TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/12 W105 2180121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2019
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Entscheidungsdatum

12.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W105 2180121-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahl: 1111047210-160507938 nach Durchführung dreier mündlicher Verhandlung am 11.04.2018, 08.08.2018 und 28.03.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ("BF"), ein afghanischer Staatsangehöriger stellte am 10.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 10.04.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.

Im Rahmen dieser gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er habe seine Heimat verlassen, da er dort nicht die Möglichkeit habe, ein sicheres Leben zu führen. Er sei in Gefahr und sei mit dem Tode bedroht worden. Im Weiteren führte der Antragsteller aus, er sei Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und habe er zwölf Jahre die Schule besucht. Sein letzter ausgeübter Beruf sei Student gewesen. Er verfüge im Herkunftsland über eine Reihe von Familienangehörigen, umgekehrt in Österreich habe er keinerlei familiäre Anbindungen.

3. Am 04.10.2017 fand vor der belangten Behörde unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari, die der Beschwerdeführer als seine Muttersprache angegeben hatte, dessen niederschriftliche Ersteinvernahme im Asylverfahren statt. Im Rahmen der Befragung gab der Beschwerdeführer an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Tadschike und Sunnit und habe deswegen nie persönliche Probleme in Afghanistan gehabt. Weiterhin gab der Antragsteller auf Befragen an gesund zu sein und bereits einen Deutschkurs zu besuchen. Zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat stehe nach wie vor über Internet in Kontakt. Zuletzt habe er in Kabul gelebt. Auch mit seiner Verlobten habe er Kontakt, jedoch gehe es dieser nicht gut und lebe sie seit zwei Jahren zu Hause eingesperrt und werde von ihrem Bruder gequält und habe auch sie ihr Studium abbrechen müssen. Seiner Familie gehe es gut. Zuletzt sei er als Polizist tätig gewesen und habe er jeweils nach der Arbeit an der Privatuniversität Kabul Jus studiert. Er habe auch für das Innenministerium gearbeitet. Auf Befragen verwies der Antragsteller auf die Existenz einer Mehrzahl von verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat. Zu seinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland gab der Antragsteller an, es sei ihnen gut gegangen und sei er auf eigenen Beinen gestanden und gut vorangekommen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor:

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Beschreiben Sie Ihre allgemeinen Lebensverhältnisse in Ihrem Herkunftsland.

A: Uns ging es gut, ich bin auf eigenen Beinen gestanden, ich kam gut voran.

F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an. Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! Warum mussten Sie Ihr Heimatland verlassen? (Freie Erzählung)

A: Ich war mit XXXX schon als Kind versprochen. Ihr Vater ist General, er ist Ministerialrat im Wissenschaftsministerium. In Kabul hatte ich durch meine Arbeit immer Kontakt mit ihm, er verlangte illegale Handlungen von mir, ich sollte anderen Leuten Geld abnehmen oder für ihn Korruptionsgeld abholen sollte. deshalb habe ich dann meinen Dienst bei der Polizei gekündigt, ich wollte das nicht mehr machen. Ich wurde dann in den Logistikbereich versetzt für 7-8 Monate. Während dieser Zeit rief mich XXXX einmal an und sagte mir, sie würde die Folterungen zuhause nicht mehr aushalten, und dass sie mit mir nach XXXX flüchten wollte. Wir sind gemeinsam dorthin und in der Nacht XXXX angekommen. Wir sind zu meiner Schwester XXXX geflüchtet. Da der Vater der XXXX General ist, kam er mit mehreren Polizisten zu uns nach Hause gestürmt. Am Morgen wurden wir bei meiner Schwester gefunden. XXXX sagte, sie wollte nicht mitgehen. Aber sie wurde gezwungen mitzugehen, da uns gesagt wurde, dass mein Bruder XXXX , der damals gerade die Polizeischule XXXX machte, ihr Gefangener sei und dass er umgebracht werden würde, wenn XXXX nicht mitgehen würde. Der General ist ein weitschichtiger Verwandter von uns. Da auch die Dorfbewohner ums Hazus meiner schwester standen bleib ihr nichts anderes übrig als mit ihrem Vater mitzugehen.

F: Wann sind Sei mit XXXX von Kabul nach XXXX geflüchtet?

A: Es war an einem Freitag, nein doch nicht. es war an einem Dienstag, als sie angerufen hat.

F: In welchem Monat war das?

A: Das weiß ich nicht mehr, das sollte in den Unterlagen stehen, auf der Bestätigung mit den Fingerabdrücken.

F: Dort steht nur eine Jahreszahl. In welchem Monat war das?

A: Ich habe das vergessen.

F: Wie ging es weiter, nachdem XXXX ihrem Vater mitgegangen ist?

A: Ich habe zum Schutz XXXX meinen Bruder und meine Schwester XXXX mitgeschickt nach Kabul. Nachdem XXXX zuhause war musste ich meine Arbeit beenden, mein Bruder XXXX wurde aus der Polizeischule geworfen, unseren ganzen Vergünstigungen wurden uns gestrichen. Vater war mit den Dorfältesten dann später noch mehrmals bei der Familie von XXXX und hat gebeten, dass sie zu uns zurückkommen sollte, aber das wurde verweigert. Der Vater von XXXX hat bei diesen Besuchen meinem Vater auch gedroht, mich umzubringen, da ich die Ehre seiner Familie aufs Spiel gesetzt hätte.

F: Wie heißt der Vater von XXXX ?

A: General XXXX (1).

F: Wie ging es weiter?

A: Ich konnte nichts mehr machen und konnte nur zuhause bleiben. 20 Tage danach kam es zum Sturz der Provinz Kunduz, da kam ein Kommandant namens XXXX und hat mich zum Kampf gegen die Taliban mitgenommen. 25 Tage lang war ich in diesem Kampf, ich kam dann mit XXXX zurück nach XXXX . Im Lager des XXXX hatte ich auch einen gewissen Schutz. Eines Tages kam mein Bruder XXXX von XXXX nach Hause, da wir alle zu einer Hochzeit gehen sollten. Aber er blieb dann doch mit Vater zuhause, ich fuhr mit den anderen zur Hochzeit. XXXX erwartete noch Gäste und würde später nachkommen. Aber diese Gäste haben dann XXXX zu sich geholt, es waren die Nachbarn. Anscheinend haben sie XXXX Gift ins Essen gegeben, er wurde bewusstlos, ihm wurden die Arme und Beine gebunden und auf einen Berg gebracht. Dort haben sie ihm ins Gesicht geschossen, das ist auf dem Video zu sehen, dass ich ihnen gegeben habe. Da mein Bruder sehr gute Kontakte hatte und hohe Persönlichkeiten kannte, werden sie vermutet haben dass er mich schützen könnte. Deshalb wurde er getötet.

