Entscheidungsdatum
13.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W105 2198317-1/12E
W105 2198323-1/11E
W105 2198278-1/6E
W105 2198314-1/6E
W105 2198319-1/6E
W105 2198321-1/6E
W105 2198322-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX geb., 2. XXXX geb., 3. XXXX , 4. mj. XXXX geb., 5. XXXX . geb., 6. XXXX geb., 7. XXXX geb., StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.05.2018 bzw. 18.05.2018, Zahlen: 1116563802/160745553 (ad 1.), 116564200/160745561 (ad 2.), 1116563301/160745588 (ad 3.), 1140093605/170044905 (ad 4.), 1116563606/160745618 (ad 5.), 1116563410/160745596 (ad 6.), 1116563508/160745600 (ad 7.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ,
XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sowie XXXX , XXXX , XXXX XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.05.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin und sind diese die leiblichen Eltern der weiteren minderjährigen Beschwerdeführer. Die Antragsteller sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der Erstbeschwerdeführer reiste mit seiner Ehegattin sowie dem Dritt- sowie der Fünft- bis. Siebtbeschwerdeführer im Mai 2016 in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde in der Folge um Gewährung internationalen Schutzes angesucht. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 29.12.2016 im Bundesgebiet geboren und wurde ebenfalls die Gewährung internationalen Schutzes begehrt. Die Antragsteller sind der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und Angehörige des sunnitischen Islam. Die Familie der Antragsteller hat zuletzt gewöhnlich in der afghanischen Provinz Maidan Wardak gelebt. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde vom 06.04.2018 gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, Tanklastwagenfahrer gewesen zu sein und Treibstoff für die ISAF-Truppen transportiert zu haben. Er sei immer unterwegs gewesen und meistens nach zwei Monaten nach Hause gekommen. Er sei zu Hause nie länger als zwei oder drei Tage geblieben. Eines Tages habe ihn seine Frau angerufen und ihm erzählt, dass die Nachbarin ihr gesagt habe, dass sie ihre Tochter verstecken sollten. Seine Tochter sei operiert und habe Implantate im Bereich ihres Ohres eingesetzt bekommen. Die Nachbarin habe seiner Frau erzählt, dass die Tochter am nächsten Tag vor ein Gericht der Taliban gestellt werden sollte. Die Taliban würden sich das Implantat anschauen und entscheiden. Sie würden behaupten, dass diesem Implantat eine Kamera eingesetzt sei und dass er für die ISAF-Truppen bzw. für die Amerikaner arbeite, diene dieses Kamera-Implantat sicherlich als Spionage. Er habe seiner Frau so dann gesagt, sich mit den Kindern auf den Weg nach Herat zu machen und nur Bargeld mitzunehmen. Habe sogar zwei seiner LKW verkauft, seien sie deshalb aus Afghanistan geflüchtet.
Die Fünft sowie die Sechstbeschwerdeführerin wurden gehörlos geboren. einer der beiden Töchter nach Indien und bezahlte der Antragsteller für die Heilbehandlung nach eigener Aussage 35.000,-- US-Dollar. Die genannte Tochter sei etwa ein Jahr vor der Ausreise aus Afghanistan in Indien behandelt worden. Er selbst habe etwa drei bis vier Jahre für die ISAF-Truppen gearbeitet. Er habe erst in den letzten zwei Jahre Probleme mit den Taliban bekommen und hätte er nicht mehr als Fahrer Treibstoff transportieren sollen. Persönlichen Kontakt zu den Taliban habe er nie gehabt. Vielmehr habe der Mullah aus der Moschee der Ehefrau mitgeteilt, dass er seine Arbeit beenden solle. Diese an ihn ergangene Forderung sei bereits zwei Jahre vor der Ausreise erfolgt. Er habe zwei beeinträchtigte Kinder und sei ihm die Zukunft seiner beiden Töchter sehr wichtig. Nachdem nun die Taliban gedroht hätten, seine Tochter vor Gericht zu stellen habe er es nicht ertragen können und habe er das Land verlassen.
Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte im Rahmen Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde vom 06.04.2018 im wesentlichen gleichlautende Angaben wie der Erstbeschwerdeführer. Ergänzend führte die Antragstellerin ins Treffen, das jene Nachbarin, die ihr von der Bedrohung der Tochter berichtet habe einen Ehemann habe, der vermutlich bei den Taliban sei.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz jeweils bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurden gemäß §§ 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen jeweils gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig seien. Weiters wurde innerhalb der Sprüche ausgeführt, dass die Fristen für die freiwilligen Ausreisen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG jeweils zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betragen.
3. Gegen die genannten Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes wurde darauf hingewiesen, dass gemäß der im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderfeststellungen nur allgemeine Aussagen über Afghanistan getroffen worden seien und würden sich jedoch diese nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen (Verfolgung durch die Taliban wegen der Zusammenarbeit des Erstbeschwerdeführers mit den amerikanischen Truppen sowie Spionageverdacht und westliche Einstellung insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin) befassen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Auflistung von vulnerablen Personen oder Personengruppen durch UNHCR verwiesen. Weitere Länderberichte würden auf die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern und speziell Mädchen verweisen.
Der Erstbeschwerdeführer habe insbesondere detailreich und konsistent zu seiner Bedrohung durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als Tankwagenfahrer für die Amerikaner berichtet. Bisher wäre es für die Taliban nahezu unmöglich gewesen an den Antragsteller heranzukommen, da die genannten Tankwarentransporte regelmäßig durch amerikanische und afghanische Truppen gesichert im Konvoi geführt würden. Obwohl eingeräumt werden müsse, dass die Unterstellung der Taliban, es handle es sich bei einem dem Mädchen eingepflanzten Hörgerät um eine Spionagekamera, was weit hergeholt angesehen werden könne und sei dieses Vorbringen keineswegs von der Hand zu weisen. Sogar im aufgeklärten Westen, wo fundierte wissenschaftliche Informationen leicht verfügbar seien, würden sich hartnäckige Gerüchte hinsichtlich umfassender Überwachungen beispielsweise mit Chips, die Personen implantiert wurden, halten. Umso mehr müsse dies für die dem technischen Fortschritt misstrauisch gegenüberstehenden Taliban gelten. Hinsichtlich der minderjährigen weiblichen Kinder wurde ausgeführt, dass diese Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der nicht mit ihnen in Afghanistan vorherrschenden traditionellen Werteverständnis entsprechenden Frauen und Mädchen zu gewärtigen haben.
4. Am 17.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen. Die Verhandlung fand unter der Beziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt.
Aus dem aufgenommenen Protokoll der öffentlichen Verhandlung am 30.04.2019:
Beginn der Befragung
I. Zum aktuellen Zustand des BF1:
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?
BF1: Ich habe Magenprobleme, deswegen nehme ich auch Medikamente ein, wenn ich diese einnehme, ist alles in Ordnung. Es ist nicht grobes.
BF2: Ich habe Allergien und deswegen nehme ich auch Medikamente ein. Ich nehme sowohl Tabletten, ebenso schmiere ich mit einer Salbe.
BFV: Zum Zustand der Kinder lege ich Unterlagen vor, betreffend die mj. XXXX , die mj. XXXX , welche beide taub sind (ärztliche Befunde sowie ein klinisch-psychologischer Befundbericht) (Beilage A und B). Diese werden in Kopie zum Akt genommen.
Weiters werden zwei Betreuungsbestätigungen welche als Beilagen C und D in Kopie zum Akt genommen werden, vorgelegt.
II. Zum Verfahren vor dem BFA bzw. den Organen des öffentlichen
Sicherheitsdienstes:
R: Sie wurden bereits beim BFA bzw. vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?
BF1: Wir haben die Wahrheit gesagt. Es kam zu Missverständnissen bei der Erstbefragung bei der Polizei, dass müsste auf Seite 7 oder 8 sein. Ich habe gesagt, dass meine Frau mir die Nachricht übermittelt hat, aber es wurde in der Niederschrift geschrieben, dass meine Frau es von den Taliban hätte. Eigentlich war es so gemeint, dass die Taliban den Drohbrief dem Mullah in der Moschee gegeben haben und der Mullah hat es dem Bruder von meiner Frau gegeben und mein Schwager hat es meiner Frau gegeben.
