TE OGH 2019/9/11 3Ob108/19g

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Veröffentlicht am 11.09.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Mag. Korn, Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P*, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2019, GZ 39 R 268/18b-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Juli 2018, GZ 57 C 20/17i-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird wie aus dem Spruch ersichtlich berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.242,45 EUR (hierin enthalten 171,41 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

zu I.:

Die Bezeichnung der klagenden Partei war infolge Änderung ihrer Firma richtigzustellen.

zu II.:

Der Beklagte ist Mieter der drei zusammengelegten Wohnungen Top 13 bis 15 im Haus der Klägerin. Die Wohnung Top 15 ist (außer durch den Wohnungsverband über Top 13 auch) über einen vom Stiegenhaus durch eine versperrbare Tür abgetrennten Vorraum erreichbar. Von diesem Vorraum aus gelangt man auch in die benachbarte Wohnung Top 16. Der Sicherungskasten für die Stromversorgung des Vorraums und des im Vorraum befindlichen, der Wohnung Top 16 zugeordneten WC befindet sich in der Top 16.

Der Beklagte schloss mit der Vorvoreigentümerin der Liegenschaft zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt (jedenfalls aber vor dem 21. August 2008, dem Todestag der damaligen Eigentümerin) einen (weiteren) Mietvertrag, wonach sie ihm „unwiderruflich“ auf unbestimmte Dauer das Bestandobjekt Top 16 sowie den gemeinsam mit Top 15 vermieteten Vorraum samt WC vermietete. Im Mietvertrag wurde weiters festgehalten: „Das Mietobjekt ist derzeit vermietet. Das Mietverhältnis zwischen den Vertragsparteien beginnt daher erst an jenem Tag, an welchem die derzeitige Mieterin das vorgenannte Mietobjekt nicht mehr persönlich benötigt oder freiwillig zurückstellt.“

Die damalige (1919 geborene) Mieterin der Top 16 setzte am 7. Mai 2014 eine handschriftliche Erklärung auf, wonach sie ihre Mietrechte an der Wohnung Top 16 für den Fall ihres Todes, wie auch für den Fall, dass sie ihre Wohnung nicht mehr benötige, unwiderruflich an den Beklagten oder seine Rechtsnachfolger in den Mietrechten an Top 14 und 15 abtrete. Der Beklagte erklärte am selben Tag die Vertragsannahme.

Der Nachlass nach der seinerzeitigen Eigentümerin wurde einer gemeinnützigen Privatstiftung eingeantwortet, die die Liegenschaft im Jahr 2012 an die Klägerin verkaufte.

Die frühere Mieterin der Wohnung Top 16 verstarb am 23. Februar 2017. Der Beklagte beschloss daraufhin, diese Wohnung in Besitz zu nehmen. Zu diesem Zweck beging er sie am 25. Februar 2017 unter Verwendung eines der beiden Wohnungsschlüssel, die ihm die vormalige Mieterin übergeben hatte. Anschließend versperrte er die Top 16 sowie die Tür vom Vorraum zum Stiegenhaus, die er
– erstmals – zusätzlich mit einem Vorhängeschloss sicherte.

Am 28. Februar 2017 traf der Beklagte vor der Wohnung Mitarbeiter der Hausverwaltung an, die ihm erklärten, dass das Türschloss zur Top 16 sowie zum Vorraum getauscht worden seien. Der Beklagte protestierte und verlangte vier Schlüssel für den Vorraum (wie er sie bisher gehabt hatte) und zwei für die Top 16. Tatsächlich erhielt er jedoch nur einen einzigen Schlüssel für die Tür zum Vorraum. Auch seiner Aufforderung, die Sicherung für den Vorraum und das WC wieder einzuschalten, kam die Hausverwaltung nicht nach.

