Entscheidungsdatum
24.06.2019Norm
BBG §40Spruch
W133 2178732-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.11.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 20.04.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei dem Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie ein. In diesem Gutachten vom 03.11.2017 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Hüftgelenksarthrose links Wahl dieser Position, da vor allem eingeschränkte Rotationsfähigkeit
02.05.09
30
2
Nebennierenrindeninsuffizienz 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da medikamentös eingestellt und weitgehend stabil
09.01.01
30
3
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da Bandscheibenvorfall L4/L5 und Deckplattenimpressionen bei Osteoporose, jedoch kein neurologisches Defizit objektivierbar und geringgradige funktionelle Einschränkung
02.01.01
20
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein maßgebliches zusätzliches Leiden vorliege. Leiden 3 erhöhe nicht, da keine maßgebliche ungünstige Beeinflussung von Leiden 1 bestehe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mailschreiben vom 26.11.2017 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie zusammengefasst aus, sie leide an einem schweren und immer wieder lebensbedrohlichen Krankheitsbild eines iatrogenen Morbus Addison. Die Untersuchung durch die Sachverständige sei inadäquat gewesen. Sie sei von der Ärztin durch unsachgemäße Drehungen und Gelenksüberprüfungen in extreme Schmerzzustände gebracht worden, wodurch sich ihr Zustand verschlechtert habe. Sie habe sofort ihre Therapie verdoppeln müssen, um eine sich anbahnende Krisensituation abzuwenden. Der Blutdruck habe die zulässige Höchstschwelle überschritten. Sie sei gezwungen worden, ohne Gehhilfe aus dem Rollstuhl aufzustehen und eine Strecke von 6 Metern ohne Hilfsmittel zu absolvieren. Sie sei mit ihrem Mann zu dem Schluss gekommen, dass es für die Sachverständige eine kaum zu bewältigende Aufgabe darstelle, mehrere Informationen zugleich zu erfassen. Der Beschwerde legte sie ein Schreiben eines behandelnden Arztes bei.
Aufgrund der erhobenen Einwendungen veranlasste das Bundesverwaltungsgericht in weiterer Folge eine neuerliche medizinische Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt für Allgemeinmedizin. In diesem Gutachten vom 22.04.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Hüftgelenke 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Zustand nach Schenkelhalsfraktur links mit operativer Versorgung mit regelrechten anatomischen Sitz der Knochenfraktur bei jedoch gering veränderter Lage des Osteosynthesematerials mit insgesamt geringgradigen funktionellen Einschränkungen beider Hüftgelenke
02.05.08
30
2
Nebennierenrindeninsuffizienz 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös kompensierbar bei Fehlen wiederholter Entgleisungen sowie Fehlen rezenter intensivmedizinisch zu behandelnder Addison-Krisen
09.01.01
30
3
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz dieser Position, da bei bekanntem Bandscheibenvorfall in Höhe L4/5 sowie Wirbelkörpereinbrüchen bei Osteoporose mit lumboischialgieformer Symptomatik insgesamt geringgradige funktionelle Einschränkungen objektiviert werden können
02.01.01
20
4
Diabetes mellitus Typ II 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da erhöhter Langzeitzuckerwert dokumentiert
09.02.01
20
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, Leiden 2 stelle ein maßgebliches zusätzliches Leiden dar und erhöhe das führende Leiden 1 um eine Stufe. Das objektivierbare Ausmaß der funktionellen Einschränkungen des Wirbelsäulenleidens wirke mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammen und erhöhe nicht weiter. Auch wirke Leiden 4 mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise funktionell negativ zusammen und erhöhe nicht weiter. Eine Anämie sei medikamentös bzw. mittels Transfusion sowie Ernährungsmodifikation kompensierbar und erreiche keinen Behinderungsgrad. Der Sachverständige begründete seine Beurteilung ausführlich in dem Gutachten.
Mit Schreiben vom 10.05.2019 räumte das Bundesverwaltungsgericht beiden Parteien förmliches Parteiengehör zu dem aktuellen Gutachten ein.
Beide Parteien erstatteten keine Stellungnahme. Das aktuelle Gutachten wurde nicht bestritten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Sie brachte am 20.04.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Degenerative Veränderungen der Hüftgelenke bei Zustand nach Schenkelhalsfraktur links mit operativer Versorgung mit regelrechtem anatomischen Sitz der Knochenfraktur bei jedoch gering veränderter Lage des Osteosynthesematerials mit insgesamt geringgradigen funktionellen Einschränkungen beider Hüftgelenke;
2) Nebennierenrindeninsuffizienz, medikamentös kompensierbar bei Fehlen wiederholter Entgleisungen sowie Fehlen rezenter intensivmedizinisch zu behandelnder Addison-Krisen;
3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei bekanntem Bandscheibenvorfall in Höhe L4/5 sowie Wirbelkörpereinbrüchen bei Osteoporose mit lumboischialgieformer Symptomatik mit insgesamt geringgradigen objektivierten funktionellen Einschränkungen;
4) Diabetes mellitus Typ II, wobei ein erhöhter Langzeitzuckerwert dokumentiert ist.
Leiden 2 stellt ein maßgebliches zusätzliches Leiden dar und erhöht das führende Leiden 1 um eine Stufe. Das objektivierbare Ausmaß der funktionellen Einschränkungen des Wirbelsäulenleidens wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammen und erhöht nicht weiter. Auch wirkt Leiden 4 mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.
