Entscheidungsdatum
13.08.2019Norm
BAO §93 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, vom 17. Juni 2019 gegen den Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 6. Mai 2019, Kd.Nr.: ***, betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr (für den Zeitraum ab 01.01.2018), mit welchem über eine Berufung vom 15. Jänner 2019 gegen eine als Bescheid bezeichnete Erledigung des Obmannes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 20. Dezember 2018 entschieden wurde, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Berufung vom 15. Jänner 2019 als unzulässig eingebracht zurückgewiesen wird.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
Die A GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist grundbücherliche Eigentümerin der Grundstücke Nr. ***, *** und ***, EZ ***, KG *** mit der Adresse ***, ***.
Auf dieser Liegenschaft wird die Autohofgroßtankstelle ***, eine Tankstelle mit Restaurant, Parkdeck, Carports, LKW-Stellplätze und eine PKW-Automatentankstelle betrieben.
Mit als Bescheid intendierter Erledigung des Obmannes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 20. Dezember 2018, Kd.Nr.: ***, wurden der Beschwerdeführerin für die „Steuerart: Kanalbenützungsgebühr“ für die Liegenschaft ***, ***, eine „Kanalgeb. Fläche“ im Jahresbetrag von € 4.720,58 (netto), für den Zeitraum „ab 01.01.2018“ sowie ein „schmutzfrachtbezogener Anteil“ als „Jahresgebühr“ in Höhe von € 9.780,48 (netto) für den Zeitraum „ab 1. Okt. 2018“ festgesetzt.
Gegen diese Erledigung des Verbandsobmannes richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin vom 15. Jänner 2019. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berechnung des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteils unrichtig sei und mangels Einleitung von Niederschlagswässern in den Kanal kein erhöhter Einheitssatz anzuwenden sei.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 6. Mai 2019, Kd.Nr.: ***, wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der schmutzfrachtbezogene Gebührenanteil reduziert.
Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2019 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2019 legte der Gemeinde Dienstleistungsverband Region *** für Umweltschutz und Abgaben dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Der angeführte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den unbedenklichen und ins Beweisverfahren einbezogenen Abgabenakten der Behörden des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.
§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).
(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.
(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.
(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.
§ 198. (1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.
(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. …
§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
…
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
…
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977:
§ 5. Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(…)
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
…
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;
...
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Mai 2019 wurde vom Verbandsvorstand des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben einer Berufung gegen eine als „Bescheid“ bezeichnete Erledigung des Obmannes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 20. Dezember 2018, Kd.Nr.: ***, betreffend „Steuerart: Kanalbenützungsgebühr, Objekt: ***, ***, Gültig ab: 01.1.2018“, keine Folge gegeben bzw. die angefochtene Erledigung als „Bescheid“ bestätigt.
Unverzichtbar für die Bescheidqualität einer Erledigung sind die Bezeichnung der Behörde (§96 BAO), der Spruch, der die Person zu nennen hat, an die der Bescheid ergeht (§ 93 Abs. 2 BAO) sowie (nach Maßgabe des § 96 BAO) die Unterschrift (vgl. z.B. VwGH 95/15/0171, 2002/14/0035, 2004/14/0111, 2005/14/0006).
Die erstinstanzliche Erledigung vom 20. Dezember 2018 ist unzweifelhaft dem Obmann des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben zuzurechnen, was sich aus der Zusammenschau von Briefkopf und Fertigung bzw. Fertigungsklausel ganz eindeutig ergibt. Im Adressfeld ist das Schreiben namentlich ausdrücklich an die Beschwerdeführerin adressiert.
Das Vorliegen einer Unterschrift auf der im Behördenakt erliegenden Ausfertigung genügt den Genehmigungserfordernissen des § 96 BAO.
Fraglich erscheint jedoch, ob diese auch als „Bescheid“ bezeichnete Erledigung einen bestimmten Spruch, d.h. einen unzweifelhaft normativen Inhalt, enthält.
Wie sich aus § 93 Abs. 2 BAO ergibt, haben Bescheide einen Spruch zu enthalten. Nun enthält die Erledigung vom 20. Dezember 2018 auch einen ausdrücklich als „Spruch“ bezeichneten Teil, mit dem auch eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin für die „Steuerart: Kanalbenützungsgebühr“ ausgesprochen werden sollte. Dementsprechend sollte diese Erledigung auch ein Leistungsgebot in Bezug auf die Erbringung einer abgabenrechtlichen Geldleistung, einer gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühr, enthalten.
