TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/18 W194 2183032-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52

Spruch

W194 2183032-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela SABETZER über die Beschwerde des XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne Singer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1088243105-151403017, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. wird stattgegeben und in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

IV. Dem Beschwerdeführer wird der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, welcher der Volksgruppe der Hazara angehört, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 22.09.2015 erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

2. Am 07.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einvernommen. Er führte dabei an, dass er als Kleinkind mit seiner Mutter Afghanistan verlassen habe und in Pakistan aufgewachsen sei. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen vor.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.12.2017, welcher dem Beschwerdeführer am 06.12.2017 zugestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung ausgesetzt wäre. Es sei von keiner glaubwürdigen Darstellung in Bezug auf das Fluchtvorbringen auszugehen. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde angeführt, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers einer der friedlichsten und sichersten Orte in Afghanistan sei. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und gebildet und könne einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Er könne auch durch seine Familie in Pakistan unterstützt werden. Zur Rückkehrentscheidung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut sei, da er in Pakistan innerhalb einer afghanischen Familie gelebt habe. Im Gegensatz dazu sei die Integration in Österreich "schwächer".

Des Weiteren wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 29.12.2017 Beschwerde.

5. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 16.01.2018 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt.

6. Am 29.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen.

7. Mit Schreiben vom 01.10.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladungen zur Verhandlung sowie die im Beschwerdefall vorläufig als relevant erachteten Berichte zur Lage in Herkunftsstaat.

8. Am 28.11.2018 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

9. Am 30.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsanwältin teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari beigezogen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zu seiner Person und seiner Herkunft, seinem bisherigen Leben, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich befragt. Er legte weitere Unterlagen zu seiner Integration vor. Des Weiteren wurde eine vom Beschwerdeführer genannte Zeugin einvernommen. Zu den ausgesendeten und in der Verhandlung ergänzten Länderberichten wurde dem Beschwerdeführer eine Frist zur Stellungnahme gewährt.

Die Niederschrift der Verhandlung wurde der belangten Behörde zur Kenntnis übermittelt.

10. Am 14.12.2018, 10.04.2018 und 03.06.2019 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme sowie weitere Unterlagen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Zu seiner Person und seinem Leben vor seiner Einreise in das Bundesgebiet:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und führt den zu Beginn dieser Entscheidung angeführten Namen sowie die angeführten Geburtsdaten. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung XXXX alt. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er wurde in der Provinz XXXX geboren und verließ Afghanistan im Alter von ca. einem Jahr gemeinsam mit seiner Mutter. Der Beschwerdeführer wuchs hiernach in Pakistan auf und lebte dort bis zu seiner Ausreise nach Europa ca. XXXX . Er besuchte für kurze Zeit die Schule in Pakistan und arbeitete in diesem Land als XXXX .

1.1.2. Zu seiner Familie:

Die Familie des Beschwerdeführers - seine Mutter, sein Stiefvater und seine zwei jüngeren Halbbrüder - lebt nach wie vor in Pakistan. Sein Stiefvater arbeitet als XXXX und sein Halbbruder als XXXX . Beide sorgen für den Lebensunterhalt der Familie.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben.

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX mit einer afghanischen Frau verheiratet und hat keine Kinder. Seine Mutter hat diese Ehe arrangiert. Seine Frau lebt in Pakistan bei ihrer Mutter. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Frau ca. zwei bis zweieinhalb Monate bis zu seiner Ausreise aus Pakistan XXXX zusammengelebt.

Der Beschwerdeführer hat ca. alle zwei Wochen telefonischen Kontakt mit seiner Frau und seiner Familie.

Der Beschwerdeführer hat drei Onkel väterlicherseits in Afghanistan. Er hat zu diesen keinen Kontakt und keine Informationen dazu, ob sie noch am Leben sind bzw. wo sie sich aufhalten.

1.1.3. Zur seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seit der Antragstellung durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer lebt seit mehr als zwei Jahren in einem gemeinsamen Haushalt mit einer österreichischen Staatsbürgerin (Zeugin in der Verhandlung) und deren XXXX Lebensgefährten. Der Beschwerdeführer wird von der Zeugin als fester Bestandteil ihrer Familie wahrgenommen. Er ist in diese Familie sowie in die erweiterte Familie der Zeugin sehr gut integriert.

Seit dem 02.10.2017 absolviert der Beschwerdeführer eine Lehre für die berufliche Tätigkeit als XXXX . Er schloss im Juni 2018 bzw. April 2019 die erste und zweite Fachklasse für den Lehrberuf XXXX jeweils mit gutem Erfolg ab. Die Lehrabschlussprüfung ist für XXXX geplant.

Der Beschwerdeführer bezieht ein monatliches Gehalt, welches über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG liegt. Er ist selbsterhaltungsfähig und erhält keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer nimmt am sozialen und gesellschaftlichen Leben in Österreich aktiv und in umfangreicher Weise teil.

Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch. Am XXXX absolvierte er die Prüfung auf dem Niveau A1. Am XXXX absolvierte er die Prüfung ÖSD Zertifikat A2. Am XXXX bestand er die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau: B1) und zu Werte- und Orientierungswissen.

Der Beschwerdeführer war freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes und nahm im XXXX an einem Erste-Hilfe-Grundkurs teil. Im XXXX nahm er am Lehrgang " XXXX " mit den Inhalten Deutsch, Mathematik, Politische Bildung, Leben und Arbeit in Österreich, EDV teil. Seit XXXX absolviert er den ECDL-Computerkurs (7 Module). Im XXXX besuchte er den Workshop zur Kostensensibilisierung für Lehrlinge (Modul 1 und 2) sowie ein Gesundheitstraining.

1.1.4. Zur befürchteten Verfolgung in Afghanistan:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer als Kleinkind mit seiner Mutter Afghanistan aufgrund konkreter Bedrohungen verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer in Afghanistan durch staatliche Organe oder Private physische oder psychische Gewalt, Strafverfolgung oder Bedrohungen von erheblicher Intensität, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, zu erwarten hätte; dies insbesondere auch nicht aufgrund von befürchteter Blutrache im Zusammenhang dem Tod des Vaters des Beschwerdeführers, der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers als schiitischer Hazara und/oder eines fehlenden sozialen Netzes des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat.

1.1.5. Zu seinen Rückkehrmöglichkeiten:

Der Beschwerdeführer steht mit niemandem in Afghanistan in Kontakt. Er hat keine Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsprovinz.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund, arbeitsfähig und sehr zielstrebig. Er wuchs in einer afghanischen Familie auf und arbeitete in Pakistan bzw. arbeitet nunmehr in Österreich.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan und Niederlassung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt ist möglich. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in diesen beiden Städten ernsthaft Gefahr liefe, unmenschlicher Behandlung oder Bedrohungen deines Lebens oder seiner Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

* UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018

* Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der ISLAMISCHEN REPUBLIK AFGHANISTAN (Stand Mai 2018) vom 31.05.2018

1.2.1. Die Provinzen Balkh und Herat (auszugsweise wörtlich entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan):

1.2.1.1. Balkh (Provinzhauptstadt: Mazar-e Sharif):

"Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. [...]; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. [...] Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen [...]. Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017). In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...]. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018)."

1.2.1.2. Herat (Provinzhauptstadt: Herat-Stadt):

"Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. [...] Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017). Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...]. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018). ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017)."

1.2.1.3. Erreichbarkeit (aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan):

"Autobahnabschnitt Kandahar - Kabul - Herat

Die afghanische "Ring Road" verbindet große afghanische Städte wie Herat, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (TD 12.4.2018). Sie erstreckt sich südlich von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der Ring Road erstreckt sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni in Richtung Kabul, während die Ring Road westlich von Kandahar nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz verläuft (ISW o.D.). Ein Teil der Ring Road verbindet die Provinz Kandahar mit Lashkargah, der Hauptstadt der Provinz Helmand (Xinhua 1.11.2015; vgl. UPI 1.11.2015).

Der Autobahnabschitt zwischen Kabul und Herat beträgt 1.400 km (IWPR 26.3.2018). Die an die Ring-Road anknüpfende 218 km lange Zaranj-Dilram-Autobahn (Provinz Nimroz, Anm.), auch "Route 606" genannt, soll zukünftig Afghanistan mit Chabahar im Iran verbinden (AD 15.8.2017; vgl. TET 9.8.2017, TD 24.5.2017).

Anrainer beschweren sich über den schlechten Zustand des Autobahnabschnitts Kandahar-Kabul-Herat (Tolonews 14.3.2018). Ursachen dafür sind die mangelnde Instandhaltung und ständige Angriffe durch Aufständische (IWPR 26.3.2018).

[...]

Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). Der folgenden Tabelle können die Preise für besagte Reiseziele entnommen werden:

[...]

Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

[...]

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.)."

1.2.1.4. Ausweichmöglichkeiten:

Aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der ISLAMISCHEN REPUBLIK AFGHANISTAN):

"Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielen eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz und die Sicherheit am neuen Aufenthaltsort. Für eine Unterstützung seitens der Familie kommt es auch darauf an, welche politische und religiöse Überzeugung den jeweiligen Heimatort dominiert. Für Frauen ist es kaum möglich, ohne familiäre Einbindung in andere Regionen auszuweichen. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten. Auch in größeren Städten erfolgt in der Regel eine Ansiedlung innerhalb von ethnisch geprägten Netzwerken und Wohnbezirken.

Die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, ist durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen. Dies schlägt sich sowohl in einem Anstieg der Lebenshaltungskosten als auch in einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt nieder. [...]"

Aus den UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen."

1.2.2. Religion und Volksgruppen:

1.2.2.1. Schiiten (aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan):

"Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017)."

1.2.2.2. Ethnische Minderheiten, Hazara (aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan sowie den Kurzinformationen bis 23.11.2018:):

"Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017)."

Aus den Kurzinformationen bis 23.11.2018:

"Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018)."

1.2.3. Rückkehrer aus Europa:

1.2.3.1. Aus den UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen

Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen bedroht, gefoltert oder getötet wurden, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten, "Ausländer" geworden seien oder als Spione oder auf andere Weise ein westliches Land unterstützten. Heimkehrern wird Berichten zufolge von der örtlichen Gemeinschaft, aber auch von Staatsbeamten oft Misstrauen entgegengebracht, was zu Diskriminierung und Isolierung führt."

1.2.3.2. Aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der ISLAMISCHEN REPUBLIK AFGHANISTAN (Stand Mai 2018) vom 31.05.2018:

"Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO berichtet hierzu nur von unbestätigten Einzelfällen. EASO liegen aber Berichte über versuchte Entführungen aufgrund der Vermutung, der Rückkehrer sei im Ausland zu erheblichem Vermögen gekommen, vor."

1.2.4. Blutfehden (aus den UNHCR-RICHTLINIEN zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"In Blutfehden verwickelte Personen

Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu langanhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt, doch soll der Brauch baad, eine stammesübliche Form der Streitbeilegung, in der die Familie des Täters der Familie, der Unrecht geschah, ein Mädchen zur Heirat anbietet, vor allem im ländlichen Raum praktiziert werden, um eine Blutfehde beizulegen. Wenn die Familie, der Unrecht geschah, nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat.

