TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/1 W103 2133170-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
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Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55

Spruch

W103 2133170-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2019, Zl. 1099808406 - 180247850, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, § 57 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 4 und Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 53 Abs. 3 Z 5 FPG, § 55 FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über die Zuerkennung des Status des subsidiär

Schutzberechtigten:

1.1. Die beschwerdeführende Partei, ein damals minderjähriger männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 20.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.12.2015 gab die beschwerdeführende Partei an, in XXXX geboren zu sein und der Volksgruppe der Sheikhal anzugehören. Sie habe 5 Jahre lang die Grundschule besucht. Somalia habe sie im März 2015 wegen der Sicherheitslage und wegen der Al Shabaab verlassen.

1.3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 14.03.2016 gab die beschwerdeführende Partei - unter Anwesenheit ihres gesetzlichen Vertreters - im Wesentlichen an, gesund zu sein und in XXXX gelebt zu haben. Sie habe neun Geschwister und bis zu ihrer Ausreise im Restaurant ihrer Eltern als Kellner gearbeitet. Ihre Mutter habe ihr erzählt, als sie schon in Österreich gewesen sei, dass es das Restaurant nicht mehr gebe. Ihre Familie lebe jetzt im Bezirk XXXX . Ihr älterer Bruder sei bei Al Shabaab und sei am 15.01.2015 nach Hause gekommen, um sie zu rekrutieren. Ihre Mutter habe das nicht gewollt und die beschwerdeführende Partei weggeschickt. Ihr Vater sei im Gefängnis, weil ihr Bruder bei Al Shabaab sei und als Terrorist beschuldigt werde.

1.4. Mit Bescheid vom 18.07.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

1.5. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

1.6. Mit Schreiben vom 13.09.2016 wurden die beschwerdeführende Partei, ihre Vertretung und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.10.2016 geladen. Die belangte Behörde gab mit Schreiben vom 15.09.2016 bekannt, dass eine Teilnahme an der Verhandlung nicht möglich sei.

1.7. Am 27.10.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihrem Leben in Österreich und ihren Fluchtgründen befragt wurde. Ergänzende Länderinformationen wurden ausgehändigt.

1.8. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2016, Zahl W211 2133170-1/6E, wurde die Beschwerde in Spruchteil A) gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem Genannten eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt. Die Revision wurde in Spruchteil B) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Neben Feststellungen zur entscheidungsmaßgeblichen Situation in Somalia ging das Bundesverwaltungsgericht von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer sei ein minderjähriger männlicher Staatsangehöriger Somalias, welcher in XXXX geboren worden wäre und dort im Bezirk XXXX gewohnt hätte. Dieser habe ca. fünf Jahre lang die Schule besucht und im Teehaus seiner Mutter gekellnert. In XXXX würden nach wie vor die Mutter und neun Geschwister der beschwerdeführenden Partei, zuletzt im Bezirk XXXX , leben. Die Mutter der beschwerdeführenden Partei verdiene ihren Lebensunterhalt zur Zeit mit der Vermittlung von Vieh. Mit ihrer Mutter habe die beschwerdeführende Partei regelmäßig telefonischen Kontakt. Wenn die beschwerdeführende Partei nunmehr angebe, dass sie zuletzt vor drei Monaten Kontakt gehabt habe, aber jetzt die Telefonnummer nicht mehr funktioniere, so werde das nicht festgestellt. Die beschwerdeführende Partei sei gesund. Sie sei strafgerichtlich unbescholten (Auszug aus dem Strafregister vom 26.08.2016) und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 26.08.2016). Die Clanzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei habe nicht festgestellt werden können. Es werde nicht festgestellt, dass der Bruder der beschwerdeführenden Partei Al Shabaab Mitglied sei und diese im Jänner 2015 rekrutieren wollte. Festgestellt werde, dass ein Abschiebehindernis betreffend die beschwerdeführende Partei bestehe.

Beweiswürdigend wurde von einer fehlenden Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer dargelegten Bedrohung durch Al Shabaab sowie der von ihm angegebenen Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal ausgegangen.

In rechtlicher Hinsicht wurde zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen Folgendes erwogen:

"Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei durch ihren älteren Bruder zur Al Shabaab hätte rekrutiert werden sollen.

XXXX steht unter der Kontrolle der AMISOM und der Regierungstruppen und wird in den Länderberichten ausgeführt, dass es in XXXX kein Risiko hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab gibt.