Gemäß § 5 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles.
Der schmutzfrachtbezogene Gebührenanteil ist nicht als zusätzliche Gebühr (neben der Kanalbenützungsgebühr) ausgestaltet. Vielmehr ist der schmutzfrachtbezogene Gebührenanteil, neben dem flächenbezogenen Gebührenanteil, ein unselbständiger Bestandteil der Kanalbenützungsgebühr.
Selbständige Abgabentatbestände für einen flächenbezogenen Gebührenanteil bzw. für einen schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteil sieht das Gesetz nicht vor. Für eine gesonderte Vorschreibung dieser Gebührenanteile als eigene Abgaben besteht im NÖ Kanalgesetz 1977 keine Grundlage. Vielmehr kommt nur eine Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr, deren Gesamtbetrag sich aus den beiden Gebührenanteilen errechnet, in Betracht.
Eine Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr erfordert eine Angabe der Höhe dieser Abgabe im Bescheidspruch (vgl. § 198 Abs. 2 BAO, § 14 Abs. 2 lit. d NÖ Kanalgesetz 1977). Dieser streng auszulegenden Vorschrift (VwGH 92/17/0084, 90/17/0339) wird der Spruch der erstinstanzlichen Erledigung nicht gerecht.
In dem als „Spruch“ bezeichneten Teil dieser Erledigung wird die Höhe der gesamten (jährlichen) Kanalbenützungsgebühr nicht angegeben.
Angegeben sind eine „Kanalgeb. Fläche“ im Jahresbetrag von € 4.720,58 (netto), für den Zeitraum „ab 01.10.2017“ sowie ein „schmutzfrachtbezogener Anteil“ als „Jahresgebühr“ in Höhe von € 9.780,48 (netto).
Die ziffernmäßige Höhe des Abgabenbetrages für die jährliche Kanalbenützungsgebühr ergibt sich aus dieser Erledigung jedenfalls nicht unmittelbar. Es sind zwar Teilbeträge, eine „Kanalgeb. Fläche“ sowie ein „schmutzfrachtbezogener Anteil“, angeführt, jedoch kein Gesamtbetrag der Kanalbenützungsgebühr.
Die § 198 Abs. 2 Satz 1 BAO zufolge im Spruch des Abgabenbescheides zu nennende „Höhe der Abgabe“ ist das Gesamtausmaß des bescheidmäßig festgesetzten Abgabenanspruchs (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 198, Rz 19).
Von einer den Anforderungen des § 198 BAO („Abgabenbescheide haben im Spruch die … Höhe der Abgaben … zu enthalten“) bzw. des § 14 Abs. 2 lit d. NÖ Kanalgesetz 1977 („Der Abgabenbescheid hat zu enthalten … die Höhe der Abgabe“) Rechnung tragenden Festsetzung einer Kanalbenützungsgebühr kann daher nicht die Rede sein.
Ungeachtet der in der Überschrift angeführten Bezeichnung als „Bescheid“ bestehen vor allem aufgrund dieser fehlenden Angabe der (gesamten) Abgabenhöhe, somit aufgrund des Fehlens eines wesentlichen Spruchbestandteils, Zweifel am Vorliegen eines normativen Spruches, ist doch nicht eindeutig und unmissverständlich ersichtlich, in welcher Gesamthöhe eine Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr begründet werden soll bzw. im welcher Gesamthöhe ein Leistungsgebot hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr festgesetzt und vollstreckbar sein soll.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst sein, dass ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann (VwGH 2004/08/0161).
Unbestimmt bzw. widersprüchlich ist der Spruch auch hinsichtlich des intendierten Geltungszeitraumes. Während als Geltungszeitraum zunächst „Gültig ab: 01.1.2018“ angegeben ist, soll der schmutzfrachtbezogene Anteil „ab 1. Okt. 2018“ festgesetzt werden.
Im konkreten Fall fehlt der erstinstanzlichen Erledigung jedenfalls die Angabe des Gesamtbetrages der vorzuschreibenden Kanalbenützungsgebühr.
Eine Erledigung, die hinsichtlich der festgesetzten Höhe sowie des Gesamtbetrages einer Abgabe unausgefüllt geblieben ist, ist kein Bescheid (VwGH 89/17/0006).
Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einem Verwaltungsakt, der keinen bestimmten Spruch enthält, die Rechtsqualität als Bescheid. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass die Erledigung des Obmannes des Gemeinde Dienstleistungsverbandes Region *** für Umweltschutz und Abgaben vom 20. Dezember 2018, Kd.Nr.: ***, mangels Angabe der Abgabenhöhe der Kanalbenützungsgebühr keinen bestimmten Spruch enthält und dementsprechend – ungeachtet der Bezeichnung als Bescheid – keinen Bescheid darstellt. Eine Zahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin zur Abgabenentrichtung wurde durch dieses Schreiben jedenfalls nicht begründet. Diese Verpflichtung würde sich erst aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (§ 198 BAO) ergeben (VwGH 2004/16/0036).
Mit Berufung anfechtbar sind jedoch nur Bescheide, daher sind Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 2005/13/0179; 2006/13/0001; 2004/15/0131,0132; 2010/17/0066).
Ein "Nichtbescheid" ist weder durch Berufung bekämpfbar noch der nachprüfenden Kontrolle unterworfen, da ein "absolut nichtiger Rechtsakt" bereits ursprünglich nicht (als Bescheid) entsteht und daher keinen tauglichen Gegenstand einer Berufung bilden würde (VwGH 95/17/0480).
Somit hätte die Berufung der Beschwerdeführerin vom 15. Jänner 2019 gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Stattdessen hat die Berufungsbehörde die (als Bescheid nicht existente) erstinstanzliche Abgabenvorschreibung im Berufungsbescheid bestätigt und dadurch die unzulässige Berufung inhaltlich erledigt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig, da einerseits mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes der belangten Behörde keine Zuständigkeit zur inhaltlichen Erledigung zukam und andererseits auf Grund des angefochtenen Bescheides (und der damit vorgenommenen Abgabenfestsetzung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) davon auszugehen wäre, dass eine bescheidmäßige Abgabenvorschreibung durch die Abgabenbehörde erster Instanz vorliegt, wovon aber angesichts des fehlenden Bescheidcharakters der erstinstanzlichen Erledigung nicht die Rede sein kann.
Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 3 Z.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Ungeachtet eines entsprechenden Antrages konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Berufung als unzulässig zurückzuweisen war. Die Unzulässigkeit der Berufung wegen Fehlens eines erstinstanzlichen Bescheides entspricht sinngemäß (aufgrund des Vorliegens eines zweistufigen Instanzenzuges im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde iVm § 288 Abs. 1 BAO) dem in § 274 Abs. 3 Z.1 BAO ausdrücklich angeführten Fall der Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Fehlens einer bekämpfbaren behördlichen Entscheidung.
Es handelt sich im gegenständlichen Fall eben um eine (wegen Abänderung der zu Unrecht ergangenen inhaltlichen Berufungsentscheidung mit Erkenntnis zu treffende) Formalentscheidung, für welche gerade § 274 Abs. 3 Z.1 BAO eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht vorsieht.
Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Das inhaltliche Beschwerdevorbringen, welche Bemessungsgrundlagen einer Gebührenberechnung richtigerweise zugrunde zu legen wären, ist für diese Formalentscheidung weder verfahrensgegenständlich noch entscheidungsrelevant.
Im Hinblick auf künftige Abgabenverfahren wird unpräjudiziell festgehalten, dass zufolge § 5 Abs. 2, dritter Satz NÖ Kanalgesetz 1977 („Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.“) ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung gelangt, wenn neben den Schmutzwässern auch Niederschlagswässer in den Kanal geleitet werden. Auch dann, wenn nur von einem Gebäude oder einem Teil eines Gebäudes Niederschlagswässer in den öffentlichen Kanal geleitet werden, kommt der höhere Einheitssatz zur Gänze zur Anwendung. Auch eine indirekte Einleitung (z.B. über Oberflächengerinne) oder der Anschluss eines Überlaufes eines Sammelbeckens bewirken, dass der erhöhte Einheitssatz anzuwenden ist. Es wäre daher festzustellen, ob von der Liegenschaft Niederschlagswässer in den Kanal gelangen können oder ob eine solche Einleitung jedenfalls faktisch unmöglich ist.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanalbenützungsgebühr; schmutzfrachtbezogener Gebührenanteil; Gesamtbetrag; Verfahrensrecht; Bescheidqualität;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.743.001.2019Zuletzt aktualisiert am
21.10.2019