Der Beklagte teilte der Hausverwaltung daraufhin schriftlich mit, dass er Mieter der Top 16 sei. Er zahlte im Anschluss auch Mietzins für die Top 16 und tauschte noch am selben Tag das Schloss der Vorraumtür gegen das alte aus, weil er seinen Rechtsstandpunkt, Mieter der Top 16 zu sein, weiterhin für richtig hielt. Der Schlosstausch wurde von einem Schlosser durchgeführt, der das von der Hausverwaltung neu eingebaute (von ihm wieder durch das alte ersetzte) Schloss der Kanzlei der Klagevertreter übermittelte. Auf Ersuchen des Beklagten öffnete der Schlosser auch die Tür zur Top 16, weil der Beklagte Zugang zum Sicherungskasten habe wollte, um so wieder für Licht im Vorraum und im WC sorgen zu können. Der Schlosser beschädigte dabei versehentlich den Zylinder des Schlosses zur Wohnungstür, sodass dieser getauscht werden musste. Das war vom Beklagten nicht beabsichtigt gewesen.

Am 3. März 2017 wurden beide Schlösser auf Veranlassung der Klägerin erneut getauscht. Der Beklagte teilte daraufhin (auch) den Klagevertretern seinen Rechtsstandpunkt mit, wonach er Mieter der Top 16 sei, und forderte sie unter Fristsetzung auf zu veranlassen, dass er Schlüssel zum Vorraum erhalte. Nach ungenütztem Verstreichen der von ihm gesetzten (Nach-)Frist beauftragte der Beklagte am 9. März 2017 den Schlosser neuerlich, das Schloss zum Vorraum zu tauschen. Das geschah noch am selben Tag. Das Schloss zur Top 16 wurde von ihm nicht nochmals getauscht.

Es kann nicht festgestellt werden, was mit dem ausgebauten Schloss geschah; der Beklagte wollte es sich jedenfalls nicht zueignen und sich nicht dadurch bereichern. Er hielt es auch nicht ernsthaft für möglich und fand sich nicht damit ab, dass dieses dem Berechtigten dauerhaft entzogen werden könnte.

Am 13. März 2017 wurden auf Veranlassung der Klägerin die Schlösser zu beiden Türen erneut getauscht; der Beklagte erhielt (wieder nur) einen Schlüssel für den Vorraum.

Die Klägerin kündigte dem Beklagten mit am 9. März 2017 eingebrachten Schriftsatz die Wohnungen Top 13 bis 15 gemäß „§ 30 Abs 2 Z 3 MRG“ auf. Der Beklagte habe „einen nachteiligen Gebrauch gemacht“. Er habe sich rechtsgrundlos in den alleinigen Besitz des Vorraums zu Top 15 und 16 sowie in den Besitz der Top 16 gesetzt. Zu diesem Zweck habe er Schlösser ausgetauscht, die im Eigentum der Klägerin stünden; diese Schlösser seien verschwunden. Entweder habe sich der Beklagte die Schlösser rechtswidrig zugeeignet oder er habe die Schlösser ständig entfernt; es liege somit ein Delikt iSd § 127 bzw § 135 StGB vor.

