TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/15 G314 2220406-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2019
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Entscheidungsdatum

15.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

G314 2220406-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER in der Rechtssache der beschwerdeführenden Partei XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Rechtsanwälte XXXX,

1. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2019, Zl. XXXX, betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot beschlossen:

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) leitete im September 2017 gegen den Beschwerdeführer (BF) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein. Am 31.08.2018 wurde ihm eine Aufforderung des BFA zur Stellungnahme zu der wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilung beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots durch die Polizei zugestellt (Übernahmebestätigung Stadtpolizeikommando XXXX vom 31.08.2018). In dem Schreiben wird er unter anderem darauf hingewiesen, der Behörde gemäß § 8 ZustG jede Änderung seiner Zustelladresse unverzüglich mitzuteilen, weil sonst die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung ohne vorausgegangenen Zustellversuch vorzunehmen sei, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.05.2018, Seite 3 unten).

Am 31.08.2018 informierte das Stadtpolizeikommando XXXX das BFA aufgrund eines entsprechenden Erhebungsersuchens darüber, dass der BF nicht mehr an der Adresse XXXX, wo er seit 20.04.2017 mit Hauptwohnsitz gemeldet war, wohnhaft sei. Er habe ein Zimmer bei seinem Arbeitgeber, der XXXX GmbH & Co KG in XXXX (Bericht Stadtpolizeikommando XXXX vom 31.08.2018).

Der BF war bis 21.09.2018 an der Adresse XXXX, und von 21.09.2018 bis 07.11.2018 an der Adresse XXXX, mit Hauptwohnsitz gemeldet (Auszug aus dem Zentralen Melderegister). Ab Ende Oktober war er nicht mehr bei der XXXX GmbH & Co KG beschäftigt (Versicherungsdatenauszug; so auch Wiedereinsetzungsantrag Seite 2).

Mit dem Bescheid vom 14.11.2018, Zl. XXXX, erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina fest (Spruchpunkt II.), erließ ein siebenjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt III.), bestimmte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung, in der darauf hingewiesen wird, dass dagegen eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann, die innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids schriftlich beim BFA einzubringen ist (Bescheid vom 14.11.2018).

Da laut dem Zentralen Melderegister ab 07.11.2018 keine Meldung des BF mehr bestand (Auszug aus dem Zentralen Melderegister) und dem BFA keine aktuelle Abgabestelle bekannt war, wurde ihm der Bescheid am 14.11.2018 durch Hinterlegung im Akt ohne Zustellversuch zugestellt (Aktenvermerk und Beurkundung vom 14.11.2018).

Ab 18.02.2019 wurde der BF in der Justizanstalt XXXX angehalten (Vollzugsinformation vom 18.02.2019, Auszug aus dem Zentralen Melderegister). Dort wurde er am 22.03.2019 vom BFA zur Frage der Erlangung eines Heimreisezertifikats vernommen. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm der Bescheid vom 14.11.2018 mit dem Hinweis, dass dieser bereits rechtskräftig sei, übergeben (Aktenvermerk vom 22.03.2019; so auch Seite 5 der Beschwerde). Der BF informierte daraufhin seinen Bruder darüber, dass er ein Schreiben des BFA erhalten habe. Der Bruder des BF beauftragte hierauf namens des BF dessen aktuelle Rechtsvertreter und bat sie, beim BFA nähere Informationen einzuholen. Die Rechtsvertreter des BF zeigten dem BFA noch am selben Tag ihre Bevollmächtigung an und beantragten Akteneinsicht sowie eine Frist zur Stellungnahme (Eingabe vom 22.03.2018; so auch Wiedereinsetzungsantrag, Seite 5, und Beschwerde, Seite 5). Mit E-Mail vom 25.03.2019 informierte das BFA sie darüber, dass das fremdenrechtliche Verfahren gegen den BF bereits rechtskräftig abgeschlossen sei, und gab den 03.04.2019 als Termin für die Akteneinsicht bekannt (E-Mail vom 25.03.2019 samt Ladung zur Akteneinsicht). Am 26.03.2019 ersuchte die Rechtsvertretung des BF das BFA um die Übermittlung des Bescheids samt Zustelldatum (E-Mail vom 26.03.2019). In der Antwort vom 02.04.2019 verwies das BFA auf die Möglichkeit der Akteneinsicht; eine Übermittlung von Aktenbestandteilen sei nicht vorgesehen (E-Mail vom 02.04.2019). Am 03.04.2019 nahm die Rechtsvertretung des BF Einsicht in den Akt; es wurden mehrere Kopien angefertigt (Aktenvermerk vom 03.04.2019).

Mit der mit 10.04.2019 datierten und am 15.04.2019 zur Post gegebenen Eingabe an das BFA beantragte der BF über seine Rechtsvertreter (unter anderem) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.11.2018. Gleichzeitig wurde die versäumte Prozesshandlung nachgeholt und eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.11.2018 erhoben. Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags wird vorgebracht, dass der BF erst am 03.04.2019 im Zuge der Akteneinsicht durch seine Rechtsvertreter erfahren hätte, dass gegen ihn ein rechtskräftiges siebenjähriges Einreiseverbot erlassen worden sei. Die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags hätte daher mit dem Wegfall des Hindernisses am 03.04.2019 zu laufen begonnen. Erst an diesem Tag hätten der BF und seine Rechtsvertreter vom Bescheid und damit von der Möglichkeit eines Rechtsmittels erfahren (Eingabe vom 10.04.2019).

