TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/26 G308 2219303-2

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Veröffentlicht am 26.08.2019
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Entscheidungsdatum

26.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G308 2219303-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechthaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Algerien. Er stellte erstmalig - nach illegaler Einreise - am 05.02.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) im Juni 2014 wegen Zuständigkeit Bulgariens zur Verfahrensführung zurückgewiesen. Diese Entscheidung konnte nicht vollstreckt werden, weil sich der Beschwerdeführer bereits zuvor dem Verfahren entzogen und seinen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt hatte.

Am 24.07.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 17.08.2016 sowohl hinsichtlich der Gewährung von Asyl als auch von subsidiärem Schutz abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat verbunden. Diese Entscheidung erwuchs mangels Einbringung einer Beschwerde in Rechtskraft.

2. Am 27.10.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen eines Vermögensdeliktes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt

Am 03.11.2016 wurde seitens der algerischen Botschaft ein Heimreisezertifikat zugesagt aber nicht ausgestellt.

3. Am 15.12.2016 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren (seinen insgesamt dritten) Antrag auf internationalen Schutz. Mit Beschluss vom 11.01.2017 (irrtümlich datiert mit 2016), I405 2142181-2/3E, hat das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes seitens des Bundesamtes für rechtmäßig erachtet.

4. Der Beschwerdeführer hat sich diesem laufenden Verfahren entzogen und sich in weiterer Folge in der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland aufgehalten. Am XXXX.04.2019 wurde er aus Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Am folgenden Tag wurden aufgrund der unklaren Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Heimreisezertifikate für Tunesien, Marokko und Algerien beantragt.

5. Ebenfalls am XXXX.04.2019 wurde bezüglich des Beschwerdeführers die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies insbesondere mit der illegalen Ausreise und dem Aufenthalt im Ausland und der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung im Bundesgebiet. Zudem sei dem Folgeantrag der faktische Abschiebeschutz aberkannt worden und es habe der Beschwerdeführer Auflagen und Mitwirkungspflichten verletzt.

6. Die mit Schreiben vom 24.05.2019 erhobene Beschwerde gegen den Mandatsbescheid des BFA vom XXXX.04.2019, GZ XXXX wurde mit Erkenntnis des BVWG, W172 219303-1/13E vom 29.05.2019 abgewiesen, die Anhaltung in Schubhaft ab 30.04.2019 für rechtmäßig erklärt, und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

7. Am 15.06.2019 trat der BF in den Hungerstreik, dieser wurde 18.06.2019 freiwillig beendet.

8. Am 20.07.2019 versuchte der BF aus dem AHZ XXXX zu flüchten.

9. Das Bundesamt legte am 27.05.2019 den Verfahrensakt vor und verwies insbesondere auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers. Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerdeführer und die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenersatz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsbürger von Algerien. Seine Staatsangehörigkeit ist allerdings derzeit noch Gegenstand von Ermittlungen. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und verfügt über keinen gültigen Reisepass. Sein (inhaltlich zugelassener) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich vom 24.07.2016 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2016 rechtskräftig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung betreffend den (mutmaßlichen) Herkunftsstaat Algerien verbunden. Eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht wurde vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht eingebracht. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und durchsetzbar.

Seinem Asylfolgeantrag vom 15.12.2016 wurde rechtswirksam der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Dieses Verfahren ist nach wie vor beim Bundesamt anhängig und wurde nach Rücküberstellung des Beschwerdeführers aus Deutschland weitergeführt. Vor der Rücküberstellung hatte sich der Beschwerdeführer dem Verfahren durch illegale Ausreise ins Ausland entzogen und sich in der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland aufgehalten.

Die Beschwerde gegen den gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 30.04.2019, GZ XXXX wurde mit Erkenntnis des BVwG, W172 219303-1/13E vom 29.05.2019 abgewiesen, die Anhaltung in Schubhaft ab XXXX.04.2019 für rechtmäßig erklärt, und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Beschwerdeführer wurde wegen eines Vermögensdeliktes in Österreich zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er unterhält eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen, die ihm auch Unterkunft gewähren würde. Substanzielle sonstige soziale Anknüpfungspunkte an das Bundesgebiet sind nicht gegeben. Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach; er spricht Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist insgesamt weder vertrauenswürdig noch kooperativ.

Von einer tatsächlichen Überstellung in den Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich zulässigen Fristen war und ist auszugehen. Die Dauer der Anhaltung hängt entscheidend von der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers ab, die bisher allerdings nicht gegeben war.

