Entscheidungsdatum
13.05.2019Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I416 1308125-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 23.11.2006, Zl. XXXX, abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin für zulässig erklärt und diese aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.03.2011, Zl. A13 308.125-1/2008/8E, abgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin heiratete am XXXX2011 in XXXX, Ungarn, einen ungarischen Staatsangehörigen.
3. Ein weiterer Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 28.03.2012 wurde mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 20.11.2012 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.02.2013, Zl. A13 308.125-2/2012/6E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen.
4. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nach. Die Beschwerdeführerin kam in Folge ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach und entzog sich wiederholt aufenthaltsbeendenden Maßnahmen.
5. Am 20.06.2017 stellte sie einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - Familiengemeinschaft.
6. Mit Schreiben vom 08.09.2017 setzte die Magistratsabteilung 35, Amt der Wiener Landesregierung, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung in Kenntnis. Die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung seien erfüllt, jedoch werde aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Absatz 3 NAG um Überprüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung wegen Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ersucht. Mit Schreiben vom 11.09.2017 erklärte die belangte Behörde, dass aus ihrer Sicht keine Bedenken gegen die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestehen.
7. Am 09.09.2018 wurde ein nigerianischer Reisepass der Beschwerdeführerin, ausgestellt am 05.08.2014 von der Nigerianischen Botschaft Wien sowie ein spanischer Aufenthaltstitel für Familienangehörige, lautend auf die Beschwerdeführerin und gültig bis zum 03.07.2019, von der LPD Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, gemäß § 39 BFA-VG sichergestellt. Die damalige Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin ersuchte das BFA mit Schreiben vom 10.09.2018 um Übergabe von Reisepass und Visum der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin lebe seit vielen Jahren in der EU und sei in aufrechter Ehe mit einem ungarischen Staatsangehörigen. Ein Antrag auf Ausstellung einer österreichischen Aufenthaltskarte sei gestellt worden und werde positiv erledigt werden.
8. Mit der Begründung, dass die Bezugsperson der Beschwerdeführerin seit dem 27.02.2018 keiner Arbeit mehr nachgehe und somit die Voraussetzungen gem. § 51 NAG nicht mehr gegeben seien, erging von Seiten der belangten Behörde am 12.09.2018 die Mitteilung, dass nunmehr ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung geführt werde.
9. Im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme räumte das BFA der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.09.2018 Parteiengehör zur in Aussicht genommenen Erlassung einer Ausweisung binnen zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens ein.
10. Am 16.10.2018 langte eine rechtzeitige Stellungnahme der damaligen Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde ein. Es wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Ausweisung der Beschwerdeführerin aus Österreich nicht vorliegen. Diese sei bereits seit dem Jahr 2011 mit einem EU-Bürger verheiratet. Die Ehe sei über ein Jahr hindurch in Österreich geführt worden und bestehe weiterhin. Auch wenn der Ehemann unter der Woche aus beruflichen Gründen abwesend sei, komme er an jedem Wochenende zur Beschwerdeführerin in die gemeinsame Wohnung zurück. Es liegen aufgrund der Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten auch ausreichende finanzielle Mittel und eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung vor. Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten bestehe daher weiterhin und schon deshalb liege keine Grundlage für eine Ausweisung aus Österreich vor. Selbst wenn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des Ehegatten nicht mehr vorliegen würde, behielte die Beschwerdeführerin dieses gemäß § 54 NAG schon deshalb, da die Ehe seit dem Jahr 2011 und somit seit deutlich mehr als drei Jahren bestehe und für die Dauer von mehr als einem Jahr auch in Österreich geführt worden sei. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin über eine gültige Aufenthaltsberechtigung in Spanien verfüge und somit nach § 52 Abs. 6 FPG vorzugehen sei. Hierfür benötige die Beschwerdeführerin ihren Reisepass und ihre Aufenthaltskarte aus Spanien.
11. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 13.11.2018, Zl. XXXX, wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) iVm § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
12. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung mit Schreiben vom 14.12.2018 rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Beschwerdeführerin sei eine begünstigte Drittstaatsangehörige. Sie sei mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet und habe das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht erworben. Sie sei selbsterhaltungsfähig, habe ein eigenes Geschäft und eine umfassende Sozialversicherung. Der Umstand, dass ihr Ehemann gegenwärtig nicht im Bundesgebiet wohne, ändere am Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin nichts. Gemäß § 52 Abs. 2 NAG ändere der Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers das Aufenthaltsrecht seines Angehörigen nicht.
Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid des BFA ersatzlos beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen, sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen.
13. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.12.2018 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person und zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin:
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Ihre Identität steht fest.
Sie reiste spätestens im Jahr 2005 erstmals illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.03.2011 rechtskräftig in zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen wurde.
Ein Folgeantrag der Beschwerdeführerin vom 28.03.2012 wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.02.2013 rechtkräftig in zweiter Instanz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nach, tauchte unter und stellte am 20.06.2017 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - Familiengemeinschaft, den sie auf eine am XXXX2011 in Ungarn mit einem ungarischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe stützte.
Die Beschwerdeführerin ist im Besitz einer spanischen Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers "FAMILIAR CIUDADANO DE LA UNION", gültig bis 03.07.2019.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist kein unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger im Sinne des § 51 NAG. Er war lediglich von 01.06.2017 bis 27.02.2018 als geringfügig beschäftigter Angestellter gemeldet und geht keiner Beschäftigung im österreichischen Bundesgebiet nach. Von 07.04.2017 bis 28.01.2019 bestand ein gemeinsamer Wohnsitz der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten im Bundesgebiet. Die belangte Behörde erließ am 19.11.2018, Zl. XXXX, eine Ausweisung gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin. Sein derzeitiger Aufenthalt ist nicht feststellbar. Er ist seit dem 29.01.2019 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet gemeldet und am 31.01.2019 wurde gegen ihn ein Festnahmeauftrag zur Durchsetzung und Effektuierung der Ausreiseentscheidung erlassen.
Somit sind die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Österreich nach dem Unionsrecht nicht erfüllt. Dadurch kann auch die Beschwerdeführerin kein Aufenthaltsrecht mehr von ihm ableiten und kommt ihr keine Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Die Beschwerdeführerin ist seit 27.06.2018 als gewerblich selbstständig Erwerbstätige gemeldet. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer fortgeschrittenen Integration in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem zentralen Fremdenregister (IZR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde sowie auf dem vorliegenden nigerianischen Reisepass Nr. XXXX der Beschwerdeführerin, ausgestellt am 05.08.2014 von der nigerianischen Botschaft in Wien.
Die Feststellung zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, zu ihren beiden negativ entschiedenen Anträgen auf internationalen Schutz, zum am 20.06.2017 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - Familiengemeinschaft und zu ihrer Ehe zu einem ungarischen Staatsangehörigen ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, sowie dem Schreiben der MA 35, Amt der Wiener Landesregierung, vom 08.09.2017.
Die Feststellung zu ihrem spanischen Aufenthaltstitel ergibt sich aus der dem Akt inneliegenden Kopie der Aufenthaltskarte (AS 238,239).
Auch zum Ehemann der Beschwerdeführerin wurden Auszüge aus dem ZMR, IZR und dem AJ-Web eingeholt. In Zusammenschau mit dem Verwaltungsakt ergeben sich daraus die Feststellungen zum Nicht-Bestehen eines Wohnsitzes oder eines Beschäftigungsverhältnisses im Bundesgebiet, zur Nicht-Feststellbarkeit seines derzeitigen Aufenthaltes, sowie zur gegen ihn erlassenen Ausweisung.
Wie in der rechtlichen Würdigung zu zeigen sein wird, ist der Ehemann der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung dieser Feststellungen zu seiner Person nach aktueller Rechtslage kein unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger im Sinne des § 51 NAG. Aus diesem Grund kann auch die Beschwerdeführerin kein Aufenthaltsrecht mehr von ihm ableiten und war die Feststellung zu ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu treffen.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
Dass die Beschwerdeführerin über kein soziales Umfeld im Bundesgebiet verfügt, keine familiären Anknüpfungspunkte oder private Beziehungen hat und auch keine relevante Integration aufweist ergibt sich aus ihren Angaben in der Stellungnahme vom 16.10.2018 und dem Verwaltungsakt. Die Beschwerdeführerin brachte weder vor der belangten Behörde, noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben vor, welche die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht rechtfertigen würden.
