TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/1 W167 2166868-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2019
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Entscheidungsdatum

01.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W167 2166868-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzvorschriften in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung XXXX vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er Afghanistan im Kindesalter verlassen habe, da sein Vater eine Feindschaft mit dessen Bruder gehabt habe. Er selbst habe keinen eigenen Fluchtgrund. Den Iran habe er verlassen, da er als Afghane schikaniert und benachteiligt worden sei bzw. ihm die Rekrutierung für den Krieg in Syrien gedroht habe.

2. In einem medizinischen Gutachten vom XXXX zur forensischen Altersschätzung wurde festgehalten, dass das Mindestalter des Beschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt 19 Jahre betrage.

Mittels Verfahrensanordnung vom XXXX wurde daraufhin das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX festgelegt.

3. Mit Eingabe vom XXXX gab der Vertreter des Beschwerdeführers seine Vollmacht bekannt.

4. XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass seine Familie Afghanistan verlassen habe, da Krieg geherrscht habe. Außerdem habe sein Vater in Afghanistan aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten Probleme mit dessen Bruder gehabt. Er habe zudem Angst, dass er von den Taliban getötet werde, da er Schiit und Hazara sei.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters sprach die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein junger, arbeitsfähiger Mann. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan somit nicht in eine ausweglose Situation geraten. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

Dem Beschwerdeführer wurde ein Rechtsberater beigegeben.

6. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid Beschwerde, hielt sein Fluchtvorbringen aufrecht und führte ergänzend aus, dass er aufgrund seiner westlichen Lebenseinstellung eine Verfolgung durch die Taliban zu befürchten hätte.

7. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Muttersprache des Beschwerdeführers u.a. eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

10. In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom XXXX wurde ausgeführt, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Ergänzend wurden betreffend die Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers diverse Länderberichte - darunter auch das Gutachten von Stahlmann vom 28.03.2018 - zitiert und auf die Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit und seiner Verwestlichung hingewiesen.

11. Mit den Eingaben vom XXXX und vom XXXX wurden das Zeugnis über den Pflichtschulabschluss des Beschwerdeführers und der Bescheid über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine Lehrstelle als Koch für den Zeitraum XXXX vorgelegt.

12. Das Bundesverwaltungsgericht setzte die mündliche Verhandlung

XXXX fort und zog eine Dolmetscher für die Muttersprache des Beschwerdeführers bei. Der Beschwerdeführer sowie sein Vertreter nahmen an der Verhandlung teil, die belangte Behörde nahm nicht teil.

13. In der Stellungnahme vom XXXX wurde unter Verweis auf die UNHCR-Richtlinien und diverse Länderberichte angeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Als Beilage wurden eine XXXX für das Schuljahr 2018/19 und eine Bestätigung über die Auflösung seines Lehrverhältnisses ab dem XXXX übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre in Kabul-Stadt. Seine Familie stammt aus XXXX , in der Provinz Maidan Wardak. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er war bereits zum Zeitpunkt der Einreise volljährig, ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Darüber hinaus spricht der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben auch Farsi.

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Kindesalter und wuchs im Iran auf, wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa lebte.

Der Beschwerdeführer besuchte 4 Jahre lang im Iran eine afghanische Schule. Der Beschwerdeführer kann in der Sprache Dari ein bisschen Lesen und Schreiben.

Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers leben im Iran. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Zu seinen in Afghanistan lebenden Verwandten hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt.

Die Brüder des Beschwerdeführers sind XXXX tätig.

Der Beschwerdeführer hat im Iran als Bauarbeiter gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr XXXX aus dem Iran aus, gelangte unter Umgehung der Grenzvorschriften ins Bundesgebiet und stellte am XXXX den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Insbesondere wird er nicht von seinem Onkel aufgrund von Erbschaftsstreitigkeiten verfolgt.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich seit fast 4 Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.

Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und/oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer wuchs als Angehöriger der muslimischen Religion auf, übt allerdings gegenwärtig den muslimischen Glauben nicht aktiv aus. Er ist jedoch - abgesehen von seinem geringen religiösen Interesse - weder vom Islam abgefallen noch geht er aktiv einer anderen (neuen) religiösen Überzeugung nach bzw. tritt er nicht religionsfeindlich oder gar spezifisch gegen den Islam auf.

Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Jahr XXXX auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sein Lehrverhältnis, das er mit XXXX begonnen hat, löste er mit XXXX auf.

Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte und Orientierungskurs, einen Erste-Hilfe-Grundkurs, sowie Deutschkurse und verfügt über ein Sprachzertifikat für das Niveau B1. Er absolvierte in Österreich den Pflichtschulabschluss und besucht nunmehr XXXX .

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz seiner Familie, Maidan Wardak, aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif oder nach Herat-Stadt zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen und kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in diese Städte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine 4-jährige Schulausbildung, weiters hat er bereits im Iran Berufserfahrung auf Baustellen gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif und Herat-Stadt wird nutzen können.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat-Stadt Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 sowie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2108 und in der ACCORD-Anfragebeantwortung Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Relevante Kurzinformationen zum Länderinformationsblatt

KI vom 26.03.2019, Auszug betreffend Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018).

KI vom 22.01.2019, Auszug betreffend Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde.

Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

1.5.2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Maidan Wardak

(Maidan) Wardak ist eine der zentralen Provinzen Afghanistans (Pajhwok o.D.). Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 615.992 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben hauptsächlich ethnische Paschtunen, Tadschiken und Hazara; auch Kuchis sind in der Vergangenheit insbesondere in den Distrikt Behsood gezogen (EASO 12.2017).

Die Hauptautobahn (Ring Road) Kabul-Kandahar führt durch die Provinz Maidan Wardak, von wo aus sie die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen des Landes mit der Hauptstadt Kabul verbindet (Khaama Press 6.5.2016; vgl. Tolonews 23.1.2018). Polizisten arbeiten hart daran, die Autobahn von Minen zu befreien, da der südliche Abschnitt der Kabul-Kandahar Autobahn neun Provinzen mit der Hauptstadt Kabul verbindet (Tolonews 23.1.2018).

Mit Stand November 2017 ist die Provinz Wardak zumindest seit dem Jahr 2006 komplett opiumfrei - im Jahr 2005 wurden in Daimirdad noch 106 Hektar Mohnanbauflächen verzeichnet (UNODC 11.2017).

Drei Frauen haben bei der Provinzwahl von Maidan Wardak Sitze für den Provinzrat erhalten (GV 8.3.2018). Im März 2018 hat eine Gruppe junger Frauen in der Provinz die Kunstbewegug "Village Sisters Art Movement" gegründet, wodurch Lyrik-Vorträge organisiert werden. Das Projekt wird vom Kultur- und Informationsdepartment begrüßt (Pajhwok 9.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 1.1.2018, Khaama Press 25.12.2017, Khaama Press 8.12.2017, Khaama Press 23.11.2017, FN 8.11.2017, Khaama Press 21.8.2018, Khaama Press 11.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 83 zivile Opfer (42 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert.

Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten/willkürlichen Tötungen und Luftangriffen. Dies deutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Wardak

In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt (Tolonews 23.11.2017; vgl. Xinhua 18.3.2018, Tolonews 18.3.2018, Tolonews 22.11.2017, Tolonews 1.7.2017 Pajhwok 19.5.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Xinhua 18.3.2018; vgl. Tolonews 18.3.2018, Tolonews 23.11.2017). Bei diesen Operationen werden unter anderem auch Führer von regierungsfeindlichen Gruppierungen getötet (Xinhua 14.1.2018; vgl. Khaama Press 23.11.2017, Tolonews 1.7.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt; bei diesen werden auch Aufständische getötet (Independent 24.11.2017; vgl. Khaama Press 12.8.2017, Pajhwok 10.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (Pajhwok 3.3.2018; vgl. Tolonews 7.11.2017, Tolonews 11.7.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Wardak

Regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv (Khaama Press 11.3.2018). Dazu zählen u. a. die Taliban (Tolonews 18.2.2018; vgl. Xinhua 14.1.2018, Khaama Press 9.12.2017); Quellen zufolge hat das Haqqani-Netzwerk in einem Teil der Provinz Wardak eine Zentrale gehabt (ATN 23.11.2017; vgl. Tolonews 23.11.2017, Khaama Press 23.11.2017, SP 13.3.2018, UW 3.2012). Das Haqqani-Netzwerk operiert großteils in Ostafghanistan und der Hauptstadt Kabul (Xinhua 18.3.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017-31.1.2018 wurden keine IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet (ACLED 23.2.2018).

Provinz Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

Provinz Herat mit der Hauptstadt Herat-Stadt

Auch bei Herat-Stadt handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand.

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans, liegt im Westen des Landes und grenzt an den Iran.

In der Provinz leben auch tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen (abgelegenen) Distrikten der Provinz aktiv. In der Provinz werden militärische Operationen inklusive Luftangriffe durchgeführt. Es finde auch Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen statt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Sichere Erreichbarkeit

Die Städte Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

Die Stadt Herat ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Herat liegt südlich der Stadt im Bezirk Guzara. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Herat ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. In Mazar- e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, ist eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden. Herat nimmt eine Vorreiterrolle in der Safran-Produktion ein, die mit nationaler und internationaler Unterstützung eine Alternative zum Mohnanbau werden soll. Darüber hinaus wurde im Dezember 2017 mit Usbekistan ein Abkommen über den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat unterzeichnet. Mitte März 2018 wurde mit dem Bau der TAPI-Leitung (internationale Pipeline zur Versorgung mit turkmenischem Erdgas) in Afghanistan begonnen.

In Herat-Stadt besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. In Herat haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Herat vorhanden.

Den Berichten ist trotz der im Umland bis vor kurzem herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt zu entnehmen.

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014. Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil. Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen.

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an. Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten. Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken. Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt.

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten.

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind. Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen. Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen. Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt.

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif. Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung.

1.5.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif und Herat sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

1.5.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, davon zwischen 10-15 % Schiiten.

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.

1.5.7. Rückkehrer

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück.

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer allein aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Angaben zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf seinen Angaben in der ersten mündlichen Verhandlung, die er im weiteren Verfahren nicht revidiert hat.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben im Einleitungssatz dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager, unplausibler und teilweise widersprüchlicher Angaben als unglaubhaft. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers noch, da er auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, sein Vorbringen hinreichend zu konkretisieren.

Aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die vom Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegebenen Gründe für das Verlassen des Irans nicht relevant für die Möglichkeit der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Afghanistan sind und sich eine Auseinandersetzung mit diesen im gegenständlichen Verfahren daher erübrigt.

Der Beschwerdeführer brachte sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch bei der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA vor, dass seine Familie Afghanistan einerseits wegen des Krieges und andererseits wegen einer Feindschaft mit dem Onkel des Beschwerdeführers aufgrund von Erbschaftsstreitigkeiten verlassen habe. Zudem brachte er im Laufe des Verfahrens (insb. in der Beschwerde) vor, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan als schiitischer Hazara bzw. wegen seiner westlichen Lebenseinstellung und seiner Abwendung vom Islam einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre.

Betreffend die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung durch seinen Onkel ist anzuführen, dass er nicht in der Lage war, diesen Fluchtgrund hinreichend zu konkretisieren. Bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, gab er an, dass er lediglich von seinem Vater erfahren habe, dass der Onkel ihr Feind sei, da es Grundstücksstreitigkeiten gegeben habe (Einvernahmeprotokoll BFA S. 7). Bis auf diese knappe Information konnte der Beschwerdeführer jedoch nichts zu dieser Problematik angeben. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte er keine Konkretisierung dieses Fluchtgrundes vornehmen, sondern meinte lediglich, dass der Konflikt noch nicht gelöst sei und er daher als ältester Sohn seines Vaters gefährdet sei (Verhandlungsprotokoll erste VH S.10). Jedoch ist gerade aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer so wenig über den Konflikt zwischen seinem verstorbenen Vater und seinem Onkel Bescheid weiß, nicht davon auszugehen, dass eine Gefährdung des Beschwerdeführers durch seinen Onkel gegeben ist. Würde die Familie von einer Gefährdung des Beschwerdeführers ausgehen, so wäre anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nähere Informationen über den Konflikt zwischen seinem Vater und seinem Onkel hätte und gegebenfalls auch im Iran Vorsichtsmaßnahmen ergriffen worden wären. Im Übrigen brachte der Beschwerdeführer auch nicht vor, dass er als Erbe seines Vaters Anspruch auf die allenfalls umstrittenen Grundstücke erheben würde, weshalb ebenfalls nicht davon auszugehen ist, dass ihn sein Onkel ohne Weiteres verfolgen würde. Zudem liegt der allfällige Konflikt schon viele Jahre zurück und die Familie des Beschwerdeführers hat bisher unbehelligt im Iran gelebt (Verhandlungsprotokoll erste VH S. 11). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dies lediglich dem Bestehen einer stabilen Staatsgewalt im Iran zu verdanken sei (Verhandlungsprotokoll erste VH S. 11), ist keine hinreichende Erklärung dafür, dass der Onkel nicht einmal versucht hat, Kontakt aufzunehmen. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Onkel kein Interesse an der Familie des Beschwerdeführers mehr hatte, da diese ihre allfälligen Ansprüche auf die Grundstücke durch das Verlassen des Landes aus Sicht des Onkels ohnehin aufgegeben hat. Außerdem waren die Erklärungen des Beschwerdeführers, wie sein Onkel im Falle seiner Rückkehr erfahren solle, dass er sich wieder in Afghanistan aufhält, nicht überzeugend. Es erscheint nämlich sehr unwahrscheinlich, dass der Onkel den Beschwerdeführer, den er im Kindesalter zum letzten Mal gesehen hat, im Zuge der Berichterstattung über zurückkehrende Afghanen auf einem Foto erkennen würde (Verhandlungsprotokoll erste VH S. 11) und in weiterer Folge sogar noch seinen Aufenthaltsort ermitteln könnte.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch seinen Onkel drohen.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Auch vom Beschwerdeführer wurde keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde unter anderem vor, dass er zu den Personen zähle, die vermeintlich Werte oder ein Erscheinungsbild angenommen hätten, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden würden, welche nach den UNHCR-Richtlinien als "verwestlicht wahrgenommene" Personen ein sogenanntes potentielles Risikoprofil haben würden, und er deshalb von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen werden würde. Dazu ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer erst seit XXXX in Österreich aufhält und aufgrund der Kürze dieses Aufenthalts in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht davon ausgegangen wird, dass der Beschwerdeführer eine "westliche Lebenseinstellung" in einer solchen Weise angenommen hätte, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem ist es auch seiner Vertretung darüber hinaus weder in der Beschwerde noch in den eingebrachten Stellungnahmen gelungen, eine derartige Verfolgung im Einzelfall glaubhaft zu machen, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen war.

Der Beschwerdeführer selbst brachte in der mündlichen Verhandlung dazu lediglich vor, dass er seit er in Österreich ist, an wichtigen Feierlichkeiten nicht teilnehme und auch nicht bete und faste (Verhandlungsprotokoll erste VH S. 10 und 12). Auch dieses Vorbringen war nicht geeignet eine asylrelevante Verfolgung im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland darzutun. Der Beschwerdeführer vermochte nicht glaubhaft darzulegen, dass er zum Islam eine solche Haltung einnimmt oder sich im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner inneren Überzeugung so verhalten würde, dass ihm ein Abfall vom islamischen Glauben unterstellt werden könnte. Er gab zwar an, viele Regeln des Islam nicht mehr zu befolgen, jedoch war aus seinen Angaben betreffend seinen Glauben keine besonders kritische Haltung gegenüber dem Islam erkennbar. Er gab vielmehr sowohl in der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme vor dem BFA an, sich zum schiitischen Islam zu bekennen (Einvernahmeprotokoll S. 10). Auch in der Beschwerde wurde nicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen sei. Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar bereits im Kindesalter Afghanistan verlassen hat, aber sich seitdem im Iran, einem laut Angaben des Beschwerdeführers ebenso muslimisch geprägten Land (Verhandlungsprotokoll erste VH S. 10), ohne Probleme aufgehalten hat. Es ist also nicht zu erwarten, dass sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Einstellung gegenüber dem Islam in einer Weise verhalten würde, die zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde.

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde, in den Stellungnahmen seiner Vertretung zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Maidan Wardak, in der regierungsfeindliche Gruppierungen nach wie vor sehr aktiv sind, zu den v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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