TE Vwgh Beschluss 1998/10/20 98/21/0395

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Veröffentlicht am 20.10.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über den Antrag des KR, (geboren am 10. Dezember 1978), in Wiener Neustadt, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. April 1998, Zl. Fr 580/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. April 1998 wurde gegen den Antragsteller gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, , BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dem Antragsteller wurde mit hg. Beschluß vom 20. Juli 1998, Zl. VH 98/21/0137-4, die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid bewilligt. Dem mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. Juli 1998 zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. Michael Bereis wurde dieser Bescheid zusammen mit dem angefochtenen Bescheid am 31. Juli 1998 zugestellt. Mit diesem Tag begann die sechswöchige Frist zur Erhebung der Beschwerde zu laufen (§ 26 Abs. 3 VwGG); sie endete mit 11. September 1998.

2. Mit dem vorliegenden, mit 6. Oktober 1998 datierten und an diesem Tag zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Er begründet diesen Antrag wie folgt:

Die Beschwerde sei am 10. September 1998 ordnungsgemäß fertiggestellt und vom genannten Verfahrenshelfer unterfertigt worden. Routinemäßig sei bis zum letzten Tag der Aufgabefrist, dem 11. September 1998, zugewartet worden. Mit der Postaufgabe am 11. September 1998 sei der seit März 1997 in der Kanzlei des Verfahrenshelfers beschäftigte Dr. Andreas Steiger beauftragt worden, der seit 1979 mit geringfügigen Unterbrechungen in diversen Notariats-, Rechtsanwalts- und Hausverwaltungskanzleien sowie Verlagen beschäftigt gewesen wäre und das Problem der Rechtzeitigkeit von Rechtsmitteln durch rechtzeitige Postaufgabe sehr gut kenne. Zu dessen Aufgabenkreis gehöre seit März 1997 die tägliche Postaufgabe im Postamt 1060 Wien. Dazu verwende er eine Tasche mit mehreren Fächern. Am 11. September 1997 habe er großen Pack Post bei diesem Postamt abzugeben gehabt. Da die Poststücke in einem Fach der Tasche bereits "zu groß" gewesen seien, habe er das Poststück mit der gegenständlichen Beschwerde in ein anderes Fach gesteckt, wo sich auch eine Zeitung befunden habe. Möglicherweise abgelenkt habe er durch ein Versehen im Postamt vergessen, dieses Poststück mit der Beschwerde aufzugeben. An diesem Tag sei Dr. Steiger vor seinem geplanten Urlaub vom 12. September 1998 bis 22. September 1998 zum letzten Mal in der Kanzlei des Verfahrenshelfers gewesen. Nach seiner Rückkehr vom Postamt in seine Wohnung sei Dr. Steiger sofort verreist und erstmals am 23. September 1998 wieder in die Kanzlei gekommen, wo er beim Einordnen der Post dieses Tages in seiner Tasche zu seiner Überraschung die nicht aufgegebene Beschwerde gefunden habe.

Dr. Steiger habe sich bis dahin als besonders verläßlicher Kanzleimitarbeiter erwiesen, wobei ihm in der Kanzlei des Verfahrenshelfers nie ein derartiges Versäumnis unterlaufen sei, sodaß Dr. Steiger nur ein minderer Grad eines Verschuldens und dem Verfahrenshelfer gar kein Verschulden angelastet werden könne.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit iS des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0407, mwN).

Das durch Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung des Dr. Andreas Steiger vom 6. Oktober 1998 in Verbindung mit den Angaben des Verfahrenshelfers im Wiedereinsetzungsantrag bescheinigte Vorbringen des Antragstellers ist geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Grundsätzlich stellt sich das Verhalten eines Kanzleibediensteten des Vertreters des Antragstellers im Verhältnis zum Antragsteller als ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Wenn auch ein Verschulden des Vertreters der von ihm vertretenen Partei zuzurechnen ist, kann vorliegend dem Vertreter des Antragstellers eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nicht angelastet werden. Unter dem Gesichtspunkt einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierenden Betriebsführung, ist eine Kontrollmaßnahme der Art nicht erforderlich, daß sich der Anwalt nach Übergabe der Poststücke an seinen mit deren Versendung beauftragten Arbeitnehmer in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugt (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1243, mwN).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG zu bewilligen.

Bemerkt wird, daß das Beschwerdeverfahren gesondert unter der Zl. 98/21/0396 geführt wird.

Wien, am 20. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998210395.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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