TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/22 W262 2208254-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.02.2019
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Entscheidungsdatum

22.02.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W262 2208254-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Bernhauser, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 04.09.2018, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 08.02.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Parkausweis gemäß § 29b StVO".

Nach Einholung eines Gutachtens eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 13.04.2018 und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.05.2018 wurde im zusammenfassenden Gutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.07.2018 ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde aus folgenden Erwägungen verneint:

"Trotz der Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates und der pulmonalen Funktionseinschränkung und der Gleichgewichtsstörungen sind das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Das Anhalten kann ausreichend sicher erfolgen. Ausreichend sicherere Gang und Stand. Die subjektiv beschriebenen Gleichgewichtsstörungen sind nicht objektivierbar, da keine ausreichenden Befunde vorhanden sind. Gute körperliche Belastbarkeit."

Nach den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers erstattete die bereits befasste Ärztin für Allgemeinmedizin eine gutachterliche Stellungnahme vom 28.08.2018 und führte insbesondere aus, dass bezüglich der Gleichgewichtsstörungen keine ausreichenden Befunde vorliegen und Stürze nicht beschrieben werden.

2. Dem Beschwerdeführer wurde am 07.09.2018 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt. Das Gutachten eines Hals-, Nasen- und Ohrenarztes vom 16.04.2018, das Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.05.2018, das zusammenfassende Gutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.07.2018 und die Stellungnahme der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.08.2018 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.09.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Begründend wurde unter Bezugnahme auf das ärztliche Begutachtungsverfahren im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO wurde - soweit ersichtlich - bis dato nicht entschieden.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte mit Hinweis auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten eines Facharztes für Neurologie vom 16.11.2017, eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 03.12.2015 und eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 12.12.2014 auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die Gleichgewichtsstörungen objektivierbar seien und ihm die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar sei.

Abschließend wurden die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten sowie die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 24.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Ergänzungsgutachten des bereits befassten Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten ein. In dem ergänzenden Aktengutachten vom 12.11.2018 wurde Folgendes ausgeführt:

"Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens (Abl. 83-84) und unter Berücksichtigung der angeführten und teils nachgereichten medizinischen Beweismittel (Nervenfachärztliches Gutachten Dr. XXXX vom 16.11.2017, Abl. 68-75; Ohrenfachärztliches Gutachten Dr. XXXX vom 12.12.2014, Abl. 81-82 und Gutachten HNO Dr. XXXX vom 03.12.2015, Abl. 76-80, bei Vorbegutachtung bereits vorhandenes Ohrenfachärztliches Sachverständigengutachten Dr. XXXX vom 13.11.2017, Abl.: 7-8), ergibt sich aus Sicht des Fachgebietes keine Änderung des oben angeführten Gutachtens vom 13.04.2018 betreff Einschätzungen und Zusatzeintragungen.

Gemäß nunmehr vorliegender medizinischer Beweismittel liegen insgesamt drei HNO-fachärztliche und ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten vor, die in Übereinstimmung das Vorliegen eines Leidens des Fachgebietes der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde als Ursache der beklagten Gleichgewichtsstörungen ausschließen (‚findet sich kein Hinweis auf eine peripher vestibuläre Störung, Dr. XXXX Abl. 80; ‚besteht keine Erkrankung der peripheren Gleichgewichtsorgane' Dr. XXXX Abl. 76).

In der Beschwerdevorbringung (Abl. 83-84) werden Auffälligkeiten in einzelnen von mehreren klinischen Gleichgewichtsprüfungen im Rahmen der Vorbegutachtungen angeführt. Dies alleine begründet jedoch nicht eine Abänderung der Gesamtbeurteilung der jeweiligen Vorgutachter. Vielmehr maßgeblich für die Gesamteinschätzung und Prüfung der medizinischen Voraussetzungen für eine Zusatzeintragung ist das jeweilige klinische Gesamtbild, erstellt aus Anamnese, Gesamtbeurteilung aller klinischen Untersuchungen und medizinischen Vorbefunden.

