Entscheidungsdatum
25.07.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2157531-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.06.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger Staatsbürger Afghanistans, gelangte am 02.10.2015 nach irregulärem Grenzübertritt nach Österreich und stellte am 03.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. An diesem Tag wurde er auch durch die XXXX einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Hazara und Schiit sei und dass deswegen sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei, er habe Angst getötet zu werden.
In Folge der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers gab der zuständigen Jugendwohlfahrtsträger die Vertretung des Beschwerdeführers an namentlich genannten Mitarbeiter der XXXX weiter, welche auch ein A1 Diplom vorlegten.
Am 29.03.2017 erfolgte eine Einvernahme des Antragstellers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark. Eingangs der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Deutschzertifikate A2 und B1 sowie Schulbesuchsbestätigungen der Lehrübergangs- bzw. Vorbereitungsklassen des XXXX und weiters sechs Empfehlungsschreiben vor. Der Beschwerdeführer gab an gesund zu sein, er habe in Afghanistan eine Tazkira gehabt, diese sei jedoch im Iran verloren gegangen, einen Reisepass habe er nie gehabt. Er sei XXXX in der Ortschaft XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren, sei afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und schiitischer Moslem. In Afghanistan habe er acht Jahre lang die Schule besucht. Derzeit bereite er sich in Österreich auf den Pflichtschulabschluss vor. In Afghanistan habe er seinem Vater in der eigenen Landwirtschaft geholfen, er hätte jedoch gemeinsam mit seinem Vater nach Ende des Schulbesuchs Afghanistan verlassen und habe sich ein Jahr im Iran aufgehalten. Die iranische Polizei hätte sie jedoch nach Afghanistan abgeschoben. Sie hätten wieder nach Hause zurückkehren wollen, aber sein Vater habe das nicht geschafft, sie seien in einem Minibus in Richtung Ghazni unterwegs gewesen, er sei erschöpft und müde gewesen, beim Aufwachen habe er gesehen, dass sein Vater nicht mehr da sei. Ein älterer Tadschike habe ihm gesagt, dass sein Vater und andere Businsassen von bewaffneten Leuten entführt worden seien. Er habe dann eine Anzeige bei der Polizei gemacht und auch seiner Mutter von der Entführung seines Vaters erzählt. Sie sei traurig und verärgert gewesen, weil sie sich nicht früher gemeldet hätten. Er sei dann nicht zu seiner Mutter nach Hause gegangen, diese habe ihn gewarnt, dass die Feinde seines Vaters hinter ihm her seien. Sein Vater habe gemeinsam mit seinem Cousin in XXXX ein Lebensmittelgeschäft gehabt. Sein Cousin habe einen Dieb erwischt und diesen vor dem Geschäft erschossen. Der Schwager seines Onkels sei der Vorsitzende der XXXX in der Ortschaft gewesen. Dieser habe der Familie des Toten Geld gegeben und seien sein Vater sein Onkel und der Cousin seines Vaters deswegen freigekommen. Sein Cousin sei dann nach Australien ausgewandert, nunmehr sei aber der Sohn des getöteten Diebes bei den afghanischen Sicherheitskräften und habe durch Bestechung seinen Aufenthalt herausgefunden, er wolle sich an ihm rächen. Seine Mutter habe ihn daher gewarnt nicht nach XXXX zu kommen, sondern sei er dann nach Kandahar gegangen. Er sei dann mit anderen Leuten wieder zurück in den Iran. Nach der Abschiebung habe er sich nur ca. eine Woche in Afghanistan aufgehalten. Anschließen sei er sechs Monate im Iran und zwar in Isfahan gewesen. Es sei zu Kontrollen illegaler afghanischer Arbeiter gekommen, sie seien aber nicht erwischt worden und habe er Angst vor Abschiebung gehabt, er sei dann nach Europa ausgereist. Das Geld für die Reise habe er von seiner Arbeit und die Arbeit seines Vaters im Iran gehabt, sein Vater sei aber bis dato verschollen. Er habe wegen des Sohnes des Getöteten nicht mehr in Afghanistan gelebt. Er habe aber von diesen Vorgängen erst durch seine Mutter nach der Rückschiebung nach Afghanistan erfahren und gehört, dass dieser ihn töten wolle. Er habe auch gehört, dass dieser bei der Polizei oder beim Militär sei, weitere Fluchtgründe habe er nicht.
Er habe niemanden mehr in Afghanistan, seine Mutter und seine Geschwister seien mit seinem Onkel mütterlicherseits vor ca. vier Monaten in den Iran gegangen. In Afghanistan habe er nur mehr drei Tanten, aber zu diesen keinen Kontakt, Verwandte in Österreich habe er aber auch nicht. Mit seiner Mutter habe er einmal in der Woche telefonischen Kontakt, er habe auch zwei jüngere Brüder und eine jüngere Schwester.
