Entscheidungsdatum
22.05.2019Norm
BFA-VG §9Spruch
I408 2100800-2/9E
Schriftliche Ausfertigung des am 13.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX,
StA. NIGERIA, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland (BAE) vom XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu
Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 09.07.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztendlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.09.2014, W105 1406213/1/27E rechtskräftig abgewiesen und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen wurde (AS 805). Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung wies der Beschwerdeführer bereits fünf rechtskräftige Verurteilungen, vier davon wegen gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift, auf und befand sich in Haft
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ mit Bescheid vom 26.01.2016 eine Rückkehrentscheidung, aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung und verhängte gegen den Beschwerdeführer ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot.
3. Am 26.07.2016 heiratete der Beschwerdeführer eine in Österreich aufenthaltsberichtigte EU-Bürgerin, mit der seit XXXX eine gemeinsame Tochter hat.
4. Knapp zwei Monate später wurde er am 11.09.2016 neuerlich mit Suchtgift aufgegriffen und am 22.11.2016 zu einer Haftstrafe von 11 Monaten verurteilt.
5. Mit ho. Erkenntnis vom 18.01.2018, 2100800/1/21E wurde die Rückkehrentscheidung und das auf 10 Jahre befristete Einreiseverbot behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.
6. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 31.08.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer über seine bevollmächtigte Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.
8. Am 13.05.2019 fand vor dem Bundeverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.
9. Mit Schriftsatz vom 13.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
10. Zudem äußerte der Beschwerdeführer in einem irrtümlich an das Verwaltungsgericht Wien gerichtete Mail vom 13.05.2019 seinen Unmut über die mündlich verkündete Entscheidung und verwies darauf, dass der erkennende Richter bereits am 18.01.2018 in der gleichen Sache entschieden und er (gemeint der Beschwerdeführer) seither nichts mehr falsch gemacht habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und verfügt seit der Heirat mit einer in Österreich aufenthaltsberichtigte EU-Bürgerin am 26.07.2016 über einen bis 20.07.2021 befristeten Aufenthaltstitel als begünstigter Drittstaatsangehöriger.
Zuvor hielt sich der Beschwerdeführer seit 09.07.2006 aufgrund eines am 18.09.2014 rechtskräftig abgewiesen Antrages auf internationalen Schutz in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer wurde wiederholt strafffällig und insgesamt sechs Mal zu langen Haftstrafen verurteilt.
Am 30.12.2007 wurde er erstmals beim gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift aufgegriffen und mit Urteil des Landesgerichtes Wien vom 03.03.2008, XXXX, nach §§ 27 Abs. 1/1 und 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.05.2009, XXXX, erfolgte eine weitere Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift nach §§ 27 Abs. 1/1 (8. Fall) und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten.
Wegen schwerer Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 24.04.2011, XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Die Verurteilung erfolgte, weil der Beschwerdeführer seine damalige Lebensgefährtin und Mutter der beiden in St. Pölten lebenden Kindern im Wege einer Auseinandersetzung mit mehreren Faustschlägen schwer am Kopf verletzte und ihr einen Bruch der knöchernen Augenhöhle zufügte (AS 429).
Am 11.01.2012 erging mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom, XXXX, die nächste Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.03.2014, XXXX wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und 27 Abs. 3 SMG verurteilt, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten.
Und mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.11.2016, XXXX, erging wegen Verkauf von Suchtgift nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall SMG eine weitere Freiheitsstrafe von 11 Monaten. In diesem Fall wurde der Beschwerdeführer am 11.09.2019 beim Verkauf von Heroin an einem verdeckten Ermittler aufgegriffen (AS 1017).
Der Beschwerdeführer verbrachte fast 7 Jahre in Österreich in Haft.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich drei leibliche Kinder, zwei, geboren am XXXX und am XXXX, mit einer in St. Pölten lebenden österreichischen Staatsbürgerin, und eines, geboren am XXXX, mit einer EU-Bürgerin. Mit dieser ist er seit 26.07.2016 verheiratet, lebt aber von ihr seit seiner letzten Verhaftung am 11.09.2016 getrennt. Das Scheidungsverfahren läuft und ist noch nicht abgeschlossen.
Seit seiner Haftentlassung lebt der Beschwerdeführer in der Wohnung eines Freundes und weist seither Beschäftigungsverhältnisse als Leiharbeiter (04.12.2017 bis 23.02.2018, 15.03.2018 bis 25.04.2018, 12.07.2018 bis 16.08.2018, 18.02.2019 bis 26.04.2019) auf bzw. erhält Leistungen aus Arbeitslosenbezügen (01.03.2018 bis 14.03.2018, 28.04.2018 bis 13.02.2019) oder Notstand- bzw. Überbrückungshilfen (14.02.2019 bis 17.02.2019). Im Rahmen seiner Möglichkeiten leistet er Unterhalt, zuletzt im Ausmaß von € 505,75 für alle drei Kinder, und hat über das ihm zustehende Besuchsrecht regelmäßigen Kontakt zu ihnen.
