TE Lvwg Erkenntnis 2019/8/8 LVwG-AV-1311/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2019
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Entscheidungsdatum

08.08.2019

Norm

AVG 1991 §10
ZustG §7
ZustG §9 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seine Richterin Dr. Raunig über die Beschwerde der Frau A und der Frau B, beide vertreten durch C, wohnhaft in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15.11.2018, Zl. ***, mit welchem die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 28.06.2018, Zl. ***, mit welchem der D GmbH die Baubewilligung für die Abänderung des mit Bescheides vom 17.03.2015, AZ ***, genehmigten bzw. mit Bescheid vom 04.12.2015, AZ *** abgeänderten Projekts zur Errichtung einer baulichen Anlage in Form eines Flugdaches auf der Liegenschaft ***, ***, Parzelle Nr. ***, EZ ***, KG ***, erteilt wurde, abgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15.11.2018, Zl. *** zu lauten hat wie folgt:

„Die Berufung von Frau A und B, beide vertreten durch C, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 28.06.2018, Zl. ***, wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 9 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) zurückgewiesen.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Zum bisherigen Gang des baubehördlichen Verfahrens:

Mit Ansuchen der Bauwerberin, D GmbH, ***, ***, vom 02.02.2018, betreffend den 2. Planwechsel zur Baubewilligung, Bescheid vom 17.03.2015, ***, wurde die Abänderung hinsichtlich des bestehenden Bauwerks auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** in ***, *** beantragt.

Konkret wurde die Errichtung eines Flugdaches – als Blechdach auf einer Tragekonstruktion aus Vollholzbalken – an der nordwestlich gelegenen Grundstücksgrenze mit einer überbauten Fläche von 99,82 m² beantragt. Die Niederschlagsgewässer werden mittels Kastenrinne gemäß Einreichplan in Abfallrohre abgeleitet und am Grundstück zur Versickerung gebracht.

Zur Abstützung des Daches werden nunmehr vier statt drei Holzstützen verwendet. Weiters werden Kopfbänder eingebaut. Die Ziegelmauer an der Montagehalle solle bestehen bleiben, sei jedoch nicht mit dem Flugdach verbunden.

Vorgelegt wurden diesbezüglich die Baubeschreibung zum Planwechsel zur Baubewilligung *** sowie das Ansuchen. Im baubehördlichen Verfahren wurde vom bautechnischen Amtssachverständigen eine Vorprüfung des Bauvorhabens durchgeführt und Befund und Gutachten erstattet.

Im Gutachten wird konstatiert, dass nach Begutachtung der vorliegenden Unterlagen der Projekterörterung und Befunderhebung festgestellt wurde, dass das Vorhaben aus bautechnischer Sicht die Bestimmungen der NÖ BO 2014, der Bautechnikverordnung 2014 sowie die Anforderungen des § 43 der NÖ BO 2014 erfülle.

Mit Schreiben vom 17.04.2018 wurden die Beschwerdeführerinnen über das Bauansuchen informiert und ihnen die Möglichkeit zur Einsichtnahme gewährt. Weiters wurde ihnen die Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung schriftliche Einwendungen zu dem Vorhaben einzubringen, unter gleichzeitigem Hinweis darauf, dass bei fruchtlosem Ablauf der Frist, die Parteistellung verloren gehe. Die Verständigung wurde Frau B am 23.04.2018 durch Hinterlegung und Frau A am 18.04.2018 ebenso durch Hinterlegung zugstellt.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2018 erhoben die Beschwerdeführer, beide vertreten durch C, nachstehende Einwendungen:

„Betrifft: Ihre Verständigung vom 17.4.18

Zahl ***

Diese Verständigung wurde mir von den neuen Eigentümern - A und B - mit der Bitte übergeben, sie bei diesem Verfahren auf Grund der mir erteilten Vollmacht vom 9.August 2017, die ich persönlich am 16.8.2017 im Sekretariat der Gemeindeamtsdirektion nachweislich abgegeben habe, zu vertreten.

