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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §24 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 4, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Oktober 1996, Zl. 12/1218/56, 920/2353 251242, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (als Pensionsvorschuß), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vormals als Angestellte beschäftigte Beschwerdeführerin beantragte mit dem am 30. Juni 1994 ausgegebenen bundeseinheitlich aufgelegten Formblatt Arbeitslosengeld. Im Antrag wurde die Frage 8. nach einem eigenen Einkommen bejaht und die Art desselben mit "Witwenpension" angegeben.
Mit dem - verfahrensgegenständlichen - am 30. August 1995 ausgegebenen bundeseinheitlich aufgelegten Formblatt beantragte die Beschwerdeführerin Notstandshilfe als Pensionsvorschuß. In dem von der Beschwerdeführerin eigenhändig unterschriebenen Antragsformblatt wurde bei der Frage 8. ("Ich habe ein eigenes Einkommen") das für die Antwort "Nein" geltende Kästchen angekreuzt.
Mit dem am 29. August 1996 ausgegebenen Formblatt beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich Notstandshilfe als Pensionsvorschuß. Auch in diesem Antragsblatt wurde bei der Frage 8. das für die Antwort "Nein" geltende Kästchen angekreuzt. Diese Angabe wurde mit dem vom Prüfer verwendeten Rotstift auf "Ja" korrigiert.
Daraufhin sprach das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste mit Bescheid vom 25. September 1996 gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 AlVG aus, daß der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum 4. September 1995 bis 31. August 1996 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und verpflichtete gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 AlVG die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Betrage von S 95.025,--. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin habe verspätet gemeldet, daß sie eine Witwenpension beziehe. Die Rückforderung ihres Pensionsvorschusses auf Basis der Notstandshilfe im genannten Zeitraum ergebe den angeführten Betrag.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 2. Oktober 1996 führte die Beschwerdeführerin, soweit für die Beurteilung des Beschwerdeverfahrens von Bedeutung, wörtlich aus:
"Der Antrag vom 30.8.1995 auf Pensionsvorschuß wurde meiner Erinnerung nach von der zust. Sachbearbeiterin ausgefüllt u. von mir unterschrieben."
In einer Niederschrift vor der belangten Behörde am 16. Oktober 1996 gab die Beschwerdeführerin hiezu wörtlich an:
"Ich habe beim ersten Antrag am 30.6.1994 die Witwenpension ordnungsgemäß angegeben. Beim zweiten Antrag auf Pensionsvorschuß am 30.8.1995 hat die Bearbeiterin für mich den Antrag ausgefüllt und ich habe unterschrieben. Ich dachte, daß die Witwenpension fix im Computer gespeichert ist, da ich das ja schon im Jahre 1994 gemeldet habe."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen und Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, daß sie aufgrund der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin im Antrag die Frage über ein eigenes Einkommen verneint und dies mit ihrer Unterschrift bestätigt habe, zur Ansicht gelange, daß die Rückforderung zu Recht bestehe. Die Rückzählung habe in Monatsraten zu S 2.000,-- zu erfolgen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird der Bescheid im Umfang der Verpflichtung zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe angefochten. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Rückzahlung der vom 4. September 1995 bis 31. August 1996 empfangenen Notstandshilfe in der Höhe von S 95.025,-- verpflichtet zu sein, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin nur die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückforderung des Überbezuges, nicht jedoch den Widerruf der Notstandshilfe für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum (woraus sich der Überbezug in der ebenfalls unbestrittenen Höhe von S 95.025,-- ergibt) bekämpft.
Gemäß § 25 Abs. 1 i.V.m. § 38 AlVG ist der Empfänger der Notstandshilfe u.a. bei Einstellung und Widerruf der Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0183, vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0087, und vom 17. Oktober 1995, Zl. 94/08/0030) begründet nicht schon die objektiv unrichtige (den unberechtigten Bezug von Notstandshilfe herbeiführende) Verneinung einer relevanten Frage im Antragsformblatt die Rückersatzverpflichtung nach § 25 Abs. 1 AlVG wegen "unwahrer Angaben" oder "Verschweigung maßgebender Tatsachen"; schon die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "verschweigen" deutet nämlich auf eine subjektive Komponente hin, d. h. darauf, daß von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat.
