Entscheidungsdatum
22.05.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG 1991 §14 Abs7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter
Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde der A&B GmbH in C, vertreten durch Dr. D, Dr. E, Dr. F und Mag. G, alle Rechtsanwälte in H, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die am 12. Dezember 2018 verfügte Baueinstellung des Vizebürgermeisters der Marktgemeinde St. Lambrecht, A-8813, im Bereich der Zufahrtsstraße zum I J GmbH & Co KG war
rechtswidrig.
B. Die Marktgemeinde St. Lambrecht hat die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 1.659,60 zu bezahlen. Das Mehrbegehren in der Höhe von € 192,72 wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
§§ 7, 9, 28 Abs 6 und 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 1 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)
§§ 14, 62 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)
§ 41 Abs 1 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG)
C. Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. In der Beschwerde vom 17. Dezember 2018 wird im Wesentlichen ausgeführt, dass durch das einschreitende Organ der Marktgemeinde St. Lambrecht die Beschwerdeführerin „in ihren subjektivem Recht, eine Einfriedung gegenüber einem Nachbargrundstück bis maximal 1,5 Höhe vorzunehmen, verletzt“ worden sei. Die Beschwerdeführerin habe am 12. Dezember 2018 als Liegenschaftseigentümerin begonnen, an ihrer westlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. XY zur angrenzenden Liegenschaft der EZ O, GB NN K, bestehend unter anderem aus den Grundstücken Nr. OO und Nr. OP, deren Eigentümerin die I J GmbH & Co KG ist, Begrenzungsschwellen aus Beton aufstellen zu lassen. Die Betonschwellen seien nicht höher als 50 cm und sei ja eine Baufirma beauftragt worden. Kurz nach Beginn der Arbeiten sei vom Amtsleiter der belangten Behörde, L M, die Baueinstellung verfügt worden.
Es wurde beantragt den angefochtenen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vom 12. Dezember 2018 für rechtswidrig zu erklären und gemäß § 35 VwGVG die entstandenen Kosten zuzusprechen.
Als Beilage wurde das Urteil des OLG Graz zu GZ: mm vom 10. Juli 2014, ein Ausdruck Digitaler Atlas, ein Firmenbuchauszug A&B G.m.b.H., ein Firmenbuchauszug I J GmbH & Co KG, ein Firmenbuchauszug N Handels GmbH, Lichtbilder der aufgestellten Begrenzungsschwellen, Schreiben der R Bau GmbH vom 17. Dezember 2018 und Einzahlungsnachweis der Eingabegebühr € 30,00 vorgelegt.
2. Die Marktgemeinde St. Lambrecht nahm mit Schreiben vom 28. Jänner 2019 hiezu Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass es sich aus Sicht der Baubehörde hiebei um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben gemäß § 20 Z 3 lit. c Stmk. BauG gehandelt habe. Dies hätte der Ortsaugenschein am
12. Dezember 2018, der vor Ausspruch der Baueinstellung durchgeführt worden sei, ergeben. Da zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheines keine Genehmigung gemäß
§ 33 Abs 6 Stmk. BauG vorgelegen sei, habe die Behörde die Baueinstellung verfügt. Der Bürgermeister sei weder vor noch während der Amtshandlung anwesend gewesen und habe diese auch nicht geleitet. Die mündlich verfügte Baueinstellung sei keinesfalls rechtswidrig gewesen und wurde beantragt, dem Antrag der Beschwerdeführerin keine Folge zu geben.
Als Beilage wurde der Aktenvermerk über die Befangenheit des Bürgermeisters vom 12. Dezember 2018, der Bescheid GZ: 131-9/1/2018-Baueinstellung A&B vom
28. Dezember 2018 der Marktgemeinde St. Lambrecht sowie die Bauanzeige vom 24. Jänner 2019 einschließlich des Lageplanes, des Produktdatenblattes, der Firmenbuchdaten, des Grundbuchsauszuges, vorgelegt.
3. Auf Verlangen des Gerichtes wurde „die Niederschrift über die Beurkundung der am 12.12.2018 verfügten Baueinstellung wegen Errichtung eines anzeigepflichtigen Vorhabens (Aufstellen von Betonleitwänden) im Bereich des Grundstückes
Nr. XY“ von der belangten Behörde vorgelegt.
