Entscheidungsdatum
22.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I409 2178270-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9/1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. November 2018, Zl. 16-1121069401-180829727, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 3. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Juli 2018 im Beschwerdewege als unbegründet abgewiesen wurde; zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Ägypten für zulässig erklärt.
Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb rechtswidrig im Bundesgebiet.
Am 3. September 2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, wobei keinerlei relevante Angaben zu seiner Integration vorgebracht wurden, welche nicht bereits in seinem mit 1. August 2018 rechtskräftig entschiedenen Asylverfahren und der diesbezüglich gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung gewürdigt worden wären.
Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 8. Oktober 2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis zum 29. Oktober 2018 ein gültiges Reisedokument im Original, eine Geburtsurkunde oder ein gleichzuhaltendes Dokument im Original oder einer Heirats- bzw. Scheidungsurkunde vorzulegen.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde bekannt, am 18. Oktober 2018 bei der ägyptischen Botschaft einen Reisepass beantragt zu haben, und er ersuchte, die Vorlagefrist um vier Wochen zu erstrecken.
Mit Ablauf der erstreckten Frist (und auch bis dato) kam der Beschwerdeführer dieser Aufforderung zur Vorlage der genannten Dokumente nicht nach.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 13. Juni 2018 gemäß "§ 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" zurück (Spruchpunkt I). Gemäß "§ 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen (Spruchpunkt II) und gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III). Letztlich wurde ihm gemäß "§ 55 Absatz 1 bis 3 FPG" eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von drei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
A) 1. Feststellungen
A) 1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, gesund und erwerbsfähig. Er ist Staatsangehöriger von Ägypten, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und koptischer Christ. Seit (mindestens) 3. Juli 2016 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf; er verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Familie, insbesondere seine Eltern und sein Bruder, lebt in Ägypten. Er steht nach wie vor in Kontakt mit seiner Familie.
Feststellungen zu seiner Identität - vor allem zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum - können nicht getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hat in Ägypten zwölf Jahre lang die Schule und vier Jahre eine Universität besucht, diese jedoch ohne Abschluss verlassen. Überdies hat er Berufserfahrung als Küchen- und Servicekraft im Bereich des Tourismus als auch als Hilfskraft in mehreren Supermärkten, welche seinen Eltern gehören.
Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 1. August 2018 illegal im Bundesgebiet auf. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt als Gesellschafter und Chefkoch einer Pizzeria und spricht Deutsch auf A2-Niveau. Er ist Mitglied der koptisch-orthodoxen Kirche in Österreich, für die er sich auch ehrenamtlich engagiert und er hat diverse Bekanntschaften geschlossen. Zudem unterstützt er einmal wöchentlich eine ältere Ägypterin mit österreichischer Staatsbürgerschaft bei alltäglichen Erledigungen.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
A) 1.2. Feststellungen zur Lage in Ägypten
Zur Lage in Ägypten werden folgende Feststellungen getroffen:
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 16.4.2018, Präsidentschaftswahlen in Ägypten (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)
Ägyptens autoritäres Staatsoberhaupt Abdel Fattah al-Sisi hat bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten [Anm.: die von 26. bis 28.3.2018 stattfand] nach Angaben der Wahlkommission 97,08% der gültigen Stimmen bekommen. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung in der vergangenen Woche habe 41,5% betragen, teilte die Kommission mit (TS 2.4.2018; vgl. DS 2.4.2018). Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen. Dieser kam auf 2,92% der Stimmen (DS 2.4.2018; vgl. TS 2.4.2018).
Quellen:
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DS - Der Standard (2.4.2018): Offiziell: Ägyptens Präsident al-Sisi klar wiedergewählt,
https://derstandard.at/2000077191005/Offiziell-Aegyptens-Praesident-al-Sisi-klar-wiedergewaehlt, Zugriff 16.4.2018
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TS - Tagesschau (2.4.2018): Präsidentenwahl in Ägypten - Al-Sisi bekommt 97 Prozent,
https://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-wahl-113.html, Zugriff 16.4.2018
Politische Lage
Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).
Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.
Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
Sicherheitslage
Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).
Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05..2017)
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.05.2017): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html, Zugriff 02.05.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).
In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).
Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Sicherheitsbehörden
Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen worden waren. Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn missliebige politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt.
Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Nach offiziellen Darstellungen handelt es sich um gerechtfertigte Tötungen, z. B. im Zusammenhang mit Widerstand bei der Festnahme oder der Verhinderung von Terroranschlägen. Es kommt zu willkürlichen Festnahmen und erzwungenem Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Information von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 15.12.2016).
Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden (AI 22.02.2017).
Beamte der National Security Agency folterten routinemäßig und gewaltsam Verdächtige mit wenig Konsequenzen. Viele der Gefangenen, die diese Missbräuche erlitten haben, wurden der Sympathie oder der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft bezichtigt, die die Regierung im Jahr 2013 als eine terroristische Gruppe einstufte, aber die größte Oppositionsbewegung des Landes geblieben ist (HRW 12.01.2017).
Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Zwang, körperlicher Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
-
HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
-
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um. Die Korruptionsbehörde der Regierung (CAA) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 03.03.2017).
Laut Corruption Perceptions Index 2016 befindet sich Ägypten auf Platz 108 von 176 Ländern (TI 25.01.2017)
Quellen:
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
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TI - Transparency International (25.01.2017): Corruption Perceptions Index 2016,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016#table, Zugriff 27.04.2017
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).
Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).
Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).
Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
-
HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Ombudsmann
Das Strafgesetzbuch sorgt für einen vernünftigen Zugang zu Gefangenen. Es gab keinen offiziellen Ombudsmann für Gefangene (USDOS 03.03.2017)
Quellen:
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist. Die Art und Weise des Einsatzes von Wehrpflichtigen folgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. So werden wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt. Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht nicht. Vom Bestehen inoffizieller Möglichkeiten des "Freikaufs" ist auszugehen. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt. Wehrdienstverweigerung wird mit Haftstrafen von im Normalfall bis zu zwei Jahren in Verbindung mit dem Entzug politischer Rechte und der Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, bestraft (AA 15.12.2016).
Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 03.03.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Allgemeine Menschenrechtslage
Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ägypten hat den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 15.12.2016).
Die Behörden gingen 2016 mit willkürlichen Massenfestnahmen gegen Demonstrationen und Kritik an der Regierung vor. Sie inhaftierten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Protestierende und beschnitten die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Hunderte Gefangene, die sich in Gewahrsam des nationalen Geheimdienstes befanden, wurden Opfer des Verschwindenlassens. Angehörige des nationalen Geheimdienstes und andere Sicherheitskräfte folterten und misshandelten Häftlinge. Sicherheitskräfte setzten bei regulären Polizeieinsätzen unverhältnismäßige tödliche Gewalt ein, in einigen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Es gab weiterhin grob unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten. Die Behörden leiteten weder angemessene Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen ein, noch zogen sie die Täter zur Verantwortung. Frauen wurden weiterhin Opfer von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Regierung unterdrückte nach wie vor religiöse Minderheiten und verfolgte Personen wegen "Diffamierung der Religion". Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung fest und stellten sie wegen "Ausschweifung" vor Gericht. Tausende Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten, die das Mittelmeer überqueren wollten, wurden festgenommen. Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt (AI 22.02.2017).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren ein übermäßiger Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Die Probleme bei den bürgerlichen Freiheiten beinhalten gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 03.03.2017).
Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend.
Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in Haftanstalten und auf Polizeistationen sowie von überlangen Haftzeiten unter widrigen Bedingungen ohne Anklage. Das Phänomen des Erzwungenen Verschwindenlassens nimmt in seinem Ausmaß weiter zu. Zudem können Zivilisten weiterhin für Straftaten gegen Einrichtungen der Streitkräfte der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden (AA 02.2017a).
Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 09.2016a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Meinungs- und Pressefreiheit
Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor.
