ja. Ich habe ein Arbeitsvisum von Polen bekommen und bin auch legal von Russland nach Polen.
LA: Haben Sie auf dem Weg nach Österreich irgendwo einen Asylantrag gestellt?
VP: Nein. Ich habe nicht das Ziel gehabt in Europa einen Asylantrag zu stellen sondern ich bin normal nach Polen gereist um zu arbeiten.
LA: Waren Sie auch in Polen aufhältig? Wenn ja wie lange waren Sie in Polen aufhältig?
VP: Von 01.02.2019 bis 19.02.2019.
LA: Seit Ihrer Einreise in Polen, haben Sie Polen bzw. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mal verlassen?
VP: Nein. Ich bin von Polen nach Österreich.
LA: Welche Tätigkeit haben Sie in Polen ausgeübt (Arbeit)?
VP: Ich habe gar nichts gearbeitet. Bevor ich mit der Arbeit beginnen konnte, sind Leute zu mir in die Wohnung gekommen und haben mich geschlagen. Es waren 3 Männer.
A: Wo haben Sie sich aufgehalten in Polen?
VP: In XXXX . Nachgefragt war ich in einer Wohnung von der Fabrik (gemeint Arbeit) untergebracht. Von derselben Firma habe ich auch das Arbeitsvisum bekommen bzw. konnte ich arbeiten. Nachgefragt 4 Personen aus der Ukraine und 2 Russen inkl. mir reisten nach Polen um zu arbeiten.
LA: Wie lange hätten Sie sich in Polen aufgehalten?
VP: Ich konnte dort lange bleiben. Visum könnte auch aufgrund der Arbeit verlängert werden. Das Visum ist 6 Monate gültig.
LA: Habe Sie in Polen einen Asylantrag gestellt?
VP: Nein.
LA: Sie haben in der Erstbefragung angegeben, der Religion "Zeugen Jehovas" zugehörig zu sein. Seit wann sind Sie dieser Religion zugehörig?
VP: Ja. Seit meiner Kindheit. Nachgefragt ist meine Mutter auch zugehörig. Der Vater ist Moslem. Meine Eltern sind geschieden.
Vorhalt:
LA: Ihnen wurde eine Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit POLEN geführt werden. Aus diesem Grund fand auch heute ein Rechtsberatungsgespräch statt.
LA: Der Staat POLEN stimmte in Ihrem Fall gem. Art. 12.2 der Dublin III-Verordnung zu. Es war eine ausdrückliche Zustimmung und keine Verfristung. Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in nach POLEN auszuweisen.
LA: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?
VP: Ich möchte nicht zurück nach Polen nachdem ich verletzt wurde. Eine Woche lang war ich bei den Leuten, die ebenfalls wie ich zu den Zeugen Jehovas gehören und eine Woche war ich auf der Straße. Im Krankenhaus wollten die mich nicht aufnehmen. Ich habe die Leute bei der Polizei angezeigt. Die Leute sind nach 2 Tagen freigekommen. Ich habe diese Leute in der Stadt gesehen und diese habe mich auch bedroht. Ich habe die Anzeige der Polizei hier im Lager. Ich habe nicht daran gedacht dies heute mitzunehmen.
Anm: Frist bis morgen Beweismittel einbringen.
VP: Morgen muss ich ins Krankenaus.
LA: Sie gaben an geschlagen worden zu sein. Von wem wurden Sie geschlagen?
VP: Ich kenne diese Personen nicht. Damals nach der Anzeige bei der Polizei (Polen) habe ich die Namen von den Personen erfahren. Das waren 3 Personen aus der Ukraine. Die Namen weiß ich jetzt nicht, aber stehen am Anzeigenprotokoll, welches ich einbringen werde.
LA: Warum wurden Sie überhaupt geschlagen?
VP: Weil ich nicht mit denen Alkohol wollte trinken. Außerdem habe ich von den 3 Ukrainern die Krim gestohlen (gemeint die Halbinsel Krim wurde wurde von meinen Landsleuten gestohlen) Wir haben gestritten.
LA: Sie gaben an eine Anzeige gemacht zu haben. Wie ist das ausgegangen?
VP: Alle 3 wurden von der Polizei geholt und verhaftet. Diese waren betrunken. Angeblich sind diese nach 2 oder 3 Tagen freigekommen. Das habe ich nach einer Woche erfahren, dass diese freigekommen sind.
LA: Von wem haben Sie das erfahren?
VP: Von der Polizeistation. Nachgefragt habe ich die Dokumente zur Polizei gebracht. Meine Papiere (Reisepass) habe ich abgegeben und auch eine Bestätigung des Arztes. Ich bin mit einem Dolmetscher hin. Nachgefragt hat mir mein kostenloser Anwalt das mitgeteilt, dass die Leute die mich verletzt haben, entlassen wurden. Als ich mit meinem Anwalt bei der Polizei war, hat der Anwalt die Polizei gefragt was mit den Personen ist.
LA: Waren Sie auch im Krankenhaus in Polen?
VP Ja in 3 verschiedenen. Ich wurde nicht behandelt, weil ich nicht versichert war.
LA: Als Sie in Polen angekommen sind. Wann genau ereignete sich der Vorfall?
VP: In der Nacht von 04. auf 05.02.2019.
LA: Was haben Sie vom 05.02.2019 bis zu Ihrer Ausreise bzw. Einreise in Österreich gemacht?
VP: Ich wollte gerichtlich ein Schmerzensgeld bekommen von meiner Firma.
LA: Sie wurden medizinisch in Polen angeblich nicht behandelt. Sind bis 19.02.2019 noch in Polen unbehandelt verblieben und haben sich erst in Österreich medizinisch behandeln lassen? Habe ich das richtig verstanden?
VP: Ja richtig.
LA: Zum Zeitpunkt Ihrer Einreise in Polen. Wann wäre Ihr erster Arbeitstag gewesen?
VP: Am 04.02.2019.
LA: Wären Sie demnach nicht (legaler Aufenthalt, Arbeitsgenehmigung) nicht durch Ihre Firma versichert gewesen?
VP: Aus diesem Grund wollte ich Schmerzensgeld. Ich bin in Russland krankenversichert. Wie ich in Polen aufhältig war, war meine Versicherung nicht zuständig.
LA: Ihnen wurden die Länderfeststellungen zu Polen übermittelt. Sie haben die Möglichkeit gehabt bis zur Einvernahme eine Stellungnahme zu Polen abzugeben. Haben Sie eine schriftliche Stellungnahme vorbereitet?
VP: Nein.
LA: Möchten Sie nun eine Stellungnahme zu Polen abgeben?
VP: Ja. Frist eine Woche bis 18.04.2019 für Stellungnahme.
LA: Der Rechtsberatung wird die Möglichkeit gegeben, Fragen und/ oder Anträge zu stellen.
RB: Keine Fragen und / oder Anträge.
LA: Wären Sie bereit freiwillig nach Polen zu gehen?
VP: Wenn ich hier gesund werde und die medizinische Versorgung bekomme, dann bin ich arbeitsfähig und wäre bereit freiwillig nach Polen zurückzukehren.
LA: Wollen Sie noch etwas angeben was Ihnen wichtig erscheint? Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen?
VP: Nein danke.
(...)"
Am 15.04.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, darin führte er aus, dass er sich für die medizinische Hilfe in Österreich bedanke und darum ersuche, dass er noch die wichtigsten Behandlungen in Österreich weiter in Anspruch nehmen könne. In Polen würden zahlreiche Arbeitskollegen und Wohnnachbarn aus der Ukraine stammen, diese seien gegen den Beschwerdeführer, weil er russischer Staatsbürger und Zeuge Jehova sei, negativ eingestellt und bestehe für ihn in Polen Lebensgefahr, weil Angriffe gegen ihn drohen würden.