Eine Anämie ist medikamentös bzw. mittels Transfusion sowie Ernährungsmodifikation kompensierbar und erreicht keinen Behinderungsgrad.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v. H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.04.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Das von der Beschwerdeführerin erstattete Beschwerdevorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal der Sachverständige im Gutachten die erhobenen Einwendungen schlüssig und widerspruchsfrei entkräftet; diesbezüglich wird ebenfalls auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden im Gutachten vom 22.04.2019 durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.04.2019. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.
Die Beschwerdeeinwendungen beziehen sich zunächst auf die von der Beschwerdeführerin in Frage gestellte Qualifikation der von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen. Dazu ist festzuhalten, dass es sich bei dieser Gutachterin um eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie handelt, an deren Qualifikation und Unbefangenheit seitens des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel besteht. Auch seitens des Bundesverwaltungsgerichts wird diese Ärztin häufig mit medizinischen Begutachtungen im anzuwendenden Bereich des Behindertenrechts herangezogen. Trotz dieses Umstandes holte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der erhobenen Einwendungen nunmehr ein zusätzliches medizinisches Sachverständigengutachten ein, worin der Gutachter zusammengefasst - trotz Ergänzung des Diabetes-mellitus-Leidens - und unter ausführlicher Würdigung der Untersuchungsergebnisse und der erhobenen Einwendungen neuerlich zur Beurteilung eines Gesamtgrades der Behinderung von 40 % gelangt.
Führendes Leiden der Beschwerdeführerin sind degenerative Veränderungen der Hüftgelenke bei einem Zustand nach Schenkelhalsfraktur links mit operativer Versorgung mit regelrechtem anatomischen Sitz der Knochenfraktur bei jedoch gering veränderter Lage des Osteosynthesematerials. Da im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung insgesamt nur geringgradige funktionelle Einschränkungen beider Hüftgelenke objektiviert werden konnten (vgl. dazu den damit im Einklang stehenden Statusbefund im Gutachten) erweist sich die Einstufung eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung als nachvollziehbar und richtig.
Bei Abnützungen der Hüftgelenke sowie Zustand nach Oberschenkelbruch links belegen die Befunde eine regelrechte anatomische Stellung der Knochenverletzung bei jedoch gering veränderter Lage des Osteosynthesematerials. Kontrollen mit Überprüfung des Schraubenmaterials wurden empfohlen. Bei weiterer Lageänderung des Osteosynthesematerials ist auch ein Wechsel des Materials bzw. ein Hüftgelenksersatz aus ärztlicher Sicht möglich. Hinsichtlich der Mobilität liegen keine fachärztlichen Befunde vor, welche das medizinische Erfordernis eines Rollstuhles eindeutig dokumentieren. Die Einschätzung des Zustandes nach Oberschenkelbruch links sowie der Hüftgelenksveränderungen wurde entsprechend der objektivierbaren, insgesamt geringgradigen funktionellen Einschränkungen unter Position 1 korrekt nach der geltenden Einschätzungsverordnung vorgenommen.
Auch bezüglich des - von der Beschwerdeführerin primär in Beschwerde gezogenen - Leidens Nr. 2, der primären Nebennierenrindeninsuffizienz ("Morbus Addison"), erweist sich die vom Gutachter getroffene Zuordnung zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 09.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche endokrine Störungen leichten Grades betrifft, als nachvollziehbar und richtig. Mit Ausnahme des ärztlichen Befundberichtes des Krankenhauses der XXXX vom 20. Mai 2015 liegen keine Befunde vor, welche (lebensbedrohliche) Krisensituationen des Morbus Addison eindeutig dokumentieren. Rezente Befunde einer Hormon-Spezialambulanz sowie auch Kontrollbefunde bei Hormonstörung liegen nicht vor. Auch sind keine wiederholten notfallmäßigen Spitalseinweisungen bzw. erforderliche intensivmedizinischen Behandlungen nach Entgleisung befundbelegt. Weiters liegen auch keine Berichte vor, welche belegen, dass die Behandlung der Nebennierenrindeninsuffizienz aus ärztlicher Sicht erheblich erschwert bzw. mit Komplikationen behaftet sei. Eine Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison) ist mittels Kontrolle einer Spezialambulanz medikamentös kompensierbar. Mithilfe einer endokrinologischen Spezialambulanz ist es möglich, eine Nebennierenstörung adäquat zu behandeln, Komplikationen zu vermeiden und auch Beschwerden zu reduzieren. So können mögliche und im Zusammenhang mit der Nebennierenfunktionsstörung stehende Schmerzphasen bzw. Beschwerden mittels Therapieoptimierung sowie engmaschiger Überwachung adäquat behandelt werden. Erst mithilfe regelmäßiger fachärztlicher Kontrollen ist eine suffiziente Behandlung dieses Krankheitsbildes möglich. Kontrollen sind jedenfalls aus gutachterlicher Sicht angezeigt. Aktuell lässt sich kein "schweres lebensbedrohliches Krankheitsbild" (siehe Stellungnahme der BF) bei bekanntem Morbus Addison objektivieren.
Auch die Einstufung der Leiden Nr.n 3 und 4 im Gutachten erfolgte vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und Untersuchungsergebnisse nachvollziehbar und richtig.
Anlässlich der Untersuchung am 18.02.2019 wurden von der Beschwerdeführerin weitere Befunde vorgelegt, welche jedoch der Neuerungsbeschränkung unterliegen und daher vom Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden können.
Weder seitens der Beschwerdeführerin noch seitens der belangten Behörde wurde das aktuelle Gutachten vom 22.04.2019 bestritten.
Dass der Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende medizinische Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 22.04.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vollständige, schlüssige und widerspruchsfreie allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 22.04.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2178732.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.10.2019