TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/29 W261 2219778-1

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Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W261 2219778-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 13.05.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 23.01.2019 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.).

Am 23.01.2019 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) auch einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.03.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte der medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.04.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.05.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Darüber hinaus führte die belangte Behörde anmerkend aus, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.

Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Frohleiten auf REHA gewesen sei. Der gewünschte Erfolg auf Besserung sei dort, trotz ausgezeichneter Therapien, nicht erreicht worden. Die behandelnden Ärzte, inklusive Primar, hätten ihm von einer Operation abgeraten. Ihm sei auf der REHA ein Rollator zur Verfügung gestellt worden, um einen Sturz mit dem Gehstock zu verhindern. Es sei für ihn nicht möglich, eine Wegstrecke von 400 Metern ohne Ruhepause zurückzulegen. Schon beim Lösen eines Parktickets beim Automaten müsse er ein- bis zweimal stehen bleiben, um eine Gehpause einzulegen. Er bedanke sich für die Ausstellung des Behindertenpasses, ersuche aber um die Erweiterung, dass er mit seinem PKW, der über ein Automatikgetriebe verfüge, auf Behindertenparkplätzen stehen bleiben könne. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine Befunde an.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 06.06.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangt. Der Beschwerdeakt wurde aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer am Antrag eine Adresse in Oberösterreich als seinen Wohnsitz angab, der Gerichtsabteilung L517 zugeteilt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.08.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seit 01.04.2019 seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, genauer in XXXX , hat.

Der Leiter der Gerichtsabteilung L517 meldete am 01.08.2019 die Unzuständigkeit seiner Gerichtsabteilung nach der geltenden Geschäftsverteilung des BVwG, weil der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz in XXXX hat. Der Unzuständigkeitsanzeige folgendend wurde der Akt am 01.08.2019 der Gerichtsabteilung W261 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Klinischer Status des Beschwerdeführers:

Größe: 186,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput unauffällig, Collum unauffällig.

Thorax symmetrisch, Cor rhythmisch.

Pulmo vesikulär, Abdomen im Thoraxniveau.

Wirbelsäule: leichte Skoliose, Rundrücken, Streckstellung der LWS, druckempfindlich ebendort, Verspannungen, Kopfbeweglichkeit gut, Jugulumabstand 2 QF, Finger-Boden-Abstand schmerzbedingt 40 cm.

Obere Extremitäten: äußerlich unauffällig, gerade, nicht verdreht, von normaler Form und Farbe, freie Beweglichkeit der großen Gelenke, Nacken-und Schürzengriff erhalten, Faustschluss vollständig und kräftig bei erhaltener Diadochokinese ohne Hinweise auf Wurzelkompression oder Durchblutungsstörung.

Untere Extremitäten: äußerlich unauffällig, gerade, nicht verdreht, von normaler Form und Farbe, freie Beweglichkeit der großen Gelenke, Lasègue Zeichen negativ, kein Hinweis auf Wurzelkompression oder Durchblutungsstörung, Benützungszeichen erhalten.

Gesamtmobilität - Gangbild: Etwas verhalten mit Gehstock aber sicher.

Status Psychicus:

Orientierung: im eigenen persönlichen Bereich, in zeitlicher, räumlicher und situativer Dimension erhalten.

Antrieb: angepasst.

Denken: Gedächtnisleistungen, Konzentration, Auffassungsvermögen erhalten, logische Abfolge einer Handlung kann ausreichend erfasst und entwickelt werden.

Emotionale Kontrolle: angemessene Reaktion auf Situationen, Herausforderungen, Belastungen, äußere Eindrücke.

Soziale Funktion: zwischenmenschliche Beziehungen in Familie, Freundeskreis und Alltag sind ausreichend vorhanden

Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

- Zustand nach Wirbelfraktur mit deutlichem Reizzustand und Bewegungseinschränkung ohne periphere Ausfälle

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.

Der Beschwerdeführer ist in seiner Gehleistung nicht höhergradig eingeschränkt. Es ist ihm möglich, eine Wegstrecke über 400m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Er benötigt einen Gehbehelf (Stock) und ist auch nicht sturzgefährdet. Es ist ihm möglich, auch höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein-und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu überwinden. Es liegt keine Einschränkung der Standhaftigkeit vor, diese insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Die Benützung von Haltegriffen und -stangen ist dem Beschwerdeführer möglich.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie vom 28.03.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Beim Beschwerdeführer stehen seine Leiden in der Wirbelsäule im Vordergrund, welche ihm nach dem vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten Schmerzen verursachen, welche jedoch bei Einnahme von Schmerztabletten nicht mehr wesentlich sind. Die Probleme mit der Wirbelsäule bedingen auch, dass der Beschwerdeführer zur Sicherheit einen Gehstock verwenden muss. Dennoch ist laut dem medizinischen Sachverständigengutachten das Gangbild des Beschwerdeführers zwar etwas verhalten, aber mit dem Gehstock durchaus sicher. Der Beschwerdeführer gab selbst bei seiner medizinischen Untersuchung am 28.03.2019 an, dass er langsam eine Wegstrecke von einem Kilometer zurücklegen könne.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, dass sich sein Zustand auch nach ausgezeichneten Therapien während seiner REHA nicht verbessert hat, woraus geschlossen wird, dass sich dessen Zustand im Vergleich zur Untersuchung am 28.03.2019 auch nicht verschlechtert hat.

Von einer Operation an der Wirbelsäule werde ihm abgeraten, er habe jedoch zur Gangsicherheit einen Rollator zur Verfügung gestellt bekommen, um Stürze zu vermeiden. Befunde, welche die medizinische Notwendigkeit der Benützung eines Rollators für das BVwG objektivierbar machen würden, legte der Beschwerdeführer nicht vor, so dass diesem Argument nicht gefolgt werden kann.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, dass er nicht in der Lage sei, 400 Meter ohne Ruhepausen zurückzulegen, so werden ihm seine eigenen Angaben bei der medizinischen Untersuchung am 28.03.2019 vorgehalten, wonach er in der Lage ist, ca. einen Kilometer langsam gehend zurückzulegen. Nachdem der Beschwerdeführer auch in diesem Punkt eine Verschlechterung seines Zustandes nicht durch aktuelle medizinischen Befunden objektivierbar machte, kann auch diesem Argument nicht gefolgt werden.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer laut dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.03.2019 selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.

Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie vom 28.03.2019 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 28.03.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13.05.2019, der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 28.03.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers- trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht und welchem der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2219778.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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