BF2: Ich habe die Wahrheit angegeben und halte alles aufrecht. Bitte beachten Sie nur den Punkt, welchen mein Ehegatte schon angeführt hat.
R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA im Zuge Ihrer Einvernahme mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?
BF1 und BF2: Ja, es wurde uns rückübersetzt.
III. Zur persönlichen Situation des BF:
a) in Österreich:
R: Wie ist Ihre Lebenssituation?
BF1: Wir leben in einem Asylcamp, in Großsiegharts.
R: Sprechen Sie auch schon ein wenig Deutsch? Welches Sprachniveau haben Sie? Besuchen Sie Sprachkurse oder sonstige Kurse, Schule, Vereine oder Universität?
BF1: Ich habe den A2 Kurs abgeschlossen, wobei ich aber die Prüfung nicht abgegeben habe, habe aber mit dem B1 Kurs begonnen.
R: Darf man den B1 Kurs belegen, wenn man die Prüfung nicht abgelegt hat?
BF1: Ich darf die Prüfung nicht ablegen, weil ich keinen Aufenthaltstitel habe.
BFV: Das muss eine falsche Information sein. Das ist unabhängig von der Prüfung.
BFV legt weiters vor, Bestätigungen über die Teilnahme von Deutschkursen vom BF1 (Beilage E und F) und BF2 (Beilage G und H).
BF1: Ich müsste die 150 Euro aus eigenen Tasche zahlen, das kann ich mir nicht leisten, deswegen habe ich die Prüfung nicht abgelegt.
R: Habe Sie in Österreich familiäre Bindungen?
BF2: Ich habe nur meinen Bruder hier, der mitgereist ist. Sonst haben wir keine Verwandten.
R: Wie sieht Ihr Kontakt zu Ihren Familienangehörigen in Afghanistan aus?
BF1: Unsere Eltern sind beide gestorben, sowohl von meiner Frau als auch von mir. Ich habe einen Onkel und eine Tante väterlicherseits, wobei ich nicht weiß, wo sich mein Onkel befindet.
BF2: Es gibt niemanden. Ich hatte nur einen Onkel, welcher vor langer Zeit gestorben ist. Meine Mutter hatte eine Schwester, das heißt, meine Tante ist gleichzeitig meine Schwiegermutter, diese ist verstorben.
R: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit der Polizei oder Staatsanwaltschaft gehabt?
BF1 und BF2: Nein.
R: Das Gericht kann sich auf Grund Ihrer Angaben nunmehr ein Bild über ihre privaten sowie familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. ihrer Integration äußern?
BF1: Ich habe keine Fragen, ich möchte mich erstmal im Voraus bedanken.
BFV legt ein Konvolut an Empfehlungsschreiben vor. Dieses Konvolut wird als Beilage I dem Akt des BF1 beigeschlossen.
R bittet die BF2 den Verhandlungssaal vorerst zu verlassen.
b) im Herkunftsstaat:
R: Im angefochtenen Bescheid des BFA wurde u.a. bereits festgestellt, dass Sie aus Afghanistan stammen. Geben Sie bitte nochmals an, welcher Volksgruppe und Religionsgemeinschaft Sie angehören? Welche Sprachen sprechen Sie?
BF1: Ich komme aus Afghanistan, stamme aus der Provinz Maidan Wardak, aus dem Distrikt XXXX und dem XXXX . Ich bin Tadschike und Sunnit und spreche Dari.
R: Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Leben in Afghanistan: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
BF1: Ich habe acht Jahre die Schule besucht und lebte bis zur Hochzeit in XXXX . Nach der Hochzeit mit meiner Frau nach XXXX gezogen.
R: Wie war Ihre Wohnsituation in XXXX ?
BF1: Ich habe nicht in Kunduz gelebt. Ich habe in XXXX gelebt, in Maidan Wardak. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es das XXXX auch in Kunduz gibt.
