TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/21 W111 2219659-1

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Veröffentlicht am 21.06.2019
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Entscheidungsdatum

21.06.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W111 2219658-1/2E

W111 2219659-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine und vertreten durch den XXXX , gegen Spruchpunkt IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2019, Zln. 1.) 1211540105-190482961 und 2.) 1230547402-190510507, zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und Spruchpunkt IV. der

angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG idgF iVm § 53 Abs. 2 Z 6 FPG idgF aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die beschwerdeführenden Parteien, ein Ehepaar ukrainischer Staatsangehörigkeit, wurden am 20.05.2019 aufgrund eines Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl festgenommen. Zur Begründung des Festnahmeauftrages wurden eine Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum sowie Mittellosigkeit angeführt.

Am gleichen Tag erfolgten niederschriftliche Einvernahmen der beschwerdeführenden Parteien vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen der eingeleiteten Verfahren zur Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme iVm einem Einreiseverbot und der Erlassung der Schubhaft.

Der Erstbeschwerdeführer gab im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll, sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und gesund zu sein; er sei im Besitz eines bis zum 23.09.2019 gültigen Visums für einen Aufenthalt im Schengen-Raum, welches ihn zu einem dreimonatigen Aufenthalt berechtige; zuletzt sei er am 28.10.2018 in den Schengen-Raum eingereist und es sei ihm bewusst, dass er sich bereits länger als 90 Tage im Schengen-Raum befinde. Auf Vorhalt, wonach die Polizei bereits einmal bei ihm gewesen wäre und seinen Reisepass überprüft hätte und er daher daran denken hätte müssen, nicht zu lange im Bundesgebiet zu verbleiben, erklärte der Erstbeschwerdeführer, er sei bislang nicht freiwillig ausgereist, da er auf eine Gerichtsverhandlung im Bundesgebiet warte, welche im September 2019 stattfinden solle. In der Ukraine sei sein Leben und jenes seiner Gattin in Gefahr. Im Herbst 2018 habe er sein Haus in Österreich verkauft. Er habe das Recht gehabt, das Haus zurückzukaufen. Diese Woche solle erst der Kaufpreis von EUR 150.000,- bezahlt werden. Er habe Geschäfte zwischen österreichischen und russischen Unternehmen vermittelt und deswegen eine Provision von 1% der Rechnungssumme erhalten; dies seien USD 4.000.000,- Das Geld habe auf einer Schweizer Bank gelegen und sei nunmehr in Projekten angelegt. Er werde seit Sommer 2018 bedroht, da gewisse Leute wüssten, dass er vermögend sei. Der Erstbeschwerdeführer sei zunächst nach Österreich ausgereist. Hier habe es einen Konflikt gegeben, da er eine Waffe gebraucht hätte. Dann habe er eine Anzeige erstattet, da seine Frau nicht gefunden werden konnte. Nach 34 Stunden sei er von der Polizei informiert worden, dass die Genannte gefunden worden sei. Diese sei nicht ganz klar im Kopf und könne sich nicht erinnern, was passiert sei. Er habe nicht um Asyl angesucht, da es ihm nicht eingefallen wäre. Er sei Eigentümer einer tschechischen Firma; sein Geld sei eingefroren. Er wolle einen Zweitwohnsitz in Österreich haben, da er hier beruflich viel zu tun hätte und ihm das Haus sehr gefalle. Er wolle bis September hierbleiben, damit er alles erledigen könne, um dann nach Tschechien zu gehen. Dies hätte sich alles wegen des Geldes verzögert, der Erstbeschwerdeführer hätte noch ein paar Projekte am Laufen. Seine Frau und er würden zusammen ca. EUR 500,- Pension aus der Ukraine beziehen, diese werde auf ein Bankkonto in Odessa überwiesen. Der Erstbeschwerdeführer könne sich dies überweisen lassen, er habe fünf Jahre lang auch in Österreich als Geschäftsführer gearbeitet. Der Erstbeschwerdeführer habe EUR 40,-

an Barmitteln bei sich. Er habe ein Konto bei einer österreichischen Bank, wisse jedoch nicht, wie viel Geld sich auf diesem befinde. Vor kurzem habe er EUR 9.500,- von diesem abheben und zahlen müssen. Das Haus, das er in Österreich bewohne, gehöre ihm, er hätte dieses im Jahr 1991 gekauft. Da er in der Ukraine bedroht worden sei, lebe er nicht mehr dort. In Österreich lebe seine Frau sowie ein Enkel, der hier studiere. Weitere Angehörige würden in Griechenland leben. Seine Frau sei zunächst bei der gemeinsamen Tochter in Griechenland gewesen und befinde sich seit ein paar Wochen in Österreich.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt zusammengefasst zu Protokoll, sie sei mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und werde von diesem finanziell versorgt. Die Einvernahme wurde in der Folge wegen fehlender Einvernahmefähigkeit der Zweitbeschwerdeführerin abgebrochen.