Derzeit besuche er die Schule und möchte Mitglied eines Fußballvereines werden. Abschließend betonte der Beschwerdeführer, dass alle seine Verwandten Afghanistan verlassen hätten. Beide seiner Onkel hätten Aufenthaltsberechtigungen für den Iran, seine Mutter und seine Geschwister jedoch nicht. Er sei sehr besorgt um sie. In Afghanistan befürchte er eine Zwangsrekrutierung für den Djihad.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark vom 28.04.2017, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, sowie unter Spruchteil IV. eine Frist von zwei Woche für die freiwillige Ausreise gewährt.
In der Begründung der Entscheidung wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt, sämtliche Beweismittel aufgelistet und Feststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller keine Identitätsdokumente habe vorlegen können, aber die Staatsangehörigkeit, das Religionsbekenntnis und die Volksgruppenzugehörigkeit festgestellt werde. Beweiswürdigend wurde insbesondere dargelegt, dass der Antragsteller bei der Erstbefragung andere Fluchtgründe, nämlich nur allgemeine Gründe der Hazara genannt habe. Hinsichtlich des beim BFA genannten Vorfalls sei festzuhalten, dass sich sein gesamtes Wissen über den Sohn des Getöteten auf Mitteilungen seiner Mutter stütze und es in Afghanistan kein Meldewesen gebe und es nahezu unmöglich scheine, dass der Sohn des vor lange Zeit getöteten Diebes den Beschwerdeführer finden könne.
Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde hervorgehoben, dass der Antragssteller eine gegen seine Person konkret gerichtete Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu seiner bestimmten sozialen Gruppe nicht glaubhaft habe machen können und die im Heimatstaat allgemein herrschenden politischen wie sozialen Verhältnisse die Asylgewährung nicht tragen könnten, da diesen allgemeinen Gegebenheiten grundsätzlich alle Einwohner der betreffenden Region gleichermaßen ausgesetzt wären. Der Asylwerber gehöre als Hazara zwar einer ethnischen Minderheit an, die während der Taliban Herrschaft besonders verfolgt worden sei, zwischenzeitig reiche die Zugehörigkeit zu dieser Minderheit aber nicht aus, um alleine daraus die Flüchtlingseigenschaft ableiten zu können. Auch aus der schlechten allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Sicherheitslage in Afghanistan sei eine solche nicht ableitbar.
Zu Spruchteil II. wurde ausgeführt, dass das Bundesamt die Auffassung vertrete, dass sich für den Antragsteller gegenwärtig kein Abschiebungshindernis in den Herkunftsstaat ergebe, weil er eine landesweite allgemeine extreme Gefahrenlage, in der jeder Antragssteller im Falle seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werde würde, nicht gegeben sei. Es seien keine Umstände ersichtlich, dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr nicht sein existenzgesichertes Leben in Afghanistan wiederaufnehmen könne und sei auch eine inländische Fluchtalternative insbesondere in Kabul zulässig.
Zu Spruchteil III. wurde zunächst ausgeführt, dass zunächst keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte bestünden. Hinsichtlich seines Privatlebens sei anzumerken, dass der Aufenthalt in Relation zu seinem Lebensalter jedenfalls zu kurz sei, um eine besondere Schutzwürdigkeit des Privatlebens daraus abzuleiten. Der Antragsteller habe den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht und auch dort die Schule besucht. Eine Rückkehrentscheidung sei nach Abwägung aller berührten Interessen daher zulässig. Es liege im vorliegen Fall auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vor und stünde einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen, sodass eine solche als zulässig zu bezeichnen sei. Gründe für eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Rückkehr werden ebenfalls nicht hervorgekommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, damals vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, fristgerecht gegen alle Spruchpunkte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde (gerafft) das bisherige Vorbringen wiederholt und hinsichtlich der Beweiswürdigung darauf hingewiesen, dass die Erstbefragung gesetzlich dazu nicht gedacht sei, die Fluchtgründe des Asylwerbers erschöpfend darzustellen. Die Behörde habe keinerlei Ermittlungen hinsichtlich einer subsidiären Schutzberechtigung angestellt. Der Antragsteller sei jederzeit stets bemüht gewesen bei der Wahrheitsfindung zu helfen, habe auch auf Nachfrage detailliert und konkret zu den Asylgründen Stellung genommen. Die Behörde sei aber ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen und wäre der Asylwerber gerne bereit gewesen bei einer Einvernahme oder ergänzenden Befragung weitere Fragen zu beantworten. Es werde daher beantragt, eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht anzuraumen, damit es sich dieses einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers machen könne. In rechtlicher Hinsicht wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukomme könne, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden, was in Afghanistan der Fall sei.
