Entscheidungsdatum
24.07.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G314 1310256-3/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (Spruchteil A) und zu Recht erkannt (Spruchteil B):
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung
(Spruchpunkt III. zweiter Satz des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchteil ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) ist ein in Deutschland geborener serbischer Staatsangehöriger. Er spricht Serbisch und Deutsch. Er absolvierte in Deutschland die Grund- und Hauptschule. 2001 wurde der ihm in Deutschland erteilte Aufenthaltstitel wegen diverser strafgerichtliche Verurteilungen widerrufen; bis 2009 bestand ein von Deutschland ausgesprochenes schengenweites Aufenthaltsverbot. Der BF war bis 2003 in Deutschland in Haft und kehrte anschließend in seinem Herkunftsstaat zurück.
Mitte 2006 reiste der BF in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 11.07.2006 internationalen Schutz beantragte. Dieser Antrag wurde im Februar 2007 in erster Instanz und im Oktober 2008 vom Asylgerichtshof abgewiesen.
Der BF wurde im Bundesgebiet mehrmals wegen Einbruchsdiebstählen strafgerichtlich verurteilt. Im Juli 2008 verhängte das Landesgericht XXXX eine Strafenkombination (Geldstrafe und bedingte sechsmonatige Freiheitsstrafe). Im September 2008 folgte eine Verurteilung zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe. Im Dezember 2008 wurde er vom Landesgericht XXXX zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt; gleichzeitig wurde die zuvor gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Bis Dezember 2018 bestand deshalb gegen den BF ein von Österreich ausgesprochenes Aufenthaltsverbot. Zwischen November 2008 und März 2010 verbüßte er die Freiheitstrafen in den Justizanstalten XXXX und XXXX. Im März 2010 wurde er aufgrund eines bis März 2012 gewährten Strafaufschubs gemäß § 39 SMG enthaftet. Im Mai 2012 kehrte er freiwillig nach Serbien zurück.
Seit September 2018 hält sich der BF wieder im Bundesgebiet auf. Er wurde nach dem Strafvollzug in Deutschland zum Vollzug der offenen Haftstrafe in die Justizanstalt XXXX überstellt. Er besitzt keinen österreichischen oder deutschen Aufenthaltstitel. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde er wegen eines im Februar 2012 begangenen Einbruchsdiebstahls unter Bedachtnahme auf zwei Verurteilungen des Amtsgerichts XXXX vom XXXX.2018 und vom XXXX.2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, die er aktuell in der Justizanstalt XXXX verbüßt. Das urteilsmäßige Strafende ist am 23.07.2020. Eine Entscheidung über seinen Antrag auf einen Strafaufschub gemäß § 39 SMG vom 12.12.2018 ist nicht aktenkundig.
Mit dem Schreiben vom 17.01.2019 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den BF auf, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu äußern. Der BF erstattete eine Stellungnahme, in der er insbesondere auf seine in Österreich lebenden Angehörigen (Tochter mit Sohn, Schwester und Onkel mit Familien), seine krankheits- bzw. unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und seinen bisherigen Lebensmittelpunkt in München hinwies.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien fest (Spruchpunkt II.), legte gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG ein siebenjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilung des BF begründet. Bei der Rückkehr nach Serbien bestünde keine reale menschenrechtsrelevante Gefahr, sodass es ihm zumutbar sei, den Ausgang des Verfahrens dort abzuwarten. Das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung überwiege sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids oder dessen Abänderung dahin beantragt, dass eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt wird. Hilfsweise strebt er die Behebung oder die Reduktion der Dauer des Einreiseverbots an und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er bringt dazu zusammengefasst vor, dass er an Leberzirrhose und Hepatitis C erkrankt und HIV-positiv sei. Es sei zweifelhaft, ob diese Krankheiten in Serbien angemessen behandelt werden könnten; jedenfalls habe er dort mit erheblichen gesellschaftlichen Diskriminierungen, etwa bei der Arbeitssuche, zu rechnen. Seine Tochter und andere Angehörige würden in Österreich und Deutschland leben; er habe kaum Bindungen zu seinem Herkunftsstaat.
Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie einer Stellungnahme zur Beschwerde mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister und dem Fremdenregister. Mangels widersprüchlicher Beweisergebnisse erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Die Beschwerde richtet sich - zumindest implizit - auch gegen den zweiten Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Überlegungen in Bezug auf das Urteil des EuGH vom 19.6.2018, Gnandi, C-181/16, beziehen sich ausschließlich auf Rückkehrentscheidungen, die auf § 10 Abs 1 AsylG bzw. § 52 Abs 2 FPG beruhen. Geht es dagegen (wie hier) um eine Rückkehrentscheidung "außerhalb asylrechtlichen Kontextes" nach § 10 Abs 2 AsylG bzw. § 52 Abs 1 FPG und damit um die Anwendung von § 18 Abs 2 BFA-VG, so kommen diese Überlegungen nicht zum Tragen (siehe VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0001).
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden iSd § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).
Solche besonderen Umstände liegen hier trotz der wiederholten Eigentums- und Suchtgiftdelinquenz des BF und der Wirkungslosigkeit der bisherigen strafgerichtlichen Sanktionen nicht vor, zumal gar keine Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Entlassung aus der Strafhaft bestehen, die Straftaten, die der letzten Verurteilung des BF zugrunde lagen, schon mehrere Jahre zurückliegen und nicht bekannt ist, auf welchen konkreten Taten seine Verurteilungen in Deutschland 2017 und 2018 basierten und wann diese gesetzt wurden. Außerdem ist offen, ob dem BF der beantragte Strafaufschub gemäß § 39 SMG bewilligt wurde, zumal eine Abschiebung für die Dauer eines solchen Strafaufschubs und die im Zuge dessen durchgeführte Suchtgifttherapie nicht erfolgen darf (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0240). Um eine Gefährdung der in § 18 Abs 5 BFA-VG genannten Rechte des BF ausschließen zu können, sind außerdem zusätzliche Informationen, insbesondere zu seinen Erkrankungen und den in Serbien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten, einzuholen.
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Die kurze, schablonenhafte Begründung der Behörde zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Beschwerde wird daher die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.1310256.3.00Zuletzt aktualisiert am
21.10.2019