4. Die Beschwerdeführerin erstatte daraufhin am 01. März 2019 eine Replik, in der sie im Wesentlichen ausführte, dass kein mündlicher Bescheid erlassen worden sei und es sich daher um die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bei dem Ausspruch der Baueinstellung gehandelt habe. Weitere Ausführungen betreffen die „Unmöglichkeit der Erlassung eines rechtsgültigen Bescheides“, da keine öffentliche Verkehrsfläche vorliegen würde, keine bauliche Anlage, keine Einfriedung im Sinne des Stmk. BauG vorliege und der unrichtige Normadressat genannt sei. Zudem wurde die Befangenheit des Bürgermeisters behauptet.
II. Sachverhalt:
1. Am 12. Dezember 2018 wurde der Amtsleiter L M der Marktgemeinde
St. Lambrecht vom Bürgermeister informiert, dass eine Bautätigkeit zwischen den Grundstücken Nr. XY und Nr. OO, beide KG K, durchgeführt wird. Bei der Bautätigkeit würde es sich um die Aufstellung von Betonleitwänden handeln und sei eine Straße mit öffentlichen Verkehr betroffen. Amtsleiter L M informierte daraufhin den Vizebürgermeister P und fuhr mit diesem und mit einem Mitarbeiter des Bauamtes Marktgemeinde St. Lambrecht zum genannten Ort. Zuvor wurde Vizebürgermeister P über den soweit bekannten Sachverhalt informiert und händigte ihm auch Amtsleiter L M ein Luftbild der Örtlichkeit aus. Vizebürgermeister P war auch in Kenntnis, dass Bürgermeister Mag. Q Mitbesitzer der dortigen Hallen ist und sich für befangen erklärte.
Vor Ort konnte Vizebürgermeister P feststellen, dass die Bautätigkeit im Gange war und eine rote Linie auf der Fahrbahn anzeigte, wo noch Betonleitblöcke platziert werden sollten. Vor Ort war noch der Gesellschafter der Firma A&B GmbH als Vertreter der Firma A&B GmbH Dr. T anwesend sowie Ing. S U als Bauleiter der Firma R Bau GmbH, die die Bautätigkeit durchführte. Nach Beratung mit Amtsleiter L M erklärte Vizebürgermeister P Dr. T, dass er die Bautätigkeit einstellen müsse, da es sich hier um eine anzeigepflichtige Baumaßnahme handle und keine Anzeige erfolgt sei. Nachdem Dr. T mit seinem Rechtsanwalt telefonierte, wurde die Bautätigkeit eingestellt. Von Seiten des die Amtshandlung führenden Vizebürgermeisters P wurde nicht gesagt, dass ein Bescheid über die Baueinstellung erfolgt und wurde keine Rechtsmittelbelehrung erteilt. Auch hat
Dr. T keinen Bescheid verlangt, sondern im Rahmen der dort stattfindenden Diskussion geäußert, dass es gegen diese Maßnahme wohl ein Rechtsmittel geben müsse.
Daraufhin fuhren Vizebürgermeister P, Amtsleiter L M und VB E V wieder auf das Gemeindeamt, ohne dass Dr. T die Möglichkeit gegeben wurde, mitzukommen. In weiterer Folge wurde am Gemeindeamt von Vizebürgermeister P unter Anleitung des Amtsleiters L M eine Niederschrift mit nachfolgendem Text verfasst:
„GZ: 131-9/1/2018 – A&B GmbH, Einfriedung gegen Öffentliche Verkehrsflächen
Niederschrift über die Beurkundung
i.S. des § 62 Abs. 2 AVG i.d.g.F. der am 12.12.2018 um 11.00 Uhr mündlich verfügten Baueinstellung gemäß § 41 Abs. 1 Ziffer 2 Stmk. Baugesetz i.d.g.F. wegen Errichtung eines anzeigepflichtigen Vorhabens auf dem Grundstück Nr. XY, KG K ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 Stmk. Baugesetz
Betreff: Aufstellen von Betonleitwänden auf dem Grst. Nr. XY,
KG K
Anwesend: Vzbgm. X P, VB E V und AL L M als Vertreter der Baubehörde der Marktgemeinde St. Lambrecht, Ing. S U (Fa. R Bau GmbH), Dr. T (Gesellschafter A&B GmbH)
Die I J GmbH & Co KG, vertreten durch Rechtsanwalt
Mag. W Z, teilte der Marktgmeinde St. Lambrecht am 12.12.2018 mit, dass entlang der Grundgrenze zwischen den Grundstücken Nr. XY und Nr. OO auf der dortigen Weganlage Betontrennwände aufgestellt werden, diese verhindern und/oder erschweren die Ausübung des Zufahrtsrechtes. Gleichzeitig wird
der Winterdienst, insbesondere die Schneeräumung im Sinne des § 26 des Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes, die von der Marktgemeinde St. Lambrecht durchgeführt wird, durch die geplante Einfriedung wesentlich erschwert.
