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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E048 EGV Art48;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. August 1998, Zl. 5-s28f5/6 - 1998, betreffend Leistung eines Überweisungsbetrages gemäß § 308 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 8. Jänner 1998 abgewiesen. Mit dem zuletzt genannten Bescheid war aus Anlaß der Übernahme des Beschwerdeführers in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis für 184 Beitragsmonate ein Überweisungsbetrag von S 276.276,-- errechnet und festgestellt worden, daß durch die Zahlung des Überweisungsbetrages sämtliche Ansprüche aus der Pensionsversicherung, die sich aus den Zeiträumen ableiten, für die der Überweisungsbetrag geleistet worden sei, entfertigt würden.
Gegen den vorerwähnten Einspruchsbescheid des Landeshauptmanns richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer (auf das wesentliche zusammengefaßt) folgenden Sachverhalt vorträgt: er habe neben seinem früheren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund im Zeitraum vom 1. Juni 1977 bis 30. September 1990 auch Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach dem ASVG in näher bezeichneten Zeiträumen durch die Abhaltung verschiedener, gemäß § 4 Abs. 2 ASVG versicherungspflichtiger Lehraufträge erworben. Am 30. September 1990 sei er aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund ausgeschieden; durch die Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 311 ASVG bei Ausscheiden aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis seien die Zeiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses in Beitragsmonate (nach dem ASVG) umgewandelt worden, wodurch "die neben dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erworbenen Versicherungsmonate zu sich deckenden Versicherungszeiten" geworden seien und "bei Wiederaufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nun nicht mehr isoliert als Versicherungsmonate (ergänze: nach dem ASVG) betrachtet" würden.
Der Beschwerdeführer erachte sich "durch den Verlust (seiner) neben dem Bestand eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung ... (in seinem) Recht auf diskriminierungsfreie Freizügigkeit innerhalb des EWR (Art. 48 und 51 EG-Vertrag) als verletzt". Die Behauptung dieser Rechtsverletzung wird in der Beschwerde im wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer sei im Anschluß an sein Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis am 30. September 1990 in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Land Baden-Württemberg (als Universitätsprofessor an der Universität Konstanz) eingetreten und im Anschluß an dieses öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis am 1. Oktober 1996 zum ordentlichen Universitätsprofessor an der Universität Graz ernannt worden. Art. 48 und 51 des EG-Vertrages stünden einer Regelung entgegen, die für den Fall solcher Übertritte, insbesondere jenes aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis des Landes Baden-Württemberg den (endgültigen) Verlust von Beitragsmonaten der Pflichtversicherung, die neben den Beamtendienstzeiten erworben worden seien, bewirke. Dies wird unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes näher ausgeführt. Durch eine Norm, die solches bewirke, werde der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 48 Abs. 1 und 51 EG-Vertrag verletzt. Dagegen könne auch nicht eingewendet werden, daß dieselben Rechtsfolgen auch denjenigen träfen, der nach Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses Österreich nicht verlasse, sondern in Österreich eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit oder auch gar keine Tätigkeit ausübe und danach wieder in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eintrete. Diese Rechtslage könne (gemeint: auf innerstaatlicher Ebene) nur deswegen Bestand haben, da keine höherrangige Norm für den Fall des "innerösterreichischen Wechsels" aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bei Wiedereintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis einen Schutz vor Nachteilen einräume. Einen solchen Schutz sehe aber Art. 48 EG-Vertrag, der den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehe, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 311 ASVG sieht für den Fall des Ausscheidens eines Dienstnehmers aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis (im wesentlichen sind dies öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse mit Anwartschaften auf Ruhe- und Versorgungsgenüssen gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 ASVG) vor, daß der Dienstgeber dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten hat. Gemäß § 313 ASVG hat die Leistung eines solchen Überweisungsbetrages die Wirkung, daß die in den geleisteten bzw. zurückgezahlten Überweisungsbeträgen sowie die in den aus Anlaß der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis vom Dienstnehmer geleisteten besonderen Pensionsbeiträgen berücksichtigten vollen Monate als Versicherungsmonate nach dem ASVG gelten, sofern diese Monate in dem Überweisungsbetrag als Versicherungsmonate im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt worden waren.
§ 308 Abs. 1 ASVG sieht für den Fall der (auch neuerlichen) Aufnahme eines solchen pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses die Leistung eines Überweisungsbetrages des zuständigen Sozialversicherungsträgers an den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber für jene Versicherungsmonate vor, die vom öffentlich-rechtlichen Dienstgeber für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß bedingt oder unbedingt angerechnet wurden.
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 48 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EGV umfaßt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Gemäß Art. 48 Abs. 4 findet dieser Artikel keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Gemäß Art. 51 EGV beschließt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen; zu diesem Zweck führt er insbesondere ein System ein, welches aus- und einwandernden Arbeitnehmern und deren anspruchsberechtigten Angehörigen folgendes sichert:
a) die Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruches sowie für die Berechnung der Leistungen;
b) die Zahlung der Leistungen an Personen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedsstaaten wohnen.
Die auf der Grundlage der zuletzt genannten Vorschrift erlassene Verordnung 1408/71 nimmt in Art. 4 Abs. 4 unter anderem die "Sondersysteme für Beamte und ihnen gleichgestellte" von ihrer Anwendbarkeit aus.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann auf sich beruhen, ob Universitätslehrer, die in einem Mitgliedsstaat im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, unter den gemeinschaftsrechtlich auszulegenden Begriff der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Art. 48 Abs. 4 EGV fallen (vgl. dazu Wölker in: Ehlermann/Bieber, Handbuch des Europäischen Rechts, Art 48 Rz 114 ff), weil vorliegendenfalls eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit (bei Fehlen eines Anrechnungssystems für Beamte vergleichbar der Verordnung (EWG) 1408/71) aus folgenden Gründen gar nicht vorliegt:
Abgesehen davon, daß beim Wechsel des Beschwerdeführers von Österreich in die Bundesrepulik Deutschland am 1. Oktober 1990 die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Österreich noch keine Geltung hatten, konnte er dadurch, daß die - nach dem Ausscheiden aus dem österreichischen öffentlichen Dienst - für ihn (zunächst) "wertlos" gewordenen Pensionszeiten im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis durch die Leistung eines Überweisungsbetrages im Sinne des § 311 ASVG in Anwartschaften in der gesetzlichen Sozialversicherung umgewandelt wurden, in keiner Weise in seinen Rechten beeinträchtigt werden, ganz abgesehen davon, daß eine solche Beeinträchtigung nicht dem nunmehr angefochtenen Bescheid angelastet werden könnte.
Ähnliches gilt für den umgekehrten Vorgang: Dadurch, daß der Beschwerdeführer am 1. Oktober 1996 nach Österreich zurückgekehrt ist, um hier wieder in den öffentlichen Dienst als Universitätsprofessor einzutreten, ist ihm unter den von ihm dargelegten Aspekten kein Nachteil entstanden. Es kann insbesondere dadurch, daß die sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaften auf den nunmehrigen Dienstgeber des pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses im Wege eines Überweisungsbetrages gemäß § 308 Abs. 1 ASVG (zum Teil rück-)übertragen wurden, kein solcher Nachteil entstanden sein. Insbesondere hatte der Beschwerdeführer sowohl vor, als auch nach dem Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Österreich in Österreich keine Anwartschaft auf zwei getrennte Pensionsleistungen, die ihm durch seine Rückkehr wieder verloren gegangen sein könnte. Das "Verschmelzen" einander deckender Versicherungsmonate nach dem ASVG als Folge von deren Zusammentreffen als eine Reflexwirkung des seinerzeitigen, vom Bund (in Ermangelung des Fortbestehens eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses) geleisteten Überweisungsbetrages gem. § 311 ASVG ist nicht auf die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Österreich zurückzuführen. Das vom Beschwerdeführer aufgeworfene Problem tritt vielmehr völlig unabhängig davon ein, ob der Dienstnehmer von seiner Freizügigkeit im Sinne des Art. 48 EG-Vertrag Gebrauch macht.
Dadurch, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1990 (zu welchem Zweck immer) aus dem österreichischen öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, wurde sein gesamtes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst (retrospektiv) zufolge der Leistung des Überweisungsbetrages nach § 311 ASVG wie ein zweites Dienstverhältnis, welches der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag, behandelt. Damit wurde der Beschwerdeführer (als Reflexwirkung seines Ausscheidens aus dem öffentlichen Dienst, nicht aber aufgrund des Eintrittes in den öffentlichen Dienst im deutschen Bundesland Baden-Württemberg) nicht anders gestellt, wie ein Arbeitnehmer, der in zwei Dienstverhältnissen beschäftigt ist, die beide der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen und deren Beitragszeiten, soweit sie sich zeitlich decken, daher für den Leistungsanspruch zusammengerechnet werden und ebensowenig einen Anspruch auf zwei Pensionsleistungen zu begründen vermögen.
Die Einrichtung von Überweisungsbeträgen gemäß § 308 und gemäß § 311 ASVG hat für den Fall des Wechsels von einem System in das andere prinzipiell anwartschaftserhaltenden Charakter. Gegen diese Bestimmungen bestehen daher auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahin, daß sie eine allenfalls gebotene Unterscheidung zwischen Beamtenversorgung und gesetzlicher Pensionsversicherung vermissen ließen. Ist daher in der speziellen Konstellation eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG eine Anwartschaft in der anderen Anwartschaft infolge eines Systemwechsels aufgegangen, so vermag der erkennende Senat weder einen gemeinschaftsrechtlichen, noch einen innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Grundsatz zu erkennen, der es dem Gesetzgeber gebieten würde, im Falle des Wiedereintrittes in den öffentlichen Dienst durch entsprechende gesetzliche Vorkehrungen den früheren Zustand in allen Belangen wiederherzustellen.
Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 20. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080297.X00Im RIS seit
20.11.2000