Entscheidungsdatum
29.08.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2220674-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, NÖ & Bgld., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.02.2109, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 06.06.2109, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist seit 18.12.2012 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.).
Am 13.11.2018 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.01.2019 erstatteten Gutachten vom 22.01.2019 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.
Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.01.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm/ihr die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.02.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er nach wie vor an anhaltenden Schmerzen im Bereich des linken Fußes nach Zustand nach Triple-Arthodese links am 02.01.2018 sowie Zustand nach Entfernung der proximalen unteren Sprunggelenk-Arthrodesen-Schrauben und Exostenabtragung links am 10.09.2018 leide. Bei Belastung des Fußes würden, trotz Versorgung mit orthopädischen Schuhen, starke Schmerzen auftreten und sei er in seiner Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt. Aufgrund der Funktionseinschränkungen im Bereich der Schultergelenke sei zudem ein sicheres Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln erschwert. Dem werde im medizinischen Sachverständigengutachten nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine Befunde an.
Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass, um eine ergänzende Stellungnahme der befassten medizinischen Sachverständigen einzuholen. Diese kam in deren ergänzender Stellungnahme vom 23.05.2019 zusammenfassend zum Ergebnis, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht das Ausmaß erreichen würden, welches die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Hinsichtlich der Schmerzen nehme der Beschwerdeführer bei Bedarf Schmerzmittel ein. Hochgradige Funktionseinschränkungen der Schultergelenke hätten nicht festgestellt werden können.
Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge die Beschwerdevorentscheidung vom 06.06.2019, wonach die Beschwerde abgewiesen werde.
Der Beschwerdeführer brachte bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht einen Vorlageantrag vom 25.06.2019 ein. Darin führte er aus, dass ihm die in der Beschwerdevorentscheidung erwähnte ergänzende Stellungnahme der medizinischen Sachverständigen nicht vorliegen würde. Schmerzbedingt seien die Anmarschwege für den Beschwerdeführer nicht bewältigbar. Es werde die Stattgabe der Beschwerde beantragt.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 01.07.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer die ergänzende Stellungnahme der medizinischen Sachverständigen vom 23.05.2019 mit Schreiben vom 29.07.2019 und räumte eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, am 13.08.2019 eine Stellungnahme ein, wonach in der ergänzenden Stellungnahme Feststellungen dazu fehlen würden, ab welcher Gehstrecke beim Beschwerdeführer aufgrund seiner Gesundheitsschädigung Schmerzen auftreten würden, und welches Ausmaß diese im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer zu bewältigende Distanz bis zur nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel erreichen würden. Erst durch diese Feststellungen werde die belangte Behörde in die Lage versetzt, festzustellen, ob die festgestellten Gesundheitsschädigungen beim Benützen öffentlicher Verkehrsmittel dem Beschwerdeführer "zumutbar" seien. Es werde daher die ergänzende Befassung der medizinischen Sachverständigen mit dieser Frage beantragt. Der Beschwerde möge stattgegeben werden.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.08.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:
Allgemeinzustand: gut.
Ernährungszustand: BMI 33,2
Größe: 177,00 cm Gewicht: 104,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.
Thorax: symmetrisch, elastisch. Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Schulter rechts: endlagige Bewegungsschmerzen, keine Impingementsymptomatik.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern rechts endlagig eingeschränkt, links frei, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich.
Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind beidseits endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang links mit Anhalten ansatzweise, rechts mit Anhalten durchführbar. Der Einbeinstand ist beidseits mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Narbenbereich als gestört angegeben.
Sprunggelenk, Fuß beidseits: Rückfuß links nicht wesentlich verplumpt, geringradig vermehrter Valgus links mehr als rechts, "Too many Toes sign" links, Narbe Sprunggelenk links nach Versteifung des USG, medial verbreitert, Rist links nach innen verkippt, Längsgewölbe links mehr als rechts abgeflacht. Ferse links kein Ulcus, keine Druckstelle. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/100, IR/AR 20/0/30, Knie beidseits 0/0/130.