Bei der in der Folge durchgeführten örtlichen Besichtigung am 12.12.2018 um
10:50 Uhr stellte die Baubehörde fest, dass entlang des Grundstückes XY Richtung Grundstück OO, beide KG K, Arbeiten für das Aufstellen von Betonleitwände mit 2m Länge und 50cm Höhe durch die Firma R Bau GmbH durchgeführt werden.
Je ein Teil der Grundstücke Nr. XY und Nr. OO beide KG K, ist als asphaltierte Verkehrsfläche ausgestaltet und unzweifelhaft als solcher erkennbar und wird auch als solche benutzt. Diese Verkehrsfläche dient schon seit Jahrzehnten den auf dem Betriebsgelände des Grundstückes Nr. OO, KG K ansässigen Firmen, wie derzeit der Firma AA Technik unter anderen Gewerbebetreibenden ebenso wie Privatpersonen, Lieferanten und Kunden als Zufahrt zum Firmengelände und den Betriebsstätten der jeweiligen Gewerbebetreibenden.
Die Zufahrtsstraße ist weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet und kann somit von jedermann unter den gleichen Bedingungen im Sinne des § 1 der Straßenverkehrsordnung benützt werden. Ebenso ist diese Zufahrtsstraße als öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes anzusehen. Der Winterdienst wird von der Marktgemeinde St. Lambrecht durchgeführt.
Vzbgm. X P und AL L M erläuterten Dr. T, dass die Errichtung einer Einfriedung durch das Aufstellen von Betonleitwänden auf dem Grundstück Nr. XY KG K entlang der Grenze zum Grundstück Nr. OO KG K aus Sicht der Baubehörde ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben gemäß § 20 Ziffer 3 lit. c des Stmk. Baugesetzes darstellt. Eine Anzeige des genannten Bauvorhabens im Sinne des Baugesetzes wurde bei der Marktgemeinde St. Lambrecht als zuständige Baubehörde nicht gemacht und lag somit zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheines auch keine Genehmigung gemäß § 33 Abs. 6 des Stmk. Baugesetzes vor.
Aufgrund des im Zuge des Ortsaugenscheines festgestellten Sachverhaltes und der dabei erläuterten rechtlichen Bestimmungen wurde um 11.00 Uhr mit sofortiger Wirkung gegenüber Dr. T, der sich als bauauftraggebender Gesellschafter der L & N GmbH erklärt hat, die Baueinstellung gemäß § 41 Abs. 1 Ziffer 2 des Stmk. Baugesetzes wegen fehlender Genehmigung für das anzeigepflichtige Bauvorhaben, nämlich die Errichtung einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. XY, KG K gegen eine öffentliche Verkehrsfläche Grundstück Nr. OO KG K, bzw. auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, Grundstück Nr. XY, ebenfalls KG K verfügt.
Nach einem Telefonat von Dr. T mit seinem Rechtsanwalt wollte
Dr. T die Baumaßnahme fortsetzen lassen. AL L M telefoniert ebenfalls mit dem Rechtsanwalt und erklärte diesem gegenüber den im Zuge des Ortsaugenscheines festgestellten Sachverhalt, nämlich die Errichtung einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. XY, KG K gegen eine öffentliche Verkehrsfläche Grundstück Nr. OO KG K bzw. auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, Grundstück Nr. XY ebenfalls KG K, sowie die Bestimmungen des Stmk. Baugesetzes.