BFV: Dieses Dorf ist ein Nachbardorf von XXXX .
R: Wohnen in Ihrem Heimatdorf ausschließlich Tadschiken oder auch andere Volksgruppenangehörige?
BF1: In XXXX leben Pashtunen, Hazara und Tadschiken.
R: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt und wo war das und wie lange?
BF1: Ich war LKW-Fahrer. Ca. vier Jahre habe ich das gemacht, ich habe Treibstoff für Flugzeuge und Jets transportiert. Ich habe TC1 und JT8 transportiert (Beilage J).
R: Wie war die finanzielle Situation Ihrer Familie in Afghanistan?
BF1: Finanziell ist es uns sehr gut gegangen.
R: Was hat Ihre Flucht gekostet?
BF1: Die Flucht kostete 30.000 Euro.
R: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?
BF1: Nein.
R: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?
BF1: Nein.
R: Gab es in Afghanistan persönliche Bedrohungen?
BF1: Ja, von den Taliban bin ich bedroht worden. Sie haben einen Brief an den Mullah von der Moschee gegeben, dass er ihn an meine Familie weitergibt.
R: Jetzt haben Sie angegeben, 30.000 Euro für Ihrer Reisebewegung ausgegeben zu haben, da drängt sich für mich die Frage auf, warum haben Sie bei der angegebenen Situation in Maidan Wardak, nicht den Entschluss gefasst, sich beispielsweise in Kabul oder in Mazar e-Sharif oder in einem sonst etwas ruhigerem Gebiet niederzulassen, sondern haben Sie die gefährliche Reise nach Europa begonnen?
BF1: Das Problem war, dass ich wegen der Taliban geflüchtet bin. Sie hätten mich auch in Mazar und Kabul oder XXXX gefunden.
BFV: Das sieht die UNHCR auch so.
R: Haben Sie sich in Afghanistan, jemals außerhalb Ihrer Heimatprovinz, zum Beispiel in Kabul-Stadt, Herat oder in Mazar-e Sharif gewohnt oder sich aufgehalten?
BF1: Mit der Familie bin ich schon mal nach Kabul gefahren, das war ein Besuch. Da ich als Fahrer überall unterwegs war, habe ich schon mehrere Städte in Afghanistan gesehen, aber nicht dort gelebt.
IV. Fluchtgründe des BF1:
R: Ich habe Ihre bisherigen Angaben gelesen. Welcher der beiden Themenkreise hat Sie letztliche veranlasst, das Land zu verlassen? Können Sie nun schildern, warum Sie Afghanistan verlassen haben?
BF1: Der Grund war, wegen den Taliban, da ich als Fahrer für die Amerikaner tätig war und das Problem mit meinen Töchtern habe ich bereits auch schon vor der Behörde erwähnt. Meine Tochter XXXX hörte nichts und konnte auch nicht sprechen. Meine andere Tochter, XXXX , welche in Indien an beiden Ohren operiert wurde. Für das habe ich 35.000 US-Dollar ausgegeben. Es ist so, nach der Operation sollten wir mit dem Arzt in Kontakt stehen um die Verbesserung oder Verschlechterung des Kindes zu beobachten, da es uns in Afghanistan nicht möglich war, war das auch ein Grund, warum ich ausgereist bin um meine Kinder hier zu behandeln.
R: Wann genau waren Sie in Indien?
BF1: Ein Jahr bevor wir nach Österreich bzw. Europa gekommen sind.
R: Woher hatten Sie die 35.000 US-Dollar?
BF1: Ich hatte selbst vier LKW's. Ich selbst habe ja gearbeitet. Von diesen vier LKW's teilte ich einen LKW mit einem Partner. Er gab mir 13.000 Dollar für den LKW, den Rest hatte ich selbst gespart, damit bin ich dann nach Indien.
R: Dann hatten Sie noch 30.000 Euro für die Reise nach Europa?
BF1: Ja. Ich hatte dann die 30.000 Euro für die Reise extra, das hatte mit dem anderen Geld nichts zu tun. Ich habe zwei LKW's verkauft.
R: Die Bedrohung durch die Taliban hat wann stattgefunden?