F: Wer hat das Video aufgenommen?

A: Man sieht nicht wie er erschossen wird, sondern nur danach als er auf der Erde gelegen hat und die Leute herumstehen.

F: Was haben diese Nachbarn mit dem General zu tun?

A: Es hat viel, viel früher schon ein Feindschaft mit denen gegeben, deswegen ging mein Bruder auch mit ihnen mit, er dachte diese Sache wäre schon erledigt gewesen. Diese Nachbarn müssen dann den Mord mit dem General geplant haben. Einer der Nachbarn, XXXX , ist der Cousin von XXXX .

F: Zu wessen Hochzeit hätte XXXX mitgehen sollen?

A: Von der Schwägerin eine weitschichtige Verwandtschaft, die Hochzeit war in der Stadt.

F: Wann war das, als Ihr Bruder erschossen wurde, bzw. wann war diese Hochzeit?

A: Ich kann es nicht genau sagen. Ich war dann och eine Zeit lang in Afghanistan und habe mit XXXX gearbeitet, da war ich der Vertreter des Innenministeriums gewesen.

F: Das verstehe ich nicht, sie haben gesagt der General hätte Sie aus dem Dienst entfernen lassen?

A: Das war offiziell, ich bin dann einfach nur XXXX geblieben.

F: Gibt es Gründe, die gegen Ihre Rückkehr ins Herkunftsland sprechen?

A: Ich würdedefinitiv getötet werden. Auf dem Stick ist auch zu sehen, wie mich der Bruder der XXXX auf FB mit dem Tod bedroht. Selbst hier habe ich noch Probleme damit, dorthin zu gehen, wo viele Landsleute sind. Diese Leute haben viel Geld und könnten auch hier einen Mord in Auftrag geben.

Angaben zur Reise:

F: Wie lange waren Sie unterwegs bis Sie nach Österreich kamen?

A: 6 Monate lang.

F: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

A: Vor 2 Jahren.

F: War Österreich Ihr Zielland?

A: Nein, eigentlich nicht. Ich musste 2 Monate in Mazedonien bleiben, später habe ich in Wien gesehen wie schön es hier ist und habe dann den Asylantrag gestellt.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bzw. die Schleppung bezahlt?

A: 6000 - 6500,- USD.

F: Woher stammt dieses Geld?

A: Ich hatte ein Auto, das ich verkauft habe, also mein Bruder hat es für mich verkauft, ich habe das Haus damals nicht mehr verlassen.

F: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

A: Ich möchte die Sprache lernen, ich möchte irgendeine Arbeit machen. Leider kann ich hier nicht weiter Polizist sein.

F: Möchten Sie, dass die aktuellen Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsland mit Ihnen erörtert werden um eine Stellungnahme dazu abgeben zu können?

A: Nein danke, ich weiß Bescheid über Afghanistan, als Polizist kenne ich ja das Land.

Rückübersetzung, ergänzende Fragen, Neuerungsverbot, weiterer Ablauf:

Nach vollständiger Rückübersetzung durch den Dolmetscher um 11:10 Uhr.

F: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?

A: Ich möchte noch angeben, dass ich unmittelbar vor meiner Flucht für 18 Tage entführt wurde, als ich für XXXX von Kabul nach XXXX unterwegs war. In XXXX wurde ich bei der Ankunft mit dem Bus entführt.

F: Wohin wurden Sie gebracht?

A: Ich kann es nicht sagen, ich bekam eine Augenbinde. Ich wurde zwar nicht gefoltert, aber ich habe wenig zu essen bekommen. Eines Abends konnte ich entkommen, dann bin ich für 3-4 Stunden nach Hause und von dort aus Afghanistan ausgereist.

F: Wie sind Sie nach 18 Tagen entkommen?

A: Es gab eine kleine Öffnung, ein Fenster, das habe ich kaputt geschlagen und bin geflüchtet.

F: Wenn Sie nicht wissen wo Sie waren, wie konnten Sie nach Hause kommen?

A: Ich bin einfach dem Weg gefolgt und durch die Wälder gegangen.

F: Wie lange waren Sie unterwegs bis nach Hause?

A: Ungefähr 3 Stunden. 2-3 Stunden war ich dann zuhause. Sie können auch zu allen Angaben Recherchen in Afghanistan anstellen, jeder dort ist darüber informiert. Auf dem Stick ist auch ein FB Chat, wo ich von einem Verwandten des (1) bedroht wurde, ich hatte dafür einen neuen Account auf FB, da mein alter Account gehackt wurde.

F: Waren Sie seit Ihrer Erstbefragung nochmals in Kontakt mit der österreichischen Polizei?

A: Nein. Aber ich wurde einmal von ein paar unbekannten Jungs angegriffen und verletzt, das habe ich der Polizei dann telefonisch gesagt.

F: Das heißt Sie haben nur bei der Polizei angerufen?

A: Ja, die PI ist gleich ums Eck, zwei Beamte sind dann gekommen und haben die Daten aufgenommen, danach hatte ich Ruhe vor den anderen.

F: Warum und wo wurden Sie angegriffen?

A: Ich weiß nicht warum, ich war auf dem Nachhauseweg, als sie mich angriffen.

F: Wann war dieser Angriff?

A: Ich war gerade 2 oder 3 Monate hier in XXXX .

F: In welchem Monat war das?

A: Das weiß ich nicht. Ich habe Probleme mit den Daten.

F: Sie hätten auch in Afghanistan sichere Wohnorte finden können, z. B. in Herat, Mazar Sharif oder Kabul. Es gibt in Afghanistan kein Meldesystem, wie sollten Sie in den Großstädten gefunden werden?