Im Licht der oben beschriebenen Überlegungen ist UNHCR der Ansicht, dass - abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles - für Personen, die in Blutfehden verwickelt sind, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus anderen relevanten Konventionsgründen, in Verbindung mit einer allgemeinen Unfähigkeit des Staates, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten, bestehen kann. Bei Anträgen von in Blutfehden verwickelten Personen können sich jedoch mögliche Ausschlusserwägungen ergeben. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch für Familienangehörige, Partner oder von an Blutfehden Beteiligten abhängige Personen ebenfalls aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person ein Bedarf an internationalem Schutz bestehen."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den zum Beschwerdeführer getroffenen Feststellungen (II.1.1.):

2.1.1. Zu seiner Person und seinem Leben vor seiner Einreise in das Bundesgebiet:

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seiner Ausreise aus Afghanistan und seinem Leben in Pakistan sind unstrittig und gründen sich auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren. Es besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln, weil diese im Laufe des gesamten Verfahrens gleichgeblieben sind und auch in der Verhandlung spontan und ohne Zögern dargetan wurden. Dass der Beschwerdeführer in Pakistan kurze Zeit zur Schule gegangen ist und dort gearbeitet hat, hat er in der Verhandlung glaubhaft und authentisch dargelegt (vgl. die Seiten 8f der Niederschrift).

Zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass bei der Erstbefragung das Datum XXXX notiert wurde, vor der Behörde sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer jedoch darauf verwiesen, am XXXX geboren worden zu sein. Aufgrund der zeitlichen Nähe der beiden Daten waren beide zu Beginn dieser Entscheidung festzuhalten. Insoweit konnte auch das Alter des Beschwerdeführers festgestellt werden.

Dass der Beschwerdeführer ca. XXXX Pakistan in Richtung Europa verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben zu seiner Reiseroute in der Erstbefragung vom 22.09.2015 ("[v]or 20 Tagen bin ich [...] in den Iran gefahren") in Verbindung mit seinen Angaben in der Verhandlung zu seiner Hochzeit (vgl. Seite 9 der Niederschrift: "RI:

Ab wann hat Ihre Frau bei Ihnen gelebt? BF: Seit unserer Hochzeit, seitdem ich sie geheiratet habe. Das war der 15.06.2015. RI: Wie lange haben Sie dann mit ihr zusammengelebt, bevor Sie Pakistan verlassen haben? BF: Ca. zwei bis zweieinhalb Monate.")

2.1.2. Zu seiner Familie:

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in Pakistan sowie dahingehend, dass sein Vater verstorben ist, konnten aufgrund der nachvollziehbaren und spontanen Schilderungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung getroffen werden. Auch sind die Angaben des Beschwerdeführers dazu im gesamten Verfahren gleichgeblieben.

Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung auch glaubwürdig dargetan, dass er zu den drei Brüdern seines Vaters keinen Kontakt hat und zu deren Aufenthalt über keine Informationen verfügt.

2.1.3. Zu seinem Leben in Österreich:

Dass der Beschwerdeführer am 21.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Im Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer sich seit der Antragstellung nicht durchgehend in Österreich aufgehalten hätte.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers dazu in der Verhandlung (vgl. Seite 4 der Niederschrift).

Die Feststellungen zu seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit beruhen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen des Strafregisters.

Die Feststellungen dahingehend, dass der Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt mit einer österreichischen Staatsbürgerin (welche in der Verhandlung als Zeugin einvernommen wurde) und deren Lebensgefährten lebt, gründen sich ebenso wie die Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer in diese Familie sehr gut integriert ist und als fester Bestandteil dieser Familie wahrgenommen wird, auf die lebhaften und schlüssigen Schilderungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung (vgl. die Seiten 11 bis 13 der Niederschrift), die dazu vorgelegten Fotos, die Angaben der Zeugin in der Verhandlung (vgl. die Seite 16 der Niederschrift), die vorgelegten Erklärungen aus der erweiterten Familie der Zeugin sowie ein Informationsschreiben zum Privatverzug des Beschwerdeführers im Verwaltungsakt der belangten Behörde (AS 117). Für das Bundesverwaltungsgerichtshof ergab sich daraus das Bild einer ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu dieser Familie und deren Verwandten, welche durch häufige gemeinsame Unternehmungen, vielfältige Verschränkungen des Lebens im Alltag und wechselseitige Hilfeleistungen geprägt ist.