Das in der Verständigung angekündigte Bauverfahren bezieht sich auf die Parzelle Nr. *** EZ *** KG *** und umfasst die Liegenschaften *** und ***.

In diesem Zusammenhang muss ich auf meine Kontakte zur Baubehörde im Jahr 2015 verweisen. Damals war ich Eigentümer der Liegenschaft ***, die im Süden an die oben genannten Grundstücke in der *** anschließt. Ich habe Hrn.E darauf aufmerksam gemacht, dass Baumaßnahmen an der Grundgrenze durchgeführt werden und ich aus diesem Grund nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung als Partei Rechtsanspruch darauf habe, über diese Arbeiten von der Baubehörde informiert zu werden und bei der Bauverhandlung Gelegenheit haben muss, meine Eigentümerrechte zu vertreten.

Hr.E hat mir damals versichert, dass entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidungs- und Bebauungsplanes zur Einhaltung der Bebauungsdichte die aus dem Jahr 1956 stammenden Baukörper entfernt werden müssen und dass danach in diesem Grundstücksbereich der Parzelle *** keinerlei Baumaßnahmen mehr erfolgen dürfen (mein Brief vom 12.3.2015 - nachweislich abgegeben am 13.3.15). Diese Tatsache hat die Baubehörde I.Instanz mit Brief vom 28.9.2015 schriftlich bestätigt.

Im Schreiben vom 17.4.18 - siehe obiges Betreff - wird auf den Bescheid vom 17.5.15 hingewiesen. Nach den Ausführungen von Hrn.E und der Baubehörde I.Instanz darf in der nordwestlichen Grundstücksecke (alter Lagerschuppen des Baumeisters F) aus dem Jahr 1956 kein Bauwerk vorhanden sein.

Ich habe damals vergeblich versucht, eine Ladung zur Bauverhandlung zu erhalten. Mein Ersuchen wurde von der Baubehörde I. Instanz völlig ignoriert, um unter Ausschluss der Parteien laut NÖ BO mit dem Bauwerber im Sinne dessen Wünschen ein Bauverfahren abzuwickeln. Am 23. und 24.4.2018 wollte ich mich in meiner Funktion als bevollmächtigter Vertreter der Grundeigentümerinnen über das Bauvorhaben informieren.

Ein Mitarbeiter des Bauamtes hat mir technische Unterlagen mit der Geschäftszahl eines Zivilingenieurs GZ ***, mit Datum 23.12.17 und 1.2.18 und 9.4.18 übergeben. Obwohl ich von 11,15 Uhr bis ca. 12,10 Uhr am Bauamt war, hat es Hr.E nicht geschafft, mit mir Kontakt aufzunehmen (siehe dazu Protokoll vom 4.8.17, welches im Bauamt au?iegt und am 4.9.17 in Fotokopie der BH Mödling übergeben wurde).

Am 24.4.18 habe ich wieder am Vormittag am Bauamt vorgesprochen. Hr.E war nicht anwesend, so habe ich einen Mitarbeiter des Bauamtes gebeten, mir entweder eine Fotokopie des Baubescheides vom 17.5.15 anzufertigen oder mir diesen zum Studium vorzulegen. Ihr Mitarbeiter war bemüht diesen Bescheid zu ?nden, doch es gelangt ihm nicht - damit habe ich während der letzten 3 Jahre keinerlei aufklärende Unterlagen bzw. Bescheide von der Baubehörde *** I.Instanz erhalten. Ich verlange daher, um mich auf das Bauverfahren vorbereiten zu können, mir eine Kopie des Bescheides vom 17.5.15 an meine obige Adresse per Einschreiben zu senden. Spätestens muss bei der Bauverhandlung eine Bescheidausfertigung zur Einsichtnahme vorgelegt werden!

Im Übrigen bestehe ich darauf, dass diese Bauverhandlung nach den verbindlichen Bestimmungen der NÖ Bauordnung ausgeschrieben und mit eingeschriebenen Briefen den Parteien zur Kenntnis gebracht wird. Eine Verhandlungsabwicklung unter Ausschluss aller Grundeigentümer, die Parteienstellung besitzen, werde ich nicht mehr dulden.