Sprunggelenke: OSG rechts 15/0/30, links 10/0/15, USG rechts 20/0/30, links USG versteift, Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen eindlagig eingeschränkt beweglich, Lasegue beidseits negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit orthopädischen Halbschuhen, das Gangbild ist geringgradig links hinkend, gehemmtes Abrollen links, Schrittlänge nicht wesentlich verkürzt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
-
Knick- Plattfuß beidseits
-
Teilversteifung linkes Sprunggelenk
-
Beginnende Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke
-
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme der Sprunggelenke und Füße im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300 bis 400 m zurücklegen zu können, und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Mit orthopädischen Schuhen ist eine Kompensationsmöglichkeit mit ausreichender Stand- und Trittsicherheit gegeben. An den oberen Extremitäten sind keine relevanten Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist und der Transport in öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.
Bei auftretenden Schmerzen nimmt der Beschwerdeführer bei Bedarf Schmerzmittel ein.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 22.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.01.2019, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Beim Beschwerdeführer stehen belastungsabhängige Probleme der Sprunggelenke und Füße im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Dies ist auch der Grund, weswegen er nach seinem mehrmonatigen Krankenstand jetzt ein neues Betätigungsfeld auf seinem Arbeitsplatz ausübt, bei welchem er laut seinen Angaben nicht mehr 20 bis 25 km pro Tag gehen muss. Hinzu kommt, dass mit den orthopädischen Schuhen eine Kompensationsmöglichkeit mit ausreichender Stand- und Trittsicherheit gegeben ist.
In seiner Beschwerde und seinem Vorlageantrag führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er durch anhaltende Schmerzen daran gehindert werde, längere Wegstrecken zurückzulegen. In seiner Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs begehrt er eine Gutachtensergänzung zur Frage, ab welcher Gehstrecke beim Beschwerdeführer angesichts seiner Gesundheitsschädigungen Schmerzen auftreten und welches Ausmaß diese im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer zu bewältigende Distanz bis zur nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel erreichen würden.
Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers sind einerseits die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Untersuchung am 21.01.2019 entgegen zu halten, wo er selbst angab, dass er nur bei Bedarf Schmerzmittel einnimmt. Er erwähnt bei der Untersuchung auch nicht, dass er anhaltende Schmerzen habe, welche ihn in seiner Gehfähigkeit einschränken würden. Der Beschwerdeführer wäre im Rahmen seiner Mitwirkungsverpflichtung angehalten gewesen, diese Schmerzzustände anzugeben, denn nur dann ist es der medizinischen Sachverständigen möglich, auch diese einer Beurteilung zu unterziehen. Auch in seiner Beschwerde, im Vorlageantrag und in seiner Stellungnahme vom 13.08.2019 macht der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben darüber, wann diese Schmerzen in welcher Intensität auftreten. Schmerzen sind immer ein subjektives Empfinden, weswegen die medizinische Sachverständige ohne diese konkreten Angaben zu keinen Feststellungen kommen kann. Zudem gibt es Schmerzmittel, welche der Beschwerdeführer einnehmen kann, um diese Zustände erträglich zu machen. Von Dauerschmerzen, welche nicht (mehr) mit Schmerzmittel behandelbar wären, bringt der Beschwerdeführer nichts vor. Dementsprechend war dem Beweisantrag des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 13.08.2019 nicht zu folgen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer übersieht, dass es bei der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht darauf ankommt, welche Distanz dieser zur nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel tatsächlich zu überwinden hat. Es ist von der medizinischen Sachverständigen zu beurteilen, ob es dem Beschwerdeführer möglich ist, eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 330 bis 400 Metern zu bewältigen, wozu der Beschwerdeführer nach dem vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten in der Lage ist.
Auch die vom Beschwerdeführer angegebenen Probleme mit der Schulter bedingen laut der medizinischen Sachverständigen entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine relevanten Funktionsbehinderungen, die Kraft ist seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist und der Transport in öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.
Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 22.01.2019 samt ergänzender Stellungnahme vom 23.05.2019 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 22.01.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.01.2019 und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.02.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 06.06.2019, der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 22.01.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.01.2019, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht sowie eine Ergänzung zu diesem Sachverständigengutachten, welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2220674.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.10.2019