Ein entsprechendes Risikoprofil für einen gezielten Anschlag durch Al Shabaab in ihrer Rolle als verdeckte Präsenz erfüllt die beschwerdeführende Partei ebenfalls nicht.

Eine konkrete und aktuelle Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab aus Gründen der religiösen oder politischen Einstellung kann das Bundesverwaltungsgericht daher nicht erkennen.

Darüber hinaus besagen die aktuellen Länderinformationen, wie sie oben unter 2. dargestellt sind, dass es in XXXX keine Clankämpfe, keine Clanmilizen und auch keine schwere Diskriminierung wegen der Clanzugehörigkeit (mehr) gibt. Selbst wenn daher die eigentliche Clanzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden konnte, ergeben sich aus der Berichtslage keine Verfolgungspotentiale.

Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden."

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen wie folgt begründet:

"Nach den aktuellen Länderinformationen ist die Versorgungslage in Somalia anhaltend schlecht und hat sich 2015 aufgrund der Nahrungsmittelknappheit zusätzlich verschlechtert. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet.

Die Aktualisierung des Länderinformationsblatts zu Somalia vom 20.09.2016 erlaubt auch für Südsomalia nicht, von einer Verbesserung der Versorgungssituation dort auszugehen.

Darüber hinaus geben die Länderinformationen außerdem ein allgemeines Bild von einer - zwar verbesserten, aber - nach wie volatilen allgemeinen Sicherheitslage in Südsomalia ab und darf schließlich nicht übersehen werden, dass die beschwerdeführende Partei auch im Entscheidungszeitraum noch minderjährig ist. Diese Faktoren mitbedenkend erlaubt es insbesondere die kurzfristig und mittelfristig problematische humanitäre Situation in Somalia zur Zeit nicht, davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach XXXX mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen.

Es ist daher in Zusammenschau aller Faktoren davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Partei im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht der beschwerdeführenden Partei bereits deshalb nicht offen, da gerade die schlechte Versorgungssituation auch den Norden des Landes trifft.

Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, da die beschwerdeführenden Partei strafgerichtlich unbescholten ist."

Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 17.11.2019 verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt, welche ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom XXXX wurde eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX wurde einer Berufung nicht Folge gegeben.

2. Verfahren über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

2.1. Mit Verfahrensanordnung vom 28.11.2018 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer über den durch die strafgerichtliche Verurteilung verwirklichten Aberkennungstatbestand und forderte diesen auf, näher angeführte Fragen zu seinen privaten und familiären Lebensumständen in Österreich schriftlich zu beantworten.

Mit Eingabe vom 06.12.2018 führte der Beschwerdeführer aus, er habe keine Verwandten in Österreich, er wolle einen Beruf erlernen, er habe in einer WG gelebt, Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 besucht, lebe von der Grundversorgung, er sei bislang keiner Beschäftigung nachgegangen und sei in keinen Vereinen Mitglied. Gegen eine Rückkehr nach Somalia spreche, dass er dort keine Zukunft habe.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des BVwG vom 17.11.2016, Zahl W211 2133170-1/6E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Staatsangehörigkeit sowie die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Stamm der Sheikhal und zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung, nicht jedoch dessen präzise Identität, fest. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden. Auf Grund durchgeführter Recherchen und Heranziehung der Länderinformationsblätter habe festgestellt werden können, dass sich die allgemeine Lage in weiten Teilen des Landes, vor allem in XXXX , zwischenzeitlich nachhaltig gebessert hätte. Vor allem in den durch die Regierung bzw. von AMISOM kontrollierten Gebieten/Städten sei nicht mehr von einer allgemein volatilen Sicherheitslage auszugehen. Es habe dabei festgestellt werden können, dass die Dürresituation seit Längerem überwunden sei und die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet sei. Außerdem seien in XXXX zahlreiche internationale Hilfsorganisationen tätig, die auch für Rückkehrer aus dem Ausland zu Unterstützungsleistungen im Stande seien. Hinzu komme, dass die Familie des Beschwerdeführers (Mutter und neun Geschwister) weiterhin in XXXX lebe. Die Situation in XXXX sei jedenfalls nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Neue Gründe für eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und seien solche auch im Aberkennungsverfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer sei während seines Aufenthalts in Österreich mehrfach aufgrund der gleichen schädlichen Neigung strafgerichtlich verurteilt worden. Der Beschwerdeführer halte sich seit knapp vier Jahren im Bundesgebiet auf und habe in diesem Zeitraum keine besondere Integration erlangt. Dieser habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und weise zwei strafgerichtliche Verurteilungen auf, welche auch die Verhängung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer erforderlich machen würden. Es müsse aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass dieser nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten und sich aus der von ihm begangenen Tat - versuchter Mord - per se eine Gemeingefährlichkeit ergebe. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers sei die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig gefährdet.

