TE Bvwg Beschluss 2019/7/25 W217 2220054-1

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Veröffentlicht am 25.07.2019
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Entscheidungsdatum

25.07.2019

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W217 2220054-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Kindesmutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 29.04.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", beschlossen:

I.

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

II.

DIE REVISION IST GEMÄß ART 133 ABS. 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (in der Folge: BF) beantragte am 27.02.2019 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag wurde ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln beigelegt.

2. In weiterer Folge wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten betreffend erhöhte Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz auf Grundlage einer am 19.03.2019 durchgeführten Begutachtung durch Dr.in XXXX , Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, erstattet. Darin wurde Folgendes ausgeführt:

"(..) Anamnese:

Im Erstgutachten 06/2015 Zuerkennung von GdB 50% bei der Diagnose Entwicklungsrückstand und hyperaktive Verhaltensstörung (Befunde Amb XXXX ). Die Diagnose wurde auf Autismusspektrumstörung erweitert, es besteht sonderpädagogischer Förderbedarf.

Derzeitige Beschwerden:

Entwicklungsrückstand

Hinweise auf Autismusspektrum Störung

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Bewegungstherapie im Ambulatorium

heilpädagogisches Reiten

Ergotherapie abgeschlossen

Sozialanamnese:

besucht Vorschule, dann ASO Lehrplan geplant

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2016-05-09 Inst f Medizinische Genetik. Kein klarer Befund.

2017-12-01 Zentrum für Entwicklungsdiagnostik Dr XXXX . Unterdurchschnittlich kognitiv. Referenzalter 4,3 Jahre (Alter 5,6 Jahre). SPF gegeben.

2018-05 Stadtschulrat XXXX . ASO Lehrplan in Vorschule.

2018-12-21 ebendort: Laut ADOS auch Störung aus dem autistischen Formenkreis

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

leicht adipös

Größe: cm Gewicht: 38,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

interner Status unauffällig, keine neurologischen Auffälligkeiten, grobmotorische Entwicklung oB. Fein- und Graphomotorik nicht altersententsprechend. Gehör und Visus oB.

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig

Psycho(patho)logischer Status:

macht Fortschritte sprachlich, weiterhin aber kein altersentsprechendes Sozialverhalten. Kognitiv dokumentierter Entwicklungsrückstand.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB %

1

Entwicklungsrückstand, autistische Verhaltensmerkmale Unterer Rahmensatz, da keine motorischen Defizite

03.02.02

50

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

unverändert zum VGA

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

X ja

GdB liegt vor seit: 06/2015

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

X Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Befunddynamik möglich"

3. In der "Sofortigen Beantwortung" vom 29.03.2019 gab Dr. XXXX an:

"Frage(n):

. ggfls. Stellungnahme zu Vorgutachten

. Könnte der Gesamtgrad der Behinderung kleiner als 50% werden bzw. könnten die Voraussetzungen für eine oder mehrere Zusatzeintragungen wegfallen? Falls ja: Nachuntersuchungstermin angeben.

. Der Antragstellerin oder dem Antragsteller ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar (ja/nein)

. Auf der Grundlage des Gutachtens, welches für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe erstellt wurde, wird um Beurteilung ersucht, ob die Voraussetzung für Zusatzeintragung vorliegen.

Antwort(en):

ZE: keine

NU: 05/2022"

4. Mit Parteiengehör vom 29.03.2019 wurde dem BF bekannt gegeben, dass laut ärztlicher Stellungnahme aufgrund seines Gesundheitszustandes die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar sei, und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorliegen würden.

5. Mit Bescheid vom 29.04.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte ärztliche Gutachten verwiesen, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, es sei bei ihm atypischer Autismus diagnostiziert worden, mit welchem psychische und neurologische Einschränkungen einhergehen würden. Dies zeige sich insb. bei Auffälligkeiten im sozialen Kontakt. Der BF werde bei größeren Menschenmengen und Lärm unruhig, finde sich nicht zurecht und sei irritiert. In für ihn neuen Situationen suche er für sich fixe Anhaltspunkte, an denen er sich orientieren könne, wie beispielsweise Haltestangen. Auch bei ihm vertrauten Wegen, bei welchen er sich zurechtfinde, habe er dennoch keine Gefahreneinschätzung des öffentlichen Verkehrs und blende zu viele Einwirkungen aus. Kenne der BF den Weg, so tendiere er auch wegzulaufen, um von der Menge wegzukommen.

