TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/31 I405 2153352-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2019
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Entscheidungsdatum

31.05.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2153352-1/25E

I405 2153358-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von

1.) XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX,

2.) XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2018, zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXXsowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und 4 iVm § 2 Abs. 1 Z 15 Asylgesetz 2005 BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2016, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Mutter des Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden: BF2), beide sind nigerianische Staatsbürger. Die BF1 stellte am 16.06.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Hierzu wurde die BF1 am 16.06.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

3. Zur Person der BF1 lag eine EURODAC-Treffermeldung hinsichtlich einer Asylantragstellung vom 01.07.2014 in Spanien vor, woraufhin das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein Wiederaufnahmeersuchen an Spanien stellte, dem die spanischen Behörden ausdrücklich zustimmten.

4. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 19.08.2015 der Antrag der BF1 auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d. Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gegen die BF1 gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

5. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig gewesen sei.

6. Die BF1 wurde am 18.11.2015 nach Spanien überstellt. Sie reiste dann in der Folge erneut ins Bundesgebiet ein.

7. Am 17.03.2016 wurde der BF2 in Österreich nachgeboren.

8. Am 19.04.2016 stellte die BF1 für sich und für den minderjährigen BF2 als gesetzliche Vertreterin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Im Zuge der Antragstellung wurden eine Kopie der Geburtsurkunde des BF2 sowie ein Meldezettel vorgelegt. Für den BF2 wurden keine eigene Fluchtgründe geltend gemacht.

9. Die BF1 wurde am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 05.07.2016 sowie am 11.01.2017 einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA unterzogen. Als Fluchtgrund gab sie an, dass sie Nigeria verlassen habe, weil ihre Familie sie zwangsverheiraten habe wollen. Hätte sie eingewilligt, wäre sie beschnitten worden. Aus diesem Grund habe sie ihre Heimat verlassen.

10. Mit angefochtenen Bescheiden des BFA vom 17.03.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 19.04.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. Nr. 100/2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. Ziffer 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV).

11. Die bezeichneten Bescheide wurden den BF samt einem Informationsblatt über die freiwillige Ausreise sowie der Verfahrensanordnung vom 20.03.2017, wonach ihnen die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkhilfe amtswegig als Rechtsberaterin zur Seite gestellt wird, am 23.03.2017 zugestellt.

12. Dagegen wurde fristgerecht am 04.04.2017 Beschwerde erhoben und das bisherige Vorbringen der BF1 wiederholt.

13. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2017 vorgelegt.

14. Mit Schriftsatz vom 18.08.2017 berichtigte die BF2 ihre bisherigen Angaben zum Fluchtgrund und machte erstmals geltend, dass sie Opfer von Menschenhandel geworden sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 31.08.2017 legte die BF1 einen Sozialbericht der LEFÖ bezüglich der Betroffenheit der BF1 vom Menschenhandel vor.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte sodann am 19.11.2018 eine mündliche Verhandlung durch, an der die BF, ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Englisch teilnahmen. Dabei wiederholte die BF1 ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 18.08.2017 und ergänzte es auf Nachfrage der erkennenden Richterin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der BF:

Die BF sind Staatsangehörige von Nigeria. Ihre Identität steht fest. Die BF1 ist volljährig, stammt aus Edo State, ist Angehörige der Volksgruppe Ishan und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Sie lebte bis zu ihrer Ausreise in Ekpoma, Nigeria. Sie verließ Nigeria im Jahr 2004. Sie hat in Nigeria sechs Jahre lang die Grundschule und sechs Jahre die Mittelschule besucht, ansonsten aber keine Ausbildung absolviert. Sie hat zuletzt in Ekpoma alleine gelebt und betrieb dort Handel auf dem Markt. Die Mutter, die Geschwister und der Onkel der BF1 leben nach wie vor in Nigeria. Es besteht lediglich zu ihrer jüngsten Schwester Kontakt, die im Familienverband lebt.

Die BF1 hält sich seit spätestens Juni 2015 (mit Unterbrechungen wegen des Aufenthaltes in Spanien) in Österreich auf.

