Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §56 idF 1994/314;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in M, vertreten durch Dr. Edeltraud Bernhart-Wagner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 10. Oktober 1997, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1997, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Mödling vom 27. Juni 1997 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 20. Juni bis 31. Juli 1997 verloren habe. Begründet wurde dieser Ausspruch damit, daß der Beschwerdeführer die ihm vermittelte zumutbare Beschäftigung bei der Firma Neuhold ohne triftigen Grund nicht angenommen habe.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung - nach dem Inhalt der dem Beschwerdeführer zugestellten Ausfertigung der Erledigung - keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen an und stellte das Verwaltungsgeschehen dar. Sie ging weiters sachverhaltsmäßig davon aus, daß der Beschwerdeführer die Handelsakademie mit Matura abgeschlossen habe. Er habe in der Folge nie eine dieser Ausbildung entsprechende Arbeit ausgeübt. Er sei als Verkäufer, Regalbetreuer und im Rahmen eines Beschäftigungsprojektes auch im Lager und Transport tätig gewesen. Die regionale Geschäftsstelle Mödling habe dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Juni 1997 ein Stellenangebot für einen Magazineur bei der Firma Carola Neuhold GesmbH in Wiener Neudorf übermittelt. Als Kontaktaufnahme sei eine Vorstellung nach telefonischer Terminvereinbarung gewünscht worden.
Der Beschwerdeführer sei am 20. Juni 1997 vom Arbeitsmarktservice Mödling auf das Ergebnis dieser Bewerbung angesprochen worden. Er habe dort angegeben, er habe mit der bekanntgegebenen Firma telefoniert und erfahren, sich schriftlich bewerben zu müssen. Das habe er gemacht.
Eine sofortige Rückfrage des Arbeitsmarktservice Mödling bei der Firma habe ergeben, daß eine Bewerbung nicht eingelangt sei und andererseits es auch nicht üblich sei, schriftliche Bewerbungen zu verlangen. Daraufhin sei vom Arbeitsmarktservice Mödling dem Beschwerdeführer ein persönlicher Vorsprachetermin am 26. Juni 1997 vermittelt worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin angegeben, daß er in dieser Zeit eine lang vorher gebuchte Auslandsreise vornehme und daher den Termin nicht wahrnehmen könne. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer das Stellenangebot als nicht seiner Ausbildung entsprechend bezeichnet.
Der Beschwerdeführer habe in der Folge Unterlagen über die Buchung der behaupteten Auslandsreise vorgelegt. Von der genannten Gesellschaft sei auch das vom Beschwerdeführer erwähnte Bewerbungsschreiben vorgelegt worden. Es sei sowohl die Buchung der Auslandsreise sowie die Übermittlung des Bewerbungsschreibens bestätigt.
Im Stellenangebot sei eine Vorstellung nach telefonischer Terminvereinbarung verlangt worden. Nach Mitteilung der Firma seien schriftliche Bewerbungen nicht üblich. Aus diesen Gründen werde die Angabe des Beschwerdeführers, er habe mit der Firma telefoniert und sei zu einer schriftlichen Bewerbung aufgefordert worden, für unglaubhaft gehalten. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf die bis dahin nur ihm bekannte bevorstehende Auslandsreise eine schriftliche Bewerbung abgegeben habe, um den Zeitpunkt der möglichen Einstellung mit der Auslandsreise zusammenfallen zu lassen, sodaß das Dienstverhältnis dann nicht zustande kommen werde.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, die dem Beschwerdeführer angebotene Stelle habe seiner bisherigen Berufspraxis entsprochen, sie sei kollektivvertraglich entlohnt gewesen und daher als zumutbar zu beurteilen. Da der Beschwerdeführer nicht den von der Firma gewünschten Weg der telefonischen Terminvereinbarung für eine Vorstellung gewählt habe, sondern eine schriftliche Bewerbung abgegeben habe, habe er die Aufnahme dieser Beschäftigung vereitelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus den Ausführungen in der Beschwerde und in der Gegenschrift ergibt sich, daß die Berufung vom zuständigen Ausschuß in seiner Sitzung am 3. September 1997 behandelt wurde. Das Ergebnis der Sitzung wurde festgehalten mit: "Positiv, wenn nicht persönliche Vorsprache gewünscht war." Am 10. Oktober wurde der gegenständliche Bescheid ausgefertigt. Dem Ausschuß wurde er am 29. Oktober 1997 zur Kenntnis gebracht.
Der Beschwerdeführer meint dazu, der angefochtene Bescheid beruhe nicht auf einer Entscheidung des Ausschusses. Der Ausschuß habe am 3. September 1997 keine endgültige Entscheidung über die Berufung getroffen. Aufgrund des Ergebnisses dieser Ausschußsitzung sei der zuständige Referent nicht berechtigt gewesen, die Entscheidung auszufertigen.