Mit Schriftsatz vom 28.07.2017 gab Rechtsanwalt XXXX die Vertretung des Beschwerdeführers bekannt und erstattete eine Beschwerdeergänzung:
In Zusammenschau mit der gegenwärtigen Situation in Afghanistan und der dazu ergangenen Judikatur sei es nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde davon ausgehe, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Andererseits habe jedoch die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verwicklung seines Vaters in die Tötung eines Diebes im festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt. Da die Behörde jedoch davon ausgehe, dass die vorgebrachten Flucht- und Asylgründe nur strafrechtlich beurteilt werden könnten, habe sie den Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt. Der Beschwerdeführer werde ausschließlich aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft zu seinem Vater vom Sohn des Diebes verfolgt und gehöre daher der sozialen Gruppe der Familie an, aber es sei auch zu berücksichtigen, dass der afghanische Staat derzeit nicht in der Lage sei, seine Bürger im gesamten Staatsgebiet vor privater Verfolgung zu beschützen. Bei der Beweiswürdigung der Aussagen des Beschwerdeführers müsse auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Flucht aus Afghanistan gerade einmal 15 Jahre alt gewesen sei, der Beschwerdeführer wäre im Falle einer zwangsweisen Ausweisung nach Kabul völlig auf sich allein gestellt und könnten auch seine in Afghanistan verbliebenen Familienmitglieder ihn nicht erhalten, zumal seine Mutter sich um die minderjährigen Geschwister des Beschwerdeführers kümmern müsse. Der Beschwerdeführer würde daher in eine dem Art 3 EMRK widersprechende Lage geraten und wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten beantragt.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 12.06.2019 an. Die belangte Behörde ließ sich für die Nichtteilnahme entschuldigen, der Beschwerdeführer erschien in Begleitung eines Mitarbeiters eines ausgewiesenen Vertreters, dieser beantrage die Einvernahme des Zeugen XXXX zum Beweise der guten Integration des Beschwerdeführers und legte Unterstützungsschreiben der XXXX und des XXXX , der XXXX , des XXXX und der XXXX sowie ein Schreiben der XXXX , einen Lehrvertrag für den Lehrberuf Koch samt Lohn- und Gehaltsabrechnung, ein Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX , einen Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung sowie eine Bescheinigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vor.
Der Beschwerdeführer hielt die Beschwerde und das bisherige Vorbringen aufrecht, wollte jedoch anmerken, dass einige Stellen nicht richtig übersetzt bzw. protokolliert worden seien: So habe er bei der Erstbefragung nicht die Möglichkeit bekommen, seine Fluchtgründe ausführlich zu schildern. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS 33) die später ins Zentrum seines Fluchtvorbringens gerückte Blutrachesache mit keinem Wort erwähnt habe, sondern sich ausschließlich auf allgemeine Probleme der Hazara und Schiiten bezogen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er lediglich gefragt worden sei, welcher Volksgruppe er angehöre und ob er deswegen Probleme gehabt habe, was er bejaht habe. Die Erstbefragung sei sehr bald zu Ende gewesen.
Er sei afghanischer Staatsangehöriger und habe eine Tazkira besessen. Im Zuge der Rückschiebung vom Iran nach Afghanistan sei im alles abgenommen worden. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und ohne Bekenntnis, früher sei er schiitischer Moslem gewesen. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er sein Geburtsdatum nicht gewusst, in Afghanistan sei das nicht so wichtig. Seine Mutter habe ihm über Nachfrage auch kein genaues Datum angeben können, aber ungefähr angeben können, nach der Erntezeit des Getreides, was in der gregorianischen Zeitrechnung umgerechnet den XXXX das Geburtsdatum ergibt. Er sei im Dorf XXXX Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni geboren. Er habe auch dort gelebt, er habe ein Jahr mit seinem Vater gemeinsam im Iran gelebt, dann sei er zurückgeschoben worden, später habe er nochmals ca. sechs Monate im Iran verbracht. Zwischen den beiden Iran Aufenthalten habe er ca. eine Woche bis zehn Tage in Afghanistan verbracht.
