Entscheidungsdatum
06.06.2019Norm
AsylG 2005 §34Spruch
W224 2210135-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2018, Zl. 1150185400-180908660, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Dem Beschwerdeführer wurde der Status eines Asylberechtigten mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2018 aberkannt, weil er mit seiner Mutter nach Syrien zurückgekehrt sei.
Der Bescheid wurde dem Vater des Beschwerdeführers als gesetzlichen Vertreter am 29.10.2018 zugestellt, der dagegen rechtzeitig Beschwerde erhob und im Wesentlichen ausführte, dass es sich um keine freiwillige Ausreise handle, weil das mj. Kind dem Willen der Eltern ausgeliefert sei und Österreich verlassen habe müssen, weil seine Mutter ihn mitgenommen habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist ein unmündiger syrischer Staatsangehöriger.
Er ist der Sohn der XXXX , geb. XXXX und des XXXX , geb. XXXX . Sein Vater lebt als Asylberechtigter in Österreich.
Dem Beschwerdeführer wurde nach einem Antrag auf internationalen Schutz am 26.04.2017 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2017, Zl. 1150185400-170519879/BMI-BFA_NOE_RD, der Status eines Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.
Der Beschwerdeführer verließ gemeinsam mit seiner Mutter und ihren drei Geschwistern unter Gewährung von Rückkehrhilfe Österreich und ist über den Flughafen Wien Schwechat am 16.08.2018 nach Damaskus ausgereist. Dabei wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die "Heim- bzw. Ausreisekosten" übernommen und ihnen eine Starthilfe von € 250,- pro Person gewährt. Als Kontaktperson in Damaskus gab die Mutter des Beschwerdeführers ihren Vater an, der noch dort lebt.
Der Beschwerdeführer befindet sich nicht mehr in Österreich, sondern in seinem Herkunftsstaat Syrien, in der Stadt Damaskus.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
1. Zu Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides (Aberkennung des Status des Asylberechtigten und Ausspruch, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt):
Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention (in Folge: GFK) angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK wird das Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; dies ist gegenständlich nach einer freiwilligen Rückkehr nach Syrien der Fall.
Fest steht, dass der Beschwerdeführer Österreich gemeinsam mit seiner Mutter verlassen hat. Seine Mutter hat Österreich freiwillig verlassen und dafür Rückkehrhilfe in der Form in Anspruch genommen, als die "Heim- bzw. Ausreisekosten" vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übernommen wurden und sie eine Starthilfe von € 250,- pro Person (somit für sich und ihre insgesamt drei Kinder, darunter der Beschwerdeführer) bekommen hat.
Auf Grund des Alters des Beschwerdeführers stellt sich die Frage, ob eine solche Ausreise als sich "freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatstaates" stellen bewertet werden kann. Dies wird im Bescheid nicht näher thematisiert und in der Beschwerde bestritten.
Es stellt sich daher die Frage, ob "freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatstaates" ein rein rechtlicher Begriff ist, d.h. der jeweilige Asylberechtigte mit einem rechtlich einwandfrei gebildeten Willen - also voll geschäftsfähig und ohne Willensmangel - freiwillig sich unter den Schutz des Heimatstaates gestellt hat oder ob freiwillig als Gegenteil von nicht freiwillig, also durch den "Schutzstaat" gezwungen, etwa im Rahmen einer Abschiebung, zu sehen ist.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts reicht es zur Verwirklichung des Aberkennungstatbestandes aus, dass der jeweilige Asylberechtigte vom Schutzstaat nicht gezwungen wird, sich wieder dem Schutz des Heimatstaates zu unterstellen, sondern dies ohne staatlichen Zwang tut; der Schutzstaat ist nämlich nachdem der Asylberechtigte sich außer Landes begeben hat, im Wesentlichen nicht mehr in der Lage, diesen zu schützen oder diesem die Vorteile aus der GFK zukommen zu lassen.
Dies wird auch in § 1 AsylG 2005, der im Wesentlichen auf die Anwesenheit des Fremden in Österreich abstellt, entsprechend normiert.
Daher reicht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts aus, wenn der Fremde sich ohne Zutun Österreichs wieder dem Schutz des Herkunftsstaats unterstellt hat, auch wenn seine Willensbildung unter Umständen rechtlich nicht vollkommen einwandfrei war. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit dem Einwand in der Beschwerde, dass zu den Umständen der "angeblichen" freiwilligen Ausreise nicht ausreichend ermittelt worden sei, sondern es reicht aus darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter freiwillig im Sinne des oben Ausgeführten zurück nach Syrien geflogen ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass sich ein minderjähriges Kind die Entscheidungen seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen muss und somit die Entscheidung der Mutter als gesetzliche Vertreterin, freiwillig nach Syrien zurückzukehren, auch für das Kind Wirkung entfaltet.
Im Licht dieser Ausführungen ist die Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des Ausspruchs, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt, abzuweisen.
Dem steht auch das Kindeswohl nicht entgegen, weil das Gesetz im Rahmen des Familienverfahrens gemäß §§ 34 f AsylG 2005 die Einreise nach Österreich regelt, sobald dies auch faktisch möglich bzw. für den Vater umsetzbar ist. Zuvor - d.h. so lange der Beschwerdeführer tatsächlich außerhalb Österreichs ist und vom Vater die Rückkehr nicht organisiert bzw. bewerkstelligt werden kann - spielt es für das Kindeswohl keine Rolle, ob dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zukommt oder nicht.
2. Zu Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, (1.) der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Allerdings regelt § 1 Z 1 1. Fall AsylG 2005 die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich.
Da sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Österreich befindet, kommt eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht. Es ist die Beschwerde daher auch diesbezüglich abzuweisen.
3. Zu Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen):
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, (1.) wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG, seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
(2.) zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder (3.) wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Da sich der Beschwerdeführer nicht in Österreich befindet, kommt eine Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (arg.: "im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen") nicht in Betracht. Darüber hinaus wurden Gründe, die für das Vorliegen der Voraussetzungen sprechen, in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch vom Amts wegen nicht hervorgekommen.
Es ist die Beschwerde daher auch diesbezüglich abzuweisen.
4. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, ist keine Verhandlung nötig, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017). Die Verwaltungsbehörde muss die Beweiswürdigung in der Entscheidung offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. Es darf schließlich in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet werden, ein unsubstantiiertes Bestreiten des Sachverhaltes und gegen Neuerungsverbot verstoßendes Vorbringen bleibt außer Betracht.
Gegenständlich ergibt sich der Sachverhalt aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen und ist unstrittig. Es ist nur die Beurteilung der freiwilligen Rückkehr als Rechtsfrage entscheidungsrelevant, weshalb auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden kann.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es gibt - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Freiwilligkeit der Rückkehr bei Minderjährigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.
Schlagworte
Asylaberkennung, Asylverfahren, Aufenthalt im Bundesgebiet,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2210135.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.10.2019