Mit dem Bescheid vom 26.04.2019, Zl. XXXX, wies das BFA unter anderem den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurück, weil der BF bereits am 22.03.2019 Kenntnis von der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dem Einreiseverbot erlangt habe (Bescheid vom 26.04.2019).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dem Wiedereinsetzungsantrag vom 10.04.2019 stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass der 19-järige BF, der zuvor noch nie etwas mit Behörden zu tun gehabt habe, bei der Übergabe des Bescheids am 22.03.2019 noch unvertreten gewesen sei und nicht gewusst habe, worum es ginge, zumal er keine Rechtsmittelbelehrung erhalten habe. Er habe daher seinen Bruder gebeten, sich zu erkundigen, welches Schreiben er vom BFA erhalten habe. Der Bruder des BF habe daraufhin die Rechtsvertretung im Namen des BF beauftragt, beim BFA zu erheben, um welche Angelegenheit es sich handle. Die Rechtsvertreter des BF hätten erst am 03.04.2019 von dem Bescheid vom 14.11.2018 erfahren und ausgehend von diesem Tag die 14-tägige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag ermittelt. Versuche, vor dem 03.04.2019 Informationen vom BFA zu erhalten, seien erfolglos geblieben. Dem BF könne keinesfalls ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angelastet werden. Im selben Schriftsatz wiederholt der BF die Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.11.2018 (Eingabe vom 28.05.2019).

Das BFA erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde, in der darauf hingewiesen wird, dass der BF bereits am 22.03.2019 Kenntnis vom Bescheid vom 14.11.2018 erlangt habe, und legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag, sie als unbegründet abzuweisen, dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor (Vorlagebericht vom 17.06.2019).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahren und der Gerichtsakten des BVwG und beruhen jeweils auf den in den Klammerzitaten konkret angeführten Beweismitteln.

Sowohl im Wiedereinsetzungsantrag als auch in der Beschwerde bringt der BF im Einklang mit dem Aktenvermerk vom 22.03.2019 vor, dass ihm der Bescheid vom 14.11.2018 am 22.03.2019 mit der Auskunft, dass dieser bereits rechtskräftig sei, übergeben worden sei. Auch das Vorbringen des BF zur weiteren Vorgangsweise, nämlich, dass er seinen Bruder daraufhin gebeten habe, nähere Erkundigungen einzuholen, und dieser im Namen des BF dessen nunmehrige Rechtsvertreter beauftragt und bevollmächtigt habe, ist plausibel und schlüssig und wird daher der Entscheidung zugrunde gelegt.

Mangels entscheidungserheblicher Widersprüche erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

Rechtliche Beurteilung:

Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.04.2019:

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet und sie an der Versäumung kein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft. Gemäß § 33 Abs 3 Satz 1 VwGVG ist der Wiedereinsetzungsantrag in diesen Fällen binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels und damit dem Beginn der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl zuletzt VwGH 21.02.2019, Ra 2019/08/0030). Dies war hier - auch bei Berücksichtigung der Jugend des BF und seiner Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden - am 22.03.2019 mit der Übergabe des Bescheids vom 14.11.2018 und der zusätzlichen Information, dass diese Entscheidung bereits rechtskräftig sei, der Fall. Der BF konnte dadurch nämlich Kenntnis vom gesamten Inhalt des Bescheids und davon, dass er die Beschwerdefrist versäumt hatte, erlangen. Es war ihm möglich, noch am selben Tag seinen Bruder und (über diesen) eine anwaltliche Vertretung zu kontaktieren, sodass ab 22.03.2019 die für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags notwendigen weiteren Schritte in die Wege geleitet werden konnten. Da dem BF der Bescheid ausgehändigt worden war, hätte er seine Rechtsvertreter über dessen Inhalt in Kenntnis setzen können.

Ein allfälliges (geringes oder grobes) Verschulden an der Versäumung der Frist der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht entscheidungswesentlich, zumal nach § 33 Abs 6 VwGVG gegen die Versäumung dieser Frist keine Wiedereinsetzung stattfindet.

Da die 14-tägige Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags - ausgehend vom Beginn der Frist am 22.03.2019 - am 05.04.2019 endete, ist der angefochtenen Bescheid, der von einer Verspätung des Wiedereinsetzungsantrags ausgeht, nicht zu beanstanden.

Jedenfalls hätten die Vertreter des BF durch die Mitteilung des BFA vom 25.03.2019, wonach das fremdenrechtliche Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei, sowie der Übergabe des Bescheids an den BF am 22.03.2019 Kenntnis vom Ablauf der Rechtsmittelfrist erlangen können und müssen. Ausgehend davon war der 08.04.2019 der letzte Tag für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags, sodass der am 15.04.2019 zur Post gegebene Antrag auch vor diesem Hintergrund verspätet ist.

Da der relevante Sachverhalt anhand der Akten und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte und von einer mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung entscheidungswesentlicher Sachverhaltselemente zu erwarten ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung insoweit gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG.

Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.11.2018:

Da die vierwöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.11.2018 - ausgehend von der Zustellung gemäß §§ 8, 23 ZustG am 14.11.2018 - mit Ablauf des 12.12.2018 endete, ist die Beschwerde des BF dagegen gemäß §§ 7 Abs 4 Z 1 iVm 28 Abs 1, 31 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt insoweit gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage, wann eine Kenntnis von der Verspätung eines Rechtsmittels und damit vom Beginn der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags anzunehmen ist, jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (siehe VwGH 21.02.2019, Ra 2019/08/0030) und das BVwG keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beantworten hatte.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Rückkehrentscheidung, Verfristung,
Verspätung, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2220406.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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