A: Wenn ich sogar in der Nähe des XXXX nicht sicher war, wie hätte ich alleine sicher sein sollen. Ich konnte ja nicht mein Leben in Angst verbringen. Ich habe keine Angst vor den Anschlägen, das war ja meine Arbeit. Aber privat hätte ich immer Angst.

F: Wenn es Ihnen nur um die persönliche Sicherheit ging, warum haben Sie nicht schon in einem anderen europäischen Land um Asyl angesucht? Sie waren 2 Monate in Mazedonien.

A: Mit mir waren 360 Leute unterwegs, alle haben nur von Westeuropa gesprochen, wegen der Menschenrechte etc.

F: Warum haben Sie Ihre Dienstausweise nicht bei der Flucht mitgenommen? Sie hätten damit Ihre Identität bestätigen können. Diese Karten hätten Sie leicht versteckt mitführen können.

A: Das ist nicht möglich.

F: Aber sie haben Ihren RP und die Tazkira mitgenommen?

A: Die habe ich erst in der Türkei von einem Freund bekommen.

F: Was sagen Sie dazu, dass Ihre Tazkira von der KriPo als Totalfälschung festgestellt wurde?

A: Ich bin anderer Meinung. Die Tazkira ist ein Original, sie wurde ja auch in Kabul bestätigt.

F: Es ist amtsbekannt, das in Afghanistan jedes Dokument gekauft werden kann. Sie haben heute eine Geschichte vorgebracht, die absolut übersteigert wirkt, und die in keiner Weise bei der EB angegeben wurde. Was sagen Sie dazu?

A. Bei der EB war ich sehr erschöpft, ich weiß nicht warum mein Beruf nicht aufgenommen wurde. Ich kann nur sagen dass meine Geschichte stimmt und dass die vorgelegten Beweismittel echt sind.

F: Wann wurden Sie mit XXXX verlobt, in welchem Jahr?

A: Die zwei Väter haben das ausgemacht, wir waren damals noch kleine Kinder. Als wir dann größer wurden haben wir uns dann auch näher kennengelernt.

F: Und die Verlobung war öffentlich bekannt in Ihrem Dorf?

A: Im Dorf nicht, aber in unseren Familien war es bekannt.

F: Dann waren die Dorfältesten und das Recht auf Ihrer Seite, als Sie mit XXXX aus Kabul nach Hause kamen? Immerhin waren die Dorfältesten mit Ihrem Vater mehrmals bei (1).

A: Ja, aber das hat nichts geholfen, er hat sogar die Dorfältesten aus dem Haus geworfen.

F: Wann haben Sie die Polizeiakademie abgeschlossen?

A: Ich habe 3 Abschlüsse, es gab immer wieder Pausen.

F: Wann waren diese 3 Abschlüsse?

A: XXXX , das war in XXXX . Von XXXX bis unbekannt in Kabul. Das ist aber auf einem Video drauf. Beim 3. Kurs ging es um den Dienstgrad. Aber da weiß ich kein Datum. Und über eine Jobbörse bekam ich die Möglichkeit für einen Monat in Ägypten zu sein.

F: Wann waren sie in Ägypten?

A: Ich glaube 1393. 1392 oder 1393.

F: Wann wurde Ihr Bruder getötet?

A: Ein Jahr vor der Ausreise, ein wenig weniger als ein Jahr vor der Ausreise.

F: In welchem Monat und Jahr ist Kunduz an die Taliban gefallen?

A: Ungefähr ein Jahr vor der Ausreise. Das war der erste Sturz, Kunduz ist zwei Mal gestürzt worden.

F: In welchem dieser 2 Stürze haben Sie dann gekämpft?

A: Ich war nur beim ersten Mal dort, beim zweiten Sturz war ich schon in Europa.

F: Sie haben angegeben, zuletzt mehrere Monate im Logistikbereich des Ministeriums gearbeitet zu haben, d.h. zeitliche Abläufe und Termine waren Ihr täglicher Begleiter. Warum können Sie nicht eine einzige zumindest relativ genaue Datumsangabe zu all den Vorfällen nennen?

A: Ich war nicht mit Daten vertraut, ich war quasi als Sekretär dort. Ich war als Begleitung dabei, habe aber nichts mit Terminkoordination oder so zu tun gehabt. Ich habe so viel erlebt, dass ich viele Sachen vergessen habe wegen des psychischen Stresses. Ich möchte einfach keine falschen Angaben machen, die dann nicht zusammen passen. Und meine Wohnsituation am XXXX ist furchtbar, es ist so wenig Platz dort, ich schlafe manchmal auf dem Flur, weil so viele Leute dort sind. Heute habe ich nur 2 Stunden geschlafen.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Konnten Sie zum Verfahren alles vorbringen was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Ich habe alles gesagt.

F: Ich möchte Sie nochmals an das Neuerungsverbot (Anm.: Der Begriff wird dem AW erklärt) erinnern. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder für Sie Bedeutsames angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

A: Ja, ich habe alles und nur die Wahrheit gesagt.

F: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

A: Ich habe alles gut verstanden...".

Im Verfahren erster Instanz wurden nachstehende Beweismittel vorgelegt:

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1 Dienstausweis blau afgh. Polizei gültig bis XXXX .

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1 Dienstausweis grün afgh. Polizei gültig bis XXXX .

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1 Maturazeugnis, ausgestellt XXXX .

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2 Abschlusszeugnisse Polizeiakadamie Mazar-e Sahrif, ausgestellt

XXXX .

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1 Abschlusszeugnis Polizeiakad. XXXX .

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2 Teilnahmebestätigungen Ägypten 2012.

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1 Foto Ägypten Kurs 304/2012.

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1 Abschlusszeugnis Polizeiakad. Kabul XXXX .

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1 Reisepass Ihres Bruders XXXX , ausgestellt am XXXX in Kabul.

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1 TaekWonDo Urkunde Ihres Bruders 1. XXXX vom XXXX .

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1 USB Stick mit Videos und Fotos.

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1 Bestätigung von 5 Personen, wonach Sie kein Mädchen entführt haben.