Die Feststellungen zur Lehre des Beschwerdeführers beruhen auf seinen authentischen Schilderungen in der Verhandlung (vgl. die Seiten 13f der Niederschrift) sowie den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (der Beschäftigungsbewilligung des AMS vom 21.09.2019, einem Lohnzettel des Beschwerdeführers vom Oktober 2018, seinen beiden Jahres- und Abschlusszeugnissen der Berufsschule, einer Stellungnahme seines Ausbildungsleiters vom 20.11.2018, sowie seiner Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung vom 15.05.2019).

Dass der Beschwerdeführer ein monatliches Gehalt über der Geringfügigkeitsgrenze verdient, selbsterhaltungsfähig ist und keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus seinem vorgelegten Lohnzettel vom Oktober 2018 sowie aus seinen glaubwürdigen Angaben in der Verhandlung dazu (vgl. Seite 14 der Niederschrift).

Zahlreiche Unterstützungserklärungen aus seinem beruflichen und privaten Umfeld vermögen die umfangreiche und aktive Teilnahme des Beschwerdeführers am sozialen und gesellschaftlichen Leben in Österreich aufzuzeigen (vgl. insbesondere die am 28.11.2018 vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers). Hinzu treten die lebhaften Schilderungen des Beschwerdeführers über seine sportlichen Aktivitäten, seine Arbeitskollegen und sein Alltagsleben mit der Familie, mit welcher er in Österreich zusammenlebt (vgl. die Seiten 13 bis 15 der Niederschrift).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf die Wahrnehmungen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Verhandlung. Die Feststellungen zu den absolvierten Deutschprüfungen und zur Integrationsprüfung beruhen auf den vorgelegten Zeugnissen des Beschwerdeführers. Ebenso beruhen die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer weiters absolvierten Kursen und Lehrgängen auf den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.

2.1.4. Zur befürchteten Verfolgung in Afghanistan:

2.1.4.1. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung vorgebracht, dass seine Onkel väterlicherseits den Vater des Beschwerdeführers wegen Grundstücken getötet hätten, als der Beschwerdeführer elf Monate alt gewesen sei. Die Mutter des Beschwerdeführers habe daraufhin die Entscheidung getroffen, Afghanistan zu verlassen und mit dem Beschwerdeführer nach Pakistan zu gehen (vgl. Seite 10 der Niederschrift).

Vor der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer hingegen angegeben, dass die Onkel der Mutter des Beschwerdeführers gesagt hätten, die Taliban hätten den Vater umgebracht (AS 156). Der Beschwerdeführer konnte zudem weder Angaben zum Verhältnis des Vaters zu den Onkeln machen, noch hatte er Informationen über die betroffenen Grundstücke (AS 157 und 158). Die Frage, um welche Grundstücke es sich handelte, konnte der Beschwerdeführer auch in der Verhandlung nicht beantworten (vgl. Seite 12 der Niederschrift).

Eine konkrete Bedrohung seiner Person oder seiner Mutter vor ihrer Ausreise nach Afghanistan macht der Beschwerdeführer mit alledem nicht glaubwürdig geltend. Dazu ist einerseits auf die Ungereimtheiten zwischen seinen Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht zu verweisen. Andererseits lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers jegliche Konkretisierung vermissen. Der belangten Behörde kann insoweit nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig qualifizierte.

Der Beschwerdeführer spricht zwar mögliche Gefährdungspotentiale vor seiner Ausreise aus Afghanistan an, er vermag damit aber keine konkrete Verknüpfung einer Gefährdung mit seiner Person darzutun. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der Beschwerdeführer - gerade auch aufgrund des jungen Alters, in welchem er Afghanistan verlassen hat - keine persönlichen Erlebnisse oder Wahrnehmungen von Bedrohungen hatte, sondern auf (wohl bloß rudimentäre) Schilderungen seiner Mutter zurückgreifen muss. Dennoch ist es dem Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von seiner Mutter, mit der er - wie festgestellt - regelmäßig telefoniert, keine ergänzenden Informationen zu den behaupteten Vorfällen mit seinem Vater eingeholt hat. Wa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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