Die Schriftstücke für die Grundeigentümerin B schicken Sie an folgende

Adresse:

B

***

***.

Hochachtungsvoll

Verteiler: 1) Baubehörde I.Instanz ***, ***

2) Frau G - Gemeindeamt ***

3) BH Mödling, Hrn. H“

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 28.06.2018, Zl. ***, wurde der Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für die Abänderung des mit Bescheid vom 17.03.2015, ***, genehmigten bzw. mit Bescheid vom 04.12.2015, AZ *** abgeänderten Projektes zur Errichtung einer baulichen Anlage in Form eines Flugdaches auf der Liegenschaft ***, ***, Parzelle Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt.

Die Baubehörde führt weiters aus, dass „über den am 25.4.2018 schriftlich eingebrachten Einwand der Nachbarinnen Frau A und B, mit Vollmacht vertreten durch Herrn C, wie folgt entschieden wird: Folgender Einwand: […], wird als unzulässig zurückgewiesen.“

Bergründend wird weiters ausgeführt, dass mit den Einwendungen keine subjektiv öffentlichen Recht iSd § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 geltend gemacht worden seien.

Vielmehr stehe das Vorhaben mit den Bestimmungen der NÖ Bauordnung im Einklang und habe unter Vorschreibung der Auflagen, welche zur Wahrung der von der Baubehörde zu vertretenden Interessen erforderlich seien, bewilligt werden können.

Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte an Frau A am 03.07.2018 durch Hinterlegung und an Frau B am 05.07.2018 durch persönliche Übernahme.

In der dagegen von C - als bevollmächtigter Vertreter der Beschwerdeführerinnen - fristgerecht erhobenen Berufung, brachte dieser vor, dass seine Enkeltöchter Eigentümerinnen der Liegenschaft ***, *** seien und sie ihm per Vollmacht den Auftrag erteilt haben, ihre Eigentümerrechte rechtskräftig im Bauverfahren der Firma D zu vertreten.

Am 06.07.2018 habe Frau B ihn verständigt, dass sie eine Durchschrift eines Bescheides erhalten habe. Inhalt des Bescheides seien Baumaßnahmen des Herrn I im Bereich der Nordwest-Ecke der Liegenschaft *** gewesen. Dort habe im Jahr 1955/56 Herr Baumeister F einen Lagerschuppen errichtet. Derzeit stehe dort eine Werkshalle, obwohl nach der Rechtslage kein Bau vorhanden sein dürfte. Die Baubehörde bezeichne die Werkshalle ohne sachliche Begründung als Flugdach.

Die Baubehörde habe ihm, obwohl seine Vollmacht bekannt sei, kein Exemplar des oben genannten Bescheides geschickt. Damit beabsichtige sie wissentlich ihm die Möglichkeit einer Berufung zu nehmen. In diesem Zusammenhang verweise er auf seinen Brief vom 24.04.2018, den er am 25.04.2018 übergeben habe.

Um trotzdem die Berufungsfrist einzuhalten, erhebe er, obwohl er keine Unterlagen besitze, gegen den Bescheid der Baubehörde Berufung und führe dazu aus, dass das Bauvorhaben trotz seines Briefes vom 24.04.2018 wieder gezielt und gewollt und unter Ausschluss aller Anrainer abgewickelt worden sei, um ungestört die in den vertiefenden Gesprächen getroffenen Vereinbarungen durchzuziehen. Die Arbeiten können ohne die Bedingungen der NÖ Bauordnungen und ohne die Vorschriften eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zu beachten, ausgeführt werden. Auch die Nennung eines Bauführers sei für den Bauherrn nicht erforderlich. Dadurch sei dem Bauherrn die Möglichkeit gegeben worden, die Baumaßnahmen in Schwarzarbeit auszuführen. Der Bescheid sei rechtswidrig und in seinem gesamten Umfang aufzuheben. Ein weiterer Behebungsgrund sei der Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Durch die Werkshalle werde die zulässige Bebauungsdichte weit überschritten. Weiters dürfe nach dem Flächenwidmungsplan im Bereich der Werkshalle kein Gebäude vorhanden sein. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass den Anrainern ein Rechtsanspruch zustehe, nach dem die Behörde den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan genauestens einzuhalten habe. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Im Bereich der Werkshalle dürfe es weder Bescheide noch Baumaßnahmen geben. Auch dieser Sachverhalt sei für die Behörde ein zwingender Grund den Bescheid aufzuheben.