Nach diesem Telefonat nahm Dr. T die mündlich verfügte Baueinstellung zur Kenntnis und veranlasste die Beendigung der begonnen Baumaßnahmen.
Gleichzeitig erwähnte Dr. T ein Urteil des Oberlandesgerichtes Graz, in welchem nach seinen Aussagen die öffentliche Verkehrsfläche der Firma
A&B GmbH zugesprochen worden sein soll und sie dadurch berechtigt seien, Dinge am Grundstück abzustellen. Die Marktgemeinde St. Lambrecht hat diesbezüglich keinerlei Kenntnis.
Weiters führte Dr. T aus, dass für den Fall, dass der Beseitigungsauftrag widerrechtlich ergangen sein, eine Amtshaftungsklage gegen die Marktgemeinde
St. Lambrecht eingebracht wird.
Ebenso verlangte Dr. T im Sinne des § 62 Abs. 3 AVG eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides, welche seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt werden sollte, sowie eine Kopie der Niederschrift.
Ende der Amtshandlung um 11:05 Uhr.“
Die Niederschrift wurde von Vizebürgermeister P, Amtsleiter L M und
VB E V unterschrieben.
2. Die Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf den Inhalt der
Aussagen der Zeugen Vizebürgermeister P, Amtsleiter L M, VB E V,
Dr. T und Ing. S U. Der Inhalt der Zeugenaussage des SO und Mag. U wurden zur Wahrheitsfindung nicht herangezogen, da die beiden Zeugen nicht bei der Amtshandlung anwesend waren. Feststeht für das Gericht, dass Vizebürgermeister P Leiter der Amtshandlung war und diese von ihm und nicht von Amtsleiter L M – wie Dr. T vermeint – geführt wurde. Auch wenn Dr. T sich primär mit Amtsleiter L M bei der Amtshandlung vor Ort unterhalten hat, wurde die Baueinstellung von Vizebürgermeister X P verkündet. Dies geht aus der Aussage von Vizebürgermeister X P und Amtsleiter L M hervor, und hat das Gericht hiebei keine Zweifel. Im Übrigen wird dies von Ing. S U insoweit bestätigt als er angab, dass Vizebürgermeister X P als er vor Ort zur Gruppe stieß, die Baueinstellung schon ausgesprochen gehabt hat, jedoch hätte Vizebürgermeister X P dies noch einmal wiederholt. Der vom Gemeindeamt gefertigten „Niederschrift“ ist insoweit nicht zu folgen, soweit Dr. T eine Ausfertigung des mündlichen Bescheides verlangte. Vizebürgermeister X P gab an, sich an ein derartiges Verlangen nicht erinnern zu können und führte weiters aus während der Verhandlung nie von einem „Bescheid“ über die Baueinstellung gesprochen zu haben. Im Übrigen decken sich die Aussagen der bei der Amtshandlung anwesenden Personen und weicht hievon auch der zur Verfügung stehende Akteninhalt nicht ab.
III. Die Rechtsbeurteilung:
1. Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG:
(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden
…
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
…
Die Beschwerde vom 17. Dezember 2018 langte beim Gericht am
19. Dezember 2018 ein (Datum des Poststempels 18. Dezember 2018), wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs 4 VwGVG gewahrt wurde. Zudem besteht die örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes für die Steiermark, da sich der Vorfall im Sprengel des Gerichtes ereignete.
2. § 14 Abs 3, Abs 5, Abs 6 und Abs 7 AVG:
Niederschriften
…
(3) Die Niederschrift ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, zur Durchsicht vorzulegen oder vorzulesen; wenn ein Schallträger verwendet (Abs. 7) oder die Niederschrift elektronisch erstellt wird, kann ihr Inhalt auch auf andere Weise wiedergegeben werden. Der Leiter der Amtshandlung kann auch ohne Verzicht von einer Wiedergabe absehen; die beigezogenen Personen können diesfalls bis zum Schluß der Amtshandlung die Zustellung einer Ausfertigung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift erheben.
