Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §24 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in M, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 17. Oktober 1994, Zl. IVa-AlV-7022-1-B/2268 230973/Ried, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog nach der Geburt ihres Sohnes Michael am 25. Mai 1992 vom 28. Juli 1992 bis 25. Mai 1994 Karenzurlaubsgeld.
Mit Bescheid vom 12. Juli 1994 widerrief das Arbeitsamt Ried die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Mai 1994 und verpflichtete die Beschwerdeführerin zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von S 4.520,--. Nach der Begründung sei bekannt geworden, daß die Beschwerdeführerin während des Karenzurlaubsgeldbezuges ab 1. Mai 1994 bei der H. GmbH in Beschäftigung gestanden sei. Da sie dies dem Arbeitsamt nicht gemeldet habe, sei dadurch der angegebene Überbezug von ihr herbeigeführt worden.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, wobei sie im wesentlichen vorbrachte, in der Zeit vom 1. bis 25. Mai 1994 nur geringfügig beschäftigt gewesen zu sein. Sie sei von der H. GmbH erst wieder mit Beendigung des Karenzurlaubes zur Krankenkasse voll gemeldet worden.
Der Berufung war eine Kopie der Änderungsmeldung angeschlossen, wonach die geringfügige Beschäftigung der Beschwerdeführerin ab 26. Mai 1994 ende. Ab diesem Zeitpunkt sei sie wieder "voll beschäftigt".
Die Beschwerdeführerin legte der belangten Behörde ferner eine Kopie des Schreibens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 16. Juni 1994 an die H. GmbH vor. Danach sei die Beschwerdeführerin seit 1. Februar 1994 als geringfügig Beschäftigte zur Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemeldet gewesen. Im Mai 1994 sei jedoch die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von S 3.288,-- überschritten worden, weshalb die Beschwerdeführerin bereits ab 1. Mai 1994 der Pflichtversicherung in der Vollversicherung nach den Bestimmungen des ASVG unterliege. Die Gebietskrankenkasse habe deshalb die Änderungsmeldung, nach der die Beschwerdeführerin ab 26. Mai 1994 zur Vollversicherung angemeldet worden sei, auf 1. Mai 1994 korrigiert. Für die Beurteilung, ob eine geringfügige Beschäftigung vorliege, sei nämlich der im Beitragszeitraum (Kalendermonat) erzielte Arbeitsverdienst maßgebend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde ist bei ihrer Entscheidung im wesentlichen davon ausgegangen, es sei unbestritten, daß die Beschwerdeführerin bereits ab 1. Mai 1994 von der H. GmbH wieder zur vollen Pflichtversicherung angemeldet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dies auch in ihrer Berufung angegeben.
Diese Auffassung erweist sich jedoch als aktenwidrig, da die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich erklärt hat, erst mit Beendigung des Karenzurlaubes, also mit 25. Mai 1994, von der H. GmbH "zur Krankenkasse voll gemeldet" worden zu sein. Der Berufung hat die Beschwerdeführerin auch ein Schreiben der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse angeschlossen, wonach diese die Änderungsmeldung zur Vollversicherung ab 26. Mai 1994 "im eigenen Wirkungsbereich auf 1.5.1994 korrigiert" hat. Mangels einer rückwirkenden Vollversicherung in Bescheidform (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0070, mit Hinweis auf Vorjudikatur) hätte die belangte Behörde im Beschwerdefall zunächst prüfen müssen, ob zwei von einander zu unterscheidende Beschäftigungsverhältnisse vorliegen oder ob die H. GmbH und die Beschwerdeführerin von der ursprünglich bescheinigten Vereinbarung eines Karenzurlaubes bis zum 25. Mai 1994 im nachhinein ausdrücklich oder konkludent abgegangen sind (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 8. September 1998).
Der Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf die Einnahmen der Beschwerdeführerin im Mai 1994 bei der F. GmbH & Co KG (vgl. Blatt 1/21 des Leistungsaktes) stellen eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 VwGG dar, weil darauf weder im erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid Bezug genommen worden ist.
Da aufgrund dieser Erwägungen der Sachverhalt in einem wesentliche Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, begrenzt durch den in der Beschwerde geltend gemachten Schriftsatzaufwand.
Wien, am 20. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994080284.X00Im RIS seit
18.10.2001