TE Vwgh Erkenntnis 1983/3/9 83/01/0002

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Veröffentlicht am 09.03.1983
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG

Norm

AVG §69 Abs1 lita
AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
StGB §10 Abs1 Z2
StGB §10 Abs1 Z3
StGB §10 Abs1 Z6

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):83/01/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Großmann, Dr. Hoffmann und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde des Ing. KR in A, vertreten durch Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 24 - 26, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 17. Dezember 1982, Zl. II- 675/26-1982, betreffend Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am 2. Juni 1977 bei der belangten Behörde ein Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein, in dem er unter anderem erklärte, daß er nicht vorbestraft und auch kein Strafverfahren gegen ihn anhängig sei. Er sei seit Februar 1967 in der Gemeinde A wohnhaft. Mit dem Antrag legte er ein Führungszeugnis des Magistrates der (bundesdeutschen) Stadt W vom 25. bzw. 26. April 1977 vor sowie einen Strafregisterauszug der Gemeinde A vom 5. Mai 1977. Der am 5. März 1937 in X, Württemberg-Baden, geborene Beschwerdeführer war zur Zeit der Antragstellung Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland. Die belangte Behörde leitete ein Ermittlungsverfahren ein, in dem sie sich um Berichterstattung an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See und an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland in Bezug auf das Bestehen staatspolizeilicher Bedenken gegen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wandte. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See sprach sich ausdrücklich für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer aus, während die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland gegen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer keine Bedenken erhob. Hierauf verlieh die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Oktober 1977 dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. Jänner 1978 gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 19 65, BGBl. Nr. 250, die österreichische Staatsbürgerschaft, welcher Bescheid dem Beschwerdeführer am 8. November 1977 ausgefolgt wurde.