Betreff der konkreten Fragestellung zur ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sei auf die im nachgereichten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten des Dr. XXXX vom 16.11.2017 vorliegende Einschätzung zur Mobilität hingewiesen: ‚Das

Lenken eines KFZ berufsbezogen ist zumutbar ... Die Anmarschwege

sind nicht eingeschränkt, öffentliche Verkehrsmittel können benutzt werden. Wochenpendeln ist nicht eingeschränkt. Übersiedeln ist nicht eingeschränkt.' (Abl. 68)."

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.11.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird. Zuletzt wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen werde, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere.

8. Der Beschwerdeführer erstattete eine Stellungnahme und führte aus, dass die Gleichgewichtsbeeinträchtigung von einer gegenseitigen Überlagerung und Verstärkung des Zervikalsyndroms, des Schleudertraumas und der Polyneuropathie herrühre. Eine Erkrankung des vestibulären Gleichgewichtsorgans sei nicht behauptet worden und liege auch nicht vor. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die belangte Behörde ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

9.1. Am 22.02.2019 fand eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, zwei Vertreterinnen der belangten Behörde und eine vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene, (bisher nicht befasste) Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin als Amtssachverständige teilnahmen.

9.2. In der Verhandlung erstatte die Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin eine gutachterliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen. Dazu wurde Folgendes ausgeführt:

"Stellungnahme:

Vorgebracht wird, dass die starke Gleichgewichtsbeeinträchtigung insbesondere von Cervikalsyndrom, Schleudertrauma und Polyneuropathie herrühre.

Dem wird entgegengehalten, dass erst 8 Jahre nach dem Unfall im Jahr 1996 erstmals Schwindel angegeben wurde.

Ein massives Cervicalsyndrom mit cervicogenem Schwindel ist anhand der vorliegenden Befunde nicht nachvollziehbar, insbesondere wird auf das Gutachten Dr. XXXX verwiesen, bei dem die Halswirbelsäule völlig frei beweglich ist und keine Verspannungen festzustellen sind.

Eine Polyneuropathie mit maßgeblicher Gangbildbeeinträchtigung ist anhand vorliegender Dokumente nicht objektivierbar.

Dass das subjektive Empfinden eines Schwindels vorliegt, ist zur Kenntnis zu nehmen. Maßgeblich ist jedoch für die Beurteilung der beantragten Zusatzeintragung, inwieweit dieses subjektive Gefühl zu einer relevanten Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit führt. Diesbezüglich wird auf die zahlreichen vorgelegten Befunde verwiesen.

Anzuführen ist, dass zwar zahlreiche Gutachten verfasst wurden, jedoch keine fachärztlichen Behandlungsdokumentationen betreffend den Schwindel dem Akt zu entnehmen sind. Dass eine gegenseitige Überlagerung der angeführten Beschwerden und Verstärkung einen maßgeblichen Schwindel hervorrufe, kann nicht nachvollzogen werden. Insbesondere ist für die Beurteilung die mehrmals dokumentierte, weitgehend unauffällige Gesamtmobilität maßgeblich, siehe auch Gutachten der AUVA vom 19.12.2014, sodass sich aus den am 04.12.2018 vorgebrachten Einwendungen keine Änderung der Beurteilung ergibt."

9.3. Weiters erstattete die Sachverständige folgendes Aktengutachten:

"...

Sachverhalt:

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.

Im Schreiben des BF vom 6. 8. 2018 wird vorgebracht, dass die starken Gleichgewichtsstörungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Er könne zwar unter starken Schmerzen im rechten Sprunggelenk und im Schulterbereich wegen des Zervikalsyndroms öffentliche Verkehrsmittel erreichen, die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel sei aber gefährlich und damit unzumutbar, weil er sturzgefährdet sei. Er erreiche bei der Haltestelle nicht rechtzeitig den Ausstieg, der sichere Transport sei nicht gewährleistet.

Im Gutachten Dr. XXXX vom 13.11.2017 sei eine massive Unsicherheit mit ungerichteter Falltendenz im Rombergtest sowie massive Unsicherheit mit zuckenden Körperbewegungen im Unterberger-Tretversuch festgestellt worden. Der Zehen- und Fersenstand sei nur für 1 Sekunde möglich, er sei sturzgefährdet. Er stehe für eine persönliche Testfahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung.