Sichergestellt wurden die ukrainischen Reisepässe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde den beschwerdeführenden Parteien ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkte II.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkte III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG 2005 wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkte IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V.).

Das Bundesamt stellte die Identität sowie Staatsangehörigkeit der beschwerdeführenden Parteien fest und führte weiters aus, dass die Genannten illegal im Bundesgebiet aufhältig wären, hier keine maßgeblichen Familienangehörigen hätten und über keine maßgeblichen Barmittel verfügen würden. Die Genannten hätten Familienangehörige im Heimatland sowie in Griechenland und hätten bei ihren Einvernahmen keine Bedenken gegen eine Abschiebung in die Ukraine vorgebracht. Die beschwerdeführenden Parteien seien de facto mittellos, sie würden lediglich über eine kleine monatliche Pension in der Höhe von ca. EUR 250,- verfügen; der Erstbeschwerdeführer führe nahezu keine Barmittel (EUR 40,-) bei sich, er sei im Besitz einer Bankkarte, wisse jedoch nicht, wie viel Geld auf dem Konto sein solle. Er hätte anlässlich seiner Einvernahme von Millionenbeträgen erzählt, die er durch diverse Geschäfte verdient hätte, über die er jedoch derzeit nicht verfügen könne. Diesbezügliche Unterlagen habe er nicht in Vorlage bringen können, weshalb die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen nicht gegeben sei. Selbst das Haus, in dem er wohne, hätte er seinen Angaben zufolge vor Monaten verkauft, ohne bis dato Geld dafür bekommen zu haben. Die beschwerdeführenden Parteien seien demnach nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt auf legale Art und Weise zu bestreiten und sie würden demnach ein erhebliches Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Gegen den Erstbeschwerdeführer sei am 06.11.2018 ein Waffenverbot erlassen worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei auf Unterstützung ihres Gatten angewiesen und könne nicht ohne dessen Hilfe alleine in Österreich bleiben. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte der beschwerdeführenden Parteien habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die von diesen ausgehende Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

3. Die angeführten Bescheide wurden den beschwerdeführenden Parteien am 21.05.2019 mitsamt einer Information über die bevorstehende Abschiebung am 22.05.2019 persönlich ausgefolgt.

4. Am 22.05.2019 wurden die beschwerdeführenden Parteien auf dem Luftweg in die Ukraine abgeschoben.

5. Mit Eingabe vom 29.05.2019 wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. der im Spruch ersichtlichen Bescheide erhoben. Begründend wurde ausgeführt, die Familie komme seit Jahren immer wieder nach Österreich und habe bis jetzt nie die erlaubte Aufenthaltsdauer überschritten. Grund für die nunmehrige Überschreitung sei die geplante Verhandlung an einem inländischen Landesgericht im September 2019 gewesen. Der Erstbeschwerdeführer und seine Familie seien von einer Person bedroht worden. Er habe Anzeige bei der Polizei erstattet und es sei zu einer Verhandlung gekommen, welche auf September 2019 vertagt worden sei. Der Erstbeschwerdeführer habe Österreich aus Angst nicht verlassen. Der Täter komme aus seinem Heimatland und der Erstbeschwerdeführer befürchte, dass die ukrainische Polizei nicht in der Lage sei, ihn vor Angriffen durch den Täter zu schützen. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die Entscheidung nicht bzw. nur unzureichend begründet. Das Bundesamt ginge fälschlicherweise davon aus, dass die Beschwerdeführer mittellos seien und verhänge demnach zu Unrecht ein Einreiseverbot gegen diese. Der Erstbeschwerdeführer habe bei der Einvernahme angegeben, dass er ein Konto mit Ersparnissen in der Höhe von EUR 9.000,- habe, daneben könnten die Genannten auch auf finanzielle Unterstützung ihrer Tochter zurückgreifen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten seit 2018 in Österreich gelebt und keine Sozialleistungen in Anspruch genommen; sie hätten das Bundesgebiet auf eigene Kosten verlassen wollen, was ihnen jedoch nicht bewilligt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die beschwerdeführenden Parteien als mittelos angesehen werden und aus diesem Grund eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würden. Die beschwerdeführenden Parteien befänden sich im fortgeschrittenen Alter, hätten einen Enkelsohn, der in Österreich studiere und eine Tochter, die in Griechenland lebe. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an Demenz und sei daher nicht in der Lage, um sich selbst zu sorgen und sei auf Hilfe ihres Ehemannes bzw. ihrer Tochter angewiesen. Die Tochter wolle demnächst einen Antrag auf Familienzusammenführung in Griechenland stellen, damit ihre Eltern dort leben könnten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde daher zum Ergebnis kommen müssen, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren nicht geboten sei, weshalb dessen Aufhebung beantragt werde.

6. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten mitsamt den bezughabenden Verwaltungsakten am 04.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

1.1.2. Die verfahrensgegenständlichen Beschwerden richten sich ausdrücklich ausschließlich gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide, sohin gegen das für die Dauer von fünf Jahren gegen die beschwerdeführenden Parteien ausgesprochene Einreiseverbot. Die übrigen Spruchteile (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) erwuchsen demnach mit insofern ungenutztem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist in Rechtskraft, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit der gegen die Beschwerdeführer verhängten Einreiseverbote zu beschränken haben (vgl. zur Trennbarkeit dieser Spruchpunkte VwGH 15.5.2012, 2012/18/0029 u.a.; 22.5.2013, 2011/18/0259; 24.5.2018, Ra 2017/19/0311).

Zu A) Stattgabe der Beschwerden:

1.2. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.):

1.2.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. etwa VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12 und 19, mwN). Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden kann, wenn dieses nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat (vgl. etwa VwGH vom 22.01.2014, 2012/22/0246, VwGH vom 26.01.2010, 2008/22/0890, sowie schon zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 VwGH vom 12.01.2000, 99/21/0357).

Was den räumlichen Geltungsbereich des Einreiseverbotes anbelangt, ist festzuhalten, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und Vereinigtes Königreich, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden sind (vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/11/1097 vom 29. September 2011). Daraus folgt, dass sich der räumliche Umfang der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 festgelegten Anweisung schon aus den gesetzlichen in Verbindung mit den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt und somit die Staaten erfasst, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind das Vereinigte Königreich und Irland und es kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dazu. In diesem Sinn ist der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 verwendete, offenbar aus der Rückführungsrichtlinie übernommene Begriff "Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten" auszulegen. Es ist somit nicht erforderlich, im Spruch eines Bescheides, mit dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011, somit iSd. Art. 11 Abs. 1 iVm. Art. 3 Z 6 Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot erlassen wird, jene Staaten, für die das Verbot der Einreise und des Aufenthaltes ausgesprochen wird, noch einmal konkret zu nennen, sofern deutlich wird, dass es sich um ein Einreiseverbot handelt (VwGH 22.05.2013, Zl. 2013/18/0021).

1.2.2. Die belangte Behörde hat die gegenständlichen Einreiseverbote auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gestützt, wonach eine von einem Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit u.a. dann anzunehmen ist, wenn dieser den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Fallgegenständlich ist den Ausführungen in der Beschwerde beizupflichten, wonach die Behörde im angefochtenen Bescheid weder nachvollziehbar dargelegt hat, weshalb im Falle der beschwerdeführenden Parteien von einer Mittellosigkeit ausgegangen werde, noch weshalb aus einer solchen im konkreten Einzelfall eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu erblicken wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof geht zwar in seiner Rechtsprechung zu § 53 Abs. 2 Z 6 FPG davon aus (vgl. zuletzt etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309), dass ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FPG etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12).