Er habe acht Jahre eine normale Schule besucht, die Familie habe von der Landwirtschaft gelebt, sie hätten Getreide und Mais angebaut. Er habe schon im siebenten oder achten Lebensjahr begonnen in der Landwirtschaft mitzuhelfen, wirtschaftliche Probleme hätten sie dort nicht gehabt. Über den Verbleib seines Vaters wisse er seit sechs Jahren nichts mehr, seine Mutter, seine Schwester und seine beiden Brüder würden sich in Isfahan im Iran aufhalten. Mütterlicherseits stamme er aus einer streng religiösen traditionsverbundenen Familie, väterlicherseits nein. In Afghanistan sei er dazu gedrängt worden, die schiitische Religion auszuüben und die Gebote des Islam einzuhalten. Er habe das aber nicht aus innerlichen Überzeugung getan, er habe schon in Afghanistan Zweifel am Islam gehabt. Er habe mitbekommen, dass junge Burschen täglich von den Taliban im Namen des Islam verschleppt worden seien, es gebe auch nur minimale Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten, er habe nicht verstanden, warum man jeden Tag dieselben Suren aufsagen müsse, um Gott anzubeten. Er selbst habe mit staatlichen Behördenorganen keine Probleme gehabt. Gefragt, ob er in Afghanistan Probleme mit den Taliban dem IS oder anderen bewaffneten Gruppierungen gehabt habe, gab er an, dass sein Problem darin bestehe, dass sein Vater gemeinsam mit anderen Personen aus einem Fahrzeug durch die Taliban verschleppt worden seien, die Taliban hätten aber nicht versucht ihn zwangsweise zu rekrutieren.Da er in einem Minibus geschlafen habe, habe er selbst nicht mitgehört, wie sein Vater einem Tadschiken gesagt habe, er solle ihn für seinen Sohn ausgeben. Dieser Mann habe ihm das erst nachträglich erzählt. Persönlich sei er auch aufgrund seiner Volksgruppenzughörigkeit und der Religion in Afghanistan nicht diskriminiert worden. Er habe aber Probleme mit Privatpersonen gehabt. Gefragt, unter welchen Umständen sein Vater verschwunden sei, gab er an, dass iranische Polizisten seinen Vater und ihn über die afghanische Grenze zurückgeschoben hätten und sie die Absicht gehabt hätten nach XXXX nach Hause zu fahren. Sie seien ungefähr 25 Personen gewesen, im Fahrzeug seien ungefähr fünf oder sechs Hazara gewesen, die restlichen seien Paschtunen und Tadschiken gewesen. Es sei im Winter vor Einbruch der Dunkelheit gewesen, sie seien übermüdet gewesen auch von dem Aufgriff, sie hätten ihnen nichts zu essen gegeben und seien sie in Schubhaft gewesen. Er sei eingeschlafen und zu dem Vorfall sei es in der Provinz Zabul in der Ortschaft XXXX gekommen. Das Fahrzeug sei angehalten worden, was dann vorgefallen sei, habe er nicht mitbekommen, das habe er später erfahren. Er sei erst in dem Moment aufgewacht, als ein maskierter bewaffneter Mann den Fahrer aufgefordert habe, weiterzufahren. Er sei unter Schock gestanden und habe nicht gewusst, was mit seinem Vater geschehen sein. Sie seien dann mit einem Taxi weiter Richtung XXXX gefahren. Jener Tadschike, der ihn begleitet habe, habe ihn aufgefordert auf die Polizeistation zu gehen und das Vorgefallenen zu schildern. Die Taliban hätten das Fahrzeug angehalten, seinen dann eingestiegen und hätten die Hazara nach ihrem Erscheinungsbild sofort identifiziert. Über Vorhalt, dass auch wenn er stark übermüdet gewesen sei, nicht anzunehmen sei, dass die Taliban bei dem Anhalten des Fahrzeuges und der nachfolgenden Personenkontrolle besonders leise und vorsichtig vorgegangen seien, sodass er von den Vorgängen nichts mitbekommen habe, gab er an, dass er übermüdet und schlaflos gewesen sei und sie die Personenüberprüfung schnell durchgeführt hätten, da die Gefahr bestanden hätte, dass sie von der Polizei aufgegriffen worden seien. Er sei deswegen als Hazara nicht gleich aufgefallen, weil er einen Schal über seinen Kopf und Hals geschlungen hätte, außerdem habe der Tadschike behauptet, dass er sein Sohn sei. Über seinen Vater habe er in der Zwischenzeit nichts gehört.