Fünf der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers erfolgten nach der Geburt seiner ältesten Tochter und 3 nach der Geburt seiner jüngsten Tochter. Die strafgerichtliche Verurteilung wegen Körperverletzung am 24.04.2011 erging aufgrund eines körperlichen Angriffes auf die Mutter seiner in St. Pölten lebenden Kindern, mit der er zum Tatzeitpunkt zusammenlebte. Zwei Monate nach der Hochzeit mit der Mutter seiner ältesten Tochter wurde er neuerlich mit Suchtgift betreten und war vom 12.09.2016 bis 11.10.2017 in Haft.
Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache und hat am 22.10.2018 eine Deutsch-Prüfung auf Niveau B1 abgelegt.
Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen in Nigeria lebenden Angehörigen und besuchte sie 2018.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus den angeführten behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen, dem Verfahrensakt der belangten Behörde, den Angaben des Beschwerdeführers in den Einvernahmen durch die belangte Behörde und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den eingeholten Abfragen aus ZMR, Strafregister und Sozialversicherung und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen. Sie wurden mit dem Beschwerdeführer erörtert und von ihm auch nicht in Abrede gestellt.
Identität und Nationalität sind durch den gültigen Reisepass des Beschwerdeführers zweifelsfrei dokumentiert.
Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit 09.07.2006 in Österreich aufhält und sein damals beantragte Asylverfahren 2014 rechtskräftig abgewiesen wurde, ergibt sich aus dem Verfahrensakt und den im Verfahrensgang angeführten Erkenntnis.
Die Vaterschaft zu den 3 Kindern von zwei Müttern, seine Eheschließung 2016 und die Feststellung, dass er seit seiner Verhaftung zwei Monate nach der Eheschließung von seiner Ehefrau getrennt lebt und das Scheidungsverfahren läuft, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und den dazu vorgelegten Dokumenten. Die Kontakte zu seinen Kindern sind durch die vorgelegten Fotos in der mündlichen Verhandlung und ergeben sich auch aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen (AS 1342, 1342) sowie den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers
Die strafgerichtlichen Verurteilungen und die damit verbundenen Haftstrafen beruhen auf den Auszügen aus Strafregister- und ZMR, sind im Verfahrensakt der belangten Behörde dokumentiert, wurden mit dem Beschwerdeführer erörtert und von diesem in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Dass die Verurteilung wegen Körperverletzung sich aus einem Angriff gegen die Mutter seiner beiden in St. Pölten aufhältigen Kindern gründet, ist dem erkennenden Richter aus der Verhandlung vom 30.04.2015 (AS 955) bekannt und ergibt sich auch aus der polizeilichen Meldung vom 12.01.2011 (AS 429).
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Verantwortung und Unterhaltspflicht gegenüber seinen in Österreich lebenden Kindern weiterhin strafffällig geblieben ist, resultiert aus dem zeitlichen Ablauf der Verurteilungen. Das gilt auch für die Feststellung, dass ihn weder die wiederholten Verurteilungen noch die (erste) teilbedingte Haftstrafe oder eine teilbedingte (vorzeitige) Haftentlassung von der Begehung weiterer Straftaten abhalten konnte.
Dass der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung bei einem Freund wohnt, seither immer wieder als Leiharbeiter eine Beschäftigung findet, im Rahmen dieser Möglichkeiten Unterhalt leistet und Kontakte zu seinen Kindern aufgrund seines Besuchsrechtes als Vater bestehen, ergibt sich aus seinen Angaben und den dazu vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen. Die Beschäftigungszeiten ergeben sich aus dem vom erkennenden Richter eingeholten Sozialversicherungsauszug. Zu den geleisteten Unterhaltszahlungen ist anzuführen, dass trotz der geringen Höhe aus den vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass zumindest in Bezug auf seine in St. Pölten lebenden Kindern jeweils ein offener Saldo von jeweils über € 1.000, -- besteht.
Seine Deutschkenntnisse hat der Beschwerdeführer nicht nur in der mündlichen Verhandlung, sondern auch mit der Vorlage des Zertifikates Deutsch B1 unter Beweis gestellt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Kontakte zu seinen in Nigeria lebenden Angehörigen hat und diese 2018 auch besucht hat, ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zum Aufenthaltsverbot
Gemäß § 67 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und verfügt durch Heirat einer aufenthaltsberechtigten Unionsbürgerin seit 2016 einen Aufenthaltstitel als begünstigter Drittstaatsangehöriger. Er hält sich länger als 10 Jahre in Österreich auf, sodass ein Aufenthaltsverbot nur dann zulässig ist, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).
Der einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer wurde in Österreich fünf Mal wegen Drogendelikte und einmal wegen schwerer Körperverletzung an seiner Lebensgefährtin und Mutter von zwei seiner drei Kinder verurteilt. Die vom Beschwerdeführer über einen Zeitraum von neun Jahren (von 2007 bis 2016) verübten Straftaten sowie die von den Strafgerichten jeweils verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von insgesamt 7 Jahren zeigen, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal die letzten Straftaten knappe drei Jahre zurückliegen, er erst seit 11.20.2017 wieder auf freiem Fuß ist und somit der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen.