BF1: Das erste Mal war 2014.
R: Danach sind Sie mit der Tochter nach Indien?
BF1: Ein Jahr nach dem ich bedroht wurde, bin ich mit meiner Tochter nach Indien geflogen.
R: Haben Sie in Afghanistan noch weiteren Besitz?
BF1: Ja, unser Haus, welches in XXXX steht.
R: Wie viel wäre das Wert, wenn Sie es verkaufen würden?
BF1: Das wird ca. 10.000 US-Dollar wert sein.
R: Nach dieser ersten Bedrohung, gab es da irgendwelche Vorfälle?
BF1: Nein, nach der ersten Bedrohung ist nichts passiert, es gab keine Vorfälle. Es ist aber dann einige Zeit vergangen, ich hatte einen Kollegen mit dem Namen XXXX , dieser wollte nach Hause fahren zu seiner Familie. Am Weg wurde er von den Taliban aufgegriffen und getötet.
R: Sie haben von einer zweiten Bedrohung gesprochen, können Sie dazu etwas berichten?
BF1: Nein, ich wurde einmal bedroht. Es hat keine zweite Drohung gegeben. Ansonsten, also wenn sie mich erwischt hätten, hätten sie mich getötet. Ich habe nur in der Nacht das Haus verlassen oder bin auch nur nachts nach Hause gefahren.
R: Gab es bis zu Ihrer Ausreise irgendwelche konkret Ihre Person betreffende Vorfälle gegeben?
BF1: Nicht von Angesicht zu Angesicht. Wenn sie mich erwischt hätten, hätten sie mich getötet wie meinen Kollegen.
R: Sie haben sich also nach dieser übermittelten Mitteilung der Taliban etwa zwei Jahre unbehelligt in Afghanistan am Heimatort aufgehalten. Stimmt das?
BF1: Ja, das stimmt. Ich war noch zwei Jahre im Heimatort.
BFV: Diese Bedrohung führte auch nicht unmittelbar zur Flucht, sondern das zweite Ereignis.
R: Können Sie zu diesem Ereignis etwas Näheres berichten?
BF1: Ja, das zweite Ereignis war dies, dass meine Tochter XXXX in unserem Wohnort XXXX , XXXX , bedroht worden ist. Die Nachbarin hat meiner Frau gesagt, versteck deine Tochter, ansonsten wird sie geholt, weil es heißt, dass sie durch ihre Implantate am Ohr Aufnahmen macht für die Leute wo dein Mann arbeitet. Es wird auch gesagt, dass ihr Spione seid.
R: Hat es betreffend Ihrer Tochter oder auch anderer Familienmitglieder irgendwelche konkreten Vorfälle gegeben?
BF1: Es wurde behauptet, weil meine Tochter mit den Kindern draußen gespielt hat und es war sichtbar, manchmal hat es geleuchtet und die Kinder haben es zu Hause erzählt.
R wiederholt die Frage.
BF1: Nein, es gab keine Vorfälle, da meine Frau mich an dem Tag gleich angerufen hat und mir die Situation geschildert hat. Ich sagte ihr, sie soll das Geld nehmen und nach XXXX gehen.
R: Wie viel Zeit ist seit der Drohung bis zur Ausreise vergangen?
BF1: Ca. vier Monate.
BFV: Die Taliban sind für diese formale Vorgehensweise ja bekannt, deshalb ist das ernst zu nehmen. Es war ja auch die Rede einer Gerichtsverhandlung, welche anberaumt werden sollte.
R: Können Sie genau schildern, was diese Nachbarin zu Ihrer Frau gesagt hat?
BF1: Meine Frau hat mir nur am Telefon gesagt, dass die Nachbarin ihr gesagt hätte, sie soll unsere Tochter verstecken, ansonsten wird sie am nächsten Tag von den Taliban mitgenommen, weil diese herausfinden möchten, was das für Geräte am Ohr sind.
R bittet die BF2 in den Verhandlungssaal und bittet BF1 den Saal zu verlassen.
