RS Lvwg 2019/9/26 LVwG-200045/2/Gf/RoK

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 26.09.2019
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Rechtssatznummer

1

Entscheidungsdatum

26.09.2019

Rechtssatz

* Mit Urteil vom 19. September 2019, C-64/18, hat der EuGH ausgesprochen, dass eine nationale Regelung, die vorsieht, dass für den Fall der Verletzung von (bloß) ordnungsrechtlichen Verpflichtungen Geldstrafen zu verhängen sind, die

• einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,

• pro einzelnem Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung auszusprechen sind,

• bei Abweisung einer vom Bestraften gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde einen erheblichen Verfahrenskostenbeitrag (20% der verhängten Strafe) nach sich ziehen und

• im Fall ihrer Uneinbringlichkeit in Freiheitsstrafen umgewandelt werden,

mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist. Den konkreten Anlass für diese Feststellung bildeten zwar die Bestimmungen des § 7i Abs. 4 AVRAG einerseits und § 28 Abs. 1 AuslBG andererseits; nach der zentral auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gestützten Begründung dieser Entscheidung kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass diese Rechtsprechung auch für alle anderen materiengesetzlichen Bestimmungen, die eine identische systematische Konzeption aufweisen – wie etwa § 52 Abs. 2 GSpG – in gleicher Weise unmittelbar, d.h. ohne dass es zuvor eines insoweit eigenständigen Vorlageantrages an den EuGH bedürfte, maßgeblich ist. Dies bedeutet, dass seitens der Behörden und Verwaltungsgerichte jedenfalls in sämtlichen analogen Konstellationen zu gewährleisten ist, dass die bei mehrfacher Tatbestandsverwirklichung an sich festzusetzenden Einzelstrafen auch derart im Konnex betrachtet werden, dass die Gesamtstrafhöhe dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Diesem Ziel entgegenstehende innerstaatliche Normen bzw. in diesen enthaltene Grenzziehungen – wie z.B. die Mindeststrafenregelung des § 52 Abs. 2 GSpG und/oder die §§ 16, 20 und 22 VStG – sind hingegen als fallbezogen-unionsrechtswidrig nicht bzw. nicht in vollem Umfang anzuwenden.

* Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist allerdings nicht allein unionsrechtlich gewährleistet; wenngleich nicht explizit verankert, ist dieser doch nach der Judikatur des VfGH für den Bereich des nationalen Verfassungsrechts als eine spezielle Erscheinungsform des Gleichheitsgrundsatzes weithin anerkannt (vgl. z.B. VfGH vom 27. Juni 2014, G 27/12, sowie Th. Öhlinger – H. Eberhard, Ver-fassungsrecht10 [2014], RN 715, und J. Hengstschläger – D. Leeb, Grundrech-te2 [2013], RN 1/61). Davon ausgehend ist bei mehrtätigem Verhalten die Strafbemessung i.S.d. § 19 VStG generell unter Einbeziehung der Verpflichtung zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dahin vorzunehmen, dass v.a. die Pflicht zur Kumulation dahingehend relativiert wird, dass in erster Linie die Gesamthöhe der Strafe der Bedeutung des geschützten Rechtsgutes einerseits und dessen Beeinträchtigung andererseits unter den konkreten Um-ständen des jeweiligen Anlassfalles gerecht wird.

* Da § 63 Abs. 1 MEG ohnehin keine Mindeststrafe festlegt, war im Anlassfall zunächst zu beachten, dass dem Bf. nicht etwa eine gerichtlich strafbare Handlung, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit und damit schon von vornherein bloß eine minder gravierende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen angelastet wird. Berücksichtigt man weiters, dass in zeitlicher Hinsicht keine lang andauernden, sondern gleichsam bloß punktuelle Übertretungen fest-gestellt wurden und einerseits die Nacheichung umgehend veranlasst wurde sowie andererseits der festgestellte Unterschied zwischen Brutto- und Nettogewicht lediglich 6 Gramm betragen hatte (was bei einer konkreten Gesamt-verkaufsmenge von 11 dag [Wurst] für einen Durchschnittskonsumenten kaum von maßgeblicher Bedeutung erscheint), dann erweist sich nach Auffassung des LVwG OÖ die Verhängung von Einzelgeldstrafen in einer Höhe von 200 Euro, die in der Folge zu einer Gesamtstrafhöhe von 400 Euro führt, die wiederum akzessorische Verfahrenskosten in einer Höhe von insgesamt 40 Euro nach sich zieht und denen jeweils eine relationale Ersatzfreiheitsstrafe in einer Höhe von 6 Stunden, d.s. insgesamt 12 Stunden, entspricht, als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen.

Schlagworte

Verhältnismäßigkeit; mehrfache Tatbegehung; Mehrtätigkeit; Kumulation; Gesamtstrafe

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2019:LVwG.200045.2.Gf.RoK

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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