Unter einem wurde erneut die Zuerkennung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sowie die Zusatzeintragung "bedarf Begleitperson" im Behindertenpass beantragt.

7. Die Beschwerde wurde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 14.06.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

In der Sache:

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt:

Im gegenständlichen Fall basierte die Abweisung des gegenständlichen Antrages im Wesentlichen auf einer nach persönlicher Untersuchung am 19.03.2019 erfolgten Begutachtung durch Dr.in XXXX , Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, in Angelegenheiten nach dem Familienlastenausgleichsgesetz.

Im Rahmen der Begutachtung wurde der allgemeine (psychopathologische) Status des BF erhoben und anhand der festgestellten körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen "Entwicklungsrückstand, autistische Verhaltensmerkmale" der Grad der Behinderung mit 50 v.H. bemessen. Die Sachverständige hat sich dabei jedoch nicht konkret mit der gegenständlichen Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auseinandergesetzt und sind dem Gutachten auch sonst keine hinreichenden Ausführungen dahingehend zu entnehmen, inwiefern sich die Funktionseinschränkungen des BF auf seine individuelle Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, auswirken. Ebenso wenig kann der dem bekämpften Bescheid beigelegten "Sofortigen Beantwortung" vom 29.03.2019 auch nur ansatzweise eine nachvollziehbare Begründung entnommen werden, die einen Rückschluss auf das behördlich festgestellte Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Zusatzeintragung zuließe.

Nach der zitierten Rechtsprechung genügt es jedoch nicht, in den ärztlichen Sachverständigengutachten bloß die dauernden Gesundheitsschädigungen darzustellen, vielmehr hätten in dem Gutachten die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen des BF auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt werden müssen. Im konkreten Fall hätte daher mit Hilfe des ärztlichen Sachverständigen u.a. festgestellt und nachvollziehbar dargestellt werden müssen, ob dem BF - aus objektiver Sicht - in Anbetracht seines Entwicklungsrückstandes und seiner autistischen Verhaltensmerkmale, zugemutet werden kann, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Allein die ärztliche Feststellung im Gutachten, motorische Defizite würden nicht vorliegen, kann vor diesem Hintergrund in Anbetracht der erheblichen, nämlich im festgestellten Ausmaß von 50 v.H. Gesamtgrad der Behinderung, psychischen Funktionseinschränkungen des BF, nicht als taugliche Grundlage für die verwaltungsbehördliche Entscheidung dienen. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass in der Beschwerde substantiiert Schwierigkeiten des BF im Umgang mit Menschenmengen, Lärm und insbesondere auch in seiner Gefahreneinschätzung im öffentlichen Verkehr aufgezeigt werden.

Das seitens der belangten Behörde herangezogene Gutachten ist somit nicht geeignet, um die in der Judikatur festgelegten Anforderungen zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob dem BF aufgrund der im Gutachten festgestellten Gesundheitsschädigung "Entwicklungsrückstand, autistische Verhaltensmerkmale" die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, zu erfüllen.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen, zumal sich der bekämpfte Bescheid in seiner Begründung in einem pauschalen Verweis auf das eingeholte Gutachten bzw. die "Sofortige Beantwortung" vom 29.03.2019 beschränkt und gar nicht erst erkennen lässt, aus welchen konkreten Gründen die belangte Behörde im Fall des BF von einer Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeht.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zusätzlich zu dem bereits eingeholten Sachverständigengutachten ein fachärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, einzuholen haben, worin zu der Frage der Auswirkungen der Gesundheitsschädigung des BF auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel Stellung genommen wird. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der BF mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Prüfung der Voraussetzungen der beantragten Zusatzeintragung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des BF noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt I.) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2220054.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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