Verfahrensgegenständlicher Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 06.06.2019 zugestellt.

2.3. Mit am 26.06.2019 eingelangtem Schriftsatz wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher ausgeführt wurde, dass die Voraussetzungen, die zur damaligen Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, sich nicht geändert hätten. Bezüglich des verhängten unbefristeten Einreiseverbotes sei ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer bereue seine Tat und sehe deren Unrecht ein. Er sei damals jugendlich gewesen und ihm sei nun bewusst, dass er sein Leben ändern müsse. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten hätte daher verlängert werden müssen und ein Einreiseverbot nicht erlassen werden dürfen.

9. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.07.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias, welcher dem moslemisch-sunnitischen Glauben angehört. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Ebensowenig steht seine Volksgruppenzugehörigkeit fest. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX , wo sich zuletzt dessen Mutter und seine neun Geschwister aufgehalten haben. Der Beschwerdeführer hat in XXXX fünf Jahre lang die Schule besucht und im Teehaus seiner Mutter als Kellner ausgeholfen. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste unbegleitet illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2016, Zahl W211 2133170-1/6E, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und diesem gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, unter einem wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die herangezogenen Länderinformationen ein allgemeines Bild von einer - zwar verbesserten, aber - nach wie volatilen allgemeinen Sicherheitslage in Südsomalia abgeben würden und der Beschwerdeführer im damaligen Entscheidungszeitraum noch minderjährig gewesen sei. Diese Faktoren mitbedenkend erlaube es insbesondere die kurzfristig und mittelfristig problematische humanitäre Situation in Somalia zur Zeit nicht, davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach XXXX mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen. Es sei daher in Zusammenschau aller Faktoren davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

1.3. In Bezug auf die zum Zeitpunkt der Zuerkennung subsidiären Schutzes vorgelegene Dürresituation und die damals prognostizierten Versorgungsengpässe ist mittlerweile insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als nicht erkannt werden kann, dass für den - zwischenzeitig volljährigen - Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr nach XXXX nach wie vor eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit bestehen würde. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.4. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt, welche ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 04.03.2019 wurde eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30.04.2019 wurde einer Berufung nicht Folge gegeben.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Februar 2018 im Bundesgebiet versucht hat, eine andere Person zu töten, indem er diese mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 16 Zentimetern einmal in den Rücken und mehrmals in den Hals stach, wodurch das Opfer eine Stichwunde der rechten Rückenregion in Höhe des 9. Brustwirbels mit einem rund 13 Zentimeter langen Stichkanal, der mit einer Eröffnung der Brusthöhle, einer Stichverletzung der rechten Lunge, einer Durchtrennung des Zwerchfells, Eröffnung der Bauchhöhle und Verletzung der Leber einherging, eine oberflächliche Stichwunde an der linken Halsseite, eine klaffende rund ein Zentimeter breite Stichwunde an der rechten Halsseite und eine weitere oberflächliche Stichwunde der rechten seitlichen Hals-Nacken-Region mit einer knapp ein Zentimeter breiten Stichwunde sowie einer Schnittwunde an der Daumenseite des rechten Zeigefingers in der Höhe des Mittelfingergelenks erlitt.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers würde eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen an der Verhinderung von Straftaten gegen die Rechtsgüter Leib und Leben und somit eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.

1.4. Der Beschwerdeführer, welcher sich seit Februar 2018 in Haft befindet, verbüßt gegenwärtig eine unbedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren mit einer allfälligen bedingten Entlassung frühestens im März 2022. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder sonst engen sozialen Bezugspersonen in Österreich, er hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet und war zu keinem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer schloss keine Ausbildung ab, ging zu keinem Zeitpunkt einer Erwerbstätigkeit nach und bestritt seinen Lebensunterhalt durch staatliche Unterstützungsleistungen. Bemühungen um eine Integration im Bundesgebiet wurden nicht aufgezeigt.

1.5. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zu Grundversorgung und Wirtschaft sowie zur Lage von Rückkehrern wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

...

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).

...

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

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ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

-

FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

-

WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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