TE Vfgh Beschluss 1996/11/25 A12/96

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Veröffentlicht am 25.11.1996
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
B-VG Art129a Abs1 Z2
FremdenG §79 Abs1

Leitsatz

Keine Zulässigkeit einer Klage auf Ausfolgung eines von der Behörde für die Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes sowie der Schubhaft einbehaltenen Barbetrages infolge Möglichkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges durch Einbringung einer Berufung oder einer Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger, den Bund (Bundesminister für Inneres) zur Ausfolgung von US $ 1.000,-- sA sowie den Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zu verurteilen. Begründet wird dieses Begehren damit, die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf habe den genannten Betrag ohne Rechtstitel am 6. Oktober 1995 aus dem Besitz des Klägers anläßlich seiner Inschubhaftnahme nach Umgehung der Grenzkontrolle und illegaler Einreise ins Bundesgebiet einbehalten und ihm darüber eine Bestätigung ausgestellt. Die beklagte Partei habe den Betrag nicht zurückgestellt, obgleich sie der Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 1996 dazu aufgefordert und zugleich auf ein "Grundsatzerkenntnis des UVS-Burgenland vom 04.07.1996 in einem identen Falle" hingewiesen habe. Die dem Kläger ausgestellte Bestätigung betreffe keine Verwahrung von Effekten nach den Bestimmungen der Polizeigefangenenhaus-Hausordnung, da der Betrag "zur Abdeckung von Kosten" einbehalten worden sei. Es liege weder ein Sicherheitserlag iSd. §37 VStG noch ein Kostenvorschuß nach §76 Abs4 AVG vor; die Kosten eines fremdenrechtlichen Verfahrens könnten nämlich "schon definitionsgemäß nicht zu Beginn desselben" feststehen, sondern seien gemäß §79 Abs1 Fremdengesetz in einem ordnungsgemäßen Verfahren dem Kläger als Verpflichtetem vorzuschreiben, zumal sie gemäß §11 der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (BGBl. 121/1995) ua. nach Tagsätzen zu berechnen seien. Die Bestätigung sei daher vielmehr als bloßer Aktenvermerk über eine beschlagnahmeähnliche Geldabnahme anzusehen. Abschließend führt der Kläger aus:

"Die verfahrenslose Einbehaltung von Geldbeträgen ohne gesetzliche Deckung stellte sich als faktische Maßnahme iS der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.

Der Kläger erhob dagegen keine Beschwerde an den UVS, da ihm eine solche Möglichkeit der Beschwerdeerhebung nicht mitgeteilt wurde. Eine Beschwerde an den UVS gemäß Art129a Abs1 Zif 2 B-VG wäre auch mittlerweilen verfristet.

Es lag ein verfahrensfreier Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch Organe der beklagten Partei vor, weil eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für ihre Vorgehensweise fehlte."

2. Das dem Kläger über die Einbehaltung von US $ 1.000,-

ausgehändigte Schriftstück hat folgenden Wortlaut:

"Zahl: ..... Oberpullendorf, am 6.10.1995

Betr.: Kostenersatz

Gemäß §79 Abs1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, sind Kosten, die der Behörde oder dem Bund bei der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes oder der Ausweisung entstehen, sowie die Kosten der Vollziehung der Schubhaft von dem Fremden zu ersetzen.

Gegen Herrn M H wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung sowie ein Ausweisungsbescheid erlassen. Es sind daher Kosten entstanden, die vom Fremden zu tragen sind.

Herr    M H             besitzt derzeit Barmittel in der Höhe von

     US 1.100,--        , davon werden seitens der Behörde

     US 1.000,--        zur Abdeckung der Kosten einbehalten.

Der Bezirkshauptmann

                                       i.A. ............"

II.                                    Die Klage ist nicht

zulässig:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Art137 B-VG enthält demnach für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften eine suppletorische Zuständigkeitsanordnung, hat aber nicht den Sinn, neben bereits bestehenden Zuständigkeiten eine konkurrierende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes einzuführen oder jene abzuändern (s. VfSlg. 11395/1987).

2. Daß es sich im vorliegenden Falle um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist augenscheinlich (vgl. VfGH 30.6.1995, A6/94). Es liegen jedoch nicht die weiteren durch Art137 B-VG geforderten Voraussetzungen vor:

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, ist - sofern nichts anderes angeordnet ist - die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche nicht gegeben, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (vgl. VfSlg. 5386/1966, 6093/1969, 8065/1977, 8666/1979, 11180/1986). Nichts anderes gilt für die Verweigerung der Rückstellung zu Unrecht beschlagnahmter Sachen. Der hier geltend gemachte Anspruch wurzelt zwar im öffentlichen Recht, da er durch das Tätigwerden einer Verwaltungsbehörde in Ausübung hoheitlicher Funktionen ausgelöst wurde. Doch eröffnet(e) - wie in der Klagsschrift selbst eingeräumt wird - die Rechtsordnung dem Kläger die Möglichkeit, den begehrten Betrag im Verwaltungswege einzufordern.

Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob das unter Pkt. I.2. wiedergegebene Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 6. Oktober 1995 als Bescheid zu qualifizieren ist oder nicht. Kommt ihm Bescheidcharakter zu, so hätte der Kläger dagegen Berufung erheben können (§79 Abs1 iVm. §70 Abs1 FremdenG). Ist es hingegen als bloße Bestätigung über eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl. VfSlg. 8131/1977, 11650/1988), so hätte der Kläger den Weg der Beschwerdeerhebung gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG beschreiten können.

Der Verfassungsgerichtshof ist sohin nicht zuständig, über den - im Verwaltungsweg geltend zu machenden - Anspruch auf Ausfolgung von US $ 1.000,-- sA zu entscheiden. Daran ändert freilich nichts, daß der Kläger infolge Fristversäumnis die aufgezeigten Möglichkeiten nicht mehr wahrnehmen kann.

3. Die Klagsführung ist somit unzulässig.

III. Dies konnte gemäß §19

Abs3 Z2 lita und §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Fremdenrecht, Liquidierungsklage, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:A12.1996

Dokumentnummer

JFT_10038875_96A00012_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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