R: Ich habe nun mit Ihrem Ehemann über die beiden Themenkreise, welche letztlich zu Ihrer Ausreise geführt haben, gesprochen. Hat es gegenüber ihrem Ehemann seitens der Taliban eine ernsthafte Bedrohung gegeben?
BF2: Ja. Es ist so, mein Mann wurde von den Taliban bedroht, über den Mullah in der Moschee.
R: Sehr ernsthaft kann das ja nicht gewesen sein-so haben sie sich ja alle gemeinsam an ihrem Wohnort noch etwa zwei Jahre aufgehalten, ohne dass es auch nur den einzigen handfesten Vorfall gegeben hätte?
BF2: Nein, so etwas ist nicht passiert.
R: Zum zweiten Themenkreis: Wie war diese Bedrohung ihre Tochter XXXX betreffend?
BF2: Direkt wurde meine Tochter nicht bedroht, ich war zu Hause, sie hat draußen mit den Kindern gespielt. Dann kam die Nachbarin und erzählte mir, ich soll meine Tochter verstecken, bevor sie abgeholt wird, damit die Taliban nicht mitnehmen.
R: Hat es in diesem Zusammenhang bis zur Ausreise nach etwa vier Monaten irgendeinen konkreten Vorfall oder weitere Ereignisse gegeben?
BF2: Nein, weil wir sind nicht mehr zu Hause geblieben, wir waren woanders.
R: Dort waren Sie sicher?
BF2: Wir waren dann unterwegs und sind nicht lange in Afghanistan geblieben.
R: Sie haben also für den Fall der Rückkehr die Befürchtung, dass ihre Tochter XXXX von den Taliban geholt werden würde?
BF2: Ja, ich habe große Angst, dass sie von den Taliban mitgenommen wird.
R: Können Sie da Näheres berichten?
BF2: Weil Sie glauben, dass meine Tochter eine Kamera implantiert bekam, obwohl es nur ein Hörgerät ist. Das hat die Nachbarin gesagt. Sie haben gesagt, da mein Mann für die Amerikaner arbeitet, würde meine Tochter mit dieser Kamera hinter den Ohren alles aufnehmen und dass mein Mann ein Spion sei.
R: Gibt es da noch weiters konkretes zu berichten, was die Taliban vorgehabt hätten?
BF2: Wir haben Angst, dass sie meine Tochter töten.
R: Vielleicht noch irgendeine Vorgehensweise?
BF2: Es ist abgesehen von unseren Problemen schwierig in Afghanistan zu leben.
R unterbricht. Ich meine konkret zu diesem Themenkreis mit der Tochter und den Taliban?
BF2: Sie würden mich und meine ganze Familie töten. Wir können dort nicht leben.
R: Können Sie versuchen, ganz genau zu berichten, was die Nachbarin Ihnen in diesem Zusammenhang gesagt hat?
BF2: Sie hat mir nur gesagt, ich soll XXXX verstecken, weil sie beschlossen haben, sie mitzunehmen und sie behaupten würden, dass wir Spione sind.
R: Das war der Wortlaut und nur das?
BF2: Ja.
R: Also nicht, dass sie vor ein öffentliches Gericht gestellt werden sollte?
BF2: Nein.
R: Ich lese Ihnen nun vor, was sie am 06.04.2018 vor dem BFA ausgesagt haben (AS129): "Man wollte meine Tochter vor ein öffentliches Gericht stellen."
BF2: Nein, ich habe nur gesagt, dass die Taliban sie mitnehmen würden, habe aber nichts von einem öffentlichen Gericht gesagt.
BFV: Es muss nicht der Wortlaut der Nachbarin gewesen sein, sondern eine Befürchtung.
BF2: Ich habe nur gesagt, dass die Taliban sie nehmen würden und ihren Kopf aufschneiden, um zu sehen, was das für ein Gerät ist.
R: Auch ihr Mann hat in seinem Interview angegeben, er habe noch zwei Jahre nach der eigenen Bedrohung in Afghanistan gelebt (AS 161) ... Nachdem man meine Tochter vor das Gericht stellen wollte, konnte ich es nicht mehr ertragen.
