TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/5 W221 2210133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.06.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z3
AsylG 2005 §8
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2210133-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2018, Zl. 1089459405-180908937, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführerin wurde der Status einer Asylberechtigten mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2018 aberkannt, weil sie mit ihrer Mutter nach Syrien zurückgekehrt sei.

Der Bescheid wurde dem Vater der Beschwerdeführerin als gesetzlicher Vertreter am 29.10.2018 zugestellt, der dagegen rechtzeitig Beschwerde erhob und im Wesentlichen ausführte, dass es sich um keine freiwillige Ausreise handle, weil das mj. Kind dem Willen der Eltern ausgeliefert sei und Österreich verlassen habe müssen, weil ihre Mutter sie mitgenommen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine unmündige syrische Staatsangehörige.

Sie ist die Tochter der XXXX , geb. XXXX und des XXXX , geb. XXXX . Ihr Vater lebt als Asylberechtigter in Österreich.

Der Beschwerdeführerin wurde nach einem Antrag auf internationalen Schutz am 01.10.2015 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2016, Zl. 1089459405/151466086, der Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

Die Beschwerdeführerin hat gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren drei Geschwistern unter Gewährung von Rückkehrhilfe Österreich verlassen und ist über den Flughafen Wien Schwechat am 16.08.2018 nach Damaskus ausgereist. Dabei wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die "Heim- bzw. Ausreisekosten" übernommen und ihnen eine Starthilfe von € 250,- pro Person gewährt. Als Kontaktperson in Damaskus gab die Mutter der Beschwerdeführerin ihren Vater an, der noch dort lebt.

Die Beschwerdeführerin befindet sich nicht mehr in Österreich, sondern in ihrem Herkunftsstaat Syrien, in der Stadt Damaskus.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akten und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides (Aberkennung des Status des Asylberechtigten und Ausspruch, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt):

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge: GFK) angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK wird das Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; dies ist gegenständlich nach einer freiwilligen Rückkehr nach Syrien der Fall.

Fest steht, dass die Beschwerdeführerin Österreich gemeinsam mit ihrer Mutter verlassen hat. Ihre Mutter hat Österreich freiwillig verlassen und dafür Rückkehrhilfe in der Form in Anspruch genommen, als die "Heim- bzw. Ausreisekosten" vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übernommen wurden und sie eine Starthilfe von € 250,- pro Person (somit für sich und ihre insgesamt drei Kinder, darunter die Beschwerdeführerin) bekommen hat.

Auf Grund des Alters der Beschwerdeführerin stellt sich die Frage, ob eine solche Ausreise als sich "freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatstaates" stellen bewertet werden kann. Dies wird im Bescheid nicht näher thematisiert und in der Beschwerde bestritten.

Es stellt sich daher die Frage, ob "freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatstaates" ein rein rechtlicher Begriff ist, d.h. der jeweilige Asylberechtigte mit einem rechtlich einwandfrei gebildeten Willen - also voll geschäftsfähig und ohne Willensmangel - freiwillig sich unter den Schutz des Heimatstaates gestellt hat oder ob freiwillig als Gegenteil von nicht freiwillig, also durch den "Schutzstaat" gezwungen, etwa im Rahmen einer Abschiebung, zu sehen ist.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes reicht es zur Verwirklichung des Aberkennungstatbestandes aus, dass der jeweilige Asylberechtigte vom Schutzstaat nicht gezwungen wird, sich wieder dem Schutz des Heimatstaates zu unterstellen, sondern dies ohne staatlichen Zwang tut; der Schutzstaat ist nämlich nachdem der Asylberechtigte sich außer Landes begeben hat, im Wesentlichen nicht mehr in der Lage, diesen zu schützen oder diesem die Vorteile aus der GFK zukommen zu lassen.

Dies wird auch in § 1 AsylG 2005, der im Wesentlichen auf die Anwesenheit des Fremden in Österreich abstellt, entsprechend normiert.

Daher reicht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus, wenn der Fremde sich ohne Zutun Österreichs wieder dem Schutz des Herkunftsstaates unterstellt hat, auch wenn seine Willensbildung unter Umständen rechtlich nicht vollkommen einwandfrei war; es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit dem Einwand in der Beschwerde, dass zu den Umständen der ‚angeblichen' freiwilligen Ausreise nicht ausreichend ermittelt worden sei, sondern es reicht aus darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter freiwillig im Sinne des oben Ausgeführten zurück nach Syrien geflogen ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass sich ein minderjähriges Kind die Entscheidungen seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen muss und somit die Entscheidung der Mutter als gesetzliche Vertreterin, freiwillig nach Syrien zurückzukehren, auch für das Kind Wirkung entfaltet.

Im Licht dieser Ausführungen ist die Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung des Status der Asylberechtigten und des Ausspruchs, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt, abzuweisen.

Dem steht auch das Kindeswohl nicht entgegen, weil das Gesetz im Rahmen des Familienverfahrens gemäß §§ 34 f AsylG 2005 die Einreise nach Österreich regelt, sobald dies auch faktisch möglich bzw. für den Vater umsetzbar ist. Zuvor - d.h. so lange die Beschwerdeführerin tatsächlich außerhalb Österreichs ist und vom Vater die Rückkehr nicht organisiert bzw. bewerkstelligt werden kann - spielt es für das Kindeswohl keine Rolle, ob der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zukommt oder nicht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, (1.) der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Allerdings regelt § 1 Z 1 1. Fall AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich.

Da sich die Beschwerdeführerin nicht mehr in Österreich befindet, kommt eine Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht in Betracht. Es ist die Beschwerde daher auch diesbezüglich abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen):

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, (1.) wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG, seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

(2.) zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder (3.) wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Da sich die Beschwerdeführerin nicht in Österreich befindet, kommt eine Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (arg.: "im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen") nicht in Betracht. Darüber hinaus wurden Gründe, die für das Vorliegen der Voraussetzungen sprechen, in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch vom Amts wegen nicht hervorgekommen.

Es ist die Beschwerde daher auch diesbezüglich abzuweisen.

3.4. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, ist keine Verhandlung nötig, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017). Die Verwaltungsbehörde muss die Beweiswürdigung in der Entscheidung offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. Es darf schließlich in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet werden, ein unsubstantiiertes Bestreiten des Sachverhaltes und gegen Neuerungsverbot verstoßendes Vorbringen bleibt außer Betracht.

Gegenständlich ergibt sich der Sachverhalt aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen und ist unstrittig. Es ist nur die Beurteilung der freiwilligen Rückkehr als Rechtsfrage entscheidungsrelevant, weshalb auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden kann.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es gibt - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Freiwilligkeit der Rückkehr bei Minderjährigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.

Schlagworte

Asylaberkennung, Asylverfahren, Aufenthalt im Bundesgebiet,
Familienverfahren, freiwillige Ausreise, Freiwilligkeit,
Geschäftsfähigkeit, gesetzlicher Vertreter, Kind, Kindeswohl,
Minderjährige, Minderjährigkeit, Mittelpunkt der Lebensbeziehungen,
Revision zulässig, Unterschutzstellung, Vertretung,
Vertretungsbefugnis, Vertretungsverhältnis, Willensbildung,
Willensmangel, Zurechenbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W221.2210133.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten