Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI A*****, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Hellenische Republik, vertreten durch die Weber Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, wegen 143.915 EUR sowie Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. Juni 2019, GZ 2 R 84/19v-30, mit dem das Verfahren aus Anlass des gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. April 2019, GZ 69 Cg 14/17x-23, erhobenen Rekurses für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.488,32 EUR (darin enthalten 414,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom beklagten Staat die Zahlung von 143.950 EUR (hilfsweise 93.915 EUR) samt Zinsen sowie die Feststellung, dass dieser aus den von ihm begebenen und vom Kläger über eine inländische Depotbank erworbenen Staatsanleihen für die (Rück-)Zahlung des Kapitals und der Zinsen zu den in der Klage näher bezeichneten Zeitpunkten sowie für die Einhaltung der weiteren Anleihebedingungen hafte. Dadurch, dass die Beklagte – durch Gesetz und ohne Zustimmung des Klägers – die von diesem erworbenen Anleihen zwangsweise in Anleihen mit schlechteren Konditionen (Tilgung von weniger als 100 % des Nominales und zu einem späteren Zeitpunkt; geringere Verzinsung) „konvertierte“, indem sie die auf dem Depot des Klägers befindlichen Anleihen „ausbuchte“ und Anleihen mit geänderten Anleihebedingungen „einbuchte“, habe sie den Kläger rechtswidrig enteignet. Als Eigentümer der ursprünglich erworbenen Staatsanleihen sei er jedoch berechtigt, von der Beklagten die Erfüllung der darin verbrieften Rechte zu fordern.
Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts sei – nach der auf das vorliegende Verfahren anzuwendenden EuGVVO – ebenso gegeben, wie dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit. Die Beklagte könne sich auch nicht auf ihre Immunität als Staat berufen, weil die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis zwischen ihm als Zeichner der Anleihen und der Beklagten als Emittentin und nicht aus einer hoheitlichen Tätigkeit des beklagten Staats abgeleitet würden.
Das Erstgericht wies die Klage (nur) „soweit der Kläger einen Schadenersatzanspruch aufgrund eines Aktes der Gesetzgebung des beklagten Staats geltend macht“ a limine zurück, was vom Kläger nicht bekämpft wurde.
Die Beklagte wendete in ihrer Klagebeantwortung die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit sowie die fehlende internationale Zuständigkeit ein.
Das Erstgericht wies die Klagebeantwortung als verspätet zurück.
Anlässlich des dagegen erhobenen Rekurses der Beklagten hob das Rekursgericht das Verfahren mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit als nichtig auf und wies die Klage (soweit sie nicht ohnehin bereits zurückgewiesen worden war) zurück. Es begründete dies damit, dass der EuGH jüngst zu einem vergleichbaren Anspruch ausgesprochen habe, dass sich dieser auf einen hoheitlichen Akt der Beklagten beziehe, die ihre ursprünglich zugesagten Pflichten aus den Anleihebedingungen gerade wegen der getroffenen hoheitlichen Maßnahmen nicht erfüllt habe. Dem sei auch der Oberste Gerichtshof gefolgt.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig, weil die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und die Zurückweisung der Klage durch das Rekursgericht wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) anfechtbar ist (RS0043774). Er ist aber nicht berechtigt.
1. Das rechtliche Gehör einer Partei ist grundsätzlich ausreichend gewahrt, wenn ihr Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, zu äußern (RS0005915 [T17]). Das Rekursgericht verneinte die inländische Gerichtsbarkeit aufgrund der Angaben in der Klage, von denen – entgegen der Ansicht des Rekurswerbers – auch bei der Prüfung dieser Prozessvoraussetzung auszugehen ist (vgl 6 Ob 164/18p; zur internationalen Zuständigkeit auch RS0115860; zu Ansprüchen aus „zwangskonvertierten“ Staatsanleihen siehe Ballon, ÖJZ 2019, 459 [Glosse zu 6 Ob 164/18p]), und legte dem angefochtenen Beschluss keine Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde, zu denen sich der Kläger nicht äußern konnte. Sein rechtliches Gehör wurde somit – da er in seinem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurs auch zur Rechtsansicht des Rekursgerichts Stellung nehmen
konnte – nicht verletzt.