BF2: Das weiß ich nicht. Ich habe aber nichts vom Gericht gesagt.
R: Sind Sie auf Ihrer Flucht durch den Iran gereist?
BF2: Ja.
R: Jetzt sprechen Sie die dort übliche Sprache Dari/Farsi, warum sind Sie nicht im Iran geblieben, wie zwei Millionen andere Afghanen?
BF2: Im Iran konnte ich meine Töchter nicht behandeln lassen. Im Iran sind die zwar sehr gut in der Medizin, aber das ganze hätte ich selbst bezahlen müssen und so viel Geld hätten wir nicht.
R: Ihr Ehegatte hat ausgesagt, dass die Reisebewegung 30.000 Euro gekostet hat, also hätten Sie ja das Geld gehabt?
BF2: Die Medizin in Indien hat nichts gebracht, sie wurde dort einmal operiert, aber es wurde nicht besser.
R: Warum haben Sie das Kind nicht im Iran behandeln lassen? Immerhin hat die Flucht auch 30.000 Euro gekostet, da hätten Sie ihr Kind auch behandeln lassen können?
BF2: Wir haben nicht gewusst, ob die Ärzte im Iran gut sind oder nicht.
R: Haben Sie noch Vermögen in Afghanistan?
BF2: Ja, ein Grundstück haben wir.
R: Wie lange haben Sie am Heimatort nach der OP ihrer Tochter in Indien gelebt, bis es zu dieser Mitteilung der Nachbarin kam?
BF2: Ein Jahr später.
R: Hat es in diesem Jahr irgendwelche besonderen Vorfälle gegeben?
BF2: Nein, es war erst ein Jahr später, als meine Nachbarin mir sagte, ich solle meine Tochter vor den Taliban verstecken.
BFV: Was das Hörgerät nach der Operation für Dritte sichtbar? Falls nein, ab wann war es sichtbar?
BF2: Ja, es hat geleuchtet. Sie haben es erst ein Jahr später gesehen.
R: War das Hörgerät sichtbar so wie jetzt?
BF2: Sie hatte einen Verband.
R: Wie lang hatte sie diesen Verband?
BF2: Sie hatte eine Glatze bekommen vor der OP, dann hatte sie so eine Art Haube darauf bekommen, bis ihre Haare ein bisschen länger waren, war das drauf.
BFV: Ich möchte noch auf die Tagende der westlichen Orientierung meiner Mandantin hinweisen.
R bitte die BF2 den Saal zu verlassen und bittet den BF1 nochmals in den Saal.
R: Ich möchte Sie ganz kurz noch fragen: Was hat Ihnen ihre Ehegattin ganz genau gesagt, was die Nachbarin berichtet hätte?
BF1: Meine Frau hat mir gesagt, dass die Nachbarin gekommen ist und gesagt hat, wir sollen XXXX verstecken, die Taliban haben beschlossen sie zu holen und mit ihr zum Gericht zu gehen. Die Taliban haben ein eigenes, öffentliches Gericht.
R: Ihre Ehegattin konnte sich an so eine konkrete Bedrohung nicht erinnern. Können Sie sich das erklären?
BF1: Ich weiß nicht, aber ich weiß, dass meine Frau manchmal Kopfschmerzen hat und sie durch diese zeitweise vergesslich wird.
BF1: Ich möchte noch zu meinem Verwandten XXXX anmerken, dass dieser seit seinem sechsten Lebensjahr in unserem Familienverband lebt. Er hat im Alter von sechs Jahren seine Eltern verloren. Mein Schwiegervater ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und meine Schwiegermutter hat den Verlust nicht mehr ertragen können und ist dann gestorben.
R: Haben Sie XXXX also großgezogen und verpflegt und betreut während der ganzen Jahre?
BF1: Ja. Er war wie mein eigenes Kind. Er war der Mann zu Hause wenn ich nicht da war, aus beruflichen Gründen. Er hat eingekauft für zu Hause.
R gibt BFV die Gelegenheit, Fragen zu stellen.
BFV: Keine weiteren Fragen.
R: Die Dolmetscherin wird Ihnen jetzt die gesamte Verhandlungsschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.
