TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/16 96/19/1997

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Veröffentlicht am 16.10.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1950 geborenen NK in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1996, Zl. 104.906/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 31. Juli 1993 bis 29. April 1994. Ein rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1995 rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 14. März 1995 ersuchte der Beschwerdeführer neuerlich um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck den der selbständigen Tätigkeit als Gesellschafter eines Unternehmens an. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 24. April 1995 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Der Beschwerdeführer berief und brachte vor, es habe sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines zuvor gestellten Antrages die Sachlage in wesentlichen Punkten geändert, weil er nunmehr im Gegensatz zur Begründung seines ersten Antrages mit unselbständiger Erwerbstätigkeit als Aufenthaltszweck den der selbständigen Erwerbstätigkeit angegeben habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage das Formular für den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG im Inland unterzeichnet und von Österreich aus bei der Behörde erster Instanz eingereicht. Er habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Auf dem Antragsformular habe er als Datum den 14. März 1995 und als Aufenthaltsort Wien angegeben und dies auch durch seine Unterschrift beurkundet. Somit habe er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten im Rahmen des Art. 8 MRK sei den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß auf den Beschwerdefall die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung finden. Der nach rechtskräftiger Abweisung des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages eingebrachte verfahrensgegenständliche Antrag ist als Erstantrag zu werten, auf den § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 nicht anwendbar ist.

Vorerst ist die Frage zu klären, ob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die den Antrag (gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache) zurückweisende Entscheidung der Behörde erster Instanz durch Abweisung der Berufung bestätigte und somit ihrerseits eine verfahrensrechtliche Entscheidung in Form einer Antragszurückweisung traf oder ob sie den vorliegenden Antrag, gestützt auf die Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG, meritorisch (durch Abweisung des Antrags) entschied. Im allgemeinen stellt sich die vollständige Abweisung der Berufung als vollinhaltliche Bestätigung des Bescheides erster Instanz durch die Berufungsbehörde dar und bedeutet die Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid inhaltsgleichen Berufungsbescheides. Im vorliegenden Fall wird im Spruch des angefochtenen Bescheides neben der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG aber ausdrücklich der Abweisungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG zitiert.

Die Begründung eines Bescheides darf nur dann zur Auslegung seines Spruches herangezogen werden, wenn dieser für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt offenläßt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, Zl. 94/04/0030). Ein derartiger auslegungsbedürftiger Spruch eines Bescheides liegt im Beschwerdefall vor. Unter Zugrundelegung der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich aber eindeutig, daß der Bundesminister für Inneres (im Instanzenzug) den Antrag abweisen (und nicht etwa zurückweisen) wollte, weil sich die Begründung zum einen auf die aktenwidrige Feststellung der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers (statt richtigerweise der Zurückweisung) durch die Behörde erster Instanz und zum anderen auf die Verwirklichung des Abweisungsgrundes des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG stützt.

Prozeßgegenstand der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (vgl. die in Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1273, E 162 ff., wiedergegebene hg. Judikatur). Nach ständiger Rechtsprechung ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages (hier wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG) Sache der Berufungsentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Berufungsbehörde ist es verwehrt, erstmals - unter Übergehung einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 94/18/1046). Sich in die sachliche Erledigung des Antrages einzulassen, fällt nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde.

Diese der Berufungsbehörde gesetzte Grenze wurde von der belangten Behörde im Beschwerdefall überschritten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Oktober 1998

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191997.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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