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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des MM, (geboren am 10. Jänner 1976), vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Februar 1995, Zl. St 52/95, betreffend I. Ausweisung und II. Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Februar 1995 gerichtet, mit welchem der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen und gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt wurde, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Der angefochtene Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 2. Jänner 1995 ohne Reisedokument und ohne Sichtvermerk, also unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes, in das Bundesgebiet eingereist sei. Der Beschwerdeführer sei im Besitz von Barmitteln in der Höhe von S 212,-- gewesen; dies reiche keineswegs aus, um die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen. Der Beschwerdeführer habe sich bei seiner Einreise der Hilfe eines Schleppers bedient. Es würde geradezu einer Förderung des "Schlepperwesens" gleichkommen, würde man ihm den weiteren Aufenthalt gestatten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. An einem geordneten Fremdenwesen bestehe für den österreichischen Staat ein eminentes Interesse, was umso mehr in einer Zeit gelte, in der, wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunehme. Dem Beschwerdeführer sei eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 des Asylgesetzes 1991 deswegen nicht zugekommen, weil er illegal über den Drittstaat Ungarn eingereist sei.
Hinsichtlich der Feststellung gemäß § 54 FrG begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme angegeben habe, einen Einberufungsbefehl erhalten zu haben. Er habe diesen Einberufungsbefehl jedoch weder vorgelegt, noch in irgendeiner Weise glaubhaft dargestellt, daß er tatsächlich zur Bundesarmee (der Bundesrepublik Jugoslawien) hätte einrücken müssen. Es sei daher äußerst zweifelhaft, ob die Angaben des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprächen. Aber selbst dann, wenn diese Angaben zuträfen, vermöge die belangte Behörde keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erkennen. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1994 abgewiesen und festgestellt worden, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens sei im Verfahren gemäß § 54 FrG naheliegend. Es sei das Recht jedes Staates in der Welt, seine männlichen Staatsbürger zum Militärdienst einzuberufen. Eine wegen Nichtbefolgung dieser Einberufung verhängte Strafe könne grundsätzlich nicht als Verfolgung bzw. Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG angesehen werden. In der Bundesrepublik Jugoslawien bestehe grundsätzlich auch die Möglichkeit, anstatt des Wehrdienstes den Zivildienst abzuleisten. Die belangte Behörde könne auch keine stichhaltigen Gründe dafür finden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.
Mit der vorliegenden Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer ohne das erforderliche Reisedokument und ohne Aufenthaltsberechtigung in das Bundesgebiet gelangt sei, unbestritten.
Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG, wonach Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden können, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden, unbedenklich. Unbestritten stellte der Beschwerdeführer drei Tage nach seiner Einreise beim Bundesaylamt einen Asylantrag und wurde niederschriftlich einvernommen, welcher Behördenkontakt als Betretenwerden im Sinn des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1998, Zl. 96/21/1025).
War die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grunde des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht als rechtswidrig zu erkennen, so erübrigt sich die Überprüfung der Frage, ob sie auch auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gegründet werden durfte.
Soweit der Beschwerdeführer meint, seine Ausweisung widerspreche dem § 19 FrG, ist darauf hinzuweisen, daß im Falle einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG - anders als im Falle einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG - § 19 leg. cit. nicht anzuwenden ist. Eine Bedachtnahme auf das Privat- und Familienleben kommt im Hinblick darauf nicht zum Tragen, daß die Ausweisung schon vom Tatbestand der Bestimmung her in kurzer First nach der Einreise erfolgt (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1998).
Die Feststellung gemäß § 54 FrG, daß die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei, hält die Beschwerde deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde in keiner Weise geprüft habe, inwiefern der Tatbestand des § 37 Abs. 1 FrG vorliege. Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien in deren Armee einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG ausgesetzt. Auch habe die belangte Behörde dadurch Verfahrensvorschriften verletzt, daß sie insofern lediglich auf das Ergebnis des Asylverfahrens verwiesen habe.
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmitteln untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch jene nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen, und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für dies Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399 n.w.N.).
Zwar rechtfertigt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. eine Diskriminierung während des Militärdienstes aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen dem Fremden wegen der Verweigerung des Militärdienstes schärfere Sanktionen als anderen Staatsbürgern drohten (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A).
Im vorliegenden Fall durfte zwar die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er einen Einberufungsbefehl erhalten habe, nicht ohne weiteres mit der bloßen Begründung als unglaubwürdig behandeln, daß er den diesbezüglichen Einberufungsbefehl nicht vorgelegt habe. Sowohl die Asylbehörden, als auch insbesondere die Fremdenpolizeibehörde erster Instanz haben nämlich als gegeben erachtet, daß der Beschwerdeführer tatsächlich zum Militär der Bundesrepublik Jugoslawien einberufen worden ist. Es ist der Berufungsbehörde verwehrt, abweichend oder zusätzlich zu den Feststellungen der Behörde erster Instanz Feststellungen zu Lasten des Antragstellers zu treffen, ohne diesem gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör einzuräumen (vgl. zum diesbezüglichen "Überraschungsverbot" die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, 329 ff, dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer (in seiner Berufung) vorgebracht, daß Kosovoalbaner in Jugoslawien in sämtlichen Lebensbereichen benachteiligt und diskriminiert würden. Dies gelte insbesondere auch für das Militärwesen, es komme tatsächlich zu Diskriminierungshandlungen des jugoslawischen Staates gegenüber albanischen Wehrpflichtigen. Daher seien die Kriterien des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, erfüllt. Mit diesem so allgemein gehaltenen und bloß auf abstrakte Weise auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes abstellendem Vorbringen hat der Beschwerdeführer keine ausreichend konkreten Hinweise darauf gegeben, daß derartige Umstände in seinem Fall vorlägen, insbesondere daß er im Fall einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien mit einer schwereren Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung zu rechnen hätte, als andere Staatsangehörige.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich mit einer Gefahr im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht auseinandergesetzt, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde das Vorliegen einer derartigen Gefahr konkret benannt.
Der belangten Behörde kann somit im Ergebnis kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, er sei in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht, abwies.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210491.X00Im RIS seit
20.11.2000