Im Beschwerdevorbringen des BF vom 11.10.2018, rechtsfreundlich vertreten durch RA Dr. Bernhauser, wird eingewendet, dass es aktenwidrig sei, dass keine ausreichenden Befunde hinsichtlich Gleichgewichtsstörungen vorlägen. Es sei bereits beim Erstantrag ein nervenfachärztliches Gutachten Dr. XXXX vom 16.11.2017 vorgelegt worden (Armvorhalteversuch wird zitiert).

Es würden nunmehr neue Umstände und Beweise angeführt und vorgelegt. Der BF könne aufgrund seiner Gleichgewichtsstörungen bei einem in Betrieb befindlichen öffentlichen Verkehrsmittel weder aufstehen ohne sich zu gefährden noch von seinem Sitzplatz zum Ein-bzw. Ausstieg gehen, er sei diesbezüglich sturzgefährdet. Er könne auch nicht aufstehen, wenn sich das Verkehrsmittel in Fahrt befinde. Als Beweis werde das Gutachten Dr. XXXX vom 16.11.2017 und das Gutachten Dr. XXXX vom 03.12.2015 vorgelegt, bei dem angeführt werde, dass der BF an einer unklaren Gleichgewichtsstörung leide. Bereits 8 Jahre nach dem Unfall vom 03.10.1996 sei erstmals eine Gleichgewichtsstörung aufgetreten, habe jedoch vorübergehend beseitigt werden können.

Die Untersuchungen des Romberg-Stehversuchs und Unterberger-Tretversuchs würden auf eine zentrale, nicht labyrinthäre Schwindelgenese hindeuten.

Im Gutachten Dr. XXXX werde bei Berufsanamnese Romberg, Unterberger, starke Falltendenz in wechselnder Richtung angeführt.

Vorgeschichte:

1996 Verkehrsunfall, Oberarmfraktur rechts, Mittelhandfraktur links

1. Strahl-operativ versorgt, Außenknöchelbruch rechts

1976 Schienbeinfraktur rechts - konservativ versorgt

2009 Speichenbruch links, operativ versorgt

01/2016 Hamartom (gutartiger Tumor) linker Lungenflügel - Entfernung

Obstruktives Schlafapnoesyndrom, chronisch obstruktive Atemwegserkrankung

Hypertonie

Prostatahyperthrophie

Struma nodosa

Tinnitus

Cervicalsyndrom, Lumbalgie, Schleudertrauma der HWS, Parästhesie der Fingerkuppen, Vertigo, Polyneuropathie, Carpaltunnelsyndrom

Befunde:

MRT der HWS vom 10.01.2017 (Verdacht auf knöcherne Einengung C5 links, Bandscheibenvorwölbung C6/C7 mit Einengung der Nervenwurzel C7 links)

Behandlungskarte Rehabilitationszentrum XXXX 03/2017, 04/2017, 01/2018 (Diagnosen: Cervikalsyndrom, Neuroforamenstenose C4 bis C6, Lumbalsyndromen, Cervicobrachialgie)

Befund Dr. XXXX , Facharzt für Lungenkrankheiten 27.06.2017 (mittelgradige Obstruktion der Atemwege bei allergischer Atemwegserkrankung, Foster, Berodual)

Schlafmedizinischer Befund XXXX 15.04.2015 (schwere symptomatische obstruktive Schlafapnoe, Bluthochdruck, CPAP Indikation, Verordnung vom 16.04.2015)

Gutachten Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie 28.09.2017 (Klage gegen Ablehnung der Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension)

Status: kardiorespiratorisch klinisch unauffälliger Befund, keine Ödeme. Sonografie der Schilddrüse, Carotis, Oberbauch, Echokardiographie, periphere Arterien jeweils unauffällig. Spirometrie zeigt grenzwertig normale Volumina und Atemflusskurven.

Diagnosen: Bluthochdruck, Hyperlipoproteinämie, Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung oder Husten-Synkopen derzeit in Teilremission, Obstruktives Schlafapnoesyndrom.