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1 Anzeige Ihres Vaters beim Dorfgericht, wonach Sie kein Mädchen entführt haben.

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1 Abgabebestätigung Ihrer Dienstutensilien, vom XXXX .

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3 Empfehlungsschreiben.

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2 Deutschkursbestätigungen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde in Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben getätigt habe. Zudem sei nicht glaubhaft, dass dem Antragsteller bei Rückkehr eine lebensbedrohliche Verfolgung durch einen namhaft gemachten General drohe.

Im Einzelnen wurde begründet wie folgt: " So gaben Sie bei der Erstbefragung am 10.04.2016 nur ganz vage und allgemein an, Afghanistan wegen einer Lebensgefahr und des unsicheren Lebens dort verlassen zu haben. Die entscheidende Behörde geht davon aus, das ein Mensch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit und von sich aus, die tatsächlich fluchtauslösenden Gründe für die Ausreise angeben würde, was menschlich und logisch nachvollziehbar wäre. In Ihrem Fall wäre, wie Sie erst später bei der BFA Einvernahme am 04.10.2017 angegeben haben, Ihre angebliche Entführung unmittelbar vor der Ausreise der tatsächlich fluchtauslösende Grund gewesen. Davon haben sie jedoch bei der Erstbefragung kein Wort erwähnt, ebenso nicht den Umstand, dass Ihr gesamtes Fluchtvorbringen sich auf Ihre angebliche Verlobung mit XXXX stützt. Obwohl Sie Ihre Familienmitglieder detailliert angegeben haben, war Ihnen Ihre angebliche Verlobte und damit der Grund all Ihrer Probleme keine Erwähnung wert. Auch wäre es menschlich nachvollziehbar gewesen, wenn Sie als Teil Ihres Fluchtgrundes den Tod Ihres Bruders XXXX angegeben hätten, vor allem, da Sie bereits bei den Familienangehörigen angemerkt haben, er wäre verstorben. Obwohl Sie dieses Detail bei der Aufzählung Ihrer Familienmitglieder angegeben haben, haben Sie es nicht in Zusammenhang mit Ihrem Fluchtvorbringen gebracht, was jedoch menschlich und logisch nachvollziehbar gewesen wäre.

Ihre Angaben beim BFA, wonach Sie bei der Erstbefragung zu müde gewesen wären, um einen genaueren Fluchtgrund anzugeben, müssen als bloße Schutzbehauptung gewertet werden, zumal es der Erfahrung der Behörde entspricht, das z.B. auch ältere Personen nach der Ankunft wesentlich detailliertere Angaben zum Fluchtgrund zustande bringen. Ihnen, als jungem, kräftigen Mann mit Polizeierfahrung, dem die Wichtigkeit des Inhalts einer nur kurzen Aussage umso mehr gewärtig hätte sein müssen, hätte dies daher in jedem Fall möglich gewesen sein müssen.

Im Zuge der BFA Einvernahme brachten Sie eine nunmehr gänzlich neue und detailliertere Fluchtgeschichte vor, die sich natürlich leicht unter die nur vagen Angaben aus der Erstbefragung subsumieren lässt. Darin bezogen Sie sich das erste Mal auf die angebliche Verlobung mit XXXX , die bereits vor vielen Jahren von den Eltern beschlossen worden wäre. Der zukünftige Schwiegervater wäre der General XXXX gewesen, mit dem Sie später dann auch im Rahmen Ihres Polizeidienstes zu tun gehabt hätten. Laut Ihren Angaben hätte der General von Ihnen illegale Tätigkeiten bzw. von Ihnen Verletzungen Ihrer Dienstpflicht verlangt, weswegen Sie dann Ihren Dienst gekündigt hätten, wozu Sie auch ein schriftliches Beweismittel vorlegten. Dieses Bewesimittel besagt lediglich Ihren Kündigungswunsch wegen Problemen, ohne weitere Angaben und ohne Datumsangabe, und ist daher nicht aussagekräftig, da es auf jedem PC und zu jedem Zeitpunkt geschrieben hätte werden können. Aussagekräftiger und aufgrund der amtlichen Ausstellung beweiskräftiger ist die Bestätigung der XXXX wonach Sie mit Bezug auf XXXX der letzteren Abteilung Ihre dienstliche Ausrüstung zur Gänze abgegeben hätten. Ob diese Abgabe in Zusammenhang mit Ihrem vorher angeführten Kündigungswusch steht, ist mangels der fehlenden Datumsangabe oder sonstiger Angaben nicht eindeutig feststellbar.

Zur Person des Generals XXXX zu sagen, dass im Zuge der BFA Recherchen diese Person als XXXX ermittelt werden konnte. Es entspricht der Erfahrung der Behörde, dass gerade Asylwerber aus Afghanistan auffällig oft Probleme mit mächtigen und einflussreichen Männern als Fluchtgrund angeben. In Hinblick auf die hohe Anzahl solcher Angaben ließe sich daraus schließen, dass es in Afghanistan eine sehr hohe Anzahl solcher mächtiger Personen mit potentiell ungesetzlichem und gefährlichem Verhalten geben würde, was aber insgesamt nicht glaubhaft erscheint, und daher als bloße Vorbringenssteigerung zu werten wäre.

Da Sie zweifelsfrei im Polizeidienst waren ist es logisch, dass Sie aus dem Polizeiapparat entsprechend hohe Offiziere zumindest namentlich gekannt haben müssen. Es wäre daher also durchaus denkbar, dass Sie sich des Generals nur zur Bestärkung Ihrer angeblichen Bedrohungssituation bedienen würden.

Zur Ihnen angeblich drohenden Verfolgung durch General XXXX wäre zu sagen, dass laut den von Ihnen vorgelegten Beweismitteln (Anzeige Ihres Vaters, Bestätigung der Schwiegersöhne des Generals) das Recht, so denn die Reise von Kabul nach XXXX von Ihnen und XXXX tatsächlich stattgefunden hätte, eindeutig auf Ihrer Seite gestanden wäre., wie Sie auch selber im Zuge der BFA Einvernahme angegeben haben. Auch wäre der Rückseite der Anzeige Ihres Vaters zu entnehmen, dass dessen Anliegen und damit Ihr Fall eindeutig von den Behörden zur Klärung der Sachlage übernommen worden wäre, und zuletzt am 15.06.2016 (= 26.03.1395) an die entsprechende Abteilung weitergeleitet worden wäre.