Die Feststellung bezüglich ihrer Beschäftigung ergibt sich aus ihrer Stellungnahme vom 16.10.2018 sowie der eingeholten AJ-WEB Auskunft.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Zur anzuwendenden Rechtslage:
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des § 2 Abs. 4 Z 11, § 66 und § 70 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018, lauten:
"Begriffsbestimmungen
§ 2 (4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich ihre unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;
Ausweisung
§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) ..."
Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub
§ 70 (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 51, 52 Abs. 1 Z 1, 54 und 55 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:
"Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate
§ 51 (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2-3) ...
Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern
§ 52 (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
(...)
(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.
(3-5) ...
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers
§ 54 (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) ...
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."
Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate
§ 55 (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
3.1.3 Der mit "Schutz des Privat-und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3-6) ...."
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides
3.2.1 Zur Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)
Im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde.
Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass die Voraussetzungen für eine Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet vorliegen.
Die Beschwerdeführerin ehelichte am XXXX2011 einen ungarischen Staatsangehörigen, mit dem von 07.04.2017 bis 28.01.2019 ein gemeinsamer Wohnsitz im Bundesgebiet bestand und der von 01.06.2017 bis 27.02.2018 als geringfügig beschäftigter Angestellter gemeldet war.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist jedoch kein unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger im Sinne des § 51 NAG. Er hat seine Beschäftigung aufgegeben und hat dadurch auf sein Freizügigkeitsrecht verzichtet. Die belangte Behörde erließ am 19.11.2018, Zl. XXXX, eine Ausweisung gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin. Er ist nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet und am 31.01.2019 erließ die belangte Behörde gegen ihn einen Festnahmeauftrag zur Durchsetzung und Effektuierung der Ausreiseentscheidung.
Nachdem die Beschwerdeführerin wie dargelegt nicht Ehefrau eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers ist, liegen die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Z 1 NAG nicht mehr vor - die Beschwerdeführerin kann kein Aufenthaltsrecht von ihrem Ehemann mehr ableiten. Somit kommt ihr kein Aufenthaltsrecht mehr zu und die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG sind gegeben.
Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass gemäß § 52 Abs. 2 NAG der Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers das Aufenthaltsrecht seines Angehörigen nicht berühren würde, so ist dem entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung nur für EWR-Bürger Anwendung findet. Im Falle der Beschwerdeführerin, die nigerianische Staatsbürgerin und somit Drittstaatsangehörige ist, gelten die restriktiveren Bestimmungen des § 54 NAG.
Auch eine mögliche Anwendbarkeit der § 54 Abs. 3 bis 5 NAG, mit denen Art. 12 und 13 der Richtlinie 2004/38/EG (auch Freizügigkeitsrichtlinie oder Unionsbürgerrichtlinie genannt) umgesetzt wird, ist zu verneinen.
Diese Bestimmung sieht eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechtes von Familienangehörigen, die Drittstaatsangehörige sind, bei Wegzug der Ankerperson nämlich nur für minderjährige Kinder bzw. für mit deren Obsorge betraute Elternteile vor.
Im Ergebnis kommt daher der Beschwerdeführerin aufgrund des Wegfalls der unionsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung ihres Ehemannes im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 NAG nicht mehr zu.
Zu der - in der schriftlichen Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 16.10.2018 zum Ausdruck gebrachten - Rechtsauffassung, der zufolge die Beschwerdeführerin über eine gültige Aufenthaltsberechtigung für Spanien verfüge und somit nach § 52 Abs. 6 FPG vorzugehen sei, ist folgendes anzumerken: Gemäß § 52 Abs. 6 FPG hat ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine begünstigte Drittstaatsangehörige. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde gegen sie keine Rückkehrentscheidung erlassen, sondern eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet. Somit kommt eine Anwendung des § 52 Abs. 6 FPG im vorliegenden Fall nicht in Frage, wobei anzumerken ist, dass dies im Zuge der Beschwerde ohnehin nicht mehr thematisiert wurde.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat-oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).
Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin spätestens seit der erfolgten Ausweisung ihres Ehemannes, der seit 28.01.2019 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist, über kein schützenswertes Familienleben mehr in Österreich.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin durch ihre Ausweisung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Die Beschwerdeführerin reiste spätestens im Jahr 2005 erstmals illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.03.2011 rechtskräftig in zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen wurde. Ein Folgeantrag der Beschwerdeführerin vom 28.03.2012 wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 18.02.2013 rechtkräftig in zweiter Instanz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sie kam ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nach, tauchte unter und stellte am 20.06.2017 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - Familiengemeinschaft, den sie auf eine im Jahr 2011 mit einem ungarischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe stützte.
Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin beruhte somit zum überwiegenden Großteil auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Von einer "Aufenthaltsverfestigung" allein aufgrund des bisherigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet kann schon deshalb keine Rede sein, weil sie sich spätestens seit rechtskräftigem Abschluss ihres ersten Asylantrages mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.03.2011 ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst war; ein allfälliges Privatleben, das erst nach diesem Zeitpunkt entstanden ist, verliert dadurch deutlich an Gewicht. (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).
Zudem war ihr bewusst, dass sich ihr Aufenthaltsrecht von jenem ihres Ehegatten mit ungarischer Staatsbürgerschaft ableitet. Spätestens seit Wegfall dieser Voraussetzungen und erfolgter Ausweisung ihres Ehegatten aus dem Bundesgebiet mit Bescheid vom 19.11.2018, Zl. XXXX, muss ihr neuerlich bewusst gewesen sein, dass ihr Aufenthaltsstatus nicht sicher ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin - laut rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.02.2013, Zl. A13 308.125-2/2012/6E - auch in Ungarn einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hat, welcher jedoch abgelehnt wurde, da es sich bei der von der Beschwerdeführerin mit dem ungarischen Staatsbürger eingegangenen Ehe um eine Scheinehe handeln würde.
Hinweise, dass die Beschwerdeführerin in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der ihren persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde, bzw. der der Dauer seines Aufenthaltes entsprechen würde, liegen nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist seit 27.06.2018 als gewerblich selbstständig Erwerbstätige gemeldet. Darüber hinaus bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer fortgeschrittenen Integration in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht. Dass sie familiäre Bindungen im Bundesgebiet oder enge private Kontakte zu ÖsterreicherInnen hat, wurde nicht vorgebracht.
Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit;
Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt;
Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit;
Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat;
arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit;
unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse;
Vereinsmitglied).
Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht hat sprachliche und kulturelle Verbindungen. Im gegenständlichen Fall kann nicht von einer vollkommenen Entwurzelung gesprochen werden.
Die Beschwerdeführerin ist zudem jung, gesund und arbeitsfähig. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sie außerhalb von Österreich ihren Lebensunterhalt bestreiten können sollte.
Bei einer Gesamtbetrachtung wiegen unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich.
Letztlich darf der Vollständigkeit ausgeführt werden, dass es der Beschwerdeführerin unbenommen bleibt, Ihrem Ehegatten an dessen derzeitigen Wohnort und Aufenthaltsstaat innerhalb der EU zu folgen, um ihr Familien- und Privatleben aufrechtzuhalten, sodass auch mit der getroffenen Ausweisung aus dem Bundesgebiet kein unverhältnismäßiger Eingriff in ihre Rechte gemäß § 8 EMRK erfolgt.
Daher war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.2.2 Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist bei Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten.
Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie - in Ermangelung einer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegenen raschen Ausreisenotwendigkeit - der Beschwerdeführerin eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von einem Monat erteilt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Im Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, hat sich der VwGH mit der Verhandlungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts auseinandergesetzt und im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt:
• Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen.
• Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
• In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt: Das BFA hat im vorliegenden Verfahren den Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Verfahren erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung vollinhaltlich an. In der Beschwerde wurde nur unsubstantiiert das Ergebnis des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bestritten, ohne allerdings den behördlichen Feststellungen substantiiert entgegenzutreten.
In Ansehung der §§ 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG konnte daher eine mündliche Verhandlung im konkreten Fall entfallen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A unter Punkt 3.2. wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthalt im Bundesgebiet, Aufenthaltsrecht, Ausweisung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I416.1308125.4.00Zuletzt aktualisiert am
18.10.2019