Die BF1 ist ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Sie leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der BF2 ist Sohn der BF1 und des XXXX. Er wurde in Österreich geboren. Beim BF2 wurde eine Verhaltensstörung vor dem möglichen Hintergrund frühkindlicher Gewalterfahrungen (ausgehend vom Kindesvater) und verzögerte Sprachentwicklung diagnostiziert, weshalb der Kontakt zum Kindesvater untersagt wurde. Außer dem Kindesvater, der ebenfalls Asylwerber ist und von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen ist, haben die BF in Österreich keine lebenden Verwandten oder Angehörigen. Die BF haben jedoch in Österreich Freunde und Bekannte. In Österreich besuchte die BF1 ein Arbeitstraining und einen Deutschkurs A1. Sie geht derzeit jedoch keiner Beschäftigung nach. Die BF leben von der Grundversorgung und sind in einer Schutzwohnung untergebracht.

Die BF1 wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, nämlich dem Versprechen, dass ihr in Europa ein Schulbesuch ermöglicht werden würde, von ihrer Tante nach Spanien gebracht, wo sie zur Prostitution gezwungen wurde, ehe ihr die Flucht nach Österreich gelang.

Die BF1 muss mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten, in Nigeria Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe "Opfer von systematisch organisiertem Frauenhandel" zu erleiden. Die BF1 liefe im Falle einer Rückkehr Gefahr, von den Personen, die für ihre Außerlandesbringung verantwortlich waren, oder von anderen Personen, die sich ihre Zwangslage zunutze machen würden, wiederum zur Prostitution gezwungen oder anderweitig verfolgt zu werden. Bei der BF1 handelt es sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes um ein Opfer von Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative liegt nicht vor. Es liegen keine Asylausschlussgründe im Sinne des § 6 AsylgG vor; die BF1 ist strafrechtlich unbescholten.

Aufgrund des Umstandes, dass es sich um ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 handelt, ist dem BF2 der gleiche Status zuzuerkennen wie seiner Mutter, der BF1.

1.2. Zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der BF1 orientiert sich das erkennende Gericht am (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende Peoples Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Insbesondere wird zur Problematik für alleinstehende Frauen, Rückkehr, Relokation und Menschen-/Frauenhandel festgestellt:

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mäd-chen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheits-zentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskam-pagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Ge-walt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der BF:

Die Identität der BF steht fest und beruhen auf den vorgelegten Geburtsurkunden bzw. der Kopie des Reisepasses der BF1.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF und zur Arbeitsfähigkeit der BF1 ergeben sich aus den Aussagen der BF1 in der mündlichen Verhandlung.

2.3. Zum Vorbringen der BF:

Das erstmals im Beschwerdeverfahren erstattete Vorbringen der BF1 entspricht dem typischen Aussageverhalten von Menschenhandelsopfern, wie dies aus verschiedenen Quellen hervorgeht (vgl. dazu Urteil des Schweizer Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2016, D-6806/2013, S. 24 mit entsprechenden Literaturhinweisen). Daher war dieses Vorbringen auch einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen und zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von systematisch organisiertem Frauenhandel vorliegt (vgl. dazu AsylGH 14.05.2009, C 15 263.728-0/2008 und VwGH, 23.02.2011, 2011/23/0064; oder die Definition der "geschlechtsspezifischen Verfolgung" auf www.unhcr.at, wo explizit auch Frauenhandel genannt ist).

Die BF1 machte in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2017 und in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 detaillierte, lebensnahe und übereinstimmende Auskünfte zum asylrechtlich relevanten Sachverhalt und erweckte bei der erkennenden Richterin einen durchwegs glaubwürdigen Eindruck. Dieses Vorbringen wurde konsistent und plausibel erstattet, und es steht auch in Einklang mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes über die Situation von Frauenhandelsopfern aus Nigeria. Das Vorbringen der BF1 erscheint als einer der typischen Fälle, in denen eine junge Frau, welche sich in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit befand, nach Europa gebracht und hier zur Prostitution gezwungen wurde.

Das Fluchtvorbringen der BF1 entspricht dem typischen Aussageverhalten von Menschenhandelsopfern, wie dies aus verschiedenen Quellen hervorgeht. Sie stammt aus Edo State, hatte keinen familiären Rückhalt und war im Arbeitsmarkt nicht fest integriert. Auch erscheint das Vorbringen der BF1 als einer der typischen Fälle, in denen eine junge Frau, welche sich in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit befand, nach Europa gebracht und hier zur Prostitution gezwungen wurde.