1.2.3. Festzuhalten ist, dass die Behörde unzureichend begründet hat, weshalb im Falle der beschwerdeführenden Parteien von einer Mittellosigkeit ausgegangen wird. Der Erstbeschwerdeführer hat anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 20.05.2019 davon gesprochen, im Besitz von Barmitteln in der Höhe von EUR 40,- zu sein und darüber hinaus gemeinsam mit seiner Frau eine monatliche Pension in der Höhe von zusammengerechnet etwa EUR 500,- zu beziehen. Der Genannte erklärte, überdies ein Bankkonto in Österreich zu haben, über den genauen Kontostand jedoch nicht informiert zu sein. Weiters führte er an, in Österreich Eigentümer eines Hauses zu sein, welches er zuletzt gegen eine Summe von EUR 150.000,- verkauft hätte, auf deren Zahlung er momentan noch warte. Überdies verwies er auf seine Tätigkeit als Geschäftsmann und damit in Zusammenhang stehende Geldmittel. Wenn auch der Erstbeschwerdeführer keine konkreten Unterlagen zum Beleg seiner finanziellen Situation in Vorlage gebracht hat, so kann dieser Umstand angesichts der Ausführungen des Erstbeschwerdeführers zu mehreren möglichen finanziellen Reserven keine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Mittellosigkeit des Ehepaares darstellen.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, dass der, im Verfahren damals nicht vertreten gewesene, Erstbeschwerdeführer durch die Behörde zu irgendeinem Zeitpunkt zum schriftlichen Beleg seiner Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist respektive dass er faktisch über die Möglichkeit verfügt hätte, initiativ entsprechende Unterlagen in Vorlage zu bringen. Die beschwerdeführenden Parteien wurden am 20.05.2019 nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen und am gleichen Tag zur geplanten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Bereits am darauffolgenden Tag wurden ihnen die gegenständlich angefochtenen Bescheide ausgefolgt, am 22.05.2019, sohin wiederum nur einen Tag später und während offener Rechtsmittelfrist, erfolgte bereits deren Abschiebung auf dem Luftweg in die Ukraine. Insofern kann die Tatsache, dass der Erstbeschwerdeführer im Verfahren vor der Behörde keine schriftlichen Belege zu seiner finanziellen Situation vorgelegt hat, nicht zur Begründung der Unglaubwürdigkeit der vom Erstbeschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme vom 20.05.2019 verbal dargelegten Vermögensverhältnisse ausreichen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass der Genannte davon sprach, Eigentümer einer Immobilie an einer näher angeführten Adresse im Bundesgebiet zu sein; auch wenn er erklärte, diese zuletzt verkauft zu haben, ohne bislang den Kaufpreis erhalten zu haben, kann hieraus auf keine Mittellosigkeit seiner Person geschlossen werden, zumal er seinen - vom Bundesamt nicht überprüften - Angaben zufolge weiterhin Eigentümer der Immobile wäre und im Falle eines Verkaufs zudem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises hätte.

Es wurde auch nicht festgestellt, dass die beschwerdeführenden Parteien während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet in der Vergangenheit jemals auf den Bezug staatlicher Leistungen angewiesen waren, vielmehr waren sie während der Dauer ihres - wenn auch zuletzt illegalen - Aufenthalts zur eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in der Lage.

1.2.4. Eine Mittellosigkeit der beschwerdeführenden Parteien wurde demnach vom Bundesamt nicht ausreichend festgestellt weshalb sich das auf diesen Umstand gestützte Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren schon insofern als nicht gerechtfertigt erweist.

Im Rahmen der durchzuführenden Gefährdungsprognose ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien um ein unbescholtenes Ehepaar im Alter von zum Entscheidungszeitpunkt 75 sowie 72 Jahren handelt. Im Falle der Zweitbeschwerdeführerin liegt aufgrund der Aktenlage der Verdacht einer Demenz-Erkrankung nahe, diese war im Verfahren vor dem Bundesamt nicht einvernahmefähig.

Zudem wies die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Erwägungen im angefochtenen Bescheid keine konkrete Auseinandersetzung mit den im Gebiet der Mitgliedstaaten bestehenden familiären und wirtschaftlichen Beziehungen der beschwerdeführenden Parteien erkennen lassen. Die beschwerdeführenden Parteien haben insbesondere angeführt, dass ihre gemeinsame Tochter in Griechenland leben würde und der Erstbeschwerdeführer Eigentümer einer Firma mit Sitz in der Tschechischen Republik sei.

1.2.5. Weshalb im Falle der beschwerdeführenden Parteien anzunehmen wäre, dass ein fortgesetzter/neuerlicher Aufenthalt im Gebiet der Mitgliedstaaten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde, welche die Verhängung von Einreiseverboten in der für Fälle des § 53 Abs. 2 FPG vorgesehenen Maximaldauer von fünf Jahren erfordern würde, lässt sich den Erwägungen im angefochtenen Bescheid demnach insgesamt nicht entnehmen und ist auch unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens der beschwerdeführenden Parteien nicht ersichtlich. Bei einem Fremden, dem bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Last zu legen sei, kann die Erlassung eines Einreiseverbotes im Einzelfall unterbleiben.

1.3. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide war daher stattzugeben und die ausgesprochenen Einreiseverbote ersatzlos zu beheben.

2. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 9 Abs. 5 FPG kann eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, wenn der Beschwerdeführer nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt ist und wenn der Sachverhalt abschließend feststeht.

Im gegenständlichen Fall stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass die mit den angefochtenen Spruchteilen ausgesprochenen Einreiseverbote aufzuheben sind. Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 9 Abs. 5 FPG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, ersatzlose Behebung,
Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose, Kassation,
Mittellosigkeit, Nachvollziehbarkeit, öffentliche Interessen,
öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W111.2219659.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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