Der Beklagte wendete ein, er habe keine strafbaren Handlungen begangen. Er sei aufgrund der mit der vormaligen Eigentümerin und der seinerzeitigen Mieterin der Top 16 getroffenen Vereinbarungen mit dem Tod der früheren Mieterin auch Hauptmieter der Top 16 und damit auch alleiniger Mieter des Vorraums samt WC geworden und habe die Top 16 rechtmäßig in Besitz genommen. Die Klägerin habe sich eigenmächtig über die ihr bekannten Vereinbarungen des Beklagten mit der Voreigentümerin und der früheren Mieterin hinweggesetzt. Durch den eigenmächtigen Schlossaustausch am 28. Februar 2017 sei er in seinem ruhigen Besitz am Vorraum samt WC und an der Top 16 gestört worden; deswegen habe er eine Besitzstörungsklage eingebracht. Von einer rechtsgrundlosen Inbesitznahme durch ihn könne daher keine Rede sein. Er habe sich die Schlösser auch weder rechtswidrig zugeeignet noch diese dauerhaft entfernt. Vielmehr sei es die Klägerin gewesen, die sich, nachdem er den rechtskonformen Zustand hergestellt habe, durch neuerlichen Rücktausch der Schlösser ins Unrecht gesetzt habe, zumal sie ihm nur einen einzigen Schlüssel zur Tür des Vorraums ausgehändigt und weitere Schlüssel zu dieser Eingangstür zurückbehalten habe, sodass sie jederzeit den Wohnbereich des Beklagten betreten habe können. Dies habe sie ua dazu genutzt, im Vorraum rechtswidrig Kameras einzubauen. Auch der Austausch des Schlosses zur Top 16 erschwere dem Beklagten und seiner Familie die Nutzung des unstrittig mitgemieteten Vorraums samt WC, weil sich der Sicherungskasten für die Strom- und Lichtversorgung des Vorraums und des WC im Inneren der Top 16 befinde. Außerdem habe die (seinerzeitige) Vermieterin auf eine Aufkündigung außer bei qualifiziertem Mietzinsrückstand iSd § 30 Abs 2 Z 1 MRG verzichtet.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs (§ 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG) liege nicht vor; die Berechtigung des Beklagten an der Top 16 sei strittig und mittlerweile Gegenstand eines Feststellungsverfahrens. Unbeschadet der rechtlichen Beurteilung in jenem Verfahren sei die Rechtsansicht des Beklagten jedenfalls zumindest vertretbar, sodass in seinem Verhalten kein eine Kündigung rechtfertigender erheblich nachteiliger Gebrauch erblickt werden könne. Auch der weitere Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG sei nicht erfüllt, weil der Beklagte nach den Feststellungen weder den Vorsatz gehabt habe, sich die getauschten Schlösser zuzueignen und sich dadurch zu bereichern, noch der Klägerin die Schlösser dauerhaft zu entziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und erklärte die Aufkündigung für wirksam. Aus Anlass der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge sei die rechtliche Beurteilung umfassend zu prüfen. Wenngleich sich die Klägerin in ihrer Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 3 MRG ohne Bezugnahme auf einen der drei darin näher bezeichneten Tatbestände gestützt habe, sei doch erkennbar, dass sie sich durch das rechtsgrundlose Vorgehen des Beklagten, nämlich die alleinige Inbesitznahme des Vorraums zu Top 15 und 16 sowie der Wohnung Top 16 und den damit einhergehenden Austausch der Schlösser zur Kündigung veranlasst gesehen habe. Dass die Klägerin das Vorgehen des Beklagten als „nachteiligen Gebrauch“ bezeichnet habe, schade nicht; bei der Beurteilung, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht worden sei, komme es in erster Linie auf die Tatsachenbehauptungen an. Das Vorbringen der Klägerin sei dem Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens gemäß § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG zuzuordnen. Laufend unternommene Versuche eines Mieters, seine Bestandrechte auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen, seien als unleidliches Verhalten zu qualifizieren. Dies gelte auch dann, wenn ein Benützungsrecht fraglich und bereits Gegenstand eines Rechtsstreits sei. Der Beklagte sei als Rechtsanwalt rechtskundig, sodass ihm bewusst sein habe müssen, dass die Inbestandnahme der Top 16 samt Vorraum an ein bestimmtes rechtliches Prozedere gebunden sei und ein allfälliges (Allein-)Mietrecht nicht durch Schlossaustausch und Okkupation durchgesetzt werden könne, sondern der vom Rechtsstaat vorgegebene Weg zu beschreiten sei. Von einem ruhigen Besitz des Beklagten an der Top 16 sowie am Vorraum könne somit nicht gesprochen werden. Der Beklagte könne sich daher nicht erfolgreich auf erlaubte Selbsthilfe durch immer wiederkehrenden Austausch der Schlösser berufen. Abgesehen davon sei die vom Beklagten vorgelegte Abtretungsvereinbarung zwischen der Nachbarin und ihm, an der die Vermieterin nicht beteiligt gewesen sei, rechtlicher Unfug und daher wirkungslos. Auf den von ihm behaupteten Kündigungsverzicht könne sich der Beklagte nicht erfolgreich berufen. Es erübrige sich daher, auf die Berufungsausführungen zur Frage einzugehen, ob die Straftatbestände der §§ 127 und 135 StGB verwirklicht seien.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag in Richtung Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt.