Betreffend den Beschwerdeführer wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
* Unterlagen in polnischer Sprache samt Übersetzungen (insbesondere:
Rezept eines Zahnarztes vom 05.02.2019, Formblatt für medizinische Überweisung, Arbeitsvertragsformularantrag vom 01.02.2019 in russischer Sprach bei einer polnischen Firma, Bestätigung vom 06.02.2019 über eine Anzeigenerstattung durch den Beschwerdeführer bei einer polnischen Polizeistation, weil er behauptete, durch unbekannte Täter in Polen verprügelt worden zu sein, er habe Knochenbruch und Splitterungen der Knochen im Stirnbereich links erlitten sowie Nasenbeinbrauch rechts ohne Verschiebung, Untersuchungsergebnisse vom 05.02.2019 und 12.02.2019
* Aufnahmebefund "Orbitadachfraktur sin" bei der Aufnahme in eine HNO-Abteilung am 21.02.2019 samt Ambulanzkarte vom 21.02.2019 mit der Diangose "Fract. Sinus frontalis sin. Non rec - 05.02.2019, fract. Orbitae sin. Non rec. - 05.02.2019" samt CT-Ergebnisse und Augenambulanzprotokoll vom 21.02.2019
* Augen-Orthoptischer-Befund vom 22.02.2019 mit der Diagnose "Orbitabruch links ohne größere mechanische Bewegungseinschränkung" sowie Ambulanzbrief vom selben Tag
* Implantatenpass vom 19.03.2019, der Beschwerdeführer hat ein Titanimplantat in der linken Stirn
* Ein Befund vom 05.03.2019 eines österreichischen Landesklinikums, HNO Abteilung mit dem Befund "Penicillinallergie bekannt, nervus superorbitalis li. Funktionslos"
* Aufenthaltsbestätigung eines österreichischen Landesklinikums über die stationäre Krankenhausbehandlung vom 18.03.2019 bis zum 26.03.2019
* Bestätigung vom 22.03.2019 eines österreichischen Landesklinikums über die Behandlung
* Ärztlicher Entlassungsbrief vom 26.03.2019 mit den Diagnosen "Fraktur der Vorderwand des Sinus frontalis links sowie Teile des Orbita Daches links bei Raufhandel"
* Ambulanz-Brief vom 29.03.2019 mit dem Befund "Lokalbefund, das Aug links im Bereich des Oberlides noch geschwollen, die Bulbusmotilität unauffällig, Nahtentfernung problemlos, keine Entzündungszeichen"
* Ausstellung einer Zeitbestätigung vom 03.04.2019 einer Arztstation einer Betrauungsstelle in Österreich
* Befundbericht vom 04.04.2019 einer HNO Abteilung eines österreichischen Krankenhauses mit der Diagnose "rezidiverende Epistaix bei Zn Rekonstruktion von Orbitadach und Sinus frontalis links 19.03.2019"
* Ergebnis der Computertomographie vom 11.04.2019 mit dem Ergebnis "Diskrete Sinusitis maxillaris re. bei Vorhandensein eines kleinen Polypen am Boden des re. Sinus maxillaris, ebenso diskrete kleine polsterartige Schleimhautschwellungen im medialen Abschnitt des re-seitigen Sinus frontalis, reguläre postoperative Veränderungen an der lateralen Wand des li. Sinus frontalis
* Magnetresonanz-Tomographie vom 08.05.2019 mit dem Ergebnis "altersentsprechend unauffällige MRT des Gehirns"
* Terminvereinbarung für den 22.05.2019 in einer HNO-Praxis und am 29.05.2019 bei einem Augenarzt samt Diagnose vom 22.05.2019 "links parietale Cephalea (bei Zn Rekonstruktion von Orbitadach und Sinus frontalis links 19.03.2019"
* Augenarztterminvereinbarung für den 03.07.2019
* Terminvereinbarung bei einem österreichischen Neurologen am 11.11.2019
* Allgemeiner Ambulanzbrief vom 07.06.2019 mit den Diagnosen "Pharyngitis acuta, V.a. posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom, Subakute Diarrhoe ohne Elytentgleisung, V.a. Clostridienenteritis, Ruhebradykardie mit physiologischer Reizakzelleeration, Ausschluss orthostatische Dysregulation, V.a. Lagerungsschwindel, möglicherweise posttraumatisch"
* Ambulanter Befundbericht vom 07.06.2019 mit der Zusammenfassung, dass die Kopfschmerzen am ehesten durch Verspannungen bedingt seien, diesbezüglich sei eine Physiotherapie zu ergänzen, gegebenenfalls könne der Beschwerdeführer ua auch in der Kopfschmerzambulanz eingebunden werden, nach Möglichkeit kein Tramal, ein EEG solle elektiv, gegebenenfalls beim niedergelassenen Facharzt, geplant werden, Kontrolle beim neurologischen Facharzt,
2. Mit gutachterliche Stellungnahme vom 15.06.2019, erstellt von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin, wurde insbesondere festgestellt, dass ein Zustand nach Orbitadachfraktur, Zustand nach operativer Versorgung ohne akute Behandlungsnotwendigkeit bestehe. Diese Verletzung sei in jedem europäischen Land behandelbar, jedoch benötige der Beschwerdeführer aktuell keine Behandlungen. Es sei durch eine eventuell stattfindende Überstellung keine Verschlechterung zu erwarten.
Am 25.04.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen §§ 15, 127 StGB erhoben, laut Kurzbrief der zuständigen österreichischen Kriminalabteilung wegen des Verdachts des versuchten Ladendiebstahls.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.06.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß
§ 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Polen traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.
2. Allgemeines zum Asylverfahren
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
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(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 3.11.2017
3. Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2016 gab es keinen einzigen Fall, in dem ein Verfahren innerhalb der Neun-Monatsfrist wiedereröffnet worden wäre. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 2.2017; vgl. EASO 24.10.2017).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig von dem Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniere (AIDA 2.2017).