Wenn nun das von ihnen vorgelegte Beweismittel als authentisch anzunehmen wäre, wäre der Wille der Behörde zur Klärung der Sachlage und damit auch zu Ihrem Schutz eindeutig erkennbar. Damit wäre aber auch festzustellen, dass Sie bzw. Ihr Vater gewillt gewesen wären, sich des Schutzes der Behörden zu bedienen. Eine tatsächliche endgültige Klärung des Sachverhaltes bzw. ein durchgehender 100%iger Schutz Ihrer Person durch die afghanischen Behörden kann daraus logischerweise nicht zwingend abgeleitet werden, und könnte dies auch in keinem anderen Land der Welt erreicht und vorausgesetzt werden.

Wenn nun das vorgelegte Beweismittel in Hinblick auf die amtsbekannten Umstände, wonach in Afghanistan jedwedes behördliche Schriftstück und mit beliebigem Inhalt gegen geringes Entgelt erhältlich ist, als Fälschung festzustellen wäre, wäre Ihr Fluchtvorbringen in Hinblick auf die angebliche Verletzung der Familienehre des Generals XXXX als gänzlich unglaubhaft festzustellen.

Die von Ihnen vorgelegte handschriftliche Bestätigung der Schwiegersöhne XXXX des Generals können aus o.a. Umstand der leichten Fälschbarkeit grundsätzlich nicht als Beweismittel zur Entscheidungsfindung herangezogen werden. Anzumerken ist jedoch, dass dieses Schreiben lediglich bestätigen würde, dass Sie oder XXXX kein Unrecht begangen hätten und daher auch kein Grund zur Verfolgung vorliegen würde.

Sollte der General dennoch und tatsächlich Verfolgungshandlungen gegenüber Ihnen vorgenommen haben, hätte sich Ihnen die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative geboten.

Im Zusammenhang mit der Verfolgung durch den General erscheint es zudem widersprüchlich, dass einerseits Ihr Vater in seiner Anzeige beim Leiter der Kriminalabteilung angegeben hätte, dass der General seine Macht missbraucht und Sie entlassen hätte, und andererseits Sie selber eine Kündigung bei der Polizei eingereicht hätten, dann aber selber wieder angegeben haben, bei XXXX gegen die Taliban der offizielle Vertreter des Innenministeriums gewesen zu sein. Aufgrund der hohen und einflussreichen Position des Generals XXXX als Stabschef der APPF wäre es nur logisch anzunehmen gewesen, dass Ihre Entlassung aus dem Dienstverhältnis durch den General auch eine endgültige gewesen wäre. Dies haben Sie jedoch mit Ihren Angaben selber widerlegt, und ist es daher wenig glaubhaft, dass der General tatsächlich eine intensive Verfolgung Ihrer Person betrieben hat.

In Bezug auf die Intensität der angeblichen Verfolgung muss auch der Tod Ihres Bruders XXXX betrachtet werden. Der Tod Ihres Bruders konnte aufgrund der von Ihnen vorgelegten Beweismittel (USB-Stick mit Bildern und Videos) zweifelsfrei festgestellt werden. Jedoch ist für die Behörde der Zusammenhang mit der von Ihnen behaupteten Verfolgung durch General XXXX nicht feststellbar. Zum einen ist es aufgrund der vorgelegten Beweismittel nicht möglich, einen genauen Todestag Ihres Bruders zu ermitteln, die einzige eindeutige Datumsanzeige auf einem der Fotos Ihres noch lebenden Bruders ist der 04.05.2010 und kann damit in keiner Weise mit Ihrem Vorbringen in Verbindung gebracht werden. Zum anderen waren Sie zu keinem Zeitpunkt bereit oder in der Lage, den Todestag Ihres Bruders zumindest einigermaßen genau anzugeben, was in keiner Weise menschlich und auch nicht logisch nachvollziehbar ist. Logisch wäre es gewesen, wenn Sie zumindest das Monat und das Jahr des Todes bzw. der auf dem vorgelegten Video gezeigten Beerdigung Ihres Bruders angeben hätten können. So aber entsteht der Anschein, als ob Sie den Tod Ihres Bruders zu einem möglicherweise früheren Zeitpunkt, und ohne Zusammenhang mit Ihrer angeblichen Verfolgung, nur für Ihr Vorbringen benutzen würden.

Auch in diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass Ihnen als ehemaligem Polizisten die Wichtigkeit der Chronologie und damit Nachvollziehbarkeit der Ereignisse bewusst sein müsste, und Sie bereits im Vorfeld sich die zeitlichen Abläufe in Erinnerung gerufen hätten, wenn diese denn tatsächlich so stattgefunden hätten. Zudem wäre es nur menschlich nachvollziehbar, wenn jemand die Daten einschneidender Ereignisse im Leben, auch nach nur kurzer Nachdenkzeit, spontan, und wenigstens mit Monat oder Jahreszeit und dem Jahr, angeben könnte. Da Sie dies zu keinem Zeitpunkt und zu keinem der von Ihnen angegeben einschneidenden Ereignisse (gemeinsame Reise mit XXXX , 25 tägige Kampfhandlungen um Kunduz, Tod Ihres Bruders, 18 tägige Entführung, Ausreisedatum) gemacht haben liegt der Schluss nahe, dass Sie dies bewusst getan haben, um Ihr chronologisches Konstrukt der Ereignisse, in dem Sie sich bei allen Angaben nur auf Ihren Ausreisezeitpunkt beziehen, nicht selber zu widerlegen bzw. sich zu widersprechen. Zudem wäre es nur logisch und menschlich nachvollziehbar gewesen, wenn Sie sich vor der BFA Einvernahme mit den Beweismitteln, auf die Sie dann selbst bei der Befragung verwiesen haben, auseinandergesetzt hätten. Schon allein deshalb hätten Sie in der Lage sein müssen, genauere Zeitangaben machen zu können, da Ihnen ja eindeutig bewusst war, dass solche Angaben auf den Beweismitteln zu finden waren.

