TE Bvwg Beschluss 2019/8/29 W111 1429290-2

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Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W111 1429290-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Rechtsanwälte XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zl. 820043906-190456006, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 10.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, wurde am darauffolgenden Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 22.08.2012 durch das Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.08.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch gemäß § 8 AsylG 2005 hinsichtlich der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen.

3. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2015, Zl. W206 1429290-1, wurde der angeführte Bescheid in Erledigung einer fristgerecht eingebachten Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

4. Am 10.11.2015 erfolgte im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine ergänzende niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers.

5. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2015 wurde dem Beschwerdeführer in Stattgabe seines Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Im Rahmen eines Aktenvermerks vom gleichen Datum hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblichen Gründe insbesondere fest, dass der Vater des Beschwerdeführers, welcher ein die Sufi-Traditionen praktizierender Koranlehrer gewesen wäre, von Mitgliedern der Al Shabaab getötet worden und auch der Beschwerdeführer telefonisch von Al Shabaab bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer sei als Moslem sunnitischer/sufistischer Ausrichtung einer Verfolgung durch Mitglieder der Al Shabaab ausgesetzt gewesen. Es habe somit festgestellt werden können, dass der Genannte in seinem Heimatland einer religiös motivierten Verfolgung durch Dritte ausgesetzt sei und der Staat nicht in der Lage wäre, von Privatpersonen ausgehende Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Es sei plausibel, dass eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers aufgrund der von ihm geschilderten Umstände in das Blickfeld der Al Shabaab gerate und diesem Misshandlung bzw. Haft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit drohen würden.

6. Mit Aktenvermerk vom 06.05.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein, da sich aus den vorliegenden Länderberichten Informationen dahingehend ergeben hätten, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der GFK angeführter Endigungsgrund eingetreten sei.

Mit Schreiben vom gleichen Datum informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer über das gegen seine Person eingeleitete Aberkennungsverfahren, übermittelte diesem das herangezogene Berichtsmaterial zur Situation in seinem Herkunftsstaat sowie einen Fragenkatalog zu seinen privaten und familiären Lebensumständen und setzte ihn über die Möglichkeit in Kenntnis, binnen zweiwöchiger Frist eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Mit Eingabe vom 21.05.2019 übermittelte der Beschwerdeführer eine bezughabende Stellungnahme, in welcher er u.a. bekanntgab, Inhaber eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung: 50%) zu sein.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2017 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.11.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.) und es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen seine Person erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt legte seiner Entscheidung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia, Stand 17.09.2018, zugrunde.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und der Situation des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr wurde im Rahmen der Entscheidungsbegründung im Wesentlichen erwogen, dass die Umstände, die zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, nicht mehr bestünden und daher ein Endigungsgrund gemäß Art. 1 Abschnitt C GFK eingetreten sei. Die Asylgewährung habe auf einer einmaligen Verfolgung durch die Al Shabaab in Mogadischu beruht; Mogadischu stehe unter Kontrolle von staatlichen Behörden und AMISOM. Aufgrund der verbesserten Sicherheitslage habe nicht festgestellt werden können, dass die Umstände die zur Zuerkennung des Asylstatus geführt hätten, nach wie vor vorlägen, weshalb der Beschwerdeführer es nicht mehr ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Eine begründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen könne daher nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer habe familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatland und könnte überdies mit Unterstützung seines Clans rechnen. Auch die Sicherheitslage in Mogadischu stelle keine allgemeine und unmittelbare reale Gefahr für Zivilpersonen dar. Weder die Volksgruppe des Beschwerdeführers, noch die sunnitische Konfession, würden zum Entscheidungszeitpunkt einer asylrechtlich relevanten Verfolgung unterliegen. Der Beschwerdeführer sei in Somalia aufgewachsen und sozialisiert worden, er beherrsche die Landessprache auf muttersprachlichem Niveau und sei mit den dortigen gesellschaftlichen, kulturellen und traditionellen Gegebenheiten vertraut. Der Beschwerdeführer verfüge über Arbeitserfahrung und wäre in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbständig zu verdienen. Die in den letzten beiden Jahren bestandene Dürre sei infolge überdurchschnittlicher Regenfälle und Zuflusses von Wasser aus dem äthiopischen Hochland mittlerweile beendet. Die aus der Dürre folgende Versorgungsunsicherheit und Nahrungsmittelknappheit habe sich mittlerweile deutlich verbessert. Insgesamt habe daher nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer die Lebensgrundlage im Herkunftsland gänzlich entzogen wäre und dieser bei einer Rückkehr der Gefahr einer existenzbedrohenden oder medizinischen Notlage ausgesetzt wäre. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Anhaltspunkte auf das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG hätten sich nicht ergeben. Der Beschwerdeführer führe in Österreich kein Familienleben, ebensowenig habe er ein schützenswertes Privatleben begründet, weshalb sich eine Rückkehrentscheidung als zulässig erweise.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in Österreich bis dato keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre und daher mittellos sei. Bei einem Aufenthalt in Österreich wäre dieser von staatlichen Leistungen abhängig um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