Die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Kritische Stimmen finden in den Medien kaum Gehör - sei es in den direkt gesteuerten Staatsmedien oder in den privaten Medien, die durch Selbstzensur auf Regierungslinie berichten oder kommentieren. Nur einzelne Zeitungen und vor allem Onlineportale bieten kritischen Stimmen noch einen gewissen Raum. Insbesondere im Fernsehen wird fast alles ausgeblendet, was die offizielle Sicht in Frage stellt. Ein neues Anti-Terrorismusgesetz stellt einen tiefen Einschnitt in die professionelle Arbeit von Journalisten in Ägypten dar. Es schränkt ihre Recherchemöglichkeiten erheblich ein und entzieht ihnen die freie Wahl ihrer Quellen. Das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung wird mit empfindlichen Geldstrafen bedroht. Journalisten wurden im Berichtszeitraum wiederholt an freier Berichterstattung gehindert. Zahlreiche Journalisten befinden sich in Haft, viele ohne formelle Anklage. Besonders breite Aufmerksamkeit erregte das Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen den Sender Al Jazeera, dessen ägyptischer Ableger im August 2013 geschlossen worden war (AA 15.12.2016).
Die Behörden schränkten die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2016 drastisch ein, sowohl durch Gesetze als auch in der täglichen Praxis. Journalisten, Aktivisten und andere Personen mussten mit Festnahmen, strafrechtlicher Verfolgung und Gefängnisstrafen rechnen (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Redefreiheit und die der Presse vor, beinhaltet aber eine Klausel, wonach diese in Kriegszeiten oder anlässlich einer öffentlichen Mobilisierung einer begrenzten Zensur unterworfen werden kann. Die Regierung regulierte die Lizenzierung von Zeitungen und kontrollierte den Druck und die Verteilung der Mehrheit der Zeitungen, darunter private Zeitungen und die der oppositionellen politischen Parteien. Die Regierung beschränkte oder störte im Allgemeinen den Zugang zum Internet oder zensurierte Online-Inhalte nicht. Die Verfassung schützt das Recht auf Privatsphäre, auch im Internet. Die Verfassung sieht die Vertraulichkeit und die "Unverletzlichkeit" der postalischen, telegraphischen und elektronischen Korrespondenz vor (USDOS 03.03.2017).
Die Pressefreiheit ist in der Praxis eingeschränkt, Ägypten erreicht in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" für das Jahr 2016 den 159. von 180 Plätzen. Laut dem "Committee to Protect Journalists" ist in Ägypten die weltweit dritthöchste Zahl von Journalisten inhaftiert. Journalisten sind durch Verhaftung aufgrund von Vorwürfen wie der "Verbreitung falscher Informationen", durch Ausreiseverbote und politischen/wirtschaftlichen Druck auf Medienhäuser bedroht. Ein im Dezember 2016 verabschiedetes Gesetz über die Regulierungsgremien im Medienbereich zementiert eine weitgehende Kontrolle der Regierung über die Medienaufsicht. Auch ausländische Medien sind mit Anfeindungen und Ausweisungsdrohungen konfrontiert (AA 2.2017a).
Die Verfassung von 2014 hat in Ägypten nur auf dem Papier mehr Presse- und Meinungsfreiheit gebracht. Regierung und Justiz gehen systematisch gegen Medien mit Verbindungen zur oder Sympathien für die Muslimbruderschaft vor. Militärprozesse gegen Journalisten sind unverändert möglich. Reporter müssen mit Gewalt von Sicherheitskräften und Demonstranten rechnen, häufig werden sie von aufgebrachten Menschenmengen bedrängt. Willkürliche Festnahmen und Folter sind an der Tagesordnung. Selbstzensur ist verbreitet. Viele Medien ergreifen offen Partei für Armee und Regierung, nur wenige ägyptische Journalisten wagen Kritik. Ägypten befindet sich laut Reporter ohne Grenzen betreffend Pressefreiheit auf Platz 161 von 180 (ROG 2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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ROG - Reporter ohne Grenzen (2017): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/%C3%A4gypten/, Zugriff 02.05.2