Ihre Behauptung, sich mit Daten schwer zu tun, viel vergessen zu haben und nichts falsch angeben zu wollen, muss, vor allem in Hinblick auf Ihre langjährigen Erfahrungen im Polizeidienst, als bloße Schutzbehauptung gewertet werden.

So erscheint es in keiner Weise glaubhaft, dass Sie sich anscheinend zwar an exakte Zeitspannen, wie die 20 Tage zuhause, die darauffolgende 25-tägige Einsatzdauer in Kunduz oder die 18- tägige Entführung erinnern können, jedoch zu keinem dieser Ereignisse einen Monat oder eine Jahreszahl angeben konnten.

Auch sind Ihre vagen chronologischen Angaben nur schwer mit den recherchierten Ereignissen betreffend die Schlacht um Kunduz in Übereistimmung zu bringen. Ausgehend von Ihren Zeitangaben (6 Monate Reisedauer, am 04.10.2017 seit 2 Jahren in Österreich) und Ihre Einreise nach Österreich am 10.04.2016 ergibt sich Ihre Ausreise aus Afghanistan übereinstimmend und logisch mit Oktober 2015.

Laut den vorgelegten Beweismitteln geschah Ihre Reise mit XXXX von Kabul nach XXXX am 30.08.2015 (=08.06.1394). Beginnend mit dem 30.08.2015 hätten bis zu Ihrer Ausreise die 20 Tage zuhause, die 25 Tage Einsatz mit XXXX Kunduz, dann der Tod Ihres Bruders im Zuge der Hochzeit eines Bekannten sowie das Begräbnis des Bruders, anschließend noch eine weitere Zeit lang in Afghanistan zusammen mit XXXX abschließend noch die angeblich 18-tägige Entführung stattfinden müssen. Dies ist logisch in keiner Weise nachvollziehbar. Alleine die von Ihnen genau angegeben Tageszahlen ergeben mit 63 Tagen mehr als 2 Monate, zwei Tage sind für den Todestag und die Beerdigung des Bruders (nach muslimischem Brauch einen Tag nach dem Tod). Damit wäre bereits die Zeitspanne bis zur Ausreise ausgeschöpft, jedoch haben Sie angegeben, noch eine Zeitlang mit XXXX zusammen gearbeitet zu haben, womit Ihre Angaben nicht mehr in zeitliche Übereistimmung zu bringen sind.

In ungefähre Übereistimmung zu bringen sind Ihre zeitlichen Angaben, wonach Sie nach den 20 Tagen zuhause beim "ersten Sturz von Kunduz" im Einsatz gewesen wären. Wie die Internetrecherche der Behörde ergab, fand der erste Talibanangriff auf Kunduz im fraglichen Zeitraum bereits im August 2014 statt. Am 24.04.2015 begann ein weiterer Angriff auf die Provinz und die Stadt, und zuletzt wurde Kunduz am 28. 09.2015 und das erste Mal seit Kriegsbeginn von den Taliban eingenommen. Ausgehend davon, dass Sie mit dem "ersten Sturz" die erstmalige Einnahme Kunduz- durch die Taliban meinten, wäre eine zeitliche Korrespondenz gegeben. Da jedoch diese Daten allgemein bekannt und leicht zu recherchieren sind, kann daraus nicht automatisch auf die Glaubhaftigkeit Ihres gesamten Vorbringens geschlossen werden. Auch wenn Sie tatsächlich in diesem Zeitraum im Einsatz gegen die Taliban gewesen wären, würde sich daraus keine Asylrelevanz ableiten lassen.

In Hinblick auf Ihre angebliche Entführung ist, neben dem bereits zuvor angeführten unglaubhaften Unvermögen einer brauchbaren Datumsangabe, anzuführen, dass es in keiner Weise glaubhaft erscheint, dass Sie davon nicht schon vorher berichtet hätten. Gänzlich unglaubhaft ist, dass Sie nach 18 Tagen anscheinend ohne größere Probleme durch ein Fenster fliehen konnten, und dann von dem Ihnen angeblich unbekannten Ort ohne Orientierungsschwierigkeiten innerhalb von 3 Stunden den Weg durch die Wälder nach Hause gefunden haben wollen. Wenn die Flucht durch ein Fenster, dass Sie kaputt geschlagen haben wollen, so einfach gewesen wäre, warum hätten Sie dann damit 18 Tage warten sollen? Wenn Sie 18 Tage lang nur wenig zu essen bekommen hätten, wie wäre es Ihnen dann möglich gewesen, innerhalb von 3 Stunden und entkräftet den Weg nach Hause zu finden? Zuletzt ist betreffend Ihre angebliche Entführung zu sagen, dass es absolut unlogisch erscheint, dass der General XXXX zwar angeblich Ihren Bruder töten lassen hätte sollen, um Sie seines Schutzes zu berauben, und Sie dann aber in der angeblichen 18-tägigen Gefangenschaft nicht ebenfalls hätte töten lassen sollen.

Menschlich und logisch nicht nachvollziehbar, und damit nicht glaubhaft, ist, dass Sie den angeblichen Umstand einer fast 3-wöchigen Entführung im Zuge der BFA Einvernahme erst nach der Rückübersetzung und quasi nur als Ergänzung zum Fluchtvorbringen angegeben haben. Hätten Sie tatsächlich diese Entführung erlebt, hätten Sie diese schon zu einem früheren Zeitpunkt, z.B. als Sie von Ihrer Zusammenarbeit mit XXXX nach dem Tod Ihres Bruders berichteten, und von sich aus angeben müssen, da sie eine wesentlich intensivere Bedrohung Ihres Lebens als alle anderen vorgebrachten Elemente Ihres Vorbringens und auch den eigentlichen Fluchtauslöser aus Afghanistan darstellen würde. Dies haben Sie jedoch nicht getan, und muss daher, neben den bereits angeführten unlogischen und gänzlich unglaubhaften Aspekten, die angeblich erfolgte Entführung als bloße Vorbringenssteigerung angesehen werden.