Gefragt nach dem unmittelbaren Anlass der Ausreise gab er an, dass er auf der Polizeistation seine Mutter angerufen habe und diese ihm gesagt habe, dass sie seit zwei Wochen versucht habe Kontakt aufzunehmen Er habe ihr mitgeteilt, dass sein Vater von den Taliban verschleppt worden sei. Seine Mutter habe ihm gesagt, er solle keinesfalls nach Hause zurückkehren, denn der Sohn des getöteten Diebes sei nach Hause gekommen und habe seinen Vater und die Familie gesucht, es sei ihr auch gesagt worden, dass er die gesamte Familie verfolge. Der Mann habe auch gesagt, dass er sie solange festhalten werde, bis sie ihren Ehemann kontaktiert habe. Nachdem seine Mutter lauter geworden sei, seien die Ältesten aus der Gegend aufmerksam geworden. Der Mann habe gesagt, dass er gekommen sei, um das Blut seines Vaters zu rächen, diese hätten dann gesagt, er möge die Person, die dafür verantwortlich sei, zur Rechenschaft zu ziehen und nicht eine Frau. Sie seien abgezogen, nachdem sie geschworen hätten, dass sie nicht von einer Verfolgung ablassen würden. Gefragt, was der Beschwerdeführer über den Vorfall, bei dem ein Dieb getötet worden sei, wisse, gab er an, dass dies ein Geheimnis in seiner Familie gewesen sei, bis zu jenem Zeitpunkt als die Mutter ihn angerufen habe. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass er bei der Tötung des Diebes noch nicht auf der Welt gewesen sei. In jener Nacht habe der Cousin seines Vaters Stimmen und Geräusche war genommen, die Person sei in das Geschäft eingedrungen und der Cousin seines Vaters habe auf ihn geschossen, nicht sein Vater. Der Dieb sei getötet worden, sein Vater sei daran nicht beteiligt gewesen. Gefragt, warum seine Nachkommen 15 Jahre lang nichts dergleichen unternommen habe, gab er an, dass über XXXX , welcher Kommandant gewesen sei, Geld an die Familie des Getöteten gezahlt worden sei. Dieser XXXX sei ein weitschichtiger Verwandter bzw. Verschwägerter seines Vaters. Gefragt, wie es den Verfolgern gelungen sei, den Aufenthalt seiner Mutter ausfindig zu machen, zumal es in Afghanistan kein Meldewesen gebe, gab er an, dass sie ihren Wohnort nicht gewechselt hätten. Als er auf der Polizeistation gewesen sei, habe er Angst davor gehabt, dass die Polizei direkte Verbindungen zu diesem Mann haben könnte und diese vielleicht ein Polizist sein könnte. Er sei dann weggelaufen, nach Kandahar weitergereist und wieder in den Iran ausgereist und dann mit Schlepperhilfe Richtung Europa. Seine Mutter sei mit seinen Geschwistern seit ca. 2 1/2 Jahren in Isfahan aufhältig. Als sie in Kandahar gewesen sei, habe er nochmals mit seiner Mutter gesprochen und habe diese ihm gesagt, dass sie die Grundstücke mit seinem Onkel mütterlicherseits verkauft hätte und über Nacht heimlich nach Kabul gefahren sei. Sie hätte sich dort ein Jahr und sieben bis acht Monate aufgehalten und habe dort heimlich gelebt. Er habe ca. einmal in der Woche Kontakt mit seiner Mutter und den Geschwistern. Ihre Lage sei nicht besonders gut, weil sie keinen Aufenthaltstitel hätten. Er habe zahlreiche Verwandte, die im Iran leben würden, manche hätten auch einen Aufenthaltstitel, aber in Afghanistan habe er zu niemandem mehr Kontakt, weder zu Verwandten noch zu Freunden.
Er sei sehr kerngesund. Gefragt, wie es dazu gekommen sei, dass er sich hier in Österreich vom Islam abgewendet habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er bevor er seine Befragung durch das BFA gehabt hätte, die Hoffnung gehabt habe, eine Nachricht oder ein Lebenszeichen von seinem Vater zu erhalten. Er habe dann aber eine negative Entscheidung erhalten und auch nichts über seinen Vater erfahren. Dann habe er sich entschieden, ein neues Leben anzufangen. Das was in diesem Minibus passiert sei, dass man seinen Vater als Hazara und Schiiten verschleppt habe, habe auch dazu beigetragen, dass er sich mehr vom Islam distanziert hätte. Er habe dann auch kein Interesse mehr an Verrichtung des Gebetes und am Fastenmonat gehabt. In Österreich habe er Kontakte zu christlichen Gruppierungen, die meisten seiner afghanischen Freunde seinen Christen, auch österreichische Bekannten seien Christen, er feiere auch christliche Feste gemeinsam mit der Familie XXXX und treffe sich seit März 2018 gelegentlich mit einem katholischen Pfarrer, diesem sei es aber auch nicht gelungen, ihn völlig zum Christentum zu überzeugen. Er leugne aber auch nicht gänzlich die Existenz Gottes, er sein kein Atheist, er glaube an die Existenz Gottes bzw. eine höhere Macht, die dafür zuständig sei, dass es die Erde, das Universum und uns gebe. Der Beschwerdeführer erwähnte in der Folge, dass im Koran angeführt sei, dass die heilige Maria existiere und Jesus keinen irdischen Vater habe, von einer anderen Macht geboren sei und Maria eine Jungfrau gewesen sei. Gefragt, ob die Christen und Moslems an den gleichen Gott glauben würden, gab er an, dass er glaube, dass es nur einen Gott gebe. Wenn er sich eines Tages zwischen den Islam und das Christentum