1. Der bloße Umstand, dass die Klägerin in der Rechtsrüge ihrer Berufung auch auf die – so nicht festgestellte – Tatsache Bezug nahm, dass sie dem Beklagten mehrfach und ausdrücklich ihren Rechtsstandpunkt dargelegt habe, führte entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu, dass ihre gesamte Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt anzusehen gewesen wäre. Das Berufungsgericht durfte daher von einer grundsätzlich ordnungsgemäßen (wenn auch inhaltlich mit Ausführungen zum behaupteten erheblich nachteiligen Gebrauch an der Sache vorbeigehenden) Rechtsrüge der Klägerin ausgehen.

2.1. Weist eine Ziffer des § 30 Abs 2 MRG – wie Z 3 – eine Mehrheit von Tatbeständen auf, reicht die ziffernmäßige Bezeichnung des Kündigungsgrundes nicht. In diesem Fall muss sich der Vermieter festlegen, auf welchen Tatbestand er sich beruft. Wird neben der ziffernmäßigen Bezeichnung ein Tatsachenvorbringen erstattet, kommt es bei der Entscheidung, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wurde, in erster Linie auf die Tatsachenbehauptungen an (Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKO Wohnrecht I § 33 MRG Rz 27 mwN). Eine unklare oder mangelhafte Anführung des Kündigungsgrundes geht zwar immer zulasten des Kündigenden. Allerdings dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden: Die Eventualmaxime dient keinem formalistischen Selbstzweck. Ihr Sinn liegt vielmehr darin, den Gegenstand des Kündigungsstreits für den Kündigungsgegner deutlich abzugrenzen. Das Gericht hat daher bei der Wertung des Vorbringens nicht kleinlich vorzugehen (Lovrek in GeKO Wohnrecht I § 33 MRG Rz 28 mwN).

2.2. Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach sich die Klägerin inhaltlich insbesondere auf den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens gestützt habe, ist angesichts des Vorbringens in der Aufkündigung nicht zu beanstanden.

3.1. Unleidliches Verhalten iSd § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn das friedliche Zusammenleben durch längere Zeit oder durch häufige Wiederholungen gestört wird (RIS-Justiz RS0067678). Unleidliches Verhalten kann insbesondere auch in laufenden Versuchen des Mieters liegen, sein Benützungsrecht auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen (RS0070417).

3.2. Bis zur Zustellung der Aufkündigung am 15. März 2017 (und auf diesen Zeitpunkt kommt es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers an: vgl RS0067534 [T2]) hat der Beklagte

- am 25. Februar 2017 die Top 16 unter Verwendung eines ihm von der verstorbenen Mieterin überlassenen Schlüssels betreten und „in Besitz genommen“ und im Anschluss die Tür zum gemeinsamen Vorraum mit einem Vorhangschloss versperrt,

- am 28. Februar 2017 das zuvor von der Klägerin ausgetauschte Schloss zum Vorraum von einem Schlosser wieder „rücktauschen“ und außerdem die Tür zur Top 16 öffnen lassen, um wieder den Strom für den von ihm mitgemieteten Vorraum und zum WC einschalten zu können, und

- am 9. März 2017 das (am 3. März 2017 neuerlich von der Klägerin gewechselte) Schloss zum Vorraum nochmals von einem Schlosser austauschen lassen.

