Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2019 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Osman Ö***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juli 2019, GZ 61 Hv 42/19w-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Osman Ö***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im Zeitraum von 4. bis 12. Juli 2018 in W***** einen Bestandteil seines Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger geschmälert, indem er in vier Angriffen einen Gesamtbetrag in Höhe von 52.700 Euro vom Geschäftskonto behob und davon 32.700 Euro für „unternehmensfremde Zwecke ohne Gegenleistung“ (US 4: „Kleidung, Essen und einen aufwändigen, seine finanziellen Verhältnisse übersteigenden Lebensstil“) verwendete.
Gemäß § 20 Abs 3 (iVm Abs 1) StGB wurde ein Geldbetrag von 32.700 Euro für verfallen erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Dem Vorwurf der
Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die leugnende Verantwortung des Angeklagten (zur subjektiven Tatseite), wonach er gedacht habe, dass das Unternehmen „gut laufen“ würde, und eine drohende Insolvenz für ihn „nicht absehbar“ gewesen sei, berücksichtigt (US 6 f), wenngleich als unglaubwürdig verworfen. Zu einer Auseinandersetzung mit einzelnen – von der Beschwerde relevierten – Details dieser Einlassung bestand daher keine Veranlassung (RIS-Justiz RS0106642, RS0098642 [T1]). Dass aus diesen Verfahrensergebnissen auch andere als die vom erkennenden Gericht gezogenen Schlüsse möglich gewesen wären, stellt keinen Nichtigkeitsgrund dar.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als
Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem die Beschwerde lediglich pauschal die Begründung der angefochtenen Entscheidung zur subjektiven Tatseite (US 6 f) auf Basis eigener Beweiswerterwägungen kritisiert und auf die Verantwortung des Angeklagten verweist, wonach dieser von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens „überrascht“ gewesen sei und davon „keinesfalls Kenntnis“ gehabt habe, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen. Soweit sie sich überdies gegen die Wertung der Angaben des Angeklagten als unglaubwürdig (US 6) richtet, verkennt sie die Reichweite des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099419).
Die
Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt den in der Gesamtheit des Urteilssachverhalts gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0119091, RS0116823). Indem sie nämlich argumentiert, der Beschwerdeführer habe mit der „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ nicht gerechnet und seine Gläubiger nicht schädigen wollen, bestreitet sie die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 3 f). Außerdem setzt sie sich bloß mit einem Teil der gegen die Diversionsvoraussetzung nicht
schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) sprechenden Umstände (der Vielzahl der Geschädigten) auseinander, lässt aber die mehrfache Tatwiederholung, die Höhe des herbeigeführten Schadens von 32.700 Euro sowie die Verwendung der Gelder „während und in Kenntnis eines laufenden Insolvenzverfahrens“ (für private Zwecke) außer Acht. Ein
Eingehen auf die Argumente zum behaupteten Fehlen spezial- und generalpräventiver Hindernisse
erübrigt sich somit, weil sämtliche Diversionsvoraussetzungen stets kumulativ vorliegen müssen (RIS-Justiz RS0124801).
Bleibt anzumerken, dass –
entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – dem Verfallserkenntnis (nach § 20 Abs 3 StGB) von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO nicht anhaftet:
Der
Verfall nach § 20 Abs 1 StGB bezieht sich auf Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, und erstreckt sich nach Abs 2 der Bestimmung auch auf Nutzungen und Ersatzwerte. Der Anknüpfungstatbestand der Maßnahme, nämlich der Begriff „Vermögenswerte“, umfasst alle wirtschaftlichen Vorteile, die in Zahlen ausgedrückt werden können. Durch mit Strafe bedrohte Handlungen erlangte geldwerte Dienstleistungen sind vom Begriff „Vermögenswerte“ daher ebenso erfasst wie ersparte
Aufwendungen oder Nutzungen von Gebrauchsvorteilen (vgl EBRV 918 BlgNR 24. GP 7 f). Die Anordnung des insoweit nicht gegenstandsbezogenen Verfalls kann in diesem Anwendungsbereich nur auf § 20 Abs 3 StGB gestützt werden, dessen Bezugnahme auf Abs 1 nach diesem Begriffsverständnis auch mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot (§ 1 StGB) unproblematisch ist (zum Ganzen RIS-Justiz RS0130833; vgl hingegen Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 17).
Wie sich aus den vorliegenden Urteilskonstatierungen ergibt, hat der als Einzelunternehmer tätige Angeklagte (unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen) in vier Angriffen den im Urteilsspruch genannten Geldbetrag vom Geschäftskonto behoben und davon (über einen Zeitraum von wenigen Wochen, sohin auch während des laufenden Insolvenzverfahrens) 32.700 Euro für einen aufwändigen, seine finanziellen Verhältnisse übersteigenden Lebensstil verwendet (US 4; vgl hiezu auch RIS-Justiz RS0094756, wonach bei einem Einzelunternehmer das Privatvermögen und das Betriebsvermögen einen einheitlichen Haftungsfonds bilden). Folglich hat er durch die hier relevante Ausgabe der Gelder für nicht den Gläubigern zugute kommende Zwecke (vgl dazu 12 Os 114/09w) einen wirtschaftlichen Vorteil in Form ersparter Aufwendungen (als deliktsspezifisch-unmittelbare und nicht bloß gelegentliche Folge der Straftat nach § 156 StGB) erlangt, musste er doch den zur Befriedigung seines „übermäßigen persönlichen Aufwands“ verwendeten (aus dem Haftungsfonds der Gläubiger entzogenen) Geldbetrag nicht anderweitig aufbringen.
Das Erstgericht hat somit zu Recht einen den ersparten Aufwendungen (hier: im Umfang des über die Quote im Insolvenzverfahren hinausgehenden, nicht beglichenen Teils der Gesamtverbindlichkeiten) entsprechenden Geldbetrag nach § 20 Abs 3 StGB für verfallen erklärt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1
StPO.
Textnummer
E126352European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00105.19A.1007.000Im RIS seit
21.10.2019Zuletzt aktualisiert am
21.10.2019