Lungenfachärztliche Gutachten Dr. XXXX 30.10.2017

Anamnese: etwas kurzatmig, 5 Stockwerke könne er Stiegen steigen, dann fange an zu schwitzen und habe Atembeschwerden. Anfallsartig auftretende Hustenattacken. Seit 2015 Schlafapnoesyndrom, nächtliche CPAP-Therapie, zweimal im Jahr Kontrolle bei Lungenfacharzt, derzeit keine Medikamente für die Lunge, Zustand nach Nikotinabusus, seit 2005 0 Zigaretten. Geringgradige, nach Lyse komplett rückläufige Lungenüberblähung, mäßige bis höhergradige, nach Lyse teilreversible Atemwegsobstruktionen, in der Blutgasanalyse keine Gasaustauschstörungen. Nach Schlafapnoesyndrom unter Therapie. Unter Behandlung zufriedenstellender Befund.

Bestätigung Dr. XXXX Ärztin für Allgemeinmedizin 05.10.2017 (Simvastatin, Valsax, Cerebokan, Foster 2 × 2)

Röntgen gesamte Wirbelsäule, Beckenübersicht, rechte Schulter, rechter Oberarm, beide Hände, rechtes Sprunggelenk 9. 10. 2017 (HWS:

geringgradige degenerative Veränderungen, BWS: Deckplatteneinbruch

BWK 11, LWS: Osteochondrose L5/S1, Beckenübersicht: Coxarthrose beidseits, Schulter rechts: Zustand nach Humerushalsfraktur,

Omarthrose, Hand beidseits: Rhizarthrose links mehr als rechts, Zustand nach Radiusfraktur links, geringgradige Arthrose der Interphalangealgelenke, rechtes Sprunggelenk: Zustand nach Tibiafraktur, Kallusbildung, Arthrose des oberen und unteren Sprunggelenks)

Nervenfachärztliches Gutachten Dr. XXXX 16.11.2017 (Unfallchirurgisches Gutachten: MDE 20 %. Beschwerden:

Schleudertrauma 1996, gestörte Feinmotorik an den Fingern und Gefühllosigkeit der Fingerkuppen, oft Schwindel, Karpaltunnelsyndrom rechts, Verdacht auf Polyneuropathie, Schlafapneusyndrom. Von psychischer Seite werden keine Beschwerden berichtet.

Neurologischer Status: Keine Hilfsmittel, keine Orthesen, Gesamtmobilität unauffällig. Finger-Nasen-Versuch unauffällig, Eudiadochokinese, Reflexe unauffällig, beim Armvorhalteversuch und Unterberger-Tretversuch auffälliges Trippeln. Untere Extremitäten:

neurologisch unauffällig. Nervenleitgeschwindigkeit: pathologische motorische und sensible Neurographie des nevus medianus beidseits, sonst unauffällig, Hinweis auf sensible Polyneuropathie an oberen und unteren Extremitäten, keine eindeutigen Zeichen eines CTS.

Diagnosen: Polyneuropathie, anamnestisch Karpaltunnelsyndrom rechte Hand, degenerative Veränderungen der WS mit intermittierenden schmerzhaften Verspannungen der Schulter-Nackenmuskulatur, Cervikalsyndrom. Reaktiver Verstimmungszustand)

Befund Dr. XXXX , Facharzt für HNO-Krankheiten 13.11.2017 (geringgradige sensoneurale Hochtonhörstörung beidseits, Tinnitus beidseits, kein Hinweis auf vestibulär induzierte Gleichgewichtsstörung, derzeit auch kein Hinweis auf gutartigen paroxysmalen Lagerungsschwindel)

Orthopädisches Gutachten Dr. XXXX , 01.11.2017 (Anamnese:

Beschwerden im Bereich der Hals-Lendenwirbelsäule und des rechten Sprunggelenks, Ausstrahlung wechselweise in beide Arme, gelegentlich pulsierende Ausstrahlung am rechten Oberschenkel, Gehstrecke etwa 2 km. Anlaufschwierigkeiten im rechten Sprunggelenk in der Früh, belastungsabhängig zunehmend.