Weiters müsse der Bescheid aufgehoben werden, da die Behörde ihrer Verpflichtung, ein faires Verfahren zu führen, nicht nachgekommen sei.

Nach den obigen Ausführungen sei die Baubehörde zwingend verpflichtet den Bescheid den sie Ende Juni 2018 erlassen und ein Exemplar seiner Enkeltochter B zugeschickt habe, aufzuheben.

Mit hier angefochtenem Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 15.11.2018, GZ ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführerinnen abgewiesen.

Darin erwog die belangte Behörde, dass den Berufungswerberinnen grundsätzlich die Parteistellung der Nachbarn zukomme, zumal ihr Grundstück im Südosten unmittelbar an das Grundstück, auf dem die baubehördliche Anlage errichtet werden solle, angrenze.

Eine gewillkürte Vertretung sei im gegenständlichen Verfahren zulässig, wobei der Umfang einer solchen Vertretungsbefugnis durch den Inhalt einer Vollmacht definiert sein müsse. Im gegenständlichen Verfahren sei die entsprechende Bevollmächtigung von C als gewillkürter Vertreter der Beschwerdeführerinnen mittels vorgelegter Vollmacht nachgewiesen worden. Dass C lediglich im Namen der Eigentümerinnen agiert habe und nicht in eigenem Namen, habe sich zweifelsfrei aus dem Berufungsvorbringen ergeben.

Zur Sache selbst sei auszuführen, dass Nachbarn im Baubewilligungsverfahren grundsätzlich eine in zweierlei Hinsicht beschränkte Parteistellung haben, als ihre Mitspracherechte einerseits durch jene subjektiv-öffentlichen Rechte eingeschränkt seien, die ihnen die Bauordnung einräume und es andererseits auch auf die fristgerechte Geltendmachung der jeweiligen subjektiv-öffentlichen Rechte ankomme.

Zu den Einwendungen sei festzuhalten, dass der Nachbar zwar nicht verpflichtet sei, die gesetzlichen Bestimmungen anzuführen, die Einwendungen müssen sich aber auf ein öffentliches Recht beziehen, dass dem Einwender gemäß materiell rechtlicher Vorschrift auch tatsächlich zustehe, d.h. aus welchem er seine Parteistellung ableite. Die Berufungswerberinnen haben demnach gemäß § 22 Abs. 2 NÖ BO während des Verfahrens die Parteistellung verloren, zumal sie weder im Rahmen der von ihnen mit Schriftsatz vom 24.04.2018 erhobenen Einwendungen noch in der gegenständlichen Berufung subjektiv-öffentlichen Rechte iSd § 6 Abs. 2 NÖ BO geltend gemacht haben.

Der Vollständigkeitshalber sei angemerkt, dass einem Nachbarn im Projektänderungsverfahren nicht neuerlich die Möglichkeit eröffnet werde, neue Einwendungen für jene Bereiche, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert worden sei, zu erheben, sondern seien diese auf die von der Projektänderung betroffenen Bereiche begrenzt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde brachten die Beschwerdeführerinnen, vertreten durch C zusammengefasst vor, dass das Verfahren nicht korrekt geführt worden sei. Unter anderem, dass es trotz seiner Briefe vom 12.03.2015 und 24.04.2018 keine Ortsverhandlung gegeben habe. Auch zur Bauverhandlung, die zum Bescheid vom 24.06.2018 geführt habe, sei er trotz seines Briefes vom 24.04.2018 nicht geladen worden. Sämtliche Bescheide seit März 2015 seien rechtswidrig und durch Amtsmissbrauch entstanden, da sie den Flächenwidmungsplan nicht einhalten und die Baubehörde erster Instanz verpflichtet sei, sich strikt an die rechtlichen Vorgaben zu halten.