8. Mit Eingabe vom 16.07.2019 wurde durch den nunmehrigen gewillkürten Vertreter des Beschwerdeführers die verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang eingebracht, zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, die Behörde gehe in Kenntnis der instabilen Lage in Somalia davon aus, dass ein wegen seiner Ethnie verfolgter und zu 50 % behinderter anerkannter Flüchtling es wegen der - laut Länderberichten immer noch volatilen - Sicherheitslage nicht mehr ablehnen könne, sich unter den Schutz der Kontrolle der Regierung zu stellen. Da der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr mit keinerlei Unterstützung zu rechnen habe, sei eine Verletzung von Art. 3 EMRK angesichts seiner Behinderung auch für die Behörde geradezu augenscheinlich. Aus dem zugrunde gelegten Länderberichtsmaterial ergebe sich, dass sich die Einflusssphäre der somalischen Regierung seit dem Jahr 2012 kaum geändert hätte. Den Länderberichten sei zu entnehmen, dass es in Mogadischu regelmäßig zu komplexen Anschlägen komme. Mit einer tatsächlichen Unterstützungsmöglichkeit durch den Clanverband habe sich die Behörde nicht auseinandergesetzt. Zum Einreiseverbot sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Behinderung nicht mehr als 20 Minuten stehen könne und auch im Liegen ständige Schmerzen verspüre; er könne folglich keiner Arbeit nachgehen, welche eine längere Tätigkeit als 20 Minuten erfordere.

9. Mit Schriftsatz vom 17.07.2019 (eingelangt am 18.07.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor. In diesem Rahmen wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer bei UNHCR bereits am 24.05.2019 einen Antrag auf unterstützte Rückkehr nach Äthiopien zu seiner ersten Ehefrau und seinen neun minderjährigen Kindern gestellt hätte (Anm.: diese hatten ihrerseits Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 AsylG 2005 bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Addis Abeba eingebracht; diesbezügliche Beschwerdeverfahren waren am BVwG zu den Zln. W185 2176522-1 ua. anhängig). Dem Beschwerdeführer stünde es frei, einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr zu stellen und nach Ankunft in Mogadischu sofort zu seiner Familie nach Äthiopien weiterzureisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren an-gewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013 zu Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

2.2. Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor. Der Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen Verfahren im Vorfeld der Bescheiderlassung weder einvernommen, noch hat sich die Behörde (erkennbar) mit den ursprünglichen individuellen Gründen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auseinandergesetzt. Ebensowenig hat die Behörde die den Beschwerdeführer zu erwartende Rückkehrsituation unter ausreichender Berücksichtigung seiner im Bundesgebiet festgestellten Behinderung im Ausmaß von 50 Prozent ermittelt.

2.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG idgF ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (Z 1) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt; (Z 2) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (Z 3) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erfolgte fallgegenständlich, wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, da die Umstände, aufgrund derer dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr bestehen und der Beschwerdeführer es daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.

Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention normiert, dass eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen fällt, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 verleiht dem Grundsatz Ausdruck, dass die Gewährung von internationalem Schutz lediglich der vorübergehenden Schutzgewährung, nicht aber der Begründung eines Aufenthaltstitels dienen soll. Bestehen nämlich die Umstände, aufgrund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr und kann sie es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen, so stellt auch dies einen Grund dar, den gewährten Status wieder abzuerkennen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K8.).

Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK stellt primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9).

Ein in der Person des Flüchtlings gelegenes subjektives Element spielt auch insofern eine Rolle, zumal aus der in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK enthaltenen Wortfolge "nicht mehr ablehnen kann" auch die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland ein entscheidendes Kriterium einer Aberkennung des Flüchtlingsstatus ist (vgl. Putzer/Rohrböck, aaO, Rz 146).

Um die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft zu bejahen, muss die Änderung der Umstände sowohl grundlegend als auch dauerhaft sein, zumal der Flüchtlingsschutz umfassende und dauerhafte Lösungen zum Ziel hat und Personen nicht unfreiwillig in Verhältnisse zurückkehren sollen, welche möglicherweise zu einer neuerlichen Flucht führen. Da eine voreilige oder unzureichende Begründung der Beendigungsklauseln ernsthafte Konsequenzen haben kann, ist es angebracht, die Klauseln restriktiv auszulegen (vgl. UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6) des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ["Wegfall der Umstände"-Klauseln], Abs. 6 f).