Diagnosen: Cervikalsyndrom, Lumbalgie, leichte Wirbelsäulenseitverkrümmung, Restbeschwerden rechtes Sprunggelenk, Zustand nach Bruch linker Mittelhandknochen, Zustand nach operativ versorgtem Bruch linkes Handgelenk, degenerative Veränderungen beider Daumensattelgelenke, Deckplatteneinbruch 11. Brustwirbelkörpers, Zustand nach Bruch des rechten Oberarmkopfs, Zustand nach Bruch der Mittelfußknochen links, Zustand nach Schienbeinbruch rechts)

Augenärztlicher Befund Dr. XXXX 22.03.2018 (Amblyopie, Astigmatismus, Presbyopie, Glaukomverdacht, senile Katarakt beidseits, Glaskörpertrübungen)

Ohrenfachärztliches Erstgutachten 12.12.2014 (der Versicherte beklagt etwa 8 Jahre nach dem Unfall erstmalig aufgetretene Gleichgewichtsstörung, die durch eine Therapie der Halswirbelsäule vorübergehend völlig beseitigt werden kann. In der HNO Untersuchung findet sich kein Hinweis für die periphere vestibuläre Störung, auch ist Halswirbelsäule frei beweglich, keine Verspannungen. Somit besteht keine Erkrankung der Gleichgewichtsorgane, eine cervicale Schwindelgenese kann jedoch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, aber auch hier wäre ein Kausalzusammenhang fraglich)

Tonaudiogramm vom 12.03.2018 (Hörverlust rechts 26 %, links 21 %)

MRT-rechtes Sprunggelenk 22.02.2018 (arthrotische Veränderungen oberen Sprunggelenk ventral, kein eindeutiges Impingement, arthrotische Veränderungen Os naviculare, sonst unauffällig)

Befund Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie vom 27.05.2013 (Cervikalsyndrom, Lumbalgie, Coxalgie)

MRT rechter Fuß 02.07.2015 (Verdickung Ligamentum deltoideum, Knochenmarksödem am

Bandansatz, ältere Ruptur des Lig. talofibulare anterius mit Verkalkungen)

Rentengutachten AUVA Dr. XXXX (Gangbild: etwas unelastisch, sonst unauffällig, Zehenspitzen- und Fersengang beidseits im Wesentlichen möglich, Einbeinstand möglich, rechts jedoch deutlich unsicher, tiefe Hocke frei, uneingeschränkt durchführbar.)

Röntgen HWS 08.022016 (Spondylarthrose und Osteochondrose C5/C6)

Stellungnahme zu beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Sprunggelenks im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300 - 400 m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet.

An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis auf eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.

Insbesondere konnte anhand der vorgelegten Befunde keine maßgebliche Gangunsicherheit festgestellt werden, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist."

9.4. Die Stellungnahme und das Gutachten wurden in weiterer Folge in der mündlichen Verhandlung umfassend erörtert und es wurde dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter die Möglichkeit gegeben, die Sachverständige dazu zu befragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 08.02.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Parkausweises gemäß § 29b StVO ein, der von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet wurde.

Dem Beschwerdeführer wurde am 07.09.2018 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Zervikalsyndrom, Cervicobrachialgie, Lumbalgie, Bandscheibenschäden, Fehlstellung im Bereich der Wirbelsäule und des Hüftgelenks, Zustand nach Fraktur im Bereich des rechten Sprunggelenks inklusive Knochenmarködem mit Restbeschwerden, Zustand nach Fraktur im Bereich des linken Mittelhandknochens und des linken Handgelenks, Degenerative Veränderungen in beiden Daumensattelgelenken, Zustand nach Bruch des rechten Oberarmkopfes, Zustand nach Bruch des Mittelfußknochens, Zustand nach Schienbeinbruch rechts;

2) Polyneuropathien, Karpaltunnelsyndrom, mit Gleichgewichtsstörungen und Sensibilitätsstörungen im Bereich beider oberen und unteren Extremitäten und Feinmotorikstörung;

3) Chronische Bronchitis, Zustand nach Entfernung eines gutartigen Lungentumors links 01/2016 und Schlafapnoe-Syndrom;