Durch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt wurde die belangte Behörde am 27. Jänner 1981 informiert, daß gegen den Beschwerdeführer im Jahre 1975 beim Landgericht Kassel ein Strafverfahren wegen §§ 260, 25, 53 des deutschen Strafgesetzbuches (Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 des österreichischen Strafgesetzbuches) eingeleitet und am 22. November 1976 durch dieses Gericht gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl erlassen worden sei. Laut Mitteilung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 2. April 1979 an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt begehren die deutschen Behörden auf Grund einer Fahndung von Interpol Wiesbaden die Festnahme des Beschwerdeführers in sämtlichen Staaten Europas, den USA und in Kanada und dessen Auslieferung.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens unter Gewährung des Parteiengehörs verfügte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 und 4 AVG 1950 von Amts wegen die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 12. Oktober 1977, Zl. II-1236/2-1977, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer, wohnhaft gewesen in A, O-gasse 6, derzeit unbekannten Aufenthaltes. Gleichzeitig verfügte sie gemäß § 70 Abs. 1 AVG 1950, daß das Verleihungsverfahren unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen des § 70 Abs. 2 AVG 1950 neu durchzuführen sei und sprach aus, daß mit Zustellung dieses Bescheides gemäß § 70 Abs. 1 AVG 1950 der Bescheid vom 12. Oktober 1977, Zl. II-1236/2-1977, außer Kraft trete. In der Bescheidbegründung stellte sie fest, der Beschwerdeführer habe von der Einleitung eines Strafverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verbrechens der Untreue durch das Landgericht Kassel im Zeitpunkt der Einbringung seines Ansuchens um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gewußt. Dies gehe aus einem Schreiben des Beschwerdeführers vom 21. Dezember 1976, gerichtet an den Oberstaatsanwalt, hervor, in dem er mitgeteilt habe, daß er von seiner Frau vom gerichtlichen Haftbefehl erfahren habe und um sicheres Geleit ersuche. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle die im Verleihungsansuchen vom 19. Mai 1977 enthaltene Erklärung des Beschwerdeführers, wonach gegen ihn kein Strafverfahren anhängig sei, eine Erschleichung durch Abgabe einer unrichtigen Angabe im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 dar. Nach der hier anzuwendenden österreichischen Terminologie sei ein Strafverfahren bei Gericht anhängig, sobald eine strafgerichtliche Verfügung gegen den Täter getroffen worden sei. Da im vorliegenden Fall bereits vor dem Verleihungsansuchen vom 19. Mai 1977 ein gerichtlicher Haftbefehl sowie eine Reihe von Gerichtsbeschlüssen ergangen gewesen seien, von denen der Beschwerdeführer gewußt habe, sei die Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegeben gewesen. Die Erklärung des Beschwerdeführers, daß gegen ihn kein Strafverfahren vorliege, stelle eine unrichtige Angabe dar, weil auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Strafverfahren jedenfalls dann vorliege, wenn bereits ein gerichtlicher Haftbefehl und Gerichtsbeschlüsse ergangen seien. Diese unrichtige Angabe sei als absichtliche Irreführung anzusehen, weil der Beschwerdeführer von den gegen ihn gerichteten Schritten gewußt habe. Diese falsche Angabe des Beschwerdeführers sei von wesentlicher Bedeutung für das Verleihungsverfahren, weil nach § 10 Abs. 1 Z 6 StGB 1965 ein Verleihungshindernis vorliege, wenn der Einbürgerungswerber nach seinem bisherigen Verhalten erkennen lasse, daß er eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Eine derartige Gefahr stelle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein Eingriff in fremdes Eigentum dar, wie er im Verbrechen der Untreue gemäß § 266 des deutschen Strafgesetzbuches gelegen sei. Es komme auch nur auf ein diesbezügliches Verhalten, nicht aber auf eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines solchen Verhaltens an. Die Täuschung über die Anhängigkeit eines Strafverfahrens wegen Verbrechens der Untreue sei für die Ermessensentscheidung gemäß § 11 StGB 1965 von Bedeutung, weil, selbst wenn keiner der Versagungsgründe gemäß § 10 Abs. 1 StGB 1965 vorläge, die Verleihung im Ermessen der Behörde liege, die sich bei der Ermessensübung von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten lasse. Im Hinblick auf die Rücksichten, die der Verleihungsbehörde nach § 10 Abs. 1 Z 4 und 6 StGB 1965 zur Wahrung der öffentlichen Interessen aufgetragen seien, sei es zulässig, wenn die Behörde von ihrem Ermessen im negativen Sinn Gebrauch mache, sobald sie Kenntnis davon habe, daß gegen den Einbürgerungswerber wegen Verbrechens der Untreue im Ausland ein Verfahren anhängig sei oder auch nur ein diesbezüglicher begründeter Verdacht bestehe. Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 sei es auch nicht Voraussetzung, daß die Behörde zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Für den Tatbestand der Erschleichung sei nur bedeutsam, daß die falsche Angabe von wesentlicher Bedeutung für das Verfahren sei.