Die für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen zuständige Vertragsfirma Petra Medica ist vertraglich verpflichtet, einen Früherkennungsmechanismus für Vulnerable zu betreiben. Psychologische Versorgung inklusive Übersetzung ist in allen Unterbringungseinrichtungen vorhanden. Verfahren vulnerabler Personen werden priorisiert und alle Beamten im Umgang mit Vulnerablen geschult. Das Verfahren zur Identifizierung Vulnerabler wurde im Zuge eines Projekts mit einer NGO entwickelt. Die Bewertung spezieller Bedürfnisse geschieht durch einen Arzt während der Erstuntersuchung (epidemiologischer Filter). Werden psychische Probleme erkannt, wird der Betreffende zu einem Psychologen überwiesen. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Hinweise auf Vulnerabilität aufkommen, wird ebenfalls eine psychologische Untersuchung veranlasst. Gleiches gilt bei Hinweisen auf Folter. Wenn auch von NGOs behauptet wird, die Identifizierung der Vulnerabilität funktioniere in der Praxis nicht immer, kann Polen dennoch als positives Beispiel genannt werden, da der Identifikationsmechanismus verpflichtend ist, und konkrete Umsetzungsmaßnahmen festgelegt wurden (HHC 5.2017).
In Polen gibt es drei NGOs, die sich auf die psychologische Betreuung von vulnerablen Asylwerbern spezialisieren. Die NGO International Humanitarian Initiative arbeitet in Warschau und besucht nötigenfalls auch geschlossene Einrichtungen. Sie betreiben auch das Projekt "Protect" für Folteropfer. Die NGO Ocalenie Foundation arbeitet auch in Warschau und hat einen Psychologen, der Russisch und Englisch spricht. Die dritte ist die Stiftung Róznosfera, welche 2015-2016 ein Projekt mit Grenzwache und Asylbehörde zur Identifizierung von Vulnerablen betrieben hat. Andere NGOs bieten psychologische Hilfe aus finanziellen Gründen nur eingeschränkt und unregelmäßig an (AIDA 2.2017).
Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind auch entsprechend unterzubringen. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Drei Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, sieben andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen mit Kindern. Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).
Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist, mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür: allgemeine Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt. Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige auf Antrag der Asylbehörde vom lokalen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage. Es gibt keine Berichte zur Einhaltung dieser Regel. Der Vormund ist nur für das Asylverfahren zuständig, nicht für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist wurden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe (AIDA 2.2017).
Unbegleitete Minderjährige (UM) werden nicht in den herkömmlichen Unterbringungszentren für Asylwerber, sondern in verschiedenen Kinderschutzeinrichtungen in ganz Polen untergebracht. Auch die Unterbringung in Pflegefamilien ist möglich. 2016 waren die meisten UM (142 Anträge von UM gab es in jenem Jahr) in Einrichtungen in Ketrzyn, in der Nähe des dortigen Unterbringungszentrums untergebracht, andere auch in Przemysl oder Rzeszów. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, bleibt der UM in der Unterbringung, in der er sich befindet. 2016 wurden zwölf Verfahren von UM eingestellt, weil sich diese dem Verfahren entzogen (absconded) (AIDA 2.2017). Unbegleitete Minderjährige unter 15 Jahren dürfen nicht in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden (USDOS 3.3.2017).Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
-
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
5. Non-Refoulement
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist (first country of asylum). 2016 gab es in Polen 770 Unzulässigkeitsentscheidungen, aber es gibt keine Daten, wieviele davon auf die genannte Regelung zurückgehen (AIDA 2.2017).
Es gibt Berichte, wonach immer wieder potentiellen Antragstellern an der Grenze zu Weißrussland die Einreise nach Polen und der Zugang zum Asylverfahren verwehrt wird (AIDA 2.2017). Stattdessen werden sie nach Belarus zurückgeschickt. Die Grenzwache sagt, dass jene, denen die Einreise verweigert wurde, Wirtschaftsmigranten ohne Visa gewesen seien, die lediglich nach Westeuropa weiterreisen wollten (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). NGOs kritisieren, dass die Grenzwache diese Erkenntnis aus lediglich rudimentären zwei- bis dreiminütigen Befragungen (pre-screening interviews) gewinne. Das polnische Außenministerium wiederum sagt, dass das Gebiet, auf dem diese pre-screening interviews stattfinden, nicht polnisches Territorium sei (HRW 15.6.2017). Es wird weiter kritisiert, dass Belarus über kein funktionierendes Asylsystem verfüge, und daher die hauptsächlich tschetschenischen bzw. zentralasiatischen Schutzsuchenden einem Risiko ausgesetzt seien, in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt zu werden und dort Opfer von Folter oder Misshandlung zu werden. Diese Praxis dauert angeblich trotz mehrerer interim measures des EGMR weiter an (AI 5.7.2017). Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/336602/479283_de.html, Zugriff 10.11.2017
-
AI - Amnesty International (5.7.2017): Public Statement: Poland:
EU Should Tackle Unsafe Returns to Belarus, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1499329689_eur3766622017english.pdf, Zugriff 10.11.2017
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
-
HRW - Human Rights Watch (15.6.2017): Poland Ignores European Court Over Return of Asylum Seeker, https://www.ecoi.net/local_link/341960/485286_de.html, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
6. Versorgung
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens sowie ohne Unterschied zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren sowie bei Folgeanträgen und während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), wird ihnen das Recht auf Versorgung aberkannt. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2016 meist nicht getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 2.2017).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage (AIDA 2.2017).Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
6.1. Unterbringung
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten) und Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2016 erhielten durchschnittlich 1.735 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 2.416 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 2.2017).