4) Dysthymie mit medikamentöser Dauertherapie;

5) Hörstörung beidseits mit Diskriminationsschwäche;

6) Ohrgeräusche beidseits ohne nennenswerte psychovegetativen Begleiterscheinungen;

7) Hypertonie;

8) Sehminderung, Visus cc o,6 beidseits, Tabelle 2/2.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten zusammenfassenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.07.2018 samt Stellungnahme vom 28.08.2018, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ergänzende Gutachten des bereits befassten Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 12.11.2018 sowie die gutachterliche Stellungnahme und das Gutachten der Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Trotz Vorliegen degenerativer Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates bestehen beim Beschwerdeführer keine Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten oder der Wirbelsäule, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Die im Vordergrund stehenden belastungsabhängigen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und des rechten Sprunggelenkes führen aber zu keiner maßgeblichen Gangunsicherheit. Der Beschwerdeführer ist trotz auftretender Schmerzen in der Lage, kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft zu bewältigen. Auch unter Berücksichtigung der Gleichgewichts- und Sensibilitätsstörungen bestehen ausreichende Tritt- und Gangsicherheit; das Überwinden von Niveauunterschieden sowie das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sind möglich.

Beim Beschwerdeführer liegen bei seitengleicher Kraft und trotz Sensibilitätsstörungen keine maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten vor, welche die Benützung von Haltegriffen unzumutbar macht und den sicheren Transport in einem fahrenden Verkehrsmittel sowie die Sitzplatzsuche und das Ein- und Aussteigen verunmöglichen.

Insbesondere konnte anhand der vorgelegten Befunde keine maßgebliche Gangunsicherheit festgestellt werden, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.

Es bestehen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit, Taubblindheit oder einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems. Eine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt auch unter Berücksichtigung des Bluthochdruckes nicht vor.

Insgesamt spricht unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers aus medizinischer Sicht nichts gegen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses und zum Zeitpunkt der Einbringung und Wertung des Antrages ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das zusammenfassenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.07.2018 samt Stellungnahme vom 28.08.2018, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ergänzende Gutachten des bereits befassten Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 12.11.2018 sowie die gutachterliche Stellungnahme sowie das Gutachten der Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2019 (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden von der befassten Sachverständigen die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde. In dem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten vom 22.02.2019 wurde auf die Art und Schwere der Leiden des Beschwerdeführers sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Seitens der Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände nachvollziehbar dargelegt, warum dem Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten dem Gutachten zufolge weder erhebliche Einschränkungen der psychischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden.

Des Weiteren wurde mit Blick auf die näher beschriebene Befundlage und dem persönlichen Eindruck der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer trotz degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule und neuropathischer Beschwerden über ausreichende Beweglichkeit und Kraft in den oberen und unteren Extremitäten verfügt und auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten gegenseitigen Potenzierung der Einschränkungen ausreichende Stand- und Gangsicherheit bzw. eine unauffällige Gesamtmobilität vorliegt. Die Sachverständige begründet diesbezüglich nachvollziehbar, dass aus der Befundlage und dem unauffälligen Gangbild keine höhergradigen Schmerzen im Sprunggelenk objektivierbar sind. Auch die starken, das Anhalten in fahrenden Verkehrsmittel behindernden Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter konnten anhand der in den Befunden beschriebenen Beweglichkeit von 160 Grad bei seitengleicher Kraft nicht schlüssig dargelegt werden. Die vom Beschwerdeführer beschriebenen (starken) Schwindelzustände konnten anhand der vorgelegten Befunde und der vorliegenden klinischen Untersuchungsergebnisse nicht objektiviert werden.

Zusammenfassend vermochten die im Rahmen der Beschwerde bzw. den Stellungnahmen und die in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen keine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese von der befassten Sachverständigen in ihrer gutachterlichen Stellungnahme, dem verfassten Gutachten und in der mündlichen Verhandlung gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso ausführlichen wie schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung der Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigenbeweise. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.4. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat."

3.5. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; VwGH 27.01.2015, 2012/11/0186; VwGH 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH 21.06.2017, Ra 2017/11/0040, je mwN).

Ein Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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