Auch die Art der Begehung und die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, sowohl die wiederholten Suchtgiftdelikte als auch die schwere Körperverletzung, zeugen unzweifelhaft von einer gravierenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers und daraus ableitbaren hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Überdies war zu berücksichtigen, dass den Beschwerdeführer weder bestehende Partnerschaften noch die Geburt seiner Kinder von der Begehung neuerlicher Straftaten abhalten konnten.
Die mehrfache einschlägige Vorstrafenbelastung, der rasche Rückfall trotz Vorliegens einer ergangenen Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem 10-jährigen Einreiseverbotes, und zwei Monate nach der Verehelichung mit der Mutter seiner ältesten Tochter, lassen eine Prognose für eine Tatwiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Änderung des persönlichen Verhaltens trotz des bereits mehrmals erlittenen Haftübels und der Sorgepflichten für drei minderjähriger Kinder nicht stattgefunden hat, sodass eine (erneute) Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann.
Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtgift- und Gewaltkriminalität, ist als sehr groß zu bewerten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).
Im gegenständlichen Fall ist auch zu berücksichtigen, dass sich der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers überwiegend auf einem unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz beruht und sich sein nunmehriger Aufenthaltsstatus nur aus der Verehelichung mit einer aufenthaltsberechtigten EU-Bürgerin ergibt, deren faktisches Bestehen schon zwei Monate später durch die neuerliche Straffälligkeit der Boden entzogen wurde, beide Ehepartner seither getrennt leben und ein Scheidungsverfahren läuft. Es zeigt, wie schon erwähnt, dass private Beziehungen keinen Einfluss auf ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers haben und es kommt deshalb seinen Versuchen, sich nunmehr als treusorgender Vater darzustellen, keine entscheidende Bedeutung zu.
Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).
Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich machen würde, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten erscheint.
Letztlich waren im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung allenfalls vorhandene familiäre oder private Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zu berücksichtigen:
Wie schon ausgeführt, haben den Beschwerdeführer weder die Beziehungen zu den beiden Müttern seiner drei Kinder noch seine, zwischenzeitlich (fast) 11, 10 und (fast) 8 Jahre alten Kinder von der Begehung weiterer Straftaten abhalten können. Statt sich um seine Kinder zu kümmern und Verantwortung für sie zu übernehmen, befand er sich in Haft. Der Beschwerdeführer lebt getrennt von seinen Kindern, die Beziehungen zu den beiden Müttern sind belastet, bei der einen durch die von ihm ihr zugefügten Körperverletzungen, bei der anderen durch das laufende Scheidungsverfahren. Die vom Beschwerdeführer bisher geleisteten Unterhaltszahlungen waren - wenn er nicht gerade in Haft war - abhängig von seinen jeweiligen Verdienstmöglichkeiten. Und diese waren in den letzten Jahren, schon aus den wiederholten Haftstrafen resultierend, selten vorhanden. Sein nunmehriger Versuch, sich als treusorgender Vater darzustellen, steht im krassen Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten und ist nicht glaubhaft. Zudem ist es dem Beschwerdeführer zumutbar, den Kontakt zu seinen Kindern über elektronische Medien aufrecht zu erhalten.
Bei Abwägung aller relevanten Umstände überwiegt somit das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.
Was die Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von 10 Jahren anbelangt, so hat sich diese aus folgenden Erwägungen als gerechtfertigt erwiesen:
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Ein Tatbestand des § 67 Abs. 3 FPG liegt hier nicht vor. Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 2 FPG sind - in Abgrenzung zu den in § 67 Abs. 3 FPG angeführten besonders qualifizierten Straftaten - auch strafbare Handlungen mit hohem Unrechtsgehalt und Strafen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung strafbarer Handlungen und der Einhaltung der Fremdenrechtsordnung massiv zuwidergelaufen. Die wiederholten massiven Straffälligkeiten im Suchtgiftbereich, die jeweils mit Haftstrafen geahndet und den Beschwerdeführer nicht von der Begehung neuerlicher, einschlägiger Straftaten abhalten konnten, und die begangene schwere Körperverletzung rechtfertigen das Ausschöpfen der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer von 10 Jahre.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das angeordnete Aufenthaltsverbot als rechtmäßig und die Dauer des Aufenthaltsverbotes als angemessen erwiesen haben, weshalb gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
3.2. Zur Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat erscheint es im Hinblick auf der derzeitigen persönlichen Situation des Beschwerdeführers vertretbar, ihm den für begünstigte Drittstaatsangehörigen vorgesehenen Durchsetzungsaufschub zu gewähren.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
aufenthaltsbeendende Maßnahme, Aufenthaltsverbot, befristetetesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2100800.2.00Zuletzt aktualisiert am
18.10.2019