Dieser Tatbestand setze weiters voraus, daß die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein müsse und eine solche Situation bestehe, daß ihr nicht zugemutet werden könne, über die Richtigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen. Diese Voraussetzungen seien hier deshalb gegeben, weil der Verleihungsbehörde nicht zugemutet werden könne, daß sie von Amts wegen die Frage, ob gegen den Einbürgerungswerber bei irgendeinem ausländischen Gericht in irgendeinem ausländischen Staat ein Strafverfahren anhängig sei, kläre, da dies verwaltungstechnisch nicht möglich sei. Da sich die Zuständigkeit für Strafverfahren auch im Ausland in der Regel nach dem Begehungsort richte, sei eine Befragung aller Gerichte eines Landes administrativ nicht zumutbar. Dazu komme, daß gerade in Zeiten hoher Mobilität die Möglichkeit, eine strafbare Handlung zu begehen, sich nicht auf den Heimatstaat der Partei des Verfahrens beschränke. Der Verleihungsbehörde wäre es aber nicht zumutbar, von allen in Frage kommenden Staaten entsprechende Auskünfte zu verlangen. Die Verleihungsbehörden begehrten daher von den Verleihungswerbern entsprechende Erklärungen, in denen diese bestätigten, daß gegen sie kein Strafverfahren anhängig sei. Diese Praxis verkürze das Verfahren und erspare den Parteien umständliche und zeitraubende Schritte im Ausland.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Verleihungsbescheid aber auch durch eine gerichtlich strafbare Handlung, und zwar eine Täuschung, gemäß § 108 StGB herbeigeführt worden. Es komme nicht darauf an, daß eine solche durch gerichtliches Urteil erwiesen sei, sondern es genüge, wenn die Handlung sonst objektiv feststellbar sei. Auch auf eingetretene Verjährung der Tat komme es nicht an. Die Erklärung des Beschwerdeführers gegenüber der Verleihungsbehörde, daß gegen ihn kein Strafverfahren anhängig sei, sei eine absichtliche Täuschung gewesen, weil er im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vom gerichtlichen Haftbefehl erwiesenermaßen gewußt habe. Es habe sich auch um eine Täuschung über Tatsachen gehandelt, die zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt habe. Durch die Täuschung sei die Republik Österreich in einem konkreten Recht geschädigt worden, nämlich in dem auf § 10 Abs. 1 Z 6 StGB 1965 gegründeten Anspruch darauf, daß nur solche Personen eingebürgert würden, die keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellten. Der Beschwerdeführer habe den Schutzzweck dieser Norm verletzt und eine konkrete staatliche Maßnahme, nämlich die Ablehnung seiner Einbürgerung, vereitelt. Seine Täuschung gehe daher über die bloße Schädigung einer lediglich formalen gesetzlichen Voraussetzung hinaus. Der Beschwerdeführer habe darüber hinaus den Staat in seinem Recht auf Ermessensgebrauch gemäß § 11 StGB 1965 geschädigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Aus dem Beschwerdeinhalt ist zu erschließen, daß sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft durch die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens als verletzt erachtet. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 69 Abs. 3 AVG 1950 gibt der Behörde die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 dieses Paragraphen, und zwar auch noch nach Ablauf von drei Jahren aus den Gründen des Abs. 1 lit. a, also wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. Die belangte Behörde hat die Wiederaufnahme des Verfahrens auf den Wiederaufnahmsgrund des Erschleichens des Einbürgerungsaktes nach § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 und auf die gerichtlich strafbare Handlung der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB gestützt.