(5) Die Niederschrift ist vom Leiter der Amtshandlung und den beigezogenen Personen zu unterschreiben; bei Amtshandlungen, denen mehr als drei Beteiligte beigezogen wurden, genügt es jedoch, wenn die Niederschrift von der Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, und zwei weiteren Beteiligten, in Abwesenheit dieser Partei von mindestens drei Beteiligten, sowie von den sonstigen beigezogenen Personen unterschrieben wird. Kann dem nicht entsprochen werden, so sind die dafür maßgeblichen Gründe in der Niederschrift festzuhalten. Wird die Niederschrift elektronisch erstellt, so kann an die Stelle der Unterschriften des Leiters der Amtshandlung und der beigezogenen Personen ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Leiters der Amtshandlung und der Authentizität
(§ 2 Z 5 E-GovG) der Niederschrift treten.
(6) Den beigezogenen Personen ist auf Verlangen eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen oder zuzustellen.
(7) Die Niederschrift oder Teile davon können unter Verwendung eines Schallträgers oder in Kurzschrift aufgenommen werden. Die Angaben gemäß Abs. 2, die Feststellung, daß für die übrigen
Teile der Niederschrift ein Schallträger verwendet wird, und die Tatsache der Verkündung eines mündlichen Bescheides sind in Vollschrift festzuhalten. Die Aufzeichnung und die in Kurzschrift aufgenommenen Teile der Niederschrift sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen. Die beigezogenen Personen können bis zum Schluß der Amtshandlung die Zustellung einer Ausfertigung der Übertragung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung erheben. Wird eine solche Zustellung beantragt, so darf die Aufzeichnung frühestens einen Monat nach Ablauf der Einwendungsfrist, ansonsten frühestens einen Monat nach erfolgter Übertragung gelöscht werden.
…
§ 62 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 AVG:
(1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.
(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluß der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.
(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.
…
Vorerst ist die Frage zu klären, ob es sich im konkreten Fall um die Erlassung eines mündlichen Bescheides oder um die Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehlsgewalt bei der Baueinstellung gehandelt hat. Ein Bescheid kommt mit der Erlassung zustande. Die mündliche Erlassung eines Bescheides hat durch Verkündung zu erfolgen. Die Verkündung hat in förmlicher Weise durch die bescheiderlassende Behörde zu geschehen und muss den Parteien als solche
„zu Bewusstsein kommen“. Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, gemäß § 62 Abs 2 AVG am Schluss der Verhandlungsschrift, sonst in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden (siehe Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 258, Rz 427, 10. Auflage, Wien 2014).
Aus dem festgestellten Sachverhalt geht hervor, dass vorerst eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt wurde und sodann zur Fertigung der Niederschrift die Verhandlung zeitversetzt am Gemeindeamt der Marktgemeinde
St. Lambrecht fortgeführt wurde. Hiezu wurde der Verhandlungsteilnehmer Dr. T (von der Behörde als Bescheidadressat genannt) nicht mehr eingeladen, wodurch die Verhandlungsschrift einen wesentlichen Mangel aufweist. Es gilt somit für diese Verhandlung nicht die volle Beweiskraft nach § 15 AVG. Der Inhalt der Bauverhandlung ist hiebei vielmehr in freier Beweiswürdigung festzustellen (VwGH 04.11.1986, 86/05/0036; VwGH 10.09.1981, 22/05/79).
Das Gericht geht davon aus, dass vor Ort vom Verhandlungsleiter kein Hinweis auf eine etwaige Bescheiderlassung stattgefunden hat. Er hat keine Rechtsmittel-belehrung und keine Aufklärung über das Verlangen eines schriftlichen Bescheides innerhalb der vorgesehenen Frist gegeben. Auch das in der „Niederschrift“ festgehaltene Begehren von Dr. T, er würde eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides verlangen, entbehrt jeglicher Grundlage. Der Verhandlungsleiter konnte sich nicht mehr an ein derartiges Verlangen von
Dr. T erinnern. Der Verhandlungsleiter Vizebürgermeister X P war offensichtlich mit der Situation überfordert und hat sich von Amtsleiter L M beraten lassen. Hiebei räumt Vizebürgermeister X P selbst ein, dass er vor Ort nicht gesagt habe, „dass ein Bescheid über die Baueinstellung erfolgt, sondern nur, dass der Bau eingestellt werden müsse“.