2.2.2. Im gegenständlichen Fall war dem aus Mogadischu stammenden Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden, da er glaubhaft vorgebracht hätte, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat als praktizierender Sufist einer individuellen Verfolgung durch Al Shabaab zu unterliegen. Das Bundesamt begründete den Wegfall der Umstände, welche fallgegenständlich zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, im angefochtenen Bescheid damit, dass die Asylgewährung auf einer einmaligen Verfolgung durch Al Shabaab in Mogadischu beruht hätte und Mogadischu unter der Kontrolle staatlicher Behörden und AMISOM stünde. Eine Auseinandersetzung mit dem konkreten individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, welches zu dessen Anerkennung als Flüchtling im Jahr 2015 geführt hatte, lässt sich dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht entnehmen, ebensowenig zeigt diese Argumentation eine Änderung der objektiven oder subjektiven Sachlage im Vergleich mit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf.

Zum allgemeinen Verweis auf die Machtverhältnisse in Mogadischu ist festzuhalten, dass diese seit dem Zeitpunkt der Statuszuerkennung im Jahr 2015 keine maßgebliche Änderung erfahren haben (vgl. Bescheid, Seiten 31 f), zumal die Stadt auch bereits damals nicht mehr von Al Shabaab, sondern durch die somalische Regierung und AMISOM kontrolliert worden war. Eine maßgebliche Änderung der Umstände, welche zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt hätten, kann sohin alleine im Verweis auf die gegenwärtigen Machtverhältnisse in Mogadischu nicht erblickt werden. Eine Auseinandersetzung mit dem individuellen Verfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers, welcher sich auf eine Gefährdung aus religiösen Motiven berufen hatte, lässt sich dem Bescheid, wie angesprochen, darüber hinaus nicht entnehmen, sodass es insgesamt an einer Nachvollziehbarkeit dahingehend fehlt, aufgrund welchen konkreten Sachverhaltes die Behörde einen Wegfall der für die Statuszuerkennung maßgeblichen Umstände, nämlich einer von Al Shabaab ausgehenden individuellen Gefährdung, annimmt. Der Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich eines Fortbestehens seiner ursprünglichen Verfolgungsbefürchtungen einvernommen. Ebensowenig wurde der Beschwerdeführer zu allfälligen neu entstandenen Rückkehrbefürchtungen einvernommen.

Demnach ist keine taugliche Grundlage für die Feststellung zu erkennen, dass dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt keine asylrelevante Gefährdung mehr in Somalia drohen würde.

2.2.3. Desweiteren wäre auch die aktenkundige Behinderung des Beschwerdeführers im Grad von 50 Prozent im Rahmen des Aberkennungsverfahrens zu berücksichtigen gewesen. Die Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer - welcher sich zuletzt vor rund zehn Jahren im Herkunftsstaat aufgehalten und dort zufolge seinen Angaben keine Familienangehörigen mehr hat - im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen könnte. Dem angefochtenen Bescheid lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Behörde konkrete Ermittlungen bezüglich der durch die Vorlage eines Behindertenpasses dokumentierte Behinderung des Beschwerdeführers im Ausmaß von 50 Prozent getätigt und seine Rückkehrsituation unter diesem Aspekt gewürdigt hätte. Dem Bescheid lässt sich überdies keine konkrete Feststellung hinsichtlich eines allfälligen aktuellen Behandlungsbedarfs sowie gegebenenfalls der Möglichkeiten zur Fortsetzung einer Behandlung im Herkunftsstaat entnehmen. Angesichts der - derzeit aus dem Akt nicht näher einschätzbaren - gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers und einer damit allenfalls einhergehenden Einschränkung seiner Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen, um eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers zu schaffen.

Auch für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die allfällige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten fehlt es daher an einer tauglichen Sachverhaltsgrundlage.

2.3. Angesichts derart gravierender Ermittlungslücken und Begründungsmängel erscheint eine sachgerechte Beurteilung der Beschwerde hinsichtlich der ausgesprochenen Aberkennung des Status des Asylberechtigten, der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie der erlassenen Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde als völlig ausgeschlossen, wobei hinsichtlich der Beurteilung ein vom bekämpften Bescheid abweichendes Ergebnis nicht auszuschließen ist.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich das Bundesamt in unzureichender und im Ergebnis untauglicher Weise mit der Frage des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes auseinandergesetzt hat. Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Die dargetanen Mängel lassen sohin im Ergebnis nur die Feststellung zu, dass das Bundesamt völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren ist im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten erscheint, wobei sich im konkreten Fall erst nach einem nachvollziehbaren Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob im vom Bundesamt eingeleiteten Aberkennungsverfahren die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen und die (allfällige) Erlassung eines neuen Bescheides zulassen. Diesbezüglich erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde jedenfalls noch als völlig ungeklärt.

Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten und insbesondere des Umstandes, dass der Beschwerdeführer vom Bundesamt nicht einmal einvernommen wurde, kann auch ausgeschlossen werden, dass zur Behebung der Mängel (lediglich) "ergänzende" Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen wären (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Zl. Ra 2018/19/0268-9).

2.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W111.1429290.2.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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