Ihre Lage im Falle einer Rückkehr steht im Einklang mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes über die Situation von Frauenhandelsopfern aus Nigeria: Nigeria ist eine der Drehscheiben des internationalen Frauen- und Menschenhandels: So wurden beispielsweise im Rahmen eines Screenings von über 160 Asylverfahren nigerianischer Antragstellerinnen aus den Jahren 2009 und 2010 festgestellt, dass in nahezu einem Drittel der Fälle Indikatoren für Menschenhandel in den Verfahrensakten dokumentiert waren (Krohn, Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren, in: IOM/UNHCR/BAMF:

Identifizierung und Schutz von Opfern des Menschenhandels im Asylsystem, Nürnberg 2012).

In den Statistiken des deutschen Bundeskriminalamtes erscheint Nigeria als besonders relevantes Herkunftsland von Opfern von Menschenhandel aus Staaten außerhalb Europas, mit weitverzweigten und grenzüberschreitend agierenden Menschenhandelsstrukturen (BKA, Bundeslagebild Menschenhandel 2012, S. 8; zitiert nach Janetzek, Lindner, Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren - Teil I, Asylmagazin 4/2014, S. 105-113). Die meisten Opfer stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die überwiegende Mehrheit der Opfer von Menschenhandel, die zum Zweck der Prostitution nach Europa verbracht werden, gehört zur ethnischen Gruppe der Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen, wohl weil sich erwachsene Frauen, vor allem in den Städten, der Risiken stärker bewusst sind, denen sie beim Menschenhandel ausgesetzt sind. Vielen Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, ist der Verlust der Unterstützung durch Familie oder Gemeinschaft gemeinsam. Die nigerianische Regierung hat mit mehreren Maßnahmenpaketen versucht, gegen das Phänomen Handel mit Frauen anzugehen; dazu gehört insbesondere auch die Errichtung einer Agentur zur Bekämpfung des Menschenhandels, der National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP), im August 2003, zu deren Auftrag Untersuchung, Verfolgung, Überwachung, Beratung, Wiedereingliederung, Aufklärung und Fortbildung gehören. Es wird jedoch trotz all dieser Bemühungen geschätzt, dass die staatlichen Ausgaben in diesem Bereich unzureichend sind, insbesondere im Hinblick auf die Befriedigung der Nachfrage nach NAPTIP-Diensten. Die Entscheidung darüber, dass eine Frau zum Arbeiten nach Europa geht, geht in manchen Fällen von der Familie aus. Prostitution wird in Nigeria moralisch nicht akzeptiert, weshalb die heimkehrenden Mädchen von ihren Gemeinschaften zwei Reaktionen erwarten können. Kommt das Mädchen mit Geld zurück, wird es von der Gesellschaft akzeptiert, auch wenn die Gemeinschaft weiß, dass es in Europa als Prostituierte gearbeitet hat. Wurde das Mädchen jedoch abgeschoben oder kommt es ohne Geld, grenzt die Gemeinschaft das Mädchen aus, und sogar die eigene Familie kann das Mädchen ablehnen. Ein Problem für zurückgekehrte Opfer ist das Fehlen sozialer Unterstützungsnetze; je länger das Opfer in Europa gelebt hat, desto eher fehlt es ihm an solchen Netzen. Viele haben den Eindruck, in Nigeria könne man ohne Familie keinen Erfolg haben, und denken: "In Nigeria bist du ohne deine Familie nichts." Die Unterstützung durch Unterstützungsorganisationen kann soziale Netze nicht ersetzen, auch können sich die Organisationen nicht ständig um die heimgekehrten Opfer kümmern. Für manche Frauen besteht die einzige Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt nach Ablauf der Unterstützung durch Unterstützungsorganisationen zu verdienen, in der Prostitution. Für zurückkehrende Opfer von Menschenhandel stehen mehrere Unterkünfte zur Verfügung, die von der NAPTIP und verschiedenen Unterstützungsorganisationen betrieben werden. Es ist nicht genau bekannt, wie viele Frauen sich in den NAPTIP-Unterkünften aufhalten. Von den Quellen werden unterschiedliche maximale Aufenthaltszeiten genannt; manche sprechen von sechs Wochen, andere von einer Spanne zwischen zwei und sechs Wochen. Haben Frauen nach sechs Wochen noch immer keinen sicheren Aufenthaltsort oder Mittel für ihren Lebensunterhalt, kann der Aufenthalt in der NAPTIP-Unterkunft verlängert werden. Nach Angaben der IOM bleiben nur die Frauen länger als zwei Wochen in den Unterkünften, die gegen Menschenhändler ausgesagt haben und deren Fälle von der NAPTIP untersucht werden. Auf der anderen Seite sind Frauen, die in einer NAPTIP-Unterkunft leben, stigmatisiert, weil jeder davon ausgeht, dass sie im Ausland als Prostituierte gearbeitet haben. Daher schicken die NAPTIP-Mitarbeiter sie so bald wie möglich zu ihren Familien oder in Unterkünfte in anderen Gebieten Nigerias (Bericht des European Asylum Support Office (EASO) vom Oktober 2015 zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen"; abrufbar unter https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457689242_bz0415678den.pdf).