Der Beschwerdeführer leidet an Skabies (vulgo "Krätze"). Diese Erkrankung ist weder lebensbedrohend noch bedarf sie einer aufwändigen Behandlung. Der Beschwerdeführer verfügt aktuell über geringe Barmittel und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist - abgesehen von der zuvor dargestellten gesundheitlichen Problematik - grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keinen stichhaltigen Hinweis für sonstige substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur. Die vom Amtsarzt festgestellte Haftfähigkeit wurde in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. XXXX (Schubhaft) und XXXX (Asylverfahren - Rückkehrentscheidung) sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere zur Zahl 2142181-1 und 2219303-1). Die Feststellungen betreffend die rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren des Beschwerdeführers, die Verhängung der Schubhaft und die folgenden asyl- und fremdenrechtlichen Entscheidungen sind dem Verwaltungsakt und den Gerichtsakten zu entnehmen.

Die Feststellungen betreffend die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich sowie die damit verbundene Freiheitsstrafe ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere einem rezenten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen betreffend die Familiensituation und (soziale) Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 30.04.2019, wo er insbesondere angab, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet von seiner Freundin finanziert werde. Eine legale Beschäftigung im Bundesgebiet wurde in dieser Einvernahme verneint.

Die in der Beschwerde angeführte Wohnmöglichkeit bei der Freundin erscheint nach einer Überprüfung der angeführten Person glaubhaft und wird deshalb der Entscheidung zugrunde gelegt.

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinem Verhalten seit der Einreise in das Bundesgebiet. Insbesondere hat sich der Beschwerdeführer bereits mehrfach seinen Verfahren entzogen (zuletzt durch illegale Ausreise in das Ausland) und wurde in Österreich auch strafrechtlich verurteilt. Dass der Beschwerdeführer nunmehr kooperativ wäre kann aus seinem Verhalten nicht abgeleitet werden, insbesondere im Anbetracht seines Hungerstreiks vom 15.06.-17.06.2019 und des Fluchtversuchs am 20.07.2019 aus dem AHZ sowie der Verweigerung der Unterschrift unter die Niederschrift vom 30.03.2019.

Da die Zusammenarbeit mit den potenziellen Herkunftsstaaten des Beschwerdeführers - vorrangig Algerien, aber auch Marokko oder Tunesien - grundsätzlich funktioniert, bestanden und bestehen keine Zweifel, dass eine Abschiebung jedenfalls innerhalb des gesetzlich möglichen Rahmens erfolgen kann. Der Beschwerdeführer hat es durch sein Verhalten selbst in der Hand, diese Zeit möglichst kurz zu halten.

Für eine grundsätzliche Unmöglichkeit der Überstellung gibt es keinen Hinweis und wurde solches auch nicht behauptet.

Die finanzielle Situation des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Aktenlage und fügt sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des Beschwerdeführers. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d. g.F., lautet:

"§ 22a. [...]

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit 30.04.2019 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis vom 29.05.2019, GZ. W137 2219303-1/13E dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.

Da somit eine zeitnahe Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ als sehr wahrscheinlich gilt und sich der BF bislang trotz mehrmaliger rechtskräftiger Entscheidungen beharrlich geweigert hat, seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachzukommen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, kann von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden. So wird der Sicherungsbedarf gerade auch dadurch verstärkt, dass der BF nunmehr davon in Kenntnis ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht und er somit seine illegalen Reisebewegungen nicht mehr fortsetzen kann und ihm dadurch auch eine illegale Weiterreise von Österreich in andere europäische Staaten verunmöglicht wird, um damit etwa auch einer Abschiebung in den Herkunftsstaat zuvorzukommen. Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF, welche sich aus seinem bereits näher dargelegten Gesamtverhalten ergibt, lässt eine Fluchtgefahr durchaus als erheblich erscheinen. Ergänzend dazu wird auch auf die Entscheidungsgründe im genannten Erkenntnis des BVwG vom 29.03.2019 verwiesen.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der geringen sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell jedenfalls von einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.

Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Darüber hinaus wird in der Beschwerde nicht dargelegt, welches Sachverhaltselement einer Klärung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfte. Der vorgebrachten Bereitschaft der Einhaltung eines allfälligen gelinderen Mittels steht insbesondere das Vorverhalten des Beschwerdeführers entgegen.

Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Gefährdungsprognose, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2219303.2.00

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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