Im vorliegenden Fall kannte die Beschwerdeführerin zweifellos den wahren Sachverhalt, nämlich den Bezug der Witwenpension. Sie hat - ebenso unstrittig - erkannt, daß sie diesen Bezug im Antragsformular angeben muß, und sie war dazu auch in der Lage.
Die belangte Behörde ging in ihren Feststellungen davon aus, daß die Beschwerdeführerin im Antrag die Frage über das eigene Einkommen verneint und dies mit ihrer Unterschrift bestätigt habe.
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, daß und gegebenenfalls weshalb sie vom Inhalt des ausgefüllten Antrages bei dessen Unterfertigung eine falsche Vorstellung gehabt habe, und auch die Beschwerde - in der, wie in der Folge dargestellt wird, das Unterbleiben einer Klärung dieser Frage gerügt wird - enthält kein Vorbringen, aus dem sich ableiten ließe, die Beschwerdeführerin hätte bei Unterfertigung des Antrages vom 30. August 1995 am 11. September 1995 aus bestimmten Gründen nicht erkannt, daß die Frage nach einem eigenen Einkommen darin ausdrücklich verneint wurde.
Die Beschwerdeführerin macht aber geltend, die belangte Behörde hätte die Umstände bei der Antragstellung klären müssen. Hiezu wäre es unbedingt erforderlich gewesen, die für die Beschwerdeführerin zuständige Beraterin des AMS als Zeugin zu vernehmen. Dies zum Beweis dafür, daß die Beschwerdeführerin das Antragsformular nicht eigenhändig ausgefüllt habe sowie daß die Beschwerdeführerin bereits anläßlich ihres Antrages auf Arbeitslosengeld vom 30. Juni 1994 angegeben habe, eine Witwenpension zu beziehen. Die Tatsache allein, daß die Beschwerdeführerin den Antrag unterschrieben habe, lasse keinesfalls den zwingenden Schluß zu, daß sie den Bezug einer Witwenpension verschwiegen habe.
Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Einerseits ist die Beschwerdeführerin auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen und andererseits darauf, daß es für die Frage, ob der Beschwerdeführerin die in dem von ihr unterschriebenen Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe enthaltenen Angaben zuzurechnen sind, gleichgültig ist, ob der Antrag von ihr selbst ausgefüllt wurde oder nicht. Da sie diese Angaben unterschrieben hat, muß sie sie auch als von ihr abgegeben gegen sich gelten lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0290). Es ist daher für die Zurechnung des Antragsinhaltes ohne Bedeutung, ob eine dritte Person, deren sich die Beschwerdeführerin bei der Ausfüllung des Formulares bedient hat, dies unrichtig getan hat.
Die Beschwerdeführerin hat im Antragsformular auch den auf Seite 3 enthaltenen Hinweis: "Ich bekräftige mit meiner Unterschrift die Wahrheit der auf diesem Formblatt gemachten Angaben und nehme zur Kenntnis, a) daß falsche Angaben oder die Verschweigung maßgebender Tatsachen durch die Nichtbeantwortung von Fragen die Einstellung und Rückforderung der bezogenen Leistungen bewirken, außerdem in solchen Fällen eine Geldstrafe verhängt oder eine Strafanzeige gegen mich erstattet werden kann, ..." unterfertigt.
Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, die Behörde hätte aufgrund ihrer erstmaligen Antragstellung Kenntnis von diesem Pensionsbezug gehabt, geht fehl. Nach den Bestimmungen des AlVG ist jede Antragstellung unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulares vorzunehmen. Diese Art der Antragstellung soll sicherstellen, daß durch eine gezielte, schriftliche, mit Erläuterungen in Form von Beispielsfällen versehene Befragung der Antragsteller möglichst alle für Grund und Ausmaß des Anspruches auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bedeutsamen Umstände erhoben werden. Die Angaben im Antragsformblatt sollen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0182) die zur Entscheidung über diesen Antrag auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung berufene Behörde in die Lage versetzen, ihrerseits aufgrund der im konkreten Antragsformblatt enthaltenen Angaben zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht. Die Behörde konnte von den klaren Angaben im Antrag ausgehen und bestand keine Veranlassung zur Prüfung, ob in einem allfälligen früheren Antrag davon abweichende Angaben gemacht worden seien.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Oktober 1998
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080352.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
17.06.2009