entscheiden müsste, würde er sich für das Christentum entscheiden, weil es im Islam nur Gewalt und Blut gebe und für Männer und Frauen nicht die gleichen Rechte gelten würden. Über Vorhalt, dass die Moslems den Christen oft vorwerfen, dass sie wegen der Heiligen Dreifaltigkeit mehrere Götter anbeten würden, gab er an, dass das eine komplizierte Geschichte sei und er nicht wisse, was er sagen solle. Er gehe nicht regelmäßig in die Kirche nur manchmal, wenn er unglücklich sei. Er besuche auch manchmal die Messe z.B. bei großen Festen, er trinke auch Alkohol und esse Schweinefleisch. Der Kochlehrer in der Berufsschule habe gesagt, dass Alkohol beim Kochen bei etwa 87 ° Grad verdampfen würde. Gefragt, ob es Afghanen in Österreich gebe, die strenge Moslems seien und von seinem Abfall vom Islam wissen würden, gab er an, dass niemand ihm gegenüber einer Reaktion gezeigt habe, er vermute aber, dass auch in Afghanistan Leute schon von seinem Abfall vom Glauben erfahren hätten. Gefragt, was er dazu sage, dass er in Afghanistan die Religion und die Tradition fast alle Bereiche des Lebens bestimmen würde und es kaum möglich sei ein selbstbestimmtes Leben zu führen, gab er an, dass es in Afghanistan von der Tradition her so sei, dass man entweder strenger Sunnit oder Schiit sei. Wenn die Leute merken würden, dass sich jemand nicht daran halte, erzählten sie dies in der Moschee weiter und werde man schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, dass man in Europa gewesen sei und die dortigen Gepflogenheiten angenommen habe, man werde schnell als "ungläubig" bezeichnet und im Koran stehe, dass Personen die vom Glauben abgefallen seien, getötet werden sollten.
Er machte derzeit eine Kochlehre im Lokal XXXX , er sei schon im zweiten Lehrjahr. Er habe die Berufsschule für das erste Jahr positiv abgeschlossen, vorher habe er fünfeinhalb Monate in XXXX gelernt und habe im XXXX die Vorbereitungsklasse besucht, er habe ein Zeugnis der Übergangsklasse bekommen, aber den Pflichtschulabschluss habe er nicht formell gemacht. Die Deutschdiplome A1, A2 und B1 habe er erworben und er gehe oft am Vormittag ins Fitnessstudio, denn er arbeite am Nachmittag und am Abend. Er habe auch schon österreichische Freunde, die österreichischen Mädchen würden aber junge reiche Männer mit großen Autos bevorzugen, eine Patenfamilie habe er aber auch nicht. Nach der Lehrabschlussprüfung möchte er mit einem Partner ein eigenes Lokal eröffnen, z. B. eine Bar. Gefragt, was mit ihm geschehen würde, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, gab er an, dass er einen Feind dort habe und dieser nicht eine gewöhnliche Person sei. Laut den Erzählungen seiner Mutter sei er ein Kriminalbeamter, er habe die Möglichkeit auf verschiedenen Wegen, Menschen ausfindig zu machen, er könne ihn jederzeit dort finden und er würde mit Sicherheit den Tod seines Vaters rächen. Außerdem habe er keine Identität in Afghanistan. Eine neue Tazkira sich ausstellen zu lassen, müssten die Ältesten das bestätigen, er müsste dann zur Distriktverwaltung gehen, so müsste er sich zu seinem Feind begeben und davor habe er Angst. Er habe in Afghanistan keine Überlebenschance.
Ein anderes Thema sei seine Lebenseinstellung und die religiöse Haltung. Er würde gezwungen werden die afghanischen Traditionen und Gepflogenheiten dort auszuleben, er möchte das aber nicht. Er müsste aber in Afghanistan eine Frau heiraten, die traditionell eingestellt sei, sich nur im Haus aufzuhalten habe auch eine Tochter hätte kein Recht die Schule zu besuchen. Er selbst sei der Meinung, dass man, wenn man an einer Frau oder an einem Mann gefallen finde, es seine eigene persönliche Entscheidung sei. Es sei ein Akt der Unmenschlichkeit und auch nicht in der Religion vorgeschrieben, was in Afghanistan mit den Frauen gemacht werde. Die würden zwangsverheiratet und würden den Männern 72 Jungfrauen im Paradies versprochen, den Frauen aber nichts. Nach einer Rückkehr nach Afghanistan könnte er keineswegs ein Leben fernab der islamischen Religion führen. Als er seine Mutter im Jänner 2019 gesagt habe, dass er nicht mehr islamisch bete und das Fasten einhalte, dass er einen christlichen Unterricht besucht habe und die Absicht habe Christ zu werden, habe das seine Mutter in Unruhe versetzt und sei sie in Tränen ausgebrochen. Sie haben ihn gesagt, dass sie auf keinen Fall damit einverstanden sei, dass er Christ werden möchte. Daher wäre er dann zu dem Entschluss gekommen, dass er vorerst ohne Bekenntnis bleibe, er möchte das Leben, wie er es jetzt in Österreich lebe nicht aufgeben, er lebe wie seine Freunde hier in Österreich, trinke Alkohol und konsumiere Schweinefleisch, er möchte hier in Österreich ein friedvolles und sicheres Leben führen. Sein Herzenswunsch sei, dass in ganz Afghanistan Ruhe einkehre. Er habe bereits die Gründe genannt, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Er würde in Zukunft dafür sorgen, dass seine Nachkommen eine offene Denkweise pflegen.