3.3. Das Begehen („in Besitz Nehmen“) der Wohnung Top 16 am 25. Februar 2017 unter Verwendung eines ihm von der verstorbenen Mieterin zur Verfügung gestellten Schlüssels stellte für sich allein noch keine unzulässige Ausdehnung des Benützungsrechts des Beklagten dar. Eine solche lag damals (nur, aber immerhin) im Anbringen eines Vorhangschlosses an der Tür zum Vorraum, aufgrund dessen – bis zu seiner Entfernung durch die Klägerin drei Tage später – nur noch er und seine Familie Zugang (auch) zur Top 16 hatten.

Dass der Beklagte das Schloss zur Vorraumtür nach dessen ersten Austausch durch die Klägerin noch am 28. Februar 2017 wieder durch das alte ersetzen ließ, statt sofort (und nicht erst, wie von ihm vorgebracht, am 27. März 2017) eine Besitzstörungsklage einzubringen, war ebenfalls nicht korrekt. Allerdings ist dem Beklagten zugute zu halten, dass sich die Klägerin geweigert hatte, ihm mehr als nur einen neuen Schlüssel zur Vorraumtür auszufolgen, obwohl ihm und seiner Familie bis dahin vier Schlüssel zur Verfügung gestanden waren. Die Tür zur Top 16 ließ der Beklagte damals zwar auch öffnen, allerdings nicht zum Zweck der Ausweitung seiner Mietrechte, sondern nur um den von der Klägerin damals abgeschalteten Strom für den von ihm mitgemieteten Vorraum (und das dort gelegene WC) wieder einschalten zu können. Dass das Schloss dabei beschädigt und deshalb ausgetauscht werden musste, kann dem Beklagten nach den Feststellungen nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Der letzte vom Beklagten veranlasste Schlosstausch am 9. März 2017 ist ihm schon deshalb nicht als Ausweitung seiner Mietrechte anzulasten, weil er trotz entsprechender Aufforderung an die Klägerin seit 3. März 2017 über keinen einzigen passenden Schlüssel zum Vorraum mehr verfügte.

3.4. Unabhängig davon, ob die Rechtsansicht des Beklagten, Mieter auch der Top 16 zu sein, vertretbar war (vgl RS0070417 [T9]), reichten bei der gebotenen Gesamtbetrachtung seines Verhaltens die festgestellten Vorgänge entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts insgesamt jedenfalls (gerade noch) nicht aus, um den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens zu verwirklichen.

4. Der von der Klägerin weiters geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG ist nach den Feststellungen ebenfalls nicht erfüllt.

5. Es ist daher das die Aufkündigung aufhebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen, ohne dass es auf die übrigen Revisionsgründe ankäme.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Gemäß § 10 Z 2 lit c RATG beträgt die Bemessungsgrundlage in Streitigkeiten aus dem Bestandvertrag bei Wohnungen, deren Nutzfläche 60 m² nicht übersteigt, 1.000 EUR. Dass eine der drei dem Beklagten seinerzeit gesondert vermieteten Wohnungen Top 13 bis 15 eine 60 m² übersteigende Nutzfläche hätte, wurde nicht vorgebracht. Auszugehen ist daher von einer Bemessungsgrundlage von insgesamt (nur) 3.000 EUR. Auch wenn man aber angesichts der nach Anmietung erfolgten Zusammenlegung der drei Wohnungen vom Vorliegen einer einzigen Wohnung (mit einer Nutzfläche von mehr als 90 m² iSd § 10 Z 2 lit a RATG und damit von einer Bemessungsgrundlage von [nur] 2.000 EUR) ausgehen wollte, würde sich am heranzuziehenden Tarifansatz nichts ändern.

Anders als im Berufungsverfahren (§ 23 Abs 9 RATG) steht im Revisionsverfahren nur der einfache Einheitssatz für Nebenleistungen (hier von 60 %) zu (§ 23 Abs 3 RATG).

Textnummer

E126377

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:E126377

Im RIS seit

22.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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