In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.331 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen (AIDA 2.2017).
Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 2.2017).
Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017). UNHCR und NGOs berichten über keine größeren oder anhaltenden Probleme von Missbrauch in den Zentren (USDOS 3.3.2017).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 510 Plätzen (AIDA 2.2017). Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
6.2. Medizinische Versorgung
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:
psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden Zuwendung durch einen Psychologen vorgesehen. Das umfasst Identifizierung von Vulnerablen und grundlegende Behandlung. AW können aber auch an Psychiater oder psychiatrische Einrichtungen überwiesen werden. NGOs zeigen sich damit nicht zufrieden, beklagen den Mangel an PTSD-Behandlungen und einige NGOs meinen sogar, die spezialisierte Behandlung von traumatisierten AW und Folteropfern wäre in Polen nicht möglich. Zusätzlich bieten NGO-Psychologen in Unterbringungszentren ihre Dienste an, in manchen Zentren aber nicht regelmäßig. Die Psychologen in den Unterbringungszentren sprechen in der Regel auch Russisch. Darüber hinausgehende Übersetzung wird durch die zuständige Abteilung der Petra Medica gewährleistet. Manchmal ist bei der medizinischen Behandlung die Übersetzung bzw. mangelnde interkulturelle Kompetenz des medizinischen Personals ein Problem. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).
Petra Medica ist aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde verantwortlich für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen. In den Empfangszentren wird ein Gesundheits-Check, darunter auch der sogenannte epidemiologische Filter auf Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Geschlechtskrankheiten und parasitäre Erkrankungen, vorgenommen. In den Unterbringungszentren wird ambulante medizinische Versorgung, darunter medizinische Grundversorgung, Zahnbehandlung, psychologische Betreuung und Versorgung mit Medikamenten geboten. Wenn nötig, werden Patienten für Tests oder Spezialbehandlung in medizinische Einrichtung der Petra Medica oder andere Vertragseinrichtungen überwiesen. Psychologische Betreuung findet im Zentrum statt, in Spezialfällen kann auch in spezialisierte Kliniken überwiesen werden. Rehabilitationsmaßnahmen sind mit Genehmigung der Abteilung Sozialwohlfahrt der UDSC möglich. Wenn AW außerhalb der Zentren leben, erhalten sie die Behandlung ebenfalls in den oben genannten Einrichtungen oder in relevanten Einrichtungen in den Hauptstädten der Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke, Anm.). Wenn nötig, kann eine Überweisung in das nächstgelegene Krankenhaus erfolgen, das mit Petra Medica zusammenarbeitet. Außerhalb des Zentrums konsumierte Leistungen werden über Petra Medicas Patient Registration Coordinator serviciert (werktags zu den Bürozeiten). Wenn ein Patient sich dorthin wendet und er die nötigen Daten bereitstellen kann, wird die Behandlung genehmigt, Einrichtung und Datum für die Durchführung der Leistung ermittelt und dem Betreffenden mitgeteilt. Bei Akutfällen, in der Nacht und an Feiertagen, stehen entweder die übliche landesweite Versorgung bzw. medizinische Notdienste zur Verfügung. Um in den Unterbringungszentren und beim Foreigner Service Team Medikamente zu erhalten, ist eine entsprechende Verschreibung nötig. Wer außerhalb der Zentren lebt und Sozialhilfezahlungen erhält, kann verschriebene Medikamente erhalten, indem er das Rezept an Petra Medica schickt oder diese selbst kauft und sich die Kosten hinterher ersetzen lässt (UDSC 12.12.2016; vgl. PM o.D.). Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 10.11.2017