In der Folge wurde der Zeuge XXXX nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe befragt. Er gab an, dass seine Frau Lehrerin am XXXX sein, derzeit sei sie jedoch in Karenz. Der Beschwerdeführer sei dort in die Übergangsklasse gekommen und so sei der Kontakt zwischen seiner Frau und ihm entstanden und in weiterer Folge habe auch er Kontakt zu dem Beschwerdeführer bekommen. Seine Frau sei ihm behilflich gewesen bei Amtswegen und habe mit ihm Deutsch gesprochen, um ihm so einen Einstieg in Österreich zu erleichtern. Sie hätten einander gut verstanden und sei es auch zu verschiedenen Aktivitäten wie Kino und Sport gekommen, sie seien auch in die Berge gegangen. Seine Frau und er würden aus der Gegend von XXXX kommen, sie würden jedoch jetzt in XXXX wohnen und sei sie jetzt vornehmlich mit dem zwei Wochen alten Baby beschäftigt. Sie hätten den Beschwerdeführer auch zur Hochzeit letztes Jahr eingeladen und die Geburt ihrer Tochter gefeiert. Sie hätten auch gemeinsam Weihnachten und Ostern gefeiert.
Der Beschwerdeführer habe schon früh gesagt, dass er mit dem Islam nicht viel anfangen könne. Es habe bei ihm auch die Behandlung der Frauen gestört und gebe er dem Islam die Schuld am derzeitigen Zustand Afghanistans. In der Folge habe er begonnen sich für das Christentum zu interessieren, sein Vater sei Religionslehrer und habe er den Kontakt zu ihm hergestellt. Der Beschwerdeführer habe auch mit unterschiedlichen Personen Gespräche über das Christentum geführt und habe der Zeuge niemals gesehen, wie der Beschwerdeführer den Islam praktiziert habe. Zum Christentum konvertiert sei er jedoch in der Zwischenzeit nicht.
Gefragt nach der Lebenseistellung des Beschwerdeführers gab der Zeuge an, dass der Beschwerdeführer für ihn ein Paradebeispiel dafür sei, wie sich jemand hier integrieren könne. Er habe eine geregelte Arbeit und super Deutschkenntnisse, ist höflich und zuvorkommend zu männlichen und weiblichen Personen. Er habe am Anfang kritisch betrachtet, wie der Beschwerdeführer mit seiner Frau umgehen werde, war aber sehr schnell beruhigt gewesen, dass er keinen Unterschied zwischen Mann und Frau mache. Der Beschwerdeführer habe eine eigene Wohnung, die er gemeinsam mit zwei Freunden bewohne und finanziere, mache Sport und gehe in Fitnesscenter. Der Beschwerdeführer habe auch noch zu anderen Österreichern Kontakt z. B. zu XXXX , der sei ein Bergführer, zur Familie seiner Frau habe er auch Kontakt, wo er im Sommer das Blumengießen übernommen haben, als sie auf Urlaub gewesen sei. Er habe bisher nur Positives über den Beschwerdeführer gehört. Über Befragen durch den Rechtsvertreter gab der Zeuge an, dass der Beschwerdeführer ein ganz "normaler" Jugendlicher sei, er gehe am Wochenende fort, manche Sport, rauche gelegentlich, gehe gerne einkaufen und sei immer gut gekleidet. Er unterscheide sich nicht in der Lebensführung von österreichischen Jugendlichen. Sie hätten sich ausgemacht bewusst zu Ostern und zu Weihnachten gemeinsam in die Kirche zu gehen, sie hätten ihn aber auch zufällig in der Kirche getroffen, z. B. bei einer XXXX um sechs Uhr in der Früh. Er glaube, dass der Beschwerdeführer aus tiefer Überzeugung vom islamischen Glauben abgefallen sei und sei das nachvollziehbar, wenn man seine Lebensgeschichte sich ansehe.