2. Die unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Rekursgericht begründet keinen Verfahrensmangel, stellt doch § 261 Abs 2 ZPO eine solche (auch wenn die Frage des Vorliegens der Prozessvoraussetzung von Amts wegen aufgeworfen wird; vgl Abs 5 leg cit) in das Ermessen des Gerichts. Dass die „Zwangskonvertierung“ auf einer gesetzlichen Grundlage, nämlich einem „Umschuldungsgesetz“, beruhte, hat der Kläger selbst behauptet; ob dieser durch das Gesetz 4050/2012 (was der Kläger – so dessen drittinstanzliches Vorbringen – in einer mündlichen Verhandlung bestritten hätte) oder durch ein anderes griechisches Gesetz angeordnet wurde, spielt für die Entscheidung über die Prozessvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit keine Rolle (dazu Punkt 3.2), sodass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt wird.
3.1. Die inländische Gerichtsbarkeit ist für die Klage gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen Hoheitsakt dieses Staats bezieht (RS0032107). Der Oberste Gerichtshof ging im Zusammenhang mit griechischen Staatsanleihen zunächst davon aus, dass der Staat keine Immunität genießt, wenn er als Anleiheschuldner auf Erfüllung der Emissionsbedingungen bzw Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung geklagt wird (vgl etwa 4 Ob 227/13f; zuletzt 6 Ob 164/18p). Demgegenüber vertrat der EuGH in seiner
– ebenfalls griechische Staatsanleihen betreffenden – Entscheidung in der Rechtssache Kuhn vom 15. 11. 2018 (C-308/17) zu einem – wie hier – auf die ursprünglichen Anleihebedingungen gestützten Klagebegehren (im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der EuGVVO) die Auffassung, dass ein solcher Rechtsstreit aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung hoheitlicher Rechte resultiere. Er begründete dies mit den außergewöhnlichen Umständen (schwere Finanzkrise), unter denen die gesetzliche „Zwangskonvertierung“ erfolgt sei, sowie dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen. Aufgrund dieser Entscheidung (sowie unter Hinweis auf BGH VI ZR 516/14) änderte auch der Oberste Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung und geht nunmehr auch dann, wenn die Klage – wie im vorliegenden Fall – auf Erfüllung der Emissionsbedingungen bzw auf Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung gestützt wird, davon aus, dass sich der Anspruch auf einen Hoheitsakt des beklagten Staats bezieht, sodass die inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliegt (10 Ob 103/18x [da die Vorinstanzen die inländische Gerichtsbarkeit dort übereinstimmend bejaht hatten, sprach der Oberste Gerichtshof dies als obiter dictum aus]; vgl auch 10 Ob 104/18v; in 6 Ob 164/18p war die wenige Tage zuvor ergangene Entscheidung des EuGH noch nicht berücksichtigt worden). Dass sich das Rekursgericht an dieser (jüngeren) Rechtsprechung orientierte, die zu vergleichbaren Klageansprüchen erging und von der abzugehen sich der Senat nicht veranlasst sieht, ist nicht zu kritisieren.
3.2. Soweit der Rekurswerber – ohne weitere Begründung – in Frage stellt, ob das in der Entscheidung des EuGH zu beurteilende griechische Gesetz 4050/2012 auf die von ihm erworbenen Staatsanleihen überhaupt anwendbar sei (wobei er insoweit fehlende Feststellungen kritisiert), ist ihm sein eigenes Vorbringen entgegenzuhalten, wonach die „Zwangskonvertierung“ seiner Anleihen durch ein griechisches Gesetz (das in der Klage als „staatliches Umschuldungsgesetz“ bezeichnet wird) angeordnet worden sei. Damit resultiert der Anspruch – entsprechend dem vom EuGH angelegten Beurteilungsmaßstab – aber bereits nach dem Klagevorbringen jedenfalls aus einem Akt „iure imperii“.
4. Der Klage mangelt es neben der inländischen Gerichtsbarkeit (wegen der Immunität des beklagten Staats) im Übrigen auch an der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO, weil – wie der EuGH in der genannten Entscheidung aussprach – der zu beurteilende Rechtsstreit nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinn des Art 1 Abs 1 dieser Verordnung fällt. Auf einen sonstigen Gerichtsstand hat sich der Kläger nicht berufen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E126396European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00139.19A.0925.000Im RIS seit
23.10.2019Zuletzt aktualisiert am
23.10.2019