Die Rechte der Anrainer seien in der Verhandlung auch nicht angesprochen worden.

Hinsichtlich der Standsicherheit müsse gesagt werden: die Standsicherheit des F-Lagerschuppens sei einwandfrei gegeben. Mit verschmälertem Grabegerät habe F die Erde für die Bodenauswechslung ausgehoben und den schmalen Aushubgraben mit Magerbeton verfüllt. Dies sei geschehen, um Bewegungen der unbelasteten Grenzmauer durch Bodenfrost zu verhindern. Nach dem Magerbeton der Bodenauswechslung habe er Betonfundamente für die Ziegelpfeiler hergestellt. Die Ziegelpfeiler seien Baukörper, die die Standsicherheit des Schuppens absolut sichern. 12 cm stark seien die Ziegelmauern an der Grundflächengrenze durch die Ziegelpfeiler durchgezogen worden. Durch diese statisch geschickte Lösung und die Verbindung der Ziegelmauer mit den Ziegelpfeilern habe sich die nur durch den Winddruck belastete Mauer als teilweise eingespannte durchlaufende Platte in das Baukonzept eingefügt. Jahrzehntelang habe sich diese Konstruktion bewährt. Alle Vertikallasten vom Dach seien über die Ziegelpfeiler auf das Fundament abgeleitet worden.

Dieses technisch elegante Baukonzept habe weder die Baubehörde noch der Bauwerber erkannt. Konsenslos habe man im Pfusch statt des Abbruchs des Lagerschuppens diesen zur Werkshalle ausgebaut. Grob fahrlässig habe man die fundamentlose Grenzmauer als Haupttragekonstruktion benützt. Weiters sei gleichzeitig Gebäudefläche verdoppelt und konsenslos das Bauwerk um 1,30 m erhöht worden. Da die 1/2-Stein starke Grenzmauer außen ebenflächig mit 15 cm breiten Schalsteinen erhöht worden sei, folge daraus eine erhöhte exzentrische Belastung.

Diese Tatsache führe dazu, dass in der Bodenfuge des Magerbetons der Bodenauswechslung die resultierende Kraft aus der Gesamtbelastung außerhalb der Kernfläche angreife. In diesem Fall komme es aus statischen Gründen rasch zu einer Erhöhung der Randspannungen in der Bodenfuge, die auch mit großer Sicherheit die zulässigen um 30 % erhöhten Randspannungen überschreite. Dadurch könne ein statischer Nachweis für die Standsicherheit der Werkshalle nicht mehr nachgewiesen werden. Vielmehr werden in diesem Fall die anschließenden Erdkörper horizontale Kräfte übernehmen müssen. Um diese Möglichkeit zu erhalten, hätte die Baubehörde in Vertretung der Anrainer auf diese Situation aufmerksam machen müssen und keine Baubewilligung ausstellen dürfen.

Abschließend sei festzuhalten, dass die Baubehörde erster Instanz gezielt und beabsichtigt die Anrainer nicht zur örtlichen Bauverhandlung geladen habe. Auch auf die Beeinträchtigung der Anrainergrundstücke durch Lärmemissionen von der Werkshalle habe nicht hingewiesen werden können, obwohl die Dacheindeckung mit Holz-Fertigtafeln ausgestattet sei, die ähnlich einem Trommelfell den Lärm verstärken. Durch die Nichteinladung der Anrainer habe man ihnen auch die Möglichkeit genommen, dass sie auf das geänderte Gefälle des Pultdaches hinweisen. Man habe vor einiger Zeit das Gefälle um 180 Grad geändert, sodass jetzt das Gefälle zur nördlichen Grundgrenze der Bauparzelle ausgerichtet sei. Dadurch werde der Unrat von der Dachfläche auf die nördlich gelegene Parzelle abgeworfen und man sei gezwungen gewesen, zum Auflager der Dachsparren und der Gartenmauer noch zusätzlich eine Hängerinne anzubringen. Dazu müsste der Dachsperrenträger schräg abgeschnitten, spitz laufend zur Grundgrenze ausgebildet werden. In diesem dreieckförmigen Freiraum, in dem die Verschalung bis zur Grundgrenze gehe, müsse die Rinne untergebracht werden. Der Ablauf aus der Hängerinne erfolge über scharfkantige Blechknie, die nordseitig im Schatten vorhanden seien und bei Frost zufrieren werden. Bei Tauwetter, bei starken Niederschlägen und bei verstopften Ablaufrohren werde demnach zwangsläufig das Wasser auf das nördlich anschließende Grundstück abgeleitet und durchfeuchtet. Es könne praktisch nicht zweckmäßig bewirtschaftet werden.