Über Vorhalt, dass im Strafregister eine Person mit gleichem Familiennamen, aber nur ähnlichem Vornamen und anderen Vornamen der Eltern aufscheine, welche nach § 27 SMG verurteilt worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Straftat begangen habe und kein Rauschgift konsumiert habe.
Am Schluss der Verhandlung wurde den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (soweit verfahrensrelevant) zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme (auch zum Verhandlungsergebnis) von drei Wochen eingeräumt.
Der Beschwerdeführer machte durch seinen ausgewiesenen Vertreter von dieser Möglichkeit Gebrauch. Dieser brachte vor, dass der Beschwerdeführer aus tiefer innerlicher Überzeugung vom islamischen Glauben abgefallen und kommuniziere dies auch nach außen und halte es keineswegs geheim. Er habe auch einen regelmäßigen Austausch mit einem katholischen Pfarrer. Es wurde in diesem Zusammenhang weiters auf aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes Bezug genommen, wo auch hervorginge, dass Personen, welche sich von islamischen Glauben abgewandt hätten, in Afghanistan verfolgt und mit dem Tode bedroht würden, was auch im Einklang mit den aktuellen UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender stehe. Dem Beschwerdeführer würde daher bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung im Sinne der GFK sowohl von staatlicher als auch von privater Seite drohen und sei im daher der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführe ist Staatsbürger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er war ursprünglich schiitischer Moslem und ist nunmehr ohne Bekenntnis. Er wurde im Jahr XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni geboren und hat dort auch den Großteil seines Lebens verbracht. Er war zweimal im Iran aufhältig, zuerst ein Jahr gemeinsam mit seinem Vater und dann sechs Monate allein. Unterbrochen sind diese beiden Iranaufenthalte durch eine ca. sieben bis zehn Tage dauernde Rückkehr nach Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat acht Jahre lang die Schule besucht und in der Landwirtschaft der Familie, welche Getreide und Mais angebaut hat, geholfen. Er hatte in Afghanistan keine wirtschaftlichen Probleme.
Er hatte schon in Afghanistan Zweifeln an Islam und war von diesem nicht innerlich überzeugt. Er stammt aber mütterlicherseits einer streng religiös schiitischen Familie. Der Beschwerdeführer hatte in Afghanistan weder persönlich Probleme mit staatlichen Behördenorganen noch mit bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban oder dem IS. Diese haben auch nicht versucht ihn zwangsweise zu rekrutieren. Er wurde auch nicht wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder (ehemaligen) Religion in Afghanistan diskriminiert. Das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Entführung seines Vater durch die Taliban und hinsichtlich einer Verfolgung im Form einer Blutrache erscheint nicht glaubhaft.
Glaubhaft ist allerdings, dass der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen ist und regelmäßige Kontakte mit einem katholischen Pfarrer hat, aber zwischenzeitig nicht zum Christentum konvertiert ist. Der Beschwerdeführer führt ein Leben wie ein österreichischer Jugendlicher, geht fort, trinkt Alkohol, isst Schweinefleisch und hält sich keinesfalls an irgendwelche islamischen Gebote. Er ist auch formell aus islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Der Abfall des Beschwerdeführers vom Islam ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bereits in Afghanistan bekannt, auch seine Mutter weiß davon und ist deswegen sehr traurig. Der Beschwerdeführer hat auch ein westliches Frauenbild und führt insgesamt ein selbstbestimmtes Leben.
Er ist in Österreich auch gut integriert. Er hat Deutschdiplome A1, A2 und B1 erworben und im XXXX die Vorbereitungsklasse und die Übergangsklasse besucht. Anschließend hat er zunächst fünf Monate eine Lehre als XXXX gemacht und ist nunmehr im zweiten Lehrjahr als Koch und hat auch die Berufsschule des ersten Lehrjahres positiv abgeschlossen. Er hat österreichische Freunde, mit denen er viele gemeinsame Freizeitaktivitäten unternimmt, aber auch an christlichen Festen teilnimmt. Er betreibt Sport und geht regelmäßig ins Fitnesscenter und bewohnt mit einem Freund gemeinsam eine Mietwohnung. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
- 1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre,
Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi
Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend.
Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der
Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines
"islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die
Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
<talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-ofus-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019
Kommentar:
Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. Weiterführende Informationen zu der Friedensgesprächsrunde von Jänner 2019 können der KI vom 31.1.2019 entnommen werden.
• KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische
Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen
Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur
Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route
Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA
11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer
(126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20.
Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21.
Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit
Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019a)
In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum
(1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine
Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
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(UNAMA 24.2.2019)
Quellen:
BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report _2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018):
Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_nove mber_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_ 3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in
Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092, Zugriff 20.2.2019
• KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische
Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP
28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Frie