Betreffend die Ihnen angeblich drohenden Verfolgung durch die Familie der XXXX haben Sie unter anderem als Beweismittel eine Facebookkonversation mit dem Bruder der XXXX , XXXX , vorgelegt. Sie gaben dazu an, daraus wäre eine Todesdrohung Ihnen gegenüber zu ersehen. Tatsächlich ist nach Übersetzung nur eine schwere Beleidigung Ihrer Person zu erkennen, und lässt sich für die Behörde aus den Worten "Ficke die Fotze deiner Mutter, du Sohn einer Hure, du Ehrloser. Schade dass du fort bist." keine Todesdrohung erkennen. Zudem ist anzumerken, dass Sie offensichtlich mit einem neuen Account und von sich aus Kontakt mit dem Bruder der XXXX aufgenommen haben, um ihm zur Hochzeit zu gratulieren. Dem Chatverlauf ist zwar zu entnehmen, dass XXXX einen XXXX kennt und gegen diesen offensichtlich aufgrund eines nicht ersichtlichen Grundes Beleidigungen ausstößt, eine tatsächlich gegen Sie gerichtete eindeutige und glaubhafte Todesdrohung lässt sich daraus nicht ableiten. Selbst wenn der Bruder der XXXX aus den von Ihnen angegeben Gründen, also der gemeinsamen Reise mit XXXX nach XXXX , und gemeinsam mit seinem Vater wegen der vermeintlichen Verletzung der Familienehre gegen Sie Groll hegen würde, kann aufgrund der vorher aufgezeigten Umstände keine asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung für Sie daraus abgeleitet werden, zudem Ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht.

Nicht glaubhaft erscheint es auch, das Sie einerseits angeben, auch hier Angst vor der Macht des Generals XXXX haben, da dieser mit seinem Geld auch hier einen Mord in Auftrag geben könnte, aber andererseits trotzdem von sich aus Ende April 2017 Kontakt mit seinem Sohn aufnehmen, um diesem zur Hochzeit gratulieren zu können. Darin ist eindeutig Ihr Versuch zu erkennen, dieser Konversation einen Nachweis für eine intensive Bedrohung herauslocken zu können. Nachvollziehbare Gründe für die Beleidigungen des XXXX Ihnen gegenüber sind damit aber nicht zutage gekommen, und könnten genauso gut gänzlich andere Ursachen haben als die von Ihnen angegebenen.

Wenn es tatsächlich eine intensive und asylrelevante Verfolgung durch die Familie der XXXX gegeben hätte, dann wäre davon auszugehen, dass auch Ihre nach wie vor in XXXX lebende Familie Probleme mit dem einflussreichen General XXXX gehabt hätte, seit Sie im Oktober 2015 Afghanistan verlassen haben. Dies haben Sie jedoch eindeutig verneint, indem Sie selber angegeben haben, via Telefon und Internet Kontakt mit Ihrer Familie zu haben und es ihr gut gehen würde.

In Zusammenschau der oben angeführten Umstände geht die Behörde davon aus, dass Sie, aufbauend auf Ihre Dienstzeit als Polizist und mit Bezug auf tatsächlich existierende Personen, ein fiktives und übersteigertes Fluchtvorbringen ersonnen haben und mit dem Wunsch nach Migration nach Europa gekommen sind.

5. Gegen den angeführten Bescheid der belangten Behörde erhob der im Verfahren vertretene Beschwerdeführer fristgerecht die vorliegende Beschwerde in vollem Umfang. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst vor, dass er angegeben habe, vom namhaft gemachten General verfolgt zu werden und habe er auch Fotos vorgelegt, wo er neben dem General sitze. Laut Internetrecherche des Bundesamtes sei dieser XXXX . Durch das vorgelegte Foto sowie ein weiteres Video habe der Antragsteller ein Naheverhältnis zum General bewiesen. Es gebe also zahlreiche Belege dafür, dass die beiden einander bekannt gewesen seien.

Im Weiteren wurde auf vorliegende Länderinformationen verwiesen wonach "gemeinsames Weglaufen" Racheaktionen auslösen könne. Im Weiteren werde unter anderem in einer ACCORD-Anfrage darauf verwiesen, was unter Ehre der Frauen in einer Familie gemeint sei sowie im zweiten Teil sei die weitverbreitete Korruption afghanischer Sicherheitsbehörden und deren mangelnde Schutzfähigkeit bzw.- willigkeit ausgeführt. Überdies wurde auf folgende Informationen verwiesen, die eine in Afghanistan tatsächlich bestehende Korruption im Rahmen des Militärapparates belegen.

Im Weiteren wurde auf die UNHCR-Richtlinien zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 verwiesen. Zur Fragestellung der Rückkehr afghanischer Asylsuchender wurde ausgeführt, dass gemäß vorliegender Berichte (Human Rights Watch, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylmagazin 3/2017, Frederike Stahlmann etc.) ein Überleben bei der Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar erscheine. Im Weiteren wurde auf die Lage in Kabul Bezug genommen und zentral ausgeführt, dass aufgrund der immensen Wanderungsbewegungen von intern Vertriebenen und Rückkehrern die afghanischen Großstädte belastet seien. Hauptzielort der größten Rückkehrbewegungen der Geschichte Afghanistans sei Kabul. Seit 2001 sei die Einwohnerzahl von 500.000 auf geschätzte 5-7 Millionen Einwohner angewachsen ohne, dass der Aufbau der Infrastruktur auch nur annähernd damit hätte Schritt halten können. Eine humanitäre Katastrophe sei mit derzeit verfügbaren Mitteln nicht abzuwenden. Im Einzelnen wurde auf einen Bericht von Frederike Stahlmann zur Situation am Wohnungsmarkt, am Arbeitsmarkt und zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage verwiesen.