Demgegenüber vertritt die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung, der Ausschuß habe am 3. September 1997 die Landesgeschäftsstelle ermächtigt, ohne weitere Befassung des Ausschusses nach Klärung der offenen Frage den Bescheid abzufassen und nachträglich zur Kenntnis zu bringen. Ermächtigungen dieser Art seien durch § 56 Abs. 3 AlVG nicht ausgeschlossen.
§ 56 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 314/1994 lautet:
"§ 56. (1) Gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes ist die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gegen die Entscheidung der Landesgeschäftsstelle ist keine weitere Berufung zulässig.
(2) Die Berufung gemäß Abs. 1 hat keine aufschiebende Wirkung.
(3) Die Landesgeschäftsstelle trifft die Entscheidung in einem Ausschuß des Landesdirektoriums.
(4) Das Landesdirektorium bei jeder Landesgeschäftsstelle hat einen Ausschuß zur Behandlung von Berufungen gemäß Abs. 1 einzurichten (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten).
(5) Der Ausschuß für Leistungsangelegenheiten besteht aus folgenden drei Mitgliedern:
dem Vorsitzenden,
einem Arbeitnehmervertreter und
einem Arbeitgebervertreter
(6) Den Vorsitz des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten hat der Landesgeschäftsführer oder ein von ihm damit beauftragter Bediensteter der Landesgeschäftsstelle zu führen.
(7) Der Arbeitnehmervertreter wird durch die Arbeitnehmervertreter des Landesdirektoriums, der Arbeitgebervertreter durch die Arbeitgebervertreter des Landesdirektoriums entsendet. Die Entscheidung erfolgt durch einstimmigen Beschluß der jeweiligen Kurie und für die Dauer von sechs Jahren. Die neuerliche Entsendung ist möglich. Für den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ist die erforderliche Anzahl von Stellvertretern in gleicher Weise zu entsenden. Die Ausschußmitglieder und deren Stellvertreter müssen nicht Mitglieder des Landesdirektoriums sein.
(8) Stimmberechtigt sind die Mitglieder (Stellvertreter) des Ausschusses. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn alle drei Mitglieder anwesend sind. Der Ausschuß faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen."
Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, daß die Entscheidung über die Berufung ausschließlich der Ausschuß zu treffen hat und er diese ihm übertragene Entscheidungsbefugnis weder teilweise noch zur Gänze an einzelne Mitglieder übertragen darf. Der Ausschuß hat aber gemäß dem nach Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG geltenden § 67 AVG die Vorschriften der §§ 56 bis 62 AVG zu beachten. Demnach hat der Ausschuß nicht nur zu entscheiden, ob, gegebenenfalls welche (weitere) Ermittlungen vorzunehmen sind, sondern (da gemäß § 56 AVG der Erlassung eines Bescheides die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes voranzugehen hat) aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse auch die Feststellungen zu treffen sowie die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vorzunehmen.
Im Beschwerdefall ist das Ergebnis der Sitzung des Ausschusses festgehalten worden mit "positiv, wenn nicht persönliche Vorsprache erwünscht war". In der Gegenschrift wird dazu ausgeführt, die Ausschußmitglieder hätten sich dahingehend geeinigt, daß der Berufung Folge zu geben sei, wenn nicht eine persönliche Vorsprache gewünscht worden sei, andernfalls sei negativ zu entscheiden. Die Entscheidung, der Berufung Folge zu geben, ist somit von einer Bedingung abhängig gemacht worden, nämlich von dem (nicht vom Ausschuß selbst, sondern von einem seiner Mitglieder zu beurteilenden) Ergebnis einer noch durchzuführenden weiteren Ermittlung. Nach dem unbestrittenen Geschehensablauf wurde in der Folge auch nicht nur diese Ermittlung von einem einzelnen Mitglied des Ausschusses durchgeführt, sondern wurden von ihm - entsprechend dem Beschluß des Ausschusses - ohne dessen neuerliche Befassung aufgrund der Ergebnisse dieser Ermittlung auch die Feststellungen getroffen sowie die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung vorgenommen und dementsprechend der angefochtene Bescheid ausgefertigt. Diese Vorgangsweise findet aber nach den obigen Darlegungen entgegen der Auffassung der belangten Behörde weder im § 56 AlVG noch in den anzuwendenden Bestimmungen der §§ 56 bis 62 AVG Deckung. Die belangte Behörde belastete damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der gemäß § 49 Abs. 1 leg. cit. pauschaliert durch Verordnung festgesetzte Schriftsatzaufwand umfaßt auch die Umsatzsteuer, sodaß das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war.
Wien, am 20. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997080598.X00Im RIS seit
18.10.2001