Es ist daher zunächst zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu Recht zur Last gelegt wurde, er habe den Bescheid, d. h. den die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vollziehenden Verwaltungsakt, erschlichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 11. Juli 1949, Slg. N. F. Nr. 944/A, vom 21. Juni 1950, Slg. N. F. Nr. 1557/A, und vom 6. März 1953, Slg. N.F. Nr. 2887/A) setzt der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 voraus, daß der Bescheid auf eine solche Art zustandegekommen ist, daß die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese unrichtigen Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Hiebei muß die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Situation bestehen, daß ihr nicht zugemutet werden kann, über die Richtigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen. Wenn es die Behörde versäumt hat, von den ihr zur Ermittlung des Sachverhaltes ohne Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, so schließt diese Mangelhaftigkeit des Verfahrens es aus, das Verhalten der Partei unter dem Gesichtspunkt des Erschleichens zu werten (vgl. auch Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1957, Slg. N. F. Nr. 4445/A, und vom 27. April 1978, Zl. 2624/76). Ob Irreführungsabsicht vorliegt, entzieht sich als innerer Willensvorgang der unmittelbaren menschlichen Erkenntnis. Das Vorliegen einer solchen Absicht kann daher nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden. Diese Umstände sind von der Verwaltungsbehörde in freier Beweiswürdigung festzustellen (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 1972, Zl. 1915/70, vom 8. April 1975, Zl. 2017/74, und vom 27. April 1978, Zl. 2624/76, auf deren Ausführungen unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist die Angabe des Beschwerdeführers, gegen ihn sei kein Strafverfahren anhängig, zunächst unter dem Blickwinkel der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG 1965 zu sehen. Dort ist nur von Verurteilungen durch ein inländisches Gericht und von Strafverfahren, die bei einem inländischen Gericht anhängig sind, die Rede. Unter dem Gesichtspunkt der Z 6 des § 10 StbG 1965 mag es wohl naheliegen, auch anhängige ausländische Strafverfahren als für das Ermittlungsverfahren bedeutsam anzusehen; doch kann die Frage, ob der Beschwerdeführer unter dieser Betrachtungsweise verhalten gewesen wäre, der Behörde in seinem Ansuchen von sich aus die Tatsache gegen ihn in der Bundesrepublik Deutschland wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen laufender Ermittlungen bekanntzugeben, auf sich beruhen, weil jedenfalls die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren in dieser Hinsicht nicht vollständig geführt hat. Das Verschweigen des dem Beschwerdeführer bekannten Sachverhaltes in seinem Ansuchen, wonach ein gerichtlicher Haftbefehl wegen Verbrechens der Untreue gegen ihn in der Bundesrepublik Deutschland erlassen worden war, ist demgemäß deshalb von unwesentlicher Bedeutung, weil im gegebenen Zusammenhang der Sachverhalt nicht ausschließlich den Angaben der Partei, sondern dem Ergebnisse des von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungsverfahrens zu entnehmen war (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1953, Zl. 673/53). Nach der zuletzt zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient das der Verleihung der Staatsbürgerschaft vorangehende amtswegige Verfahren unter anderem auch der Feststellung, wie die persönlichen Verhältnisse des Einbürgerungswerbers beschaffen sind und ob nicht etwa aus diesen oder dem Titel einer Verurteilung oder allenfalls einer ausländischen Strafverfolgung ein Einbürgerungshindernis besteht. Die Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen nun, daß die belangte Behörde über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers keine ausreichenden Erhebungen gepflogen, sondern sich mit den Angaben der Partei, dem Führungszeugnis einer deutschen Stadtgemeinde und der Strafregisterauskunft der inländischen Wohnsitzgemeinde begnügt hatte, zumal die befragte Bezirkshauptmannschaft die Einbürgerung des Beschwerdeführers befürwortet und die ausschließlich zur Frage "staatspolizeilicher Bedenken gegen die Einbürgerung" befragte Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland keine solchen Bedenken erhoben hatte. Die Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen des weiteren, daß es die belangte Behörde unterlassen hatte, bei den zuständigen inländischen Sicherheitsbehörden Erhebungen darüber zu veranlassen, ob diesen ein anhängiges strafgerichtliches Verfahren gegen den Beschwerdeführer bekannt sei. Eine diesbezügliche Nachforschung wurde der Aktenlage nach von der belangten Behörde weder im Inland noch im Ausland veranlaßt oder selbst vorgenommen. Dies bedeutet aber nach der zitierten Rechtsprechung die Unzulässigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens auf Verleihung der Staatsbürgerschaft aus dem Grunde des sogenannten "Erschleichens" des Bescheides.

Soweit die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens auf den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung stützt und diese in der Verwirklichung des Tatbestandes nach § 108 StGB erblicken will, muß ihr entgegengehalten werden, daß das Tatbild der Täuschung nach § 108 Abs. 1 jenem des Betruges nach § 146 StGB angeglichen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stellen unwahre Parteibehauptungen eines Antragstellers gegenüber einer Behörde, die zur Überprüfung des Vorbringens verpflichtet ist, keine Täuschungshandlungen im Sinne der zitierten Bestimmungen des Strafgesetzbuches dar, es sei denn, daß der Antragsteller zur Unterstützung eines bewußt unrichtigen Vorbringens zusätzliche Täuschungsmittel (etwa Vorlage nachgemachter oder verfälschter Urkunden oder anderer Beweismittel) gebraucht (vgl. Foregger-Serini, StGB, zweite Auflage, S. 201 f, und Erkenntnisse des OGH vom 10. Dezember 1975, ÖJZ-LSK 1976/57, und vom 26. Juni 1979, ÖJZ-LSK 1979/292). Da es somit an einem strafbaren Tatbestand im Sinne des § 108 StGB im vorliegenden Fall infolge der amtswegigen Prüfungspflicht der Angaben des Einbürgerungswerbers mangelt, erübrigte es sich, auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen dieses Gesetzes einzugehen.

Der angefochtene Bescheid mußte, da ihn die belangte Behörde mit der aufgezeigten Rechtswidrigkeit belastet hat, der Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 verfallen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigte es sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (§ 30 Abs. 2 VwGG 1965), gesondert abzusprechen.

Wien, am 9. März 1983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1983010002.X00

Im RIS seit

23.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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