Nun ist auch zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von systematisch organisiertem Frauenhandel vorliegt (vgl. dazu AsylGH 14.05.2009, C 15 263.728-0/2008 und VwGH, 23.02.2011, 2011/23/0064; oder die Definition der "geschlechtsspezifischen Verfolgung" auf www.unhcr.at, wo explizit auch Frauenhandel genannt ist).

Das Vorbringen der BF1 erscheint als einer der typischen Fälle, in denen eine junge Frau, welche sich in einer Situation der Hilfsbedürftigkeit befand, nach Europa gebracht und hier zur Prostitution gezwungen wurde. Es ist nicht generell davon auszugehen, dass alle Frauen, die Opfer des Frauenhandels werden, automatisch den Status eines Flüchtlings zuerkannt bekommen. Zur Frage, ob in Menschenhandelsfällen aus Art. 4 EMRK ein Refoulement-Verbot abzuleiten sei, hat sich der EGMR im Jahr 2011 erstmals geäußert. Im Verfahren einer nigerianischen Zwangsprostituierten, welche Frankreich nach Abweisung ihres Asylgesuchs ausweisen wollte, erwog der Gerichtshof, dass sich aufgrund des absoluten Charakters von Art. 4 EMRK grundsätzlich eine Verpflichtung Frankreichs ergeben kann, eine erneute Rekrutierung der BF1 in ein Prostitutionsnetzwerk in Nigeria zu verhindern. Die Pflicht, gestützt auf Art. 4 EMRK von einer Ausweisung abzusehen, besteht im konkreten Fall jedoch nur, wenn gegenüber den Behörden ein unmittelbares Risiko ("risque imminent") einer erneuten Rekrutierung oder von Vergeltungsmaßnahmen glaubhaft gemacht wird (vgl. Entscheidung des EGMR V.F. gegen Frankreich vom 29.11.2011, 7196/10).

Wie oben zu entnehmen ist, bieten die verschiedenen Institutionen in Nigeria Opfern von Frauenhandel bei ihrer Rückkehr Unterstützung. Diese ist allerdings quantitativ und auch zeitlich befristet. Die Frauen werden möglichst bald zu ihren Familien zurückgeschickt. Nun kann die BF1 zu ihrem Familienverband zurückkehren, zumal diese der Meinung sind, die BF1 habe ihre Schulden zu begleichen. Daher wäre sie im Falle ihrer Rückkehr auf sich alleine gestellt.

Als Ursache für das Risiko eines Re-Trafficking von Rückkehrerinnen nennt der EGMR die fehlende Unterstützung, ja Ablehnung durch ihre Familien. Zwangsprostituierte, die ohne Geld und/oder krank aus Europa zurückkehren, werden von ihren Familien häufig abgelehnt und wieder in die Prostitution gezwungen. NGOs können soziale Beziehungsnetze nicht ersetzen und die Frauen - wenn überhaupt - nur für kurze Zeit begleiten und unterstützen, so dass diesen häufig nur die Prostitution bleibt, um überleben zu können (vgl. dazu Urteil des Schweizer Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2016, D-6806/2013, S. 38; abrufbar unter http://www.ksmm.admin.ch/dam/data/ksmm/dokumentation/informationen/urteil-bvger-2016-07-18-d.pdf).

Die BF1 hat im Falle einer Rückkehr keine familiäre oder soziale Unterstützung zu erwarten. Zudem muss die BF1 im Falle ihrer Rückkehr befürchten, Ziel von Vergeltungsmaßnahmen ihrer Händler in Nigeria zu werden, zumal sie sich an die Vereinbarung nicht gehalten hat. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auch nicht gegeben, da ihr diese aufgrund ihrer besonderen Vulnerabilität (sie wurde bereits als junge Frau Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, sie hat keine Berufsperspektive, weist eine lange Abwesenheit auf) nicht zumutbar ist.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur (funktionellen) Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das Asylgesetz 2005 noch das Fremdenpolizeigesetz 2005 sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

§ 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. ...

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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