Dieser Sachverhalt sei mit ein Grund, dass der Bescheid des Stadtrates vom 15.11.2018 als Baubehörde zweiter Instanz aufgehoben werden müsse.

Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde gegenständlicher Verfahrensakt vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat hiezu Folgendes erwogen:

Nachstehender Sachverhalt steht fest:

Mit Ansuchen vom 02.02.2018 beantragte die Bauwerberin D GmbH, ***, ***, die baubehördliche Bewilligung betreffend den zweiten Planwechsel zur Baubewilligung des Bescheids vom 17.03.2015, ***, Zubau einer Montagehalle. Angesucht wurde um Abänderung der mit Bescheid genehmigten Abänderung zur Errichtung einer baulichen Anlage in Form eines Flugdaches, auf der Liegenschaft ***, Grundstücksnummer ***, EZ ***, KG ***.

Die Beschwerdeführerinnen waren (zu diesem Zeitpunkt) und sind nach wie vor grundbücherliche Hälfteeigentümerinnen des Grundstücks Nr. ***, EZ ***, KG ***, und grenzt dieses Grundstück unmittelbar an das Grundstück der Bauwerberin an.

Mit Schreiben vom 17.04.2018 wurden die Beschwerdeführerinnen schriftlich über die beantragte Abänderung einer baulichen Anlage informiert und darauf hingewiesen, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung schriftlich Einwendungen zu dem Vorhaben bei der Baubehörde einzubringen.

Diese Verständigung wurde am 18.04.2018 Frau A zur Hinterlegung zugestellt und am 23.04.2018 Frau B – ebenfalls durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2018 wurden von C als (bevollmächtigter) Vertreter der Beschwerdeführerinnen Einwendungen erhoben. Die Verständigung vom 17.04.2018 wurde C nicht zugestellt. Die Verständigungen wurden ihm von den Beschwerdeführerinnen übergeben.

C überreichte bereits am 16.08.2017 an die Stadtgemeinde *** – Amtsdirektion – eine schriftliche Vollmacht hinsichtlich der Vertretung der Beschwerdeführerinnen im Bauverfahren der Firma D mit nachstehendem Inhalt:

„B und A sind jeweils zur Hälfte Eigentümerinnen der Liegenschaft ***, ***.

Beide erteilen Herrn C, ***, ***, die

VOLLMACHT

sie im Bauverfahren der Firma D, Parzelle Nr. *** KG ***, beinhaltend die Grundstücke *** und *** rechtskräftig zu vertreten.“

Weitere Zusätze oder Einschränkungen wurden in der Vollmacht nicht aufgenommen. Die Vollmacht ist unterfertigt.

Der Bewilligungsbescheid vom 28.06.2018, Zl. *** wurde den Beschwerdeführerinnen persönlich zugestellt und nicht an C.

Die Beschwerdeführerinnen informierten C lediglich über den Erhalt des Bewilligungsbescheides. Der Bewilligungsbescheid im Original wurde von keiner der Beschwerdeführerinnen an C ausgehändigt. Eine nachträgliche Zustellung des Bescheides an C erfolgte nicht. Ihm wurden nur mündlich Informationen diesbezüglich erteilt.

