Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Feuchtmüller Stockert Moick Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei D***** S*****, vertreten durch Dr. Martina Zadra, Rechtsanwältin in Wien, wegen I. zuletzt 1.393,99 EUR sA und Räumung, II. 11.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2019, GZ 39 R 139/19h-74, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Vertrag vom 9. Oktober 2015 schlossen die Streitteile einen Mietvertrag über ein Haus in Wien 21 ab, wobei sie einen monatlichen Mietzins von 1.251 EUR vereinbarten. Am gleichen Tag wurde der Beklagten in einem separat unterfertigten Optionsvertrag das Recht eingeräumt, den Mietgegenstand zu einem Kaufpreis in Höhe von 15.012 EUR zu erwerben. Die Ausübung dieser Option war zwischen dem 12. Oktober 2045 und dem 12. Oktober 2046 vorgesehen und wurde davon abhängig gemacht, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch Bestandnehmerin ist.
Das Berufungsgericht bejahte bei der vorliegenden Vertragskonstruktion die Möglichkeit der Auflösung des Mietvertrags nach § 1118 ABGB und gab der auf § 1118 ABGB, zweiter Fall gestützten Mietzins- und Räumungsklage statt.
In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision vertritt die Beklagte im Wesentlichen den Rechtsstandpunkt, dass das als Mietkauf qualifizierte Rechtsverhältnis ein Kaufvertrag sei, auf den der Auflösungstatbestand des § 1118 ABGB nicht anwendbar sei. Damit zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Unter dem – zumeist im Zusammenhang mit Leasingverträgen verwendeten – Begriff des „Mietkaufs“ werden im Allgemeinen Vereinbarungen verstanden, in denen Elemente eines Mietvertrags und eines Kaufvertrags miteinander verbunden sind (RIS-Justiz RS0128738). Beim Mietkauf kann je nach Vertragsgestaltung dem Mietkäufer nach Ablauf der Mietzeit eine Kaufoption eingeräumt werden oder es wird vereinbart, dass das Eigentum nach Ablauf der Mietzeit automatisch auf den Mietkäufer übergeht (RS0128739). Wird dem Mietkäufer nach Ablauf der Mietzeit eine Kaufoption eingeräumt, dann ist der Mietkauf als zeitlich aufeinander folgende Koppelung zweier Verträge anzusehen, wobei die Mietraten auf den Kaufpreis angerechnet werden und der Mietkäufer das Eigentum (erst) mit Ausübung der Option erwirbt (RS0128740).
1.2 Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei der Einräumung der Nutzung an einer Wohnung auch dann um einen Mietvertrag, wenn dem Bestandnehmer gleichzeitig die Option eingeräumt wird, diese Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben (vgl zB 10 Ob 26/13s: „Es ist also ein Mietvertrag mit einem Kaufoptionsvertrag verbunden.“). Vom Obersten Gerichtshof wurde die Anwendung des § 1118 ABGB auf vergleichbare Vertragskonstruktionen (zB 8 Ob 26/12z: Immobilienleasing mit Kaufoption) bejaht.
1.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass nach der hier zu beurteilenden Vertragskonstruktion eine Aneinanderreihung eines Mietvertrags und eines daran anschließenden Kaufvertrags vorliegt, hält sich im Rahmen der referierten Judikatur und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
1.4 Die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann auch nicht auf die Entscheidung 4 Ob 235/14h gestützt werden, bei der der dort zu beurteilende Mietkauf als Kaufvertrag qualifiziert wurde. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass das Eigentum nach Ablauf einer gewissen Zeit automatisch auf den Mietkäufer übergeht, weshalb eine Koppelung zweier Verträge verneint wurde. Davon unterscheidet sich aber ein aus einem Mietvertrag und Kaufvertrag zusammengesetzter Vertrag, bei dem (wie hier) der Eigentumsübergang von der Ausübung eines Optionsrechts abhängig ist.
2. Für den Auflösungstatbestand des § 1118 zweiter Fall ABGB genügt objektiver Verzug (RS0020989). Die Ausführungen in der Revision, wonach die Streitteile im Mietvertrag dessen Auflösung von einem groben Verschulden abhängig machten, verstoßen gegen das Neuerungsverbot und begründen schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage.
3. Schon mangels der Vergleichbarkeit des Mietvertrags mit den gesetzlich geregelten Varianten des Verbraucherleasingvertrags in § 26 Abs 1 VKrG werfen auch die Ausführungen zur Anwendung des VKrG keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die von der Beklagten vermissten Dokumente (§ 9 VKrG) beziehen sich auf die notwendigen Angaben zu einem Kreditvertrag (Laufzeit, Gesamtkreditbetrag, etc). Die Beklagte beruft sich hier auf ein Zurückhaltungsrecht an den Kaufpreisraten, zeigt aber keinen Bezug zum hier gegenständlichen Mietzins auf.
4. Die geltend gemachten Mangelhaftigkeiten wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
4.1 Das Berufungsgericht hat den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht verletzt. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten basiert die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts auf den erstgerichtlichen Feststellungen. Selbst dann, wenn das Berufungsgericht aus den erstgerichtlichen Feststellungen andere tatsächliche (und nicht nur andere rechtliche) Schlüsse zieht als das Erstgericht, wäre eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung in der Berufungsverhandlung nicht erforderlich (RS0118191).
4.2 Der behauptete Verstoß gegen die Bestimmung des § 473a ZPO liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte als Berufungsgegnerin in der Rechtsmittelbeantwortung zur Rüge nach § 468 Abs 2 Satz 2 iVm § 473a Abs 1 ZPO gehalten war. Eine solche Rügepflicht besteht nämlich dann, wenn sich der Berufungswerber ausdrücklich auf die Feststellungen des Erstgerichts bezieht. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn der Berufungswerber – wie hier – seine Rechtsrüge auf die betreffenden Feststellungen des Ersturteils gründet (RS0113473 [insb T2, T4, T6]).
4.3 Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass eine Überraschungsentscheidung nicht vorliegt, wenn sich das Gericht dem Vorbringen einer Partei anschließt (4 Ob 98/17s mwN). In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier § 1118 zweiter Fall ABGB anzuwenden sei, kann schon deshalb keine die Beklagte überraschende Rechtsansicht liegen, weil sich die Klägerin im erstgerichtlichen Verfahren von Beginn an auf diesen Auflösungsgrund gestützt hat.
5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedurfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E126407European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00160.19M.0924.000Im RIS seit
23.10.2019Zuletzt aktualisiert am
19.06.2020