Im Einzelnen wurde mangelnde Beweiswürdigung gerügt; einerseits zur Verfolgung: So habe der Antragsteller ein Naheverhältnis zu dem von ihm namhaft gemachten General durch Beweismittel belegt. Weiters sei es laut Bundesamt widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer durch den genannten General zum Verlassen der Streitkräfte gezwungen worden sei und er dann später jedoch wieder für eine namhaft gemachte Person der offizielle Vertreter des Innenministeriums gewesen sei. In diesem Zusammenhang habe der Antragsteller nicht erwähnt, dass dies eine offizielle Position dargestellt habe. Auf die bezughabende Erklärung sei das Bundesamt nicht eingegangen. Außerdem habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er vermute, dass sein Bruder deshalb vergiftet worden sei, weil ihn jener General immer noch suche. Laut Bundesamt würden überdies die Zeitangaben über einen größeren Zeitraum hinweg nicht zusammenstimmen. Da diese Daten allerdings nur geschätzt seien und der Antragsteller auch keinen genauen Zeitpunkt angegeben habe, sei dies unschlüssig. Laut Bundesamt sei es auch nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller seine dreiwöchige Entführung erst nach Rückübersetzung vorgebracht habe. Dafür könne es viele Erklärungen geben. Der Beschwerdeführer gebe an, dass er nicht den Eindruck gehabt habe, dass genug Zeit dafür sei. Außerdem habe der Beschwerdeführer bei der Einvernahme in chronologischer Reihenfolge erzählt und er sei auch mehrfach unterbrochen worden. Da er die Entführung erst am Ende des Fluchtvorbringens gestanden habe, sei diese untergegangen. Weiters sei erwähnt, dass der Antragsteller ja mehrfach unterbrochen worden sei, was ihn überdies aus dem Konzept gebracht habe und sei ihm dies erst bei Rückübersetzung aufgefallen. Im Weiteren nehme das Bundesamt auf den vorgelegten Auszug aus Facebook bezogen, woraus keine Todesdrohung erkennbar sei. Aus dem Verlauf des Textes (dargestellt) sei jedoch offensichtlich, dass gemeint sei, dass man ihm bei Rückkehr etwas antun wolle.

Der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung weder seine Verlobte (namentlich genannt), noch den Tod seines Bruders erwähnt. Laut Bundesamt würde ein Asylwerber aber derartig emotionale Sachverhalte in der Erstbefragung erwähnen. Das Bundesamt berücksichtige damit die konkrete Situation bei der Erstbefragung nicht und verwerte die Erstbefragung damit unreflektiert. So habe der Dolmetsch dem Beschwerdeführer gesagt, er solle sich kurzhalten, weshalb er nichts von der Bedrohung habe erzählen können. Außerdem sei ihm mitgeteilt worden, er habe bei der Einvernahme noch die Chance seine Fluchtgründe genau zu erzählen.

Die Angehörigen des Beschwerdeführers seien immer noch im Herkunftsort (genannt) aufhältig und könnten den Beschwerdeführer weder in Kabul noch in Mazar e-Sharif unterstützen. Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller seinen Dienst jedoch quittiert habe, sei auch eine Rückkehr zu bestanden habenden Kontakten seiner beruflichen Laufbahn nicht so einfach. Im Weiteren wurde auf die prekäre Sicherheitslage in Kabul Bezug genommen; dies anhand vorliegender Informationen. Auch könne sich der Antragsteller nicht mehr auf das soziale Netz seiner Familie verlassen. Dem Antragsteller stehe auch keine Rückkehrmöglichkeit nach Herat offen. So komme es dort regelmäßig zu Sicherheitsvorfällen auf schiitische Moscheen und habe sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert. Im Zusammenhang zu Spruchpunkt II. wurde auf die Bewertung des Begriffes der Zumutbarkeit für den Fall der Rückkehr verwiesen bzw. auf den Begriff des in der bezughabenden Statusrichtlinie normierten unionsrechtlichen Terminus des "ernsthaften Schadens".

6. Am 11.04.2018 fand in der vorliegenden Rechtssache eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Verlauf der Einvernahme des Beschwerdeführers stellt sich wie nachstehend dar:

Die Einvernahme beginnt um 10:00 Uhr.

RI: Was ist Ihre Volksgruppenzugehörigkeit und Ihre Muttersprache?

BF: Ich spreche Dari und bin Tadschike. Ich möchte sagen, dass ich Unterlagen mitgebracht habe. Ich lege vor, meinen Originalführerschein inklusive Beilagenkarte sowie die beglaubigte Übersetzung sowie eine Schulbesuchsbestätigung des Gymnasiums XXXX (Bestätigung für das Sommersemester 2018).

RI: Sind Sie täglich in dieser Schule?

BF: Ja.

RI: Können Sie dem Unterricht in Deutsch folgen?

BF: Ja.

RI: Über welche Schulbildung in Ihrem Herkunftsland verfügen Sie?

BF: 1389 habe ich die Matura in XXXX in der Schule XXXX abgeschlossen.

RI: Ich habe sehr intensiv das Protokoll des BFA studiert und Ihr Aussage. Also kenne ich grundsätzlich Ihre Geschichte und möchte ich heute auf einige zentrale Punkte eingehen. Berichten Sie mir von Ihrer beruflichen Tätigkeit der letzten fünf Jahre vor der Ausreise.

BF: XXXX war ich Polizist.

RI: Was haben Sie davor beruflich gemacht?

BF: Ich war Schüler.

RI: Bei welcher Polizei sind Sie genau beschäftigt gewesen?

BF: Ich war bei der "normalen" Polizei. Ich habe meine Unterlagen bereits vorgelegt.

RI nimmt Einsicht in die Farbkopien inklusive Übersetzung.

RI: Welche Dienstgrade haben Sie durchlaufen?

BF: Ich habe 24 Stunden mit General XXXX gearbeitet.

RI: Nein, ich meine welche Dienstgrade bzw. Dienstränge haben Sie durchlaufen bzw. welchen Rang hatten Sie beispielsweise bei Aufnahme?

BF: Von 1389 bis 1392 war ich " XXXX " und von 1392 bis 1394 " XXXX

".

RI: Ich beziehe mich auf eine dem Internet entnommene Auflistung der Dienstgrade und kann ich den von Ihnen genannten Dienstgrad nicht erkennen. Können Sie mir vielleicht grundsätzlich beispielsweise alle Unteroffiziersränge und Offiziersränge der dortigen Polizei aufzählen?

BF: Ich kann Ihnen die Sterne oder Dienstgrade an der Schulterklappe aufzeichnen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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