BF1 und BF2: Ich bitte um eine Rückübersetzung.
Die vorläufige Fassung der bisherigen Niederschrift wird durch die D den BFs rückübersetzt.
Keine Einwendungen.
Ende der Befragung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Antragsteller haben ihren Herkunftsstaat im Jahr 2016 verlassen. Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten. Nach ihren eigenen Angaben sind sie in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatten keine Probleme mit Behörden und waren politisch nicht aktiv.
Die Beschwerdeführer leben seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet in einer betreuten Einrichtung. Der Erstbeschwerdeführer hat das Sprachzertifikat A1 abgeschlossen, den Kurs A2 abgeschlossen, jedoch die Prüfung nicht absolviert und besucht er derzeit einen Kurs B1. Die Beschwerdeführer stellten am 27.05.2016 nach illegaler Einreise Anträge auf internationalen Schutzgewährung.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF2 seit ihrer Einreise in Österreich eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt und eine "westliche Lebensführung" angenommen hat. Bei der BF2 handelt es sich nicht um eine nachhaltig auf Eigen- und Selbstständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist durch ihr bisher dargestelltes Leben viel mehr in einem traditionellen Frauenbild verhaftet, in welchem sie die Aufgabe wahrnimmt bzw. wahrnehmen muss ihre fünf minderjährigen Kinder zu erziehen und zu versorgen. Eine in ihr wohnende ernsthafte Bestrebung nach einer westlichen Lebensentfaltung und insbesondere beruflichen Fortbildung und Entfaltung kann vor dem Hintergrund der gegebenen familiären Situation gegenwärtig nicht erkannt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass den minderjährigen Beschwerdeführern allein aufgrund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation von Kindern in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische und/oder psychische Gewalt asylrelevanter Intensität drohen würde.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass den BF, als Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung eine asylrelevante Bedrohung bzw. Verfolgung droht. Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.
Zur Situation im Fall einer Rückkehr der BF:
Eine Rückkehr der BF in deren Heimatprovinz Maidan Wardak ist nicht möglich.
Weder der Erstbeschwerdeführer, noch die Zweitbeschwerdeführerin oder allenfalls die weiteren Beschwerdeführer wären bei einer Rückkehr einer maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgung ausgesetzt.
Der Erstbeschwerdeführer war im Herkunftsland erwerbstätig, indem er als LKW-Fahrer Treibstoff für die internationale Sicherheitstruppe transportiert hat. Dieser Tätigkeit ist der Antragsteller etwa drei bis vier Jahre lang nachgegangen. Der Antragsteller hatte während seines Aufenthaltes in Afghanistan zu keinem Zeitpunkt persönlichen Kontakt zu Taliban-Angehörigen und war auch zu keinem Zeitpunkt persönlich bedroht. Etwa zwei Jahre vor der Ausreise aus Afghanistan wurde dem Erstbeschwerdeführer durch den Vorbeter der örtlichen Moschee - offenbar im Auftrag der Taliban - mitgeteilt, dass er seine Arbeit für die ISAF-Truppen beenden solle. Die große Mehrzahl der jungen Männer aus der Region haben zum vormaligen Zeitpunkt bzw. im genannten Zeitraum vor der Ausreise des Erstbeschwerdeführers für die ISAF-Truppen gearbeitet. Bis zur Ausreise ist der Antragsteller regelmäßig gewöhnlich seiner beruflichen Tätigkeit des Transportes von Treibstoff für die ISAF-Truppen nachgekommen. Ihn betreffende Zwischenfälle hat es in diesem Zeitraum keine gegeben. Der Antragsteller war zu keinem Zeitpunkt persönlichen Bedrohungen ausgesetzt.
Der Erstbeschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat Afghanistan mit seiner Familie letztlich deshalb verlassen, da eine Nachbarin seiner Ehegattin davon erzählt hat, dass die Taliban vor hätten, seine Tochter öffentlich vor ein Taliban-Gericht zu stellen.
Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Auszüge aus dem aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan:
"...
3. Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
...
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
...
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
...
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
...
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
...
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die sc