Die am Marktgemeindeamt St. Lambrecht am gleichen Tag gefertigte Niederschrift ohne Beiziehung des Verhandlungsteilnehmers weist somit schwerwiegende Mängel auf.
Wesentlich ist jedoch, dass von einer mündlichen Verkündung eines Bescheides nur dann gesprochen werden kann, wenn der Verwaltungsakt von dem behördlichen Organ, das zur Erlassung solcher Bescheide berufen ist, in formeller, d.h. in einer solchen Weise gesetzt worden ist, dass der Partei der formelle Charakter zu Bewusstsein kommen musste (VwGH 31.03.1993, 92/01/0402). Offensichtlich war die belangte Behörde auch nicht der Auffassung, dass an Ort und Stelle eine Verhandlung durchgeführt wurde, da hierüber ohnedies keine Niederschrift im Sinne des § 14 AVG angefertigt wurde. Die im Akt aufliegende Niederschrift betrifft ausschließlich eine Niederschrift im Sinne des § 62 Abs 2 AVG. Der Wille einen Bescheid zu erlassen, trat bei der Amtshandlung von Seiten des Verhandlungsleiters Vizebürgermeister X P nicht nach außen, sondern verkündete dieser ausschließlich eine Baueinstellung. Dass es hiebei zur Erlassung eines mündlichen Bescheides gekommen ist, war für den Bescheidadressaten erst durch nachträgliche Telefongespräche in Erfahrung zu bringen. Im Übrigen wurden die Voraussetzungen einer Niederschrift im Sinne des § 14 Abs 7 AVG jedenfalls außer Acht gelassen, da die vor Ort beigezogene Person Dr. T nicht mehr anwesend sein konnte und damit auf Rechte wie einer Ausfertigung der Übertragung bzw. Einwendungen gegenüber der Niederschrift binnen zwei Wochen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung zu erheben, verzichten musste (siehe auch VwGH 26.11.2010, 2010/02/0011).
3. § 41 Abs 1 Stmk. BauG:
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn
1.
bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2.
anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3.
baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes
ausgeführt werden.
…
Das Rechtsinstrument der Baueinstellung ist ausschließlich in der Rechtsform
des Bescheides zu verfügen. Dies wird auch in § 41 Abs 5 Stmk. BauG und § 37 Abs 4 leg. cit. bestätigt. Auch wenn die belangte Behörde vermeint, dass Gefahr in Verzug vorgelegen sei, wäre ein Bescheid zu erlassen und könnten zusätzlich notstandspolizeiliche Maßnahmen im Sinne des § 42 Abs 1 Stmk. BauG erforderlich sein (Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht Kommentar, S. 510, Rz 3, 5. Auflage, Linde Verlag).
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die verfügte Baueinstellung jedoch nicht mit Erlassung eines mündlichen Bescheides, sondern als Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt durchgeführt wurde. Die somit erlassene Baueinstellung durch ein Organ der Marktgemeinde St. Lambrecht am 12. Dezember 2018 war somit rechtswidrig, da sie nicht in der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Form erfolgte.
IV. Als Kosten sind gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit § 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer einen Betrag von € 1.659,60, nämlich € 737,60 als Schriftsatzaufwand und € 922,00 als Verhandlungsaufwand zuzusprechen. Das Mehrbegehren in dem Beschwerdeantrag, nämlich den Zuspruch von Barauslagen für Firmenbuchauszüge war nicht stattzugeben, da dies kein essentieller Bestandteil der Beschwerde darstellt und das Gericht selbst Zugriff auf das Firmenbuch hat. Des Weiteren ist der Zuspruch der Umsatzsteuer als auch der Eingabegebühr nicht gerechtfertigt, da es sich laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes hiebei um Pauschalgebühren handelt.
V. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Feststellung, dass es sich hiebei um keinen mündlichen Bescheid handelt, hat zur Folge, dass die Baueinstellung am 12. Dezember 2018 rechtswidrig verfügt wurde.
Schlagworte
behördlicher Wille, Niederschrift, ohne Beiziehung Verhandlungsteilnehmer, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Baueinstellung, Aktenvermerk, bescheidmäßige ErlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.20.3.3197.2018Zuletzt aktualisiert am
10.12.2019