Sowohl die Berufung als auch die Beschwerde wurden von C namens der Beschwerdeführerinnen erhoben. Die hier angefochtene Berufungsentscheidung wurde den Beschwerdeführerinnen und C zugestellt.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des vorgelegten Verfahrensaktes, aus welchem sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifelsfrei ergibt.

Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Bauansuchen und dem gesamten Verfahrensablauf, basieren auf dem im Akt einliegenden Ansuchen samt Beilagen, der im Akt einliegenden Verständigung, der Zustellnachweise und der Bescheide der Baubehörde erster und zweiter Instanz und der dagegen erhobenen Rechtsmittel.

Dass die Beschwerdeführerinnen beide durch C vertreten waren, in Form einer gewillkürten Vertretung, konnte auf Basis der im Akt einliegenden schriftlichen Vollmacht, an deren Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln bestand, konstatiert werden. Der Inhalt der Vollmacht, insbesondere, dass keine Einschränkungen vermerkt waren, ließ sich der Urkunde selbst entnehmen. Dass an der erteilten Vollmacht keine Zweifel bestanden, wurde überdies von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgehalten. Auch im erstinstanzlichen Bescheid führte die Baubehörde aus, dass die Beschwerdeführerinnen infolge Vollmachtserteilung durch C vertreten sind.

Die Zustellung des Bescheides erster Instanz, ausschließlich an die Beschwerdeführerinnen, ergibt sich aus der Zustellverfügung und den Rückscheinen, die im Verfahrensakt befindlich sind. Letztgenannte Urkunden sind leserlich und vollständig ausgefüllt im Akt einliegend. Anhaltspunkte für eine allfällige Zustellung auch an C, lagen nicht vor. Dies wurde auch nicht seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid thematisiert.

Dass der Beschwerdeführervertreter lediglich (mündlich) in Kenntnis hinsichtlich des erstinstanzlichen Bescheides gesetzt wurde und er den Bescheid – im Original – auch nie erhalten hat – basiert auf den Ausführungen desselben in seiner Berufung und in der Beschwerde. Gegenteilige Beweisergebnisse dazu lagen auch nicht vor.

Es gab keinen Hinweis, dass dem Beschwerdeführervertreter der Bescheid im Original übergeben worden wäre.

In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:

Die Parteien eines Verfahrens können einen gewillkürten Vertreter bestellen. Jeder Vertreter muss sich mit einer schriftlichen Vollmacht, die auf Namen lautet, ausweisen und sich bei seinem Einschreiten auf eine erteilte Vollmacht berufen (vgl. VwGH 29.04.2008, 2005/05/0252). Die Bestellung eines Vertreters wird mit der Vorlage der schriftlichen Vollmacht oder mit einer mündlichen Erteilung der Vollmacht vor der Behörde dieser gegenüber wirksam (vgl. VwGH 27.06.2002, 2001/07/0164). Die Bestellung eines Vertreters bewirkt, dass die Behörde Verfahrenshandlungen gegen den Vertreter zu setzen hat; diesem ist daher im Ermittlungsverfahren Gehör zu gewähren bzw. zuzustellen (vgl. VwGH 27.05.2009, 2009/21/0014).

Eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließt die Zustellbevollmächtigung im Allgemeinen ein (vgl. VwGH 19.09.2001, 99/16/0091; VwGH 22.9.2011, 2010/18/0365 u.a.). Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde diese Person als Empfänger gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) zu bezeichnen.

Eine Zustellung an den Vertretenen ist unwirksam (vgl. VwGH 08.05.2008, 2007/06/0167). Die – zunächst unwirksame – Zustellung wird in dem Zeitpunkt wirksam (gilt als vollzogen), in dem das Dokument dem Zustellempfänger tatsächlich zugekommen ist.

Die Heilungswirkung des § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG ermöglicht somit entgegen der allgemeinen Regel des § 7 ZustG – die Heilung einer fehlerhaften Bezeichnung und des formellen Empfängers. Diese Heilung setzt voraus, dass das betreffende Dokument im Original vom Zustellbevollmächtigten tatsächlich in Empfang genommen wird. Die Judikatur betont, dass eine bloße Kenntnisnahme – etwa im Zuge der Akteneinsicht, oder durch Mitteilung – nicht ausreichend ist und die Wirksamkeit einer Zustellung nicht zu begründen vermag (vgl. VwGH 29.03.2001, 2001/06/0004). Haben mehrere Personen einen gemeinsamen Zustellbevollmächtigten, so ist mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Dokumentes an ihn, die Zustellung gemäß § 9 Abs. 4 ZustG an all diese Personen bewirkt.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, lag eine schriftliche Vollmacht hinsichtlich der gewillkürten Vertretung der Beschwerdeführerinnen durch C vor. Diese wurde bereits 2017 schriftlich der Behörde vorgelegt.

Bereits in den schriftlich erhobenen Einwendungen bezieht sich C auf die bei der Behörde aufliegende schriftliche Vollmacht und beruft sich in den Einwendungen auch auf diese und seine Vertretung in diesem Verfahren. Auch im Bescheid des Bürgermeisters wird auf diese Vertretung im Spruch Bezug genommen.

Die 2017 vorgelegte Vollmacht des C bezieht sich mangels Einschränkung auf ein bestimmtes Bauverfahren auch auf dieses Verfahren. Die vorgelegte Vollmacht bezieht sich nämlich auf Bauverfahren betreffend das (auch) hier gegenständliche Grundstück. Dabei handelt es sich auch nicht um eine unbestimmte und folglich unzulässige „Generalvollmacht“, sondern vielmehr um eine zulässige gewillkürte Vertretung in bestimmten Verfahren – nämlich in Bauverfahren betreffend diese konkrete Liegenschaft (vgl. dazu beispielsweise VwGH 16.12.2003, 2001/15/0026 u.a.). Es liegt somit zweifelsohne eine wirksame Bevollmächtigung iSd § 10 AVG vor – von der auch die Baubehörde I. Instanz und die belangte Behörde rechtsrichtig ausgegangen sind.

Zumal die schriftlich vorgelegte Vollmacht keine explizite Beschränkung hinsichtlich bestimmter Verfahrenshandlungen enthält, beinhaltet sie auch eine Zustellbevollmächtigung (vgl. VwGH 25.5.2011, 2011/08/0084 u.a.).

Unter Bezugnahme auf die rechtlichen Bestimmungen und die zitierte Judikatur ergibt sich weiters, dass der Bescheid der Baubehörde I. Instanz sohin an den gewillkürten Vertreter – C – zuzustellen gewesen wäre. Demgegenüber hat die Baubehörde erster Instanz ausschließlich die Zustellung an die Beschwerdeführerinnen persönlich verfügt – obwohl im Bescheid selbst festgehalten wird, dass diese von C vertreten werden.

Weshalb die Zustellung schlussendlich nicht (auch) an diesen verfügt wurde, ist in Bezug auf die rechtliche Beurteilung dieser Zustellung irrelevant. Ebenso die rechtliche Beurteilung, inwieweit die Beschwerdeführerinnen ihre Parteistellung durch ihre Einwendungen verloren oder erhalten haben. Sie wären jedenfalls zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert. Dies setzt aber wiederrum eine rechtswirksame Zustellung und damit Bescheiderlassung voraus.

Infolge dieses Zustellmangels und unter Berücksichtigung des oben festgestellten Umstandes, dass C den Bescheid der Baubehörde I. Instanz, weder von Frau B noch von Frau A – im Original – je übergeben erhalten hat, sohin nicht im Besitz des Bescheides gewesen ist, lag keine wirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vor.

Dieser Zustellmangel ist daher nicht geheilt.

In weiterer Folge war auch die Erhebung einer Berufung mangels (rechtswirksamer) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides – an den ausgewiesenen Vertreter – und somit mangels Erlasses des Bescheides gegenüber den Beschwerdeführerinnen nicht zulässig.

Der Stadtrat der Stadtgemeinde *** hätte sohin die Berufung auf Grund dieser rechtlichen Erwägungen vielmehr als unzulässig eingebracht zurückweisen müssen